Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.135,-- (darin S 1.522,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte vom Beklagten ursprünglich den Betrag von DM 36.629,46 sA oder dessen Gegenwert in österreichischen Schilling. Sie habe der C***** GmbH (im folgenden kurz: GmbH) 1990 vier Küchen zum Preis von DM 36.629,46 verkauft und geliefert. Gemäß Punkt 11 Abs 1 ihrer Allgemeinen Verkaufs-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen (im folgenden kurz: AGB) sei mit der GmbH Eigentumsvorbehalt vereinbart worden. Gemäß Punkt 11 Abs 2 der AGB sei die GmbH zum Weiterverkauf der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Küchen nach Eintritt von Zahlungsverzug nicht berechtigt gewesen. Alle der GmbH aus der Weiterveräußerung gegen Dritte entstehenden Forderungen seien an sie (Klägerin) abgetreten worden. Die GmbH sei zur Einziehung dieser Forderungen nach Eintritt von Zahlungsverzug nicht berechtigt gewesen. Sie (Klägerin) habe der GmbH die Küchen mit Rechnungen vom 15.10. und 12.11.1990 in Rechnung gestellt, welche unberichtigt aushafteten. Der Beklagte sei alleiniger Liquidator der GmbH gewesen. Die über den Eigentumsvorbehalt getroffenen Vereinbarungen seien ihm bekannt gewesen. Dessen ungeachtet habe er ohne entsprechende Genehmigung die in ihrem Eigentum stehenden Küchen verkauft und den Kaufpreis dem Geschäftsvermögen der GmbH zugeführt. Er habe dadurch gegen die ihn gemäß § 91 Abs 2 GmbHG als Liquidator treffende Verpflichtung, die unter Eigentumsvorbehalt stehenden Küchen zurückzubehalten und an die Klägerin herauszugeben, verstoßen. Er hafte wegen Verletzung eines Schutzgesetzes für den der Klägerin entstandenen Schaden. Nach Einholung eines Sachverständigengutachten zum Marktwert der Küchen schränkte die Klägerin ihr Begehren auf § 170.000,-- sA ein.
Der Beklagte wendete ein, die Klägerin habe der GmbH zwar Küchen zum vereinbarten Preis von DM 36.629,46 geliefert, doch sei Eigentumsvorbehalt nicht vereinbart worden. Ebensowenig habe die GmbH der Klägerin die Forderungen gegen Dritte aus einer allfälligen Weiterveräußerung abgetreten. Die Klägerin sei im November 1991 an ihn als Liquidator der GmbH mit dem Anspruch auf Berücksichtigung des Eigentumsvorbehaltes an den gelieferten Küchen herangetreten. In einem Telefonat vom 13.11.1991 habe er einem Herrn der Klägerin mitgeteilt, daß dieser ihm unverzüglich das Eigentumsrecht nachweisen müsse, weil er bereits mit 30.11.1991 das Geschäftslokal der GmbH räumen müsse. Es sei ihm zugesagt worden, den Nachweis unverzüglich zu erbringen, was jedoch nicht geschehen sei. Er habe das gesamte Inventar und Warenlager schätzen lassen. Es habe sich ein Gesamtwert von S 130.000,-- ergeben, wobei als Liquidationswert auf die gegenständlichen Küchen ein Betrag von S 40.000,-- entfallen sei. Im Hinblick auf den von der Klägerin nicht erbrachten Eigentumsnachweis habe er aus Gründen der Schadensminderung wegen des enormen Mietzinses alle Fahrnisse raschest liquidieren müssen und habe sie daher mit 19.11.1991 zum Schätzwert verkauft. Die Erlöse aus der Veräußerung des Inventars und des Warenlagers seien nach Konkursgrundsätzen verteilt worden. Über das Vermögen der GmbH sei in der Folge das Konkursverfahren eröffnet, dann aber mangels kostendeckenden Vermögens wieder eingestellt worden. Ihm sei kein Verschulden anzulasten. Selbst wenn mit der GmbH ein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden wäre, wäre er berechtigt gewesen, einen diesbezüglichen Nachweis zu fordern. Die Klägerin treffe ein beträchtliches Mitverschulden, weil sie den von ihr beanspruchten Eigentumsvorbehalt nicht früher und vor allem nicht in der Form wahrgenommen habe, daß sie die Rückgabe der gelieferten Küchen gefordert habe.
Das Erstgericht gab dem eingeschränkten Klagebegehren statt. Es ging hiebei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Die GmbH hatte bei der (Gesamt-)Rechtsvorgängerin der Klägerin 1990 Küchen bestellt. Auf den von der GmbH verwendeten Auftragsformularen der Verkäuferin befand sich der Aufdruck "Die Erledigung obigen Auftrages erfolgt zu unseren umseitigen Verkaufs-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen", welche jeweils auf der Rückseite der Auftragsformulare abgedruckt waren. Die Geschäftsbedingungen der Klägerin lauteten unter anderem wie folgt:
"Eigentumsvorbehalt.
1. Die von uns gelieferte Ware bleibt unser Eigentum, bis der Käufer alle Forderungen, die bereits entstanden sind und künftig entstehen werden, bezahlt hat (erweiterter Eigentumsvorbehalt als Saldohaftungs- bzw Kontokorrentvorbehalt).
2. Der Käufer ist jedoch berechtigt, solange er nicht in Zahlungsverzug geraten ist, die unter Vorbehalt gelieferte Ware in seinem ordnungsgemäßen Geschäftsgang weiterzuveräußern. Er tritt schon jetzt alle ihm aus der Weiterveräußerung gegen Dritte zustehenden Forderungen in Höhe des zwischen dem Käufer und uns vereinbarten jeweiligen Fakturenwertes an uns ab (verlängerter Eigentumsvorbehalt). Anderweitige Abtretungen sind unzulässig. Zur Einziehung dieser Forderungen bleibt der Käufer, solange er nicht in Zahlungsverzug geraten ist, berechtigt. Der Käufer ist jedoch verpflichtet, uns alle Unterlagen herauszugeben und die Namen seiner Abnehmer bekanntzugeben, damit wir in der Lage sind, die Forderung selbst einzuziehen; insbesondere ist der Käufer verpflichtet, seinen Abnehmern die Abtretung offenzulegen. ....
7. Ist der Käufer in Zahlungsverzug, so sind wir berechtigt, die Vorbehaltsware zurückzunehmen; in der Zurücknahme liegt nur dann ein Rücktritt, wenn wir dies ausdrücklich schriftlich erklären."
Auch die an die GmbH gesandten Auftragsbestätigungen, Lieferscheine und Rechnungen enthielten jeweils einen Hinweis auf die auf ihrer Rückseite abgedruckten AGB der Verkäuferin. Die von der Verkäuferin gelegten Rechnungen wurden bislang nicht bezahlt.
Der Beklagte war 1991 Liquidator der GmbH. Er leidet unter einer Augenerkrankung, weshalb er sich die Geschäftsunterlagen der GmbH vorlesen lassen mußte.
Am 26.7.1991 richtete die Verkäuferin ein Schreiben an die Rechtsanwälte der GmbH, in welchem sie den Wert der gelieferten Musterküchen unter Berücksichtigung einer 50 %igen Wertminderung mit DM 18.314,73 angab und um Bestätigung ersuchte, daß die Küchen separiert eingelagert würden. Am 3.9.1991 richtete der Geschäftsführer der GmbH ein Schreiben an die Verkäuferin, in welchem er um Abholung der Musterküchen und Gutschrift der ursprünglich vereinbarten Verkaufssumme ersuchte. Die Anwälte der GmbH stellten in ihrem an die Verkäuferin gerichteten Schreiben vom 11.9.1991 in Aussicht, daß bereits nahezu sämtliche Gläubiger einem außergerichtlichen Ausgleichsvorschlag zugestimmt hätten und die Quoten am 31.10.1991 bzw 31.1.1992 gezahlt würden, und ersuchten um Zustimmung zu dem von ihnen am 8.7.1991 unterbreiteten Ausgleichsvorschlag. Daß ein derartiger außergerichtlicher Ausgleich zustandegekommen wäre, kann nicht festgestellt werden. Am 17.9.1991 richtete die Verkäuferin ein Schreiben an die Anwälte der GmbH, in welchem sie darauf hinwies, daß die Küchen, nachdem sich herausgestellt habe, daß diese im Programm für 1992 nicht mehr enthalten seien, nur mehr in einem Abholmarkt zu Schleuderpreisen veräußert werden könnten. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Beklagte am 13.11.1991 ein Telefonat mit einem Herrn der Klägerin geführt hätte, in welchem er aufgefordert hätte, unverzüglich das klägerische Eigentumsrecht nachzuweisen, weil er bereits am 30.11.1991 das Geschäftslokal der GmbH wegen monatlich anlaufender hoher Mieten räumen müsse, und ihm ein diesbezüglicher Nachweis zugesagt, in der Folge jedoch nicht erbracht worden wäre. Es kann weiters nicht festgestellt werden, daß der Beklagte die Klägerin zur Abholung der Küchen aufgefordert hätte. Am 19.11.1991 wies die Verkäuferin den Beklagten mittels eingeschriebenen Briefes darauf hin, daß bezüglich der Küchen Eigentumsvorbehalt vereinbart worden wäre; sie gehe davon aus, daß ihre Eigentumsrechte als unstreitig anerkannt werden würden. Sie ersuchte den Beklagten, ihr die Anerkennung ihrer diesbezüglichen Rechte zu bestätigen und sie wissen zu lassen, bis wann ein Abholtermin vereinbart werden könnte. Am 27.11.1991 richtete der Beklagten ein Schreiben an die Klägerin, in welchem er sich auf deren Brief vom 19.11.1991 und das (nicht als erwiesen angenommene) Telefonat vom 13.11.1991 bezog, sie vom Verkauf des Warenlagers verständigte und ausführte, daß die Klägerin für den Fall, daß sie an verkauften Gegenständen ihren Eigentumsvorbehalt nachweise, nur mehr auf den hierfür erzielten Erlös Anspruch erheben könne. Mit Schreiben vom 6.12.1991 wies die Verkäuferin darauf hin, daß sie mit einem Verkauf der Küchen nicht einverstanden sei.
Der Beklagte hatte das Betriebsvermögen der GmbH am 17.10.1991 schätzen lassen. Am 19.11.1991 hatte er sämtliche Fahrnisse zum Schätzwert verkauft: Das gesamte Betriebsvermögen war im Gutachten mit S 130.000,-- geschätzt worden, worauf ein Wert von S 40.500,-- auf die gegenständlichen Küchen entfiel. Es kann nicht festgestellt werden, daß es der Klägerin möglich gewesen wäre, die Küchen zum ursprünglichen Klagsbetrag zu verkaufen. Der Marktwert der Küchen unter Voraussetzung eines normales Abverkaufes durch eine am Markt präsente seriöse, die gegenständlichen Küchenmöbelmarke vertretende Firma betrug zum Zeitpunkt des Verkaufes der Küchen durch den Beklagten S 170.000,-- exklusive 20 % Mehrwertsteuer. Der Klägerin wäre die Möglichkeit offengestanden, die Küchen durch den Inhaber eines Küchenstudios in Salzburg verkaufen zu lassen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der GmbH wirksam die Anwendung der AGB der Klägerin einschließlich des im Punkt 11 der AGB geregelten Eigentumsvorbehaltes vereinbart worden sei. Den Beklagten als Liquidator der GmbH habe gemäß § 25 Abs 1 GmbHG die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsmannes getroffen. Im gegenständlichen Fall stelle die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes keine außergewöhnliche Vereinbarung im handelsrechtlichen Geschäftsverkehr dar. Bei näherer Nachforschung hätte dem Beklagten erkennbar sein müssen, daß ein Eigentumsvorbehalt zugunsten der Rechtsvorgängerin der Klägerin bestanden habe. Zum einen hätten ihm die Unterlagen der GmbH zugänglich gewesen sein müssen, zum anderen sei ihm nach seinem eigenen Vorbringen bekannt gewesen, daß die Verkäuferin Eigentumsansprüche an den Küchen geltend gemacht habe. Es hätte ihm daher schon im Zeitpunkt des Verkaufes - 19.11.1991 - trotz der gebotenen Eile möglich sein müssen, einen durch die Vorgangsweise der GmbH geradezu indizierten Eigentumsvorbehalt zu erkennen und sich demgemäß zu verhalten. Das Vorbringen des Beklagten, daß er sich aufgrund seiner Augenerkrankung die Unterlagen habe vorlesen lassen und angesichts der gebotenen Eile eine schnelle Entscheidung habe fassen müssen, könne ihn nicht vom Vorwurf des Nichterkennens des vereinbarten Eigentumsvorbehaltes entlasten. Die Pflicht, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 25 GmbHG) zu handeln, beinhalte nämlich auch die Verpflichtung, bei Mangel der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten den Auftrag zur Geschäftsführung abzulehnen, was zB für den Fall der Überlastung zutreffe. Lasse sich der Liquidator dennoch auf eine Geschäftsführung ein, so hafte er für seine diesbezügliche Unkenntnis oder mangelnder Fähigkeiten. Der der Klägerin durch das Verhalten des Beklagten entstandene Schaden sei nicht mit dem Fakturenwert der gelieferten Küchen, sondern mit dem Verkehrswert, den die Küchen zum Zeitpunkt des Verkaufs durch den Beklagten gehabt hätten, zu bewerten. Da feststellbar gewesen sei, daß der Klägerin der Verkauf der Küchen durch einen etablierten Händler möglich gewesen wäre, sei von dem vom Sachverständigen angegebenen Marktwert von S 170.000,-- und nicht von dem von ihm als im Rahmen eines Notverkaufes möglicherweise erzielbaren Betrag von S 40.500,-- auszugehen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision - mangels Abweichung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - nicht zulässig sei. Es führte zur Rechtsrüge im wesentlichen folgendes aus:
Gemäß § 90 GmbHG kämen bei der Liquidation die Vorschriften der §§ 149, 150 Abs 1 und 153 HGB zur Anwendung. Gemäß § 92 Abs 1 GmbHG hätten alle in diesem Gesetz hinsichtlich der Geschäftsführer getroffenen Bestimmungen sinngemäß auch in Bezug auf die Liquidatoren Anwendung zu finden. Gemäß § 25 Abs 1 GmbHG seien die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Der Sorgfaltsmaßstab für die Tätigkeit der Abwickler sei verschieden, je nach dem, ob sie Gesellschafter oder Gesellschaftsfremde seien. Liquidatoren, die - wie im gegenständlichen Fall - nicht Gesellschafter seien (Drittliquidatoren), hafteten nach den allgemeinen Vorschriften für jedes Verschulden. Die Haftung der Liquidatoren für pflichtwidriges Handeln bestehe grundsätzlich gegenüber der GmbH und könne auch direkt gegenüber geschädigten Gesellschaftsgläubigern und Gesellschaftern eintreten; anerkannt sei dies unter anderem bei einfachem Verstoß gegen die Aufgaben der Abwickler. Im übrigen hafte der Liquidator den Gläubigern der Gesellschaft gegenüber persönlich und nach Deliktsgrundsätzen jedenfalls für den Schaden, den er durch eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung einer Schutznorm (in Richtung der Gläubiger) verursacht habe. Als Schutzgesetze (auch) zu Gunsten der Gläubiger seien § 91 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und Abs 3 GmbHG aufzufassen. Gemäß § 91 Abs 2 GmbHG seien die bei der Auflösung der Gesellschaft vorhandenen und die während der Liquidation eingehenden Gelder zur Befriedigung der Gläubiger zu verwenden. Im Einklang mit dieser Rechtslage könne daher kein Zweifel daran bestehen, daß es dem Beklagten, bei dem es sich um einen erfahrenen Betriebsberater handle, möglich gewesen wäre, sich auch während des relativ kurzen Zeitraums von seiner Bestellung am 15.10.1991 bis zur Veräußerung am 19.11.1991 über die Eigentumsverhältnisse an den Küchen Gewißheit zu verschaffen. In jedem Fall hätte er bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes bei Durchsicht der Unterlagen, die ihm vom kooperativen Geschäftsführer der GmbH übergeben wurden, erkennen müssen, daß insbesondere auch das zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der GmbH abgeschlossene Geschäft bezüglich der vier Küchen auf der Grundlage der AGB der Klägerin abgeschlossen wurde. Eine auch nur stichprobenartige Durchsicht der bezughabenden von der Klägerin verwendeten Formulare für die Auftragsbestätigung, den Lieferschein und die Empfangsbestätigung, wo auf der Rückseite die AGB der Klägerin abgedruckt seien, hätte zweifelsfrei ergeben, daß auch beim gegenständlichen Geschäft der bei Möbelverkäufen dieser Art keineswegs ungewöhnliche Eigentumsvorbehalt zugunsten der Klägerin vereinbart worden sei. Wäre dies dem Beklagten aufgefallen, so wäre er naturgemäß verpflichtet gewesen, bezüglich des beabsichtigten Verkaufes der Küchen Kontakt aufzunehmen, noch dazu, wo ihm die Klägerin festgestelltermaßen einen Händler in Salzburg namhaft machen hätte können, wo der Verkauf der vier Musterküchen jedenfalls zum Marktwert möglich gewesen wäre. Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt habe, sei es dem Beklagten trotz der gebotenen Eile, die ja bei Liquidationsverkäufen der Regelfall sei, durchaus zumutbar gewesen, den vereinbarten Eigentumsvorbehalt zu erkennen und sich demgemäß zu verhalten. Das Nichterkennen des Eigentumsvorbehaltes bzw der Verkauf der Küchen unter dem nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens erzielbaren Verkaufserlös von S 170.000,-- sei dem Beklagten als Verletzung einer Obliegenheit im Sinne des § 91 Abs 2 GmbH und somit als Verschulden anzulasten. Für die Annahme eines Mitverschuldens der Klägerin habe das Beweisverfahren keinerlei Anhaltspunkte geliefert, ebensowenig für die vom Beklagten angestrebte Begrenzung seiner Haftung mit dem erzielten Liquidationswert von S 40.500,--. Die von ihm in diesem Zusammenhang zitierte Lehre zur Haftung der Geschäftsführer für Abgabenverbindlichkeiten der GmbH sei auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinn, in eventu auf Zuspruch von einem Viertel des Liquidationserlöses von S 40.500,--, somit S 10.125,--, abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist im Interesse der Rechtsentwicklung zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Fragen des anzuwendenden Rechts und der wirksamen Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes sind im drittinstanzlichen Verfahren nicht mehr strittig. Der Rechtsmittelwerber macht vielmehr (zusammengefaßt) geltend, die deliktische Haftung eines Liquidators sei insbesondere deshalb zu verneinen, weil die Weiterveräußerung von Waren, die unter Eigentumsvorbehalt an die GmbH als Händler auf Kredit geliefert wurden, nicht strafbar sei. Bei der Beurteilung der einzuhaltenden Sorgfalt sei zu berücksichtigen, daß dem Beklagten als gesellschaftsfremden Liquidator die Möglichkeit zum Verkauf um S 170.000,-- gefehlt habe; er habe von seiner Bestellung bis zum Zeitpunkt der Übergabe des geräumten Geschäftslokals 6 Wochen Zeit für die Schätzung und Veräußerung der vorhandenen Ware gehabt. Die Klägerin treffe zumindest ein Mitverschulden von drei Viertel, weil sie die Küchen in Kenntnis der gravierenden Zahlungsprobleme der GmbH trotz Aufforderung durch deren Geschäftsführer nicht abgeholt habe, sondern durch weitere zwei Monate untätig geblieben sei.
Hiezu wurde erwogen:
Eine direkte Haftung pflichtwidrig handelnder Liquidatoren einer GmbH gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ist schon in der älteren Rechtsprechung (SZ 8/91; Rsp 1929/157 zur Genossenschaft [zust Durig]; Rsp 1929/379 [zust Wahle]; SZ 14/13; vgl die weiteren Nachweise bei Koppensteiner, Kommentar zum GmbHG § 91 Rz 14; vgl aus jüngerer Zeit HS 12.441) bejaht oder zumindest nicht ausgeschlossen worden. In der Lehre hat Koppensteiner (aaO) eine solche Haftung bei Verletzung der zugunsten der Gläubiger bestehenden Schutzgesetze des § 91 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und Abs 3 GmbHG angenommen (ebenso Gellis/Feil, Kommentar zum GmbHG3 § 91 Rz 13). Reich-Rohrwig, GmbHG-Recht2 nennt als Fälle deliktischer Schädigung die Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter und den Verstoß gegen solche Gläubigerschutzvorschriften, deren Verletzung gerichtlich strafbar ist (Rz 2/428 ff, 2/432; vgl auch Rz 2/495 mit Hinweis auf BGHZ 109, 297), in GmbH-Recht1 704 auch den einfachen Verstoß gegen die Aufgaben der Abwickler.
Der erkennende Senat hat kürzlich in 2 Ob 594/95 = SZ 68/244 (zust Mahr, WBl 1996, 304) ausgesprochen, daß bei einer GmbH & Co KG im engeren Sinn (bei welcher gesellschaftsrechtlichen Mischform lediglich eine juristische Person unbeschränkt weiter haftet und § 67 KO indirekt das Gesellschaftsvermögen zugunsten der Gläubiger schützt) das Befriedigungs- bzw Zurückbehaltungsgebot der §§ 149, 155 HGB zwingendes Recht ist. Er hat weiter die Auffassung vertreten, daß es sich bei diesen Geboten zumindest im Fall einer GmbH & Co KG im engeren Sinn um Gläubigerschutzvorschriften handelt, deren Verletzung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern haftbar machen kann.
Ähnliche Erwägungen kommen auch bei der Liquidation einer GmbH zum Tragen: Die gesetzlichen Anordnungen über die Liquidation dienen (auch) dem Zweck, die Gesellschaftsgläubiger zu schützen (vgl 1 Ob 509/96 = EvBl 1996/150). Die Pflichten des Liquidators ergeben sich unter anderem aus § 90 Abs 1 GmbHG iVm § 149 HGB; die in letzterer Vorschrift angeordnete Befriedigung der Gläubiger wird durch § 91 GmbHG präzisiert (Koppensteiner, § 90 GmbHG Rz 1, 3). § 149 HGB betrifft nicht nur Ansprüche auf Zahlung, sondern auch dingliche Ansprüche gegen die Gesellschaft (Torggler/Kucsko in Straube2 § 149 HGB Rz 14), wie im vorliegenden Fall die Herausgabe fremden Eigentums. Auch hiebei handelt es sich um eine Gläubigerschutzvorschrift, deren Verletzung den Liquidator der GmbH gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger haftbar machen kann. Strafbarkeit des Verhaltens des Liquidators ist hiefür nicht erforderlich.
Der Beklagte hat sich nun dadurch schuldhafte pflichtwidrig verhalten, daß er als Liquidator der GmbH unter Eigentumsvorbehalt stehende Ware verkauft hat, obwohl der Eigentumsvorbehalt aus den Geschäftsunterlagen ersichtlich gewesen und obwohl er unter den gegebenen Umständen zur Weiterveräußerung nur mehr im Einvernehmen mit der Klägerin berechtigt gewesen wäre; hiezu wird im einzelnen auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts hingewiesen. Mit der fehlenden Branchenkenntnis und dem Zeitdruck kann der Beklagte sich schon deshalb nicht exculpieren, weil diese Umstände kein Hindernis bilden durften, der Klägerin vor einem Verkauf der Küchen zu Schleuderpreisen Gelegenheit zur Wahrung und besseren Verwertung ihres Eigentums zu geben. Durch sein - entgegen seiner Ansicht nicht "situationsadäquates" - Verhalten hat der Beklagte den Verlust der dinglichen Sicherheit der Klägerin herbeigeführt. Da sie für ihre Ware keinen Kaufpreis erhalten hat und in Hinblick auf die Einstellung des Konkursverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens von der Uneinbringlichkeit der Forderung bei der GmbH auszugehen ist, hat die Klägerin einen Schaden erlitten, den der Beklagte im Umfang des bei pflichtgemäßem Verhalten nach den vorinstanzlichen Feststellungen erzielbaren Erlöses von S 170.000,-- zu verantworten hat.
Ein Mitverschulden ist der Klägerin nicht anzulasten, weil sie nicht schon wegen der Kenntnis von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH zur Geltendmachung des Eigentumsvorbehaltes verpflichtet war, sondern sich auf ihre dingliche Sicherung verlassen durfte. Es trifft zwar zu, daß der Geschäftsführer der GmbH die Klägerin einmal um Abholung der Küchen ersuchte, jedoch übermittelten die Anwälte der GmbH der Klägerin kurz darauf den Vorschlag zu einem außergerichtlichen Ausgleich, sodaß es der Klägerin nicht vorgeworfen werden kann, wenn sie auf diese Situation nicht mit der Abholung der Küchen reagierte. Mit einem nicht im Einvernehmen mit ihr durchgeführten Verkauf durch einen Liquidator mußte sie auch in den folgenden Wochen nicht rechnen.
Die Vorinstanzen haben die Schadenersatzforderung der Klägerin in Höhe des eingeschränkten Klagsbetrages somit zutreffend als berechtigt angesehen, weshalb der Revision des Beklagten ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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