Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß im Lastenblatt der Liegenschaft EZ ***** GB ***** auf Grund des Mietvertrages vom 21.3.1995 (Beilage A) samt Nachtrag vom 10.2.1997 noch folgende Eintragung bewilligt wird:
Eintragung des Bestandrechtes zugunsten der Fritz S***** Gesellschaft m. b.H. bis zum 31.12.2030.
Hievon werden verständigt:
1.) Franz M*****;
2.) Gerlinde M*****;
3.) Fritz S***** Gesellschaft m.b.H., *****
4.) Dr.Gerhard Eckert, Rechtsanwalt, Mariahilferstraße 1b, 1060 Wien, unter Rückschluß der Originalurkunden A und B;
5.) Finanzamt *****.
Der Vollzug der Grundbuchseintragung und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.
Text
Begründung
Die antragstellenden Parteien schlossen am 13.3./21.3.1995 einen Mietvertrag über die Anmietung der im Hälfteeigentum der Erst- und Zweitantragsteller befindlichen Parzelle 229/6 der EZ ***** GB ***** samt einer darauf errichteten Verkaufs- und Lagerhalle durch die Drittantragstellerin. Über die Vertragsdauer enthält Punkt II. der Vertragsurkunde folgende Regelung:
"Der Mietvertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Der Mietvertrag kann von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zum letzten eines jeden Monates durch eingeschriebenen Brief aufgekündigt werden (ordentliche Kündigung). Für die Rechtzeitigkeit gilt das Datum der Postaufgabe des Kündigungsschreibens. Die Vermieter verzichten bis 31.12.2030, die Mieterin bis 31.12.2007, auf die Ausübung des Kündigungsrechtes.
Die Vermieter sind zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung berechtigt, wenn von der Mieterin
- der fällige Mietzins oder die fälligen Betriebskosten trotz eingeschriebener Mahnung an die Geschäftsleitung der Fritz S***** Ges.m.b.H. innerhalb einer Nachfrist von 30 Tagen oder im Zusammenhang mit einer Insolvenz der Mieterin der Mietzins nicht zur Gänze bezahlt wird;
- oder das Mietobjekt entgegen der Bestimmung des Punktes IV. an dritte Personen oder überlassen wird.
Für den Fall, als ihr die behördlichen Bewilligungen zur gewerblichen Nutzung des Bestandobjektes aus Gründen entzogen werden, die nicht von der Mieterin zu verantworten sind, ist diese nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel zur vorzeitigen Auflösung berechtigt."
Vertragspunkt IV. lautet:
"Der Mietgegenstand wird als Verkaufs- und Lagerhalle Verwendung finden.
Die Mieterin ist berechtigt, das Mietobjekt sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich, ganz oder teilweise, natürlichen oder juristischen Personen, auf welche Art auch immer, zu überlassen, ausgenommen solchen, welche im gegenständlichen Objekt ausschließlich den Handel mit Lebensmitteln auf einer Verkaufsfläche von mehr als 200 m2 zu betreiben beabsichtigen, und mit dem derzeitigen Warensortiment des benachbarten H*****marktes in direkter Konkurrenz steht, oder solchen, durch deren Betrieb übermäßige Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigung entsteht.
Weiters darf im Mietobjekt kein Gastgewerbe- betrieb geführt werden mit Öffnungszeiten zwischen 22.00 Uhr und 7.00 Uhr früh."
Das Erstgericht lehnte die Verbücherung des Mietvertrages mit der einzigen Begründung ab, daß die Gründe, welche die Parteien für die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses vereinbart hätten, über die im § 1118 ABGB genannten Auflösungsgründe hinausgingen, weshalb der Bestandvertrag nicht als auf bestimmte Zeit abgeschlossen gelten könne.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:
Auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Bestandverträge seien nur insoweit verbücherungsfähig, als sie einen auf bestimmte Zeit abgegebenen Verzicht auf das Kündigungsrecht enthalten. Im vorliegenden Fall hätten zwar die Bestandgeber bis 31.12.2030 auf ihr Kündigungsrecht verzichtet, doch könne der im Rekurs vorgetragenen Rechtsansicht nicht gefolgt werden, daß die zur vorzeitigen Vertragsauflösung berechtigenden Gründe über die in § 1118 ABGB normierten Auflösungsgründe nicht hinausreichen würden. So berechtige nicht jede vertragswidrige Benützung der Bestandsache durch den Bestandnehmer den Bestandgeber zur vorzeitigen Vertragsauflösung (§ 1118 Fall 1 ABGB); dieser Aufhebungsgrund setze vielmehr einen erheblichen Nachteil für den Vermieter voraus (vgl Würth in Rummel, ABGB2 § 1118 Rz 10). Der erhebliche Nachteil könne in jeder erheblichen Verletzung wichtiger ideeller oder wirtschaftlicher Interessen des Bestandgebers liegen. Eine vertragswidrige Weitergabe oder widmungswidrige Verwendung berechtige nur unter besonderen Verhältnissen zur vorzeitigen Vertragsauflösung (vgl Würth in Rummel, ABGB2, Rz 14 mwN). Ob eine vertragswidrige Weitergabe an Dritte (zB zum Betrieb eines Gastgewerbes mit bestimmten Öffnungszeiten oder an einen mit "übermäßiger" Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigung verbundenen Betrieb) eine sofortige Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB rechtfertigen würde, könne nicht abschließend gesagt werden, weil es auch darauf ankäme, inwieweit wesentliche wirtschaftliche Interessen der Bestandgeberin beeinträchtigt werden. Daß die Vermieter ansonsten schadenersatzrechtlichen Ansprüchen von Mietern der Nachbargrundstücke ausgesetzt wären, sei auch im Rekursverfahren unbelegt geblieben. Wollte man jegliche dem Punkt IV. des Mietvertrages widersprechende Verwendung als vorzeitigen Auflösungsgrund im Sinne des § 1118 ABGB werten, wären auch objektiv unerhebliche Nachteile (wie etwa die Führung eines Gastgewerbebetriebes mit bestimmten Öffnungszeiten) vom ersten Fall des § 1118 ABGB betroffen. Ein vereinbarungswidriger Gebrauch könne jedoch gemäß § 1118 Fall 1 ABGB nur dann zur sofortigen Vertragsauflösung führen, wenn zugleich erhebliche Nachteile des Bestandgebers vorliegen (SZ 48/132; MietSlg 40.167 ff).
Die vereinbarten (vorzeitigen) Auflösungsgründe gingen damit über die im § 1118 ABGB genannten Umstände hinaus, weshalb das Erstgericht die Verbücherung des ausdrücklich auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrages richtigerweise abgelehnt habe.
Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß die der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichtes zugrundeliegende Ent- scheidung des Höchstgerichtes zu SZ 33/68 in der Lehre (vgl Würth in Rummel, ABGB2, § 1096 Rz 4) auf Kritik gestoßen sei. Außerdem würden aus gebührenrechtlichen Gründen viele Bestandverträge auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und mit einem befristeten Kündigungsverzicht kombiniert, sodaß die strittige Frage der Verbücherungsfähigkeit für viele Rechtssuchende von Interesse sei.
Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs, der darauf abzielt, die Einverleibung des Bestandrechts zugunsten der Drittantragstellerin zu bewilligen, halten die Antragsteller an ihrer Rechtsansicht fest, daß ein verbücherungsfähiger Mietvertrag vorliege, weil beide Parteien einen grundsätzlichen Kündigungsverzicht abgegeben haben und die vereinbarten Kündigungsgründe nicht wesentlich über die Auflösungsgründe des § 1118 ABGB hinausgingen. Zu bedenken sei dabei, daß die neuere Rechtsprechung bereits in jeder erheblichen Verletzung wichtiger ideeller oder wirtschaftlicher Interessen des Bestandgebers einen erheblichen Nachteil iSd § 1118 ABGB sehe. Hier sei es, wenn man das vereinbarte Konkurrenzverbot bedenke, um erhebliche wirtschaftliche Interessen gegangen. Die restriktive Rechtsansicht, wie sie noch in SZ 33/68 vertreten wurde, sei nicht aufrechtzuerhalten.
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig und erweist sich auch als berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Auszugehen ist davon, daß selbst jene (von einem Teil der Lehre kritisierte) Judikatur, die nur solchen Bestandverträgen die Verbücherungsfähigkeit zuerkennt, deren zeitliche Dauer bestimmt oder zumindest bestimmbar ist (RZ 1937, 393; SZ 21/116; SZ 25/29; SZ 32/124; SZ 33/68; SZ 45/47), die Vertragsklausel, innerhalb einer bestimmten Frist nicht zu kündigen, als ausreichende zeitliche Bindung akzeptiert (Feil, GBG2, Rz 12 zu § 9 mwN). Uneinigkeit besteht nur darüber, ob die Verbücherungsfähigkeit eines Bestandvertrages in einem solchen Fall einen gänzlichen Kündigungsverzicht erfordert, der nur noch die Auflösungsgründe des § 1118 ABGB bestehen läßt (so SZ 33/68), oder ob eine Einschränkung des Kündigungsrechts genügt (so vor allem SZ 25/29).
Die Lehre neigt der letztgenannten Auffassung zu (Würth in Rummel2, Rz 4 zu § 1095 ABGB; Binder in Schwimann2, Rz 3 zu § 1095 ABGB; Schauer, Zur Verbücherung von Bestandverträgen auf unbestimmte Zeit, in GS Hofmeister, 631 ff [638]). Auch der erkennende Senat teilt diese Rechtsansicht, weil sich die Wirkung der Verbücherung eines Bestandvertrages praktisch darin erschöpft, daß jeder spätere Erwerber der Liegenschaft entgegen der sonst geltenden Regel des § 1120 ABGB an den Bestandvertrag gebunden bleibt, also wegen des Eigentumswechsels kein Kündigungsrecht erhält (MietSlg 21.155;
MietSlg 22.121; vgl auch MietSlg 19.102; Würth aaO, Rz 1 zu § 1095;
Hoyer zu WoBl 1991/75). Diesem eindeutigen Gesetzeszweck entspricht es, die Eintragung eines Bestandrechts schon dann zuzulassen, wenn der Vermieter - wie hier - für sich und seine Rechtsnachfolger im Eigentum der Bestandliegenschaft für eine bestimmte Zeit auf die Geltendmachung von Kündigungsgründen verzichtet, die sein Rechtsnachfolger bei einem unverbücherten Bestandrecht zur ordentlichen Aufkündigung des Bestandvertrages heranziehen könnte (vgl Schauer aaO). Ob bei der Verbücherung eines Bestand- vertrages überhaupt auf das Tatbestandserfordernis einer Festlegung der geschützten Bestandzeit verzichtet werden kann, ist hier nicht zu entscheiden, weil der gegenständliche Mietvertrag ohnehin einen zeitlich beschränkten Kündigungsverzicht vorsieht.
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die begehrte Eintragung, der ansonsten keine Hindernisse entgegenstehen, zu bewilligen (§ 95 Abs 3 GBG).
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