OGH 5Ob221/60

OGH5Ob221/6023.6.1960

SZ 33/68

Normen

ABGB §1095
ZPO §226
ABGB §1095
ZPO §226

 

Spruch:

Die Einverleibung eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrages ist ausgeschlossen. Keine Verurteilung zur Abgabe einer Zustimmungserklärung zu einer nach dem Gesetz unzulässigen grundbücherlichen Eintragung.

Entscheidung vom 23. Juni 1960, 5 Ob 221/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien: II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien.

Text

Die Voreigentümer der Liegenschaft EZ 1239 KG. W. haben am 6. September 1955 die im Haus Wien 1., S.-Platz 9, ebenerdig gelegenen Räume des Lokales II, bestehend aus einem Gassenlokal, einem Lagerraum und einem Toiletteraum, an Elisabeth N. und Dr. Johann E. vermietet. Der schriftlich errichtete Mietvertrag hat in seinen für die vorliegende Entscheidung wesentlich Bestimmungen folgenden Wortlaut:

"II. Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen, und die Vermieter verzichten auf die Dauer von 30 Jahren auf jegliches Kündigungsrecht, das ihnen sonst, insbesondere bei mietengeschützten Objekten, zustunde, mit Ausnahme des mietengesetzlichen Kündigungsrechtes nach § 19 Abs. 2 Z. 1, 3. und 4 dieses Gesetzes.

IV. Die Mieter ... sind weiter berechtigt, ihre Hauptmietrechte zugunsten eines Dritten aufzugeben oder unterzuvermieten.

IX. Die Vermieter verpflichten sich, ehestens jene Grundbuchsordnung herzustellen ..., um den geschlossenen Mietvertrag grundbücherlich einverleiben zu lassen, und geben ihre ausdrückliche Einwilligung, daß ... im Lastenblatt der EZ. 1239 des Grundbuches W ... zugunsten der Elisabeth N. und des Dr. Johann E. das Bestandrecht ... einverleibt werde.

Unabhängig von dieser die Verbindlichkeit dieses Mietvertrages im übrigen nicht berührenden Verpflichtung verpflichten sich die Vermieter, alle ihre Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag auf ihren oder ihre Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger im Besitz des Hauses Wien 1., S.-Platz 9, zu überbinden."

Dr. Johann E. hat in der Folge seinen Mietrechtsanteil an Rudolf C. übertragen. Dieser und die Mitmieterin Elisabeth N. haben am 24. Juli 1959 gegen ein Entgelt von 600.000 S die Bestandrechte an den Kläger abgetreten. Die Vermieter haben von dem ihnen im Vertrag eingeräumten Ablehnungsrecht keinen Gebrauch gemacht. Die beklagte Partei hat mit den Kaufverträgen vom 21. September 1955 die oben erwähnte Liegenschaft gekauft. Auf Grund dieses Kaufvertrages ist die Beklagte als Eigentümerin der Liegenschaft einverleibt.

Das Erstgericht stellte fest, daß der wirtschaftliche Zweck des Mietvertrages vom 6. September 1955 die Finanzierung des Wiederaufbaues des Hauses durch die Mieter Elisabeth N. und Dr. Johann E. gewesen sei. Der Wille der vertragschließenden Parteien sei dahin gegangen, für die Mieter, die den Wiederaufbau finanzierten, eine Art zeitlich begrenztes Wohnungseigentum mit Zinszahlungsverpflichtung zu begrunden. Das Hauptkennzeichen des Vertrages sei die freie Übertragbarkeit an Dritte mit ungehemmten Sukzession von Nachmietern gewesen, wobei den Hauseigentümern nur ein Ablehnungsrecht aus wichtigen Gründen, ins besondere zur Ausschaltung von Konkurrenzunternehmen, und aus den Gründen des § 19 Abs. 2 Z. 1, 3 und 4 MietG. zustehen sollte. Die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Bestandverträgen seien von den Verkäufern des Hauses auf die Beklagte als Käuferin überbunden worden. Sie sei darauf aufmerksam gemacht worden, daß bestimmte Mietobjekte durch Vereinbarung langjährigen Kündigungsverzichtes für die Hausinhabung auf längere Zeit blockiert seien und daß sie die für die Verbücherung einzelner Mietverträge erforderlichen grundbücherlichen Erklärungen abgeben müsse. Das Erstgericht folgerte aus diesem Sachverhalt die Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe der Erklärung, in die Einverleibung des Bestandrechtes ob der ihr gehörigen Liegenschaft einzuwilligen. Es verurteilte daher die Beklagte gemäß dem auf Abgabe dieser Erklärung lautenden Klagebegehren.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, teilte dessen Rechtsansicht und führte zur Verbücherungsfähigkeit des abgeschlossenen Bestandvertrages noch folgendes aus:

Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß der vereinbarte Verzicht der Vermieter auf jegliches Kündigungsrecht für die Dauer von 30 Jahren als Festsetzung einer Bestandzeit zu werten sei. Dem stehe nicht entgegen, daß den Mietern ihr Kündigungsrecht gewahrt bleibe und die Kündigungsgrunde, die zugleich Vertragsauflösungsgrunde im Sinne des § 1118 ABGB. seien, ausgenommen wurden (s. MietSlg. 2207). Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes RiZ. 1937 S. 393 betreffe insoferne einen anders gelagerten Fall, als dort von einem Bestandvertrag auf unbestimmte Zeit ausgegangen werde. Im übrigen sei die Frage der Verbücherungsfähigkeit nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Es könne daher auch nicht von einer Unmöglichkeit der Leistung gesprochen werden, weil sich das Klagebegehren lediglich auf die Abgabe einer Erklärung beziehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und wies die Klage ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung RiZ. 1937 S. 393 ausgesprochen, daß ein Bestandvertrag auf unbestimmte Zeit nicht den Gegenstand einer grundbücherlichen Eintragung bilden könne. Dies folge u. a. aus dem Wortlaut des § 1095 ABGB., wonach das Recht des Bestandnehmers, wenn der Bestandvertrag in die öffentlichen Bücher eingetragen wurde, als ein dingliches Recht zu betrachten sei, welches sich der nachfolgende Besitzer auf die noch übrige Zeit gefallen lassen müsse. Aus der Wendung "auf die noch übrige Zeit" ergebe sich, daß die Verbücherung von Bestandverträgen, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden, unzulässig sei. Das erwähnte Argument erscheint stichhältig. Der Oberste Gerichtshof findet keinen Anlaß, von seiner auch in letzter Zeit vertretenen Ansicht, daß Bestandverträge auf unbestimmte Dauer nicht verbüchert werden können (vgl. MietSlg. 1123, 5 Ob 500/59), abzugehen. Dieser Auffassung steht auch nicht die Entscheidung MietSlg. 2207 entgegen. In dieser Entscheidung vertritt der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf eine ältere Rechtsprechung den Standpunkt, daß die Bestanddauer auch durch ein dem Zeitpunkt nach ungewisses Ereignis oder durch Umstände, etwa den Zweck des Vertrages, bestimmt werden könne. Es sei daher bei vereinbarter Unkundbarkeit auf Lebensdauer eines Vertragsteiles die Verbücherung des Bestandrechtes zulässig.

Daß die Vermieter auf jegliches Kündigungsrecht auf die Dauer von 30 Jahren verzichtet hätten, ist unrichtig. Die Vermieter haben sich nach dem Inhalt des Punktes II des Mietvertrages des Kündigungsrechtes nur zum Teil begeben. Diese zeitweilige Einschränkung des Kündigungsrechtes macht aber den Vertrag nicht zu einem auf bestimmte Dauer abgeschlossenen Bestandvertrag. Es wäre den Vertragsparteien freigestanden, eine Vertragsdauer von 30 Jahren festzulegen. In diesem Fall wäre eine Aufhebungsmöglichkeit nach § 1118 ABGB. offengeblieben. Die zuletzt genannte Gesetzesbestimmung enthält keinen der Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG. entsprechenden Aufhebungsgrund. Es kann daher auch nicht gesagt werden, der Fall sei gleich dem zu behandeln, in dem bei bestimmter Dauer die Aufhebung des Vertrages nach § 1118 ABGB. gerechtfertigt sei.

Auch die von Dengler in seinem Aufsatz in NotZ. 1950 S. 56 angestellten wirtschaftlichen, insbesondere steuerlichen Erwägungen bilden keine überzeugenden Argumente gegen die auf den Wortlaut der Bestimmung des § 1095 ABGB. aufgebaute Rechtsprechung. Richtig ist, daß von einer Unmöglichkeit der Leistung keine Rede sein kann, weil es ja der Beklagten freisteht, die von ihr geforderte Erklärung abzugeben, in die Einverleibung des Bestandrechtes einzuwilligen. Eine Verurteilung auf Abgabe einer Erklärung darf aber dann nicht erfolgen, wenn trotz vorliegender Einverleibungseinwilligung die Einverleibung selbst nach dem Gesetz nicht zulässig ist. Gerade das trifft hier zu. Die Beklagte ist daher im Recht, wenn sie sagt, es sei dem Klagebegehren der Rechtsschutz zu versagen. Es kann sonach dahingestellt bleiben, ob der Grundbuchsrichter, falls die Verbücherung auf Grund des Urteils, als einer öffentlichen Urkunde, mit Grundbuchsgesuch begehrt werden sollte, überhaupt berechtigt ist, zu prüfen, ob die beantragte Einverleibung, in die einzuwilligen die Beklagte verurteilt wurde, im Hinblick auf § 1095 ABGB. begehrt werden kann. Es wäre schließlich auch möglich, ein stattgebendes Urteil im Exekutionsweg durchzusetzen, in welchem Fall die grundbücherliche Durchführung des Urteilsspruches vom Vermieter nur dann nicht erwirkt werden könnte, wenn sich aus dem Grundbuch ein Hindernis gegen die Eintragung ergeben sollte.

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