OGH 2Ob2194/96b

OGH2Ob2194/96b25.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Frank L*****, vertreten durch Dr.Herbert Gschöpf, Rechtsanwalt in Velden, wider die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr.Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen DM 55.800 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 28.September 1994, GZ 1 R 114/94-25, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15. Februar 1994, GZ 1 Cg 250/92-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.550,- (darin enthalten S 2.925,- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei betreibt eine Doppelsesselbahn. Am 31.März 1990 stürzte der Kläger beim Besteigen eines Liftsessels dieser Doppelsesselbahn zu Boden, wodurch er einen Kompressionsbruch des zweiten Lendenwirbels erlitt. Zwischen der Haftpflichtversicherung der beklagten Partei und dem Kläger wurde eine Haftungsteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der beklagten Partei vereinbart. Die Haftung der beklagten Partei dem Grunde nach für 75 % der Schäden ist daher unstrittig.

Der Kläger begehrt DM 55.800 sA mit der Begründung, sein Dienstverhältnis sei aufgrund der Unfallsfolgen am 30.Juni 1991 einvernehmlich gelöst worden. Ab diesem Zeitpunkt sei er als selbständiger Unternehmensberater tätig gewesen, habe jedoch bis zum 31. Dezember 1991 aus dieser Tätigkeit kein Einkommen erzielt. Wäre er weiterhin in seinem Dienstverhältnis tätig gewesen, hätte er von Juli bis Dezember 1991 monatlich DM 12.400, insgesamt sohin DM 74.400 brutto, verdient. Unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von einem Viertel betrage demnach sein Verdienstentgang DM 55.800.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, daß zwischen der Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers und den unfallsbedingten Verletzungen kein Ursachenzusammenhang bestanden habe. Die Lendenwirbelsäule des Klägers sei zur Zeit des Unfalles schon so schwer vorgeschädigt gewesen, daß die durch den Unfall eingetretene Verschlechterung dieses Wirbelsäulenleidens für sich gesehen nicht zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers in seiner Funktion als Hauptabteilungsleiter der Vertriebsorganisation "Inland" geführt habe. Selbst dann, wenn sein Wirbelsäulenleiden für die Beendigung des Dienstverhältnisses mitursächlich gewesen sein sollte, habe nicht die geringgradige Verschlechterung durch den Unfall, sondern der Vorschaden zur Beendigung des Dienstverhältnisses geführt. Dieser Vorschaden habe lange Krankenstände des Klägers und entsprechende Beeinträchtigungen seiner Leistungsfähigkeit bewirkt und sei als der wahre Grund für die Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen. Im übrigen sei das Dienstverhältnis im Rahmen eines betriebsbedingten Personalabbaues erfolgt. Abgesehen davon sei der Kläger nach dem Juli 1991 in der Lage gewesen, eine Beschäftigung mit entsprechenden Einkünften auszuüben. Wenn der Kläger unfallsbedingt aus seinem Dienstverhältnis ausgeschieden sein sollte, müsse er sich die Abschlagszahlung von brutto DM 291.000 als Vorteil anrechnen lassen.

Dagegen brachte der Kläger vor, daß er trotz seiner Krankenstände bei seinem Dienstgeber eine berufliche Karriere gemacht habe und daß sein Dienstgeber das Dienstverhältnis nicht habe beenden wollen. Er habe unfallsbedingt keine vergleichbare Beschäftigung finden können. Zu Beginn seiner Tätigkeit als selbständiger Unternehmensberater habe er auch noch keine Gewinne erzielen können. Die einmalige Zahlung seines Dienstgebers anläßlich seines Ausscheidens aus dem Unternehmen habe den Charakter einer Abfertigung gehabt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und ging dabei von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Kläger absolvierte im März 1990 im Einvernehmen mit seinem Dienstgeber in Bad Hofgastein eine Kur, um sein schweres Bandscheibenleiden (Bandscheibenvorfälle) zu lindern. Hätte der Kläger am 31.März 1990 den Wirbelkörperbruch ohne die bereits bestandenen Bandscheibenschäden erlitten, wäre zwar ebenfalls eine mäßig starke Keilform des zweiten Lendenwirbelkörpers ohne wesentliche Abknickung der Wirbelsäule als Dauerfolge verblieben. Daraus hätte jedoch nur eine Behinderung im geringen Ausmaß resultiert. Die schmerzhafte Bewegungsbehinderung der Lendenwirbelsäule, darunter die erheblichen Beschwerden des Klägers beim Sitzen, sind zum überwiegenden Teil nicht auf den Unfall vom 31. März 1990 zurückzuführen, sondern eine Folge der durch die erlittenen Bandscheibenvorfälle bereits beträchtlich geschädigten Lendenwirbelsäule. Es ist nicht "exakt" feststellbar, ob eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers, bezogen auf seine zur Unfallszeit ausgeübte unselbständige Tätigkeit, in absehbarer Zeit auch allein aufgrund der Vorschäden eingetreten wäre.

In Zukunft ist lediglich aufgrund der Vorschäden mit einer weiteren Verschlechterung des Wirbelsäulenleidens des Klägers zu rechnen.

Am 14.Juni 1991 schloß der Kläger mit seinem Dienstgeber eine "Ausscheidungsvereinbarung" ab, wonach das Dienstverhältnis zwischen ihm und seinem Dienstgeber auf Veranlassung seines Dienstgebers im gegenseitigen Einvernehmen krankheitsbedingt zum 30.Juni 1991 endet und der Kläger als Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Einmalzahlung in Höhe von brutto DM 291.000 erhält. Mit dieser Zahlung per Ende Juli 1991 sollten alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Dienstverhältnis abgegolten werden. Die "Ausscheidungsvereinbarung" mit dem Kläger war jedenfalls auch dadurch veranlaßt, daß sich seine physiologische Arbeitsfähigkeit auch aufgrund des Unfalles vom 31.März 1990 so weit weiter verschlechterte, daß er in seiner Funktion als Hauptabteilungsleiter nicht mehr eingesetzt werden konnte. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der "Ausscheidungsvereinbarung" war der Kläger bei seinem Dienstgeber auch nicht in einer vergleichbaren Tätigkeit einsetzbar. Die "Ausscheidungsvereinbarung" mit dem Kläger wurde von seinem Dienstgeber nicht im Rahmen eines unternehmensinternen Frühpensionsprogrammes abgeschlossen. Der Dienstgeber orientierte sich bei der vereinbarten Höhe der Ausgleichszahlung an den Kläger von DM 291.000 am Kapitalaufwand, der dem Kläger insgesamt im Rahmen einer ordentlichen Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Dienstgeber zu bezahlen gewesen wäre, also nicht nur an der Abgeltung eines allfälligen Abfertigungsanspruches des Klägers aus Anlaß der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch an seinem Anspruch auf Lohnfortzahlung innerhalb seiner sechsmonatigen Kündigungsfrist vom 1.Juli bis 31.Dezember 1991, welcher DM 74.400 brutto betragen hätte. In der Ausgleichszahlung von DM 291.000 ist daher nach dem Willen des Dienstgebers das hypothetische Bruttoeinkommen, das der Kläger in der Zeit vom 1.Juli bis 31.Dezember 1991 in der Höhe von DM

74.400 verdienen hätte können, enthalten.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß die Schadenersatzansprüche des Klägers aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Beförderungsvertrag gemäß § 36 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen seien. Da eine Erwerbsminderung, die schon vor dem Unfall bestanden habe, bei der Geltendmachung eines Verdienstentgangsanspruches dann außer Betracht zu bleiben habe, wenn der Verletzte erst durch die Unfallsfolgen gänzlich erwerbsunfähig geworden sei, sei davon auszugehen, daß dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf uneingeschränkten Ersatz seines Verdienstentganges entstanden sei. Die Frage, ob nun dem Kläger auf seinen Verdienstentgangsanspruch die Ausgleichszahlung seines Dienstgebers von DM 291.000 ganz oder teilweise als Vorteil anzurechnen sei, sei dahin zu beantworten, daß dies zumindest in dem Ausmaß, in dem sie die hypothetische Lohnfortzahlung unter Bedachtnahme auf eine sechsmonatige Kündigungsfrist vom 1.Juli bis 31.Dezember 1991 enthalte, zu geschehen habe. Dieser Anteil an der Ausgleichszahlung betrage DM 74.400, weshalb ihm in Wahrheit für den Zeitraum von Juli bis Dezember 1991 kein Verdienstentgang entstanden sei.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und erörterte rechtlich, daß die Frage, ob der Kläger überhaupt einen Verdienstentgang hatte, nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Nach dem Inhalt der getroffenen Ausscheidungsvereinbarung sei von einer einvernehmlichen, wenn auch krankheitsbedingten Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers auszugehen, wobei die Einmalzahlung von brutto DM 291.000 zum einen individuell ausgehandelt worden sei, zum anderen sich aber an gewisse Entscheidungshilfen wie am Anspruch des Klägers auf Lohnfortzahlung innerhalb seiner sechsmonatigen Kündigungsfrist vom 1.Juli bis zum 31.Dezember 1991 orientiert habe, wobei dieser Anspruch wiederum DM 74.400 brutto betragen hätte. Die Stattgebung des Klagebegehrens würde demnach zu einer Bereicherung des Klägers führen.

Die Revision sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen seien.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der gänzlichen Stattgebung der Klage abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, weil zu der in ihrer Bedeutung über den Anlaßfall hinausgehenden Frage, inwieweit ein vom Arbeitgeber anläßlich der unfallbedingten Auflösung des Arbeitsverhältnisses bezahlter Betrag im Wege der Vorteilsausgleichung auf den Verdienstentgang anzurechnen ist, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.

Da es sich um einen Sachverhalt mit einer Auslandsbeziehung handelt, ist zunächst auf die Frage des anzuwendenden Rechtes einzugehen.

Zutreffend ist mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß die Frage, inwieweit der Kläger gegenüber der beklagten Partei einen Anspruch auf Verdienstentgang hat, gemäß § 48 Abs 1 IPRG, nach österreichischem Recht, die Frage, in welcher Höhe ein solcher überhaupt eingetreten ist, aber nach deutschem Recht zu beurteilen ist (vgl SZ 43/70; Schwimann in Rummel2 § 48 IPRG Rz 6 d mwN). Demnach hat der Kläger gemäß § 1325 ABGB oder § 13 Z 2 EKHG Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges.

Nach Ansicht der beklagten Partei ist auf den allenfalls entstandenen Verdienstausfall die anläßlich der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses vereinbarte Abfindungszahlung im Rahmen der Vorteilsausgleichung anzurechnen. Dieser Auffassung ist zu folgen, wobei für die Frage der Vorteilsausgleichung österreichisches Recht maßgebend ist, weil sie den Schadenersatzanspruch selbst und nicht bloß eine Vorfrage (vgl Schwimann aaO) betrifft.

Nach der in Österreich herrschenden Ansicht muß der anzurechnende Vorteil ebenso wie der zu kürzende Schadenersatzanspruch äquivalent-kausal und nach dem Grundsatz der Korrespondenz oder Kongruenz von Vor- und Nachteilen sachlich und zeitlich kongruent sein (vgl Harrer in Schwimann, ABGB2 nach § 1323 Rz 3 f mwN). Insbesondere bei Leistungen Dritter ist bei der Vorteilsausgleichung eine teleologische Betrachtungsweise zugrundezulegen, wobei vor allem die Art des erlangten Vorteils und der Zweck der Leistung des Dritten entscheidend sind (ZVR 1989/106; Harrer aaO Rz 5). Dagegen wird die Adäquanz als Abgrenzungskriterium für die anzurechnenden Vorteile abgelehnt (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 10/36 mwN).

In Deutschland wird dagegen überwiegend die Auffassung vertreten, daß dem Geschädigten diejenigen Vorteile zuzurechnen seien, die ihm im adäquaten Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen (BGHZ 8, 325; 49, 56). Es solle ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte dürfe nicht besser gestellt werden als er ohne das schädigende Ereignis stünde, daher seien wirtschaftliche Vorteile, die ihm aufgrund des Schadens zugeflossen seien, grundsätzlich zu beachten, wenn der Vorteil mit dem Schadensereignis in adäquat kausalem Zusammenhange stehe und der Zweck der Schadenersatzpflicht die Anrechnung gebiete. Andererseits seien nicht alle durch das Schadensereignis begründeten Vorteile auf den Schadenersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruches übereinstimmt, dh wo die Anwendung dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Entscheidend sei daher eine differenzierende rechtliche Wertung. Die Berücksichtigung der dem Geschädigten günstigen Folgen des Schadenereignissses müsse vom Zweck der jeweiligen Norm her geboten sein, sie müsse Treu und Glauben entsprechen (vgl BGH VersR 1979, 323; VersR 84, 189; Rixecker in Geigel, Der Haftpflichtprozeß21 9 Kapitel Rz 2; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht14 Rz 1921 ff).

Ob lediglich adäquat-kausale oder alle äquivalent-kausale Vorteile auf den allenfalls entstandenen Verdienstentgangsanspruch des Klägers anzurechnen sind, kann aber im vorliegenden Fall auf sich beruhen, weil die die an ihn geleistete Zahlung nach beiden Kriterien zur Anrechnung führt.

Nach den Feststellungen orientierte sich der Dienstgeber des Klägers bei Berechnung der vereinbarten Ausgleichszahlung am Kapitalaufwand, der ihm nicht nur insgesamt im Rahmen einer ordentlichen Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses zu bezahlen gewesen wäre, also nicht nur an der Abgeltung eines allfälligen Abfertigungsanspruches aus Anlaß der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch am Anspruch des Klägers auf Lohnfortzahlung innerhalb seiner sechsmonatigen Kündigungsfrist.

Damit erhielt der Kläger für jenen Zeitraum (1.Juli - 31.Dezember 1991), für den er nunmehr Verdienstentgang geltend macht, ein aus einem Arbeitsverhältnis stammendes Einkommen. Dies ist zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung im Sinne der Vorteilsausgleichung anzurechnen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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