OGH 8Ob174/97i

OGH8Ob174/97i18.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Norbert M*****, vertreten durch Dr.Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 74.462,10 s.A. und Feststellung (Feststellungsinteresse S 20.000,-) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 17.April 1997, GZ 1 R 682/96b-19, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

§ 1301 ABGB knüpft die Schadenersatzpflicht mehrerer Personen an ihr gemeinschaftliches Handeln. Dieses kann darin bestehen, daß mehrere an der schädigenden Handlung als Mittäter oder als Teilnehmer, das heißt als Anstifter oder Gehilfen, mitwirken (SZ 59/7; SZ 67/92). Als Gehilfe oder Anstifter kann nur derjenige angesehen werden, der den unmittelbaren Täter durch eigenes Verhalten bewußt fördert, bloße Anwesenheit am Tatort reicht im allgemeinen nicht aus (6 Ob 153/97m).

Ob der Anscheinbeweis zulässig ist, ob es sich also um einen Tatbestand mit typischem Geschehensablauf handelt, der eine Verschiebung von Beweisthema und Beweislast ermöglicht, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung, die im Revisionsverfahren überprüfbar ist (SZ 57/20; RZ 1990/57; 7 Ob 2094/96h u.v.a.). Die wichtigsten Anwendungsgebiete des Anscheinsbeweises liegen dort, wo formelhafte, typische Kausalabläufe bestehen oder wo typische Verhaltensweisen stets gleichartige und zuverlässige Schlüsse auf bestimmte innere Zustände eines Menschen zulassen (SZ 65/132 u.a.). Der bloße Verdacht eines bestimmten Ablaufs, der auch eine andere Verursachungsmöglichkeit offen läßt, gibt gemäß der Regel des § 1296 ABGB für den Anscheinsbeweis keinen Raum (SZ 57/20; JBl 1988, 244; JBl 1992, 188; ZVR 1996/96).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes fuhr der Beklagte nach der Stallarbeit mit seinem Traktor in die Nähe der von den Demonstrationen betroffenen Baustelle und stellte seinen Traktor hinter anderen dort bereits befindlichen Fahrzeugen 30 - 40 Meter vom Haupttor der Baustelle entfernt auf einem als Zufahrt für Baufahrzeuge nicht in Frage kommenden Interessentenweg ab. Er betrat die Baustelle nicht, sondern beobachtete von einem Standort außerhalb der Baustellenumzäunung die Räumung der Baustelle durch Exekutivbeamte.

Dieser Sachverhalt läßt den auf Grund eines formelhaft typischen Geschehensablaufes zu ziehenden Schluß auf das Vorliegen zumindest psychischer Schadenskausalität im Sinne des § 1301 ABGB nicht zu, weil anderenfalls jeder Beobachter einer Demonstration mit dem kaum zu erbringenden Beweis belastet wäre, er sei lediglich aus Neugierde oder aus anderen nicht vorwerfbaren Beweggründen am Ort des Geschehens gewesen. Mag sich der Beklagte auch mit den Zielen der die Baustelle blockierenden Demonstranten weitestgehend identifiziert haben und mögen auch Landwirte an Demonstrationen üblicherweise mit Traktoren teilnehmen, kann daraus allein solange nicht der Schluß auf gemeinschaftliches Handeln gezogen werden, als die Umstände des Einzelfalles nicht mehr als das Vorliegen eines Verdachtes begründen.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Klägerin habe einen ihren Anspruch begründenden Sachverhalt nicht unter Beweis stellen können, ist daher nicht zu beanstanden.

Stichworte