OGH 4Ob237/97z

OGH4Ob237/97z9.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Christian Karl D*****, geboren am 20.Jänner 1993, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft S*****, als Unterhaltssachwalterin, infolge Revisionsrekurses des Vaters Karl D*****, ***** vertreten durch Dr.Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr als Rekursgerichtes vom 17.Juni 1997, GZ 1 R 67/97i-137, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Grünburg vom 7. März 1997, GZ P 1540/95z-124, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß der monatliche Unterhaltsbeitrag ab 1.2.1996 auf S 2.050 erhöht und das Mehrbegehren von S 400 monatlich abgewiesen wird.

Text

Begründung

Der mj. Christian Karl D*****, geboren 20.1.1993, wächst bei der obsorgeberechtigten Mutter auf. Aufgrund des Scheidungsvergleichs vom 17.5.1995 war der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S

1.900 verpflichtet.

Am 16.2.1996 beantragte der Unterhaltssachwalter eine Unterhaltserhöhung ab 1.2.1996 auf S 2.450 monatlich. Sowohl die Bedürfnisse des Kindes als auch die Leistungsfähigkeit des Vaters seien gestiegen.

Der Vater sprach sich gegen eine S 2.050 übersteigende Unterhaltserhöhung aus.

Das Erstgericht erhöhte den monatlichen Unterhalt antragsgemäß auf S

2.450. Es stellte fest, daß der Vater im Jahr 1996 über ein Gesamteinkommen von S 203.949 verfügte und keine weiteren Sorgepflichten habe. Er habe an seine Eltern Ausgedingsleistungen in einer vom Sachverständigen ermittelten Höhe von zusammen S 6.220 monatlich (einschließlich anteiliger Krankenkosten von S 1.000 monatlich) zu erbringen. Die obsorgeberechtigte Mutter sei Hausfrau und habe bis 3.11.1996 Notstandshilfe von täglich S 292,60 bezogen. Mit Ausnahme eines 1090 m2 großen Baugrundstücks sei sie vermögenslos.

Die vom Vater zu erbringende Ausgedingsleistung sei bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen. Der Unterhaltspflichtige habe eine Gegenleistung in Form der Landwirtschaft erhalten, die Übernahme des elterlichen Hofes stelle einen Vermögenszuwachs dar. Die festgestellten Einkünfte reichten aus, um die begehrte Unterhaltsleistung abzudecken.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die vom Vater erbrachten Ausgedingsleistungen von jährlich S 74.640 (zu denen auch die von ihm abzudeckenden Krankenkosten seiner Eltern zählten) könnten nicht als Abzugspost berücksichtigt werden. Er habe dafür eine Gegenleistung erhalten, die Übernahme des Hofes bilde einen Vermögenszuwachs.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage der Berücksichtigung von Ausgedingsleistungen bisher nicht Stellung genommen hat; er ist auch berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber macht geltend, die Ausgedingsleistungen seien eine Abgeltung für den Erwerb eines ertragsbringenden Unternehmens und als solcher von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug zu bringen.

Das Ausgedinge ist eine besondere, regelmäßig durch Rechtsgeschäft begründete, bäuerlichen Übergabsverträgen typische, der Versorgung des Hofübergebers oder naher Angehöriger dienende und daher auf deren Lebenszeit beschränkte Zusammenfassung verschiedener Leistungspflichten zu einer Einheit. Ihr im Einzelfall bestimmter Umfang umfaßt regelmäßig die Leistung des vollen Unterhalts in Geld-, Natural- oder Arbeitsleistungen einschließlich sonstiger als Pfandrecht oder Servitut behandelter Teilverpflichtungen, wie das Wohnrecht, Krankenpflege und ähnliches (Petrasch in Rummel ABGB2 Rz 5 zu § 530).

Der Übergabsvertrag vermittelt dem Hofübernehmer einerseits Eigentum an den Produktionsmitteln des landwirtschaftlichen Betriebs und dem Übergeber andererseits die Sicherung seines Unterhaltes auf Lebenszeit. Der damit für den Übernehmer zwangsläufig verbundene Vermögenserwerb ermöglicht ihm die (Weiter-)Führung des landwirtschaftlichen Betriebes zur Erzielung eines entsprechenden Einkommens. Vereinbarte Ausgedingsleistungen führen somit zwar zu einem Vermögenserwerb, schaffen dem Übernehmer aber die Existenzgrundlage, die ihm ein entsprechendes Einkommen erst ermöglicht.

Die Gerichte zweiter Instanz haben bei Berechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage die Abzugsfähigkeit von Ausgedingsleistungen teils bejaht (EFSlg 59.114), teils mit der Begründung verneint, diese Ausgaben dienten der Vermögensbildung (EFSlg 52.527, 59.113, 62.223, 74.419). Eine Berücksichtigung als Abzugspost käme nur dann in Frage, wenn die Gegenleistung des Unternehmers so hoch wäre, daß darin teilweise ein Element der Erfüllung der Unterhaltspflichten gegenüber den Eltern erblickt werden könnte (EFSlg 52.527).

In dem Ausgedinge insoweit vergleichbaren Fällen von Leibrentenvereinbarungen haben die Gerichte zweiter Instanz einen Abzug der Leibrente von der Unterhaltsbemessungsgrundlage durchwegs verneint, wenn diese Aufwendung (nur) der Vermögensbildung (zB dem Erwerb eines Hauses) diente (EFSlg 33.145 und 56.378). Die Leibrentenzahlung wurde jedoch dann als mindernd berücksichtigt, wenn der Unterhaltspflichtige das seine Einkommensquelle bildende Unternehmen (EFSlg 37.964) oder die Betriebsliegenschaft (EFSlg 53.578) gegen Leibrente erworben hatte, dieser Zahlung somit ein "ertragsbringender Erwerb" gegenüberstand (EFSlg 50.725).

Der Oberste Gerichtshof hat die Rechtsansicht, wonach der Vermögensbildung dienende Leibrentenzahlungen keine Abzugspost bilden, ausdrücklich gebilligt (EFSlg 65.411 = ÖA 1992, 113 U 49; vgl Schwimann Unterhaltsrecht 48; Purtscheller/Salzmann Unterhaltsbemessung Rz 58). Über ihre Berücksichtigung in Fällen, in denen Leibrentenzahlungen der Schaffung einer Existenzgrundlage dienten, hat der Oberste Gerichtshof bisher (soweit überblickbar) noch nicht ausdrücklich abgesprochen. Daß aber Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen zur Schaffung einer zusätzlichen Erwerbsmöglichkeit die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringern können, wurde schon judiziert (vgl 5 Ob 1596/94; 5 Ob 60/97b).

Es entspricht auch ständiger Rechtsprechung, daß Kreditrückzahlungen dann von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen sind, wenn sie der Finanzierung existenznotwendiger Bedürfnisse bzw unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen dienen oder zur Erhöhung der Arbeitskraft und wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltspflichtigen und seiner Familie aufgenommen wurden (ZIK 1996, 35 - Finanzierung eines gerichtlichen Zwangsausgleichs; EFSlg 40.059, 68.255, 73.205;

JBl 1991, 720; ÖA 1996, 91; RZ 1991/70; stRspr RIS-Justiz RS0007202;

Schwimann aaO 47, Purtscheller/Salzmann Rz 237, 241, 244 E 5).

Der erkennende Senat vertritt daher die Auffassung, daß auch die von einem selbständig Erwerbstätigen erbrachten Ausgedingsleistungen die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringern können, wenn sie als Entgelt für die Übernahme eines Betriebes erbracht werden und somit Voraussetzungen für die Schaffung einer - auch dem Unterhaltsberechtigten zugute kommenden - Erwerbsmöglichkeit sind. In einem solchen Fall stellen die Ausgedingsleistungen eine Investition in eine auf Erzielung von Einkünften gerichtete Erwerbsmöglichkeit dar und sind mit einer bloßen Ansammlung von Vermögenswerten nicht vergleichbar. Sie müssen daher gleich einer Betriebsausgabe bei Festlegung der Unterhaltsbemessungsgrundlage Berücksichtigung finden.

Bringt man nun die vom Unterhaltspflichtigen derzeit jährlich zu erbringenden Ausgedingsleistungen vom Jahreseinkommen in Abzug, ergibt sich das vom Revisionsrekurswerber errechnete durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen von S 10.775. Dieses reicht zur Deckung eines für den Unterhaltsberechtigten errechneten Regelbedarfs von S 2.430 (ab 1.7.1996 S 2.470) nicht mehr aus.

§ 140 ABGB verknüpft die Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern und deren Verpflichtung, zum Unterhalt nach Kräften beizutragen. Maßgeblich sind daher die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten einerseits und die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen andererseits. Eine Unterhaltsbemessung in der Höhe des jeweiligen Regelbedarfs ohne Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der Kindeseltern stünde daher mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen und dessen Leistungsfähigkeit muß sich daher der Unterhaltsberechtigte einen Abzug auf den Regelbedarf gefallen lassen. Unter Zugrundelegung der vom erkennenden Senat auf Fälle unterdurchschnittlichen Einkommens des Unterhaltspflichtigen und Fehlens weiterer Sorgepflichten angewendeten Prozentsatzmethode (vgl 4 Ob 2285/96z), entspricht der vom Revisionsrekurswerber angebotene Unterhalt von monatlich S 2.050 ohnehin 19 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage (Kindern des vorliegenden Alters stehen nach der Prozentsatzmethode 16 % zu). Eine Erhöhung über diesen Betrag hinaus würde die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nicht angemessen berücksichtigen.

Der angefochtene Beschluß war daher entsprechend abzuändern.

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