OGH 2Ob236/97p (2Ob237/97k, 2Ob238/97g, 2Ob253/97p)

OGH2Ob236/97p (2Ob237/97k, 2Ob238/97g, 2Ob253/97p)4.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am 21.Dezember 1996 verstorbenen R*****, zuletzt *****, vertreten durch Dr.Karl Bollmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Eva L*****, vertreten durch Dr.Walter Schuppich und andere Rechtsanwälte in Wien, und deren Nebenintervenienten Dr.Ingomar K*****, vertreten durch Alfred Fürst, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 900.000 und Feststellung infolge

1. Rekurses der klagenden Partei und des Revisors beim Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4.März 1996, GZ 13 R 122/95-17;

2. der Rekurse der klagenden Partei gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13.Mai 1996, GZ 13 R 63/96x-21, und vom 21.Oktober 1996, GZ 13 R 63/96x-32, und

3. Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3.März 1997, GZ 13 R 63/96x-38, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes vom 4.März 1996, 13 R 122/95-17, wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs des Revisors gegen diesen Beschluß wird nicht Folge gegeben.

2. Die Rekurse der klagenden Partei gegen die Beschlüsse des Berufungsgerichtes vom 13.Mai 1996, 13 R 63/96x-21 und vom 21.Oktober 1996, 13 R 63/96x-32, werden zurückgewiesen.

3. Der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes vom 3.März 1997, 13 R 63/96x-38, wird, soweit er sich gegen den Ausspruch richtet, daß die Kostenersatzpflicht dem Grunde nach die klagende Partei trifft, zurückgewiesen; im übrigen wird ihm nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rekurses, die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt von der Beklagten Schadenersatz mit der Begründung, es sei durch ihr Verschulden bei der Narkose vom 19.8.1988 zu einem schweren Zwischenfall mit Herzstillstand gekommen, der zu Dauerfolgen geführt habe. Die Beklagte, die als Anästhesistin dem Eingriff beigezogen worden sei, habe die Narkose unsachgemäß verabreicht.

Mit Zwischenurteil sprach das Erstgericht aus, es werde dem Grunde nach festgestellt, daß die Beklagte aus dem Narkosezwischenfall vom 19.8.1988 hafte.

In der Berufungsverhandlung vom 6.9.1995 beschloß das Berufungsgericht die Ergänzung des Sachverständigengutachtens Dris. P***** und erteilte diesem mit Beschluß vom 15.9.1996 einen entsprechenden Auftrag.

Mit Beschluß vom 4.3.1996, 13 R 122/95-17, bestimmte das Berufungsgericht die Gebühren des Sachverständigen Hofrat Univ.Prof.Dr.Gernot P***** für das schriftliche Gutachten vom 30.11.1995 mit S 4.778 und sprach aus, daß die Kostenersatzpflicht dem Grunde nach die klagende Partei treffe. Das Berufungsgericht erachtete für Mühewaltung gemäß §§ 34 Abs 1 und 49 Abs 2 GebAG einen Betrag von 3.000 S für angemessen, weil es sich bei dem Gutachten um eine wissenschaftliche Leistung im Sinne des § 49 Abs 2 GebAG handle. Der Sachverständige habe sich sowohl mit der gerätemäßigen Ausstattung auseinanderzusetzen gehabt als auch mit dem Narkosevorgang selbst und den verabreichten Medikamenten. Hiebei sei wissenschaftliche Literatur in großem Umfang zu verarbeiten und darüber hinaus auf zwei Privatgutachten Bedacht zu nehmen gewesen. Der ausdrückliche Auftrag habe die eingehende Auseinandersetzung mit diesen Privatgutachten umfaßt, was schon in Anlehnung an § 43 Abs 1 Z 2 lit e GebAG eine höhere Gebühr rechtfertige.

In der Folge wurde mit Beschluß vom 4.3.1996 Prof.Dr.Karl S***** zum Sachverständigen bestellt und ihm aufgetragen, ein Gutachten darüber zu erstatten, ob und welches Fehlverhalten der Beklagten bei Durchführung der vorliegenden Narkose vorzuwerfen sei und bejahendenfalls, ob und in welcher Weise sich dieses Fehlverhalten kausal auf den Gesundheitszustand des Klägers auswirkte. Mit Schriftsatz vom 10.4.1996 lehnte die klagende Partei diesen Sachverständigen wegen Befangenheit ab.

Mit Beschluß des Berufungsgerichtes vom 13.5.1996 wurde die Ablehnung des Sachverständigen verworfen und ausgesprochen, daß gegen diesen Beschluß ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig sei.

Mit Schriftsatz vom 2.10.1996 wurde der Sachverständige Prof.Dr.S***** neuerlich wegen Befangenheit abgelehnt, die Ablehnung wurde mit Beschluß des Berufungsgerichtes vom 21.10.1996, 13 R 63/96x-32, verworfen und ausgesprochen, daß gegen diesen Beschluß ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig sei.

Mit Beschluß des Berufungsgerichtes vom 3.3.1997, 13 R 63/96x-38, wurden die Gebühren des Sachverständigen Prof.Dr.S***** mit insgesamt S 20.075 bestimmt und ausgesprochen, daß die Kostenersatzpflicht dem Grunde nach die klagende Partei treffe. Dabei wurden die Gebühren für das Teilgutachten in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 4.9.1996 mit S 2.000 und für das schriftliche Gutachten vom 6.11.1996 mit S 8.000 festgelegt. In der Begründung dieser Entscheidung nahm das Berufungsgericht Bezug auf die Stellungnahme des Revisors beim Oberlandesgericht Wien zur Kostennote des Sachverständigen und führte aus, daß der Gebührenanspruch für das Gutachten vom 6.11.1996 nicht an den verzeichneten Kosten für das Gutachten vom 15.5.1996 gemessen werden könne, weil der Sachverständige bereits für das erste Gutachten eine höhere Gebühr nach § 37 Abs 1 GebAG für die Überprüfung des gerichtlichen Gutachtens Dris. P***** verlangen hätte können. Die Beurteilung der üblicherweise vom Sachverständigen bezogenen Einkünfte würde einen unverhältnismäßigen Verfahrensaufwand erfordern, weshalb die Gebührenbestimmung nach § 34 Abs 5 GebAG unter Anwendung des § 273 ZPO vorzunehmen sei. Das Berufungsgericht wies darauf hin, daß der Sachverständige ua Leiter des *****Institutes für ***** sei. Im übrigen genüge es, auf den Fragenkatalog hinzuweisen, den der Kläger vorgelegt und welches Literaturstudium er damit dem Sachverständigen auferlegt habe. Bei der Honorierung eines Ergänzungsgutachtens nach § 35 Abs 2 GebAG könne nicht rein mathematisch der Zeitaufwand für die Grundleistung mit der Verhandlungsdauer ins Verhältnis gesetzt werden und sei zu bedenken, daß die umfangreiche und anspruchsvolle mündliche Stellungnahme in den gerichtlichen Protokollen jeweils nur zusammenfassend wiedergegeben werde. Schließlich sei auf die Berücksichtigung umfangreicher, insbesonders auch ausländischer Literatur sowie auf die gesetzgeberischen Motive bei der Neufassung des § 34 GebAG durch die Novelle 1994, nämlich, besonders qualifizierte Fachleute nicht über zu geringe Entlohnung von der gerichtlichen Tätigkeit fernzuhalten, hinzuweisen.

Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes vom 4.3.1996, 13 R 122/95-17, erhob die klagende Partei insoferne Rekurs, als ihr die Kostenersatzpflicht dem Grunde nach auferlegt wurde. Der Revisor beim Oberlandesgericht Wien erhob Rekurs und bekämpfte die Bestimmung der Gebühr für Mühewaltung nach § 34 Abs 1 und § 49 Abs 2 GebAG mit S 3.000, weil keine wissenschaftliche Leistungen im Sinne des § 49 Abs 2 GebAG vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist unzulässig, jener des Revisors zulässig, aber nicht berechtigt:

Grundsätzlich handelt es sich bei der angefochtenen Entscheidung um eine solche des Berufungsgerichtes, die nur unter den Voraussetzungen des § 519 Abs 1 ZPO - welche hier nicht vorliegen - angefochten werden kann. Gemäß § 41 Abs 1 GebAG idF BGBl 1994/623 können aber gegen jeden Beschluß, mit dem eine Sachverständigengebühr bestimmt wird, die in § 40 leg cit genannten Personen Rekurs erheben. Es können daher auch Beschlüsse des Berufungsgerichtes, mit denen Sachverständigengebühren bestimmt werden, mit Rekurs bekämpft werden (7 Ob 2056/96w; 7 Ob 148/97h).

Der von der klagenden Partei bekämpfte Ausspruch, daß sie die Pflicht zum Ersatz der Gebühren der Sachverständigen treffe, beruht auf § 2 Abs 2 GEG. Gemäß dem letzten Satz dieser Bestimmung ist gegen den hierüber ergehenden Beschluß der Rekurs zulässig.

§ 2 Abs 2 letzter Satz GEG wurde nicht novelliert, diese Regelung entspricht sohin der Bestimmung des § 41 Abs 1 GebAG aF. Nach der zu dieser Bestimmung ergangenen stRsp (vgl RZ 1991/10, 3 Ob 44/93, zuletzt 1 Ob 508/94 und 1 Ob 526/94) ist gegen einen Beschluß des Berufungsgerichtes auch dann kein Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig, wenn die Sachverständigen- oder Dolmetschbestellung durch das Berufungsgericht selbst veranlaßt worden ist. Da in diesem Punkt eine Gesetzesänderung nicht eingetreten ist, muß dies entsprechend für die gemäß § 2 Abs 2 GEG über die Pflicht zur Kostentragung geltenden Beschlüsse gelten.

Der Rekurs der klagenden Partei, der sich nicht gegen die Bestimmung der Gebühren, sondern gegen den Ausspruch, wonach sie die Kostenersatzpflicht dem Grunde nach trifft, richtet, ist daher zufolge § 519 Abs 1 ZPO unzulässig, weil der entsprechende Beschluß nicht zu den dort angeführten Beschlüssen gehört.

Der Rekurs des Revisors, der sich gegen die Bestimmung der Gebühren richtet, ist zulässig, aber nicht berechtigt. Der Ansicht des Revisors, das Gutachten des Sachverständigen Dr.P***** stelle keine wissenschaftliche Leistung im Sinne des § 49 Abs 2 GebAG dar, kann nicht gefolgt werden. Unter einer wissenschaftlichen Leistung sind besonders schwierige, arbeitsintensive und umfangreiche Gutachten zu verstehen, die nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden erarbeitet wurden und besonders ausführlich begründet sind (vgl 1554 BlgNR XVIII GP, 15). Ein deartiges besonders schwieriges, arbeitsintensives und umfangreiches Gutachten liegt hier aus den schon vom Berufungsgericht aufgezeigten Gründen, gegen die der Revisor in seinem Rekurs nichts vorzubringen vermag, vor.

Die Beschlüsse des Berufungsgerichtes vom 13.5.1996, 13 R 63/96x-21 und vom 21.10.1996, 13 R 63/96x-32, mit denen jeweils die Ablehnung des Sachverständigen Prof.Dr.S***** verworfen wurde, werden vom Kläger mit je zwei wortgleichen Rekursen bekämpft, wobei der eine verbunden ist mit der außerordentlichen Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 6.11.1996 und der andere verbunden ist mit dem Rekurs gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 3.3.1997. Bei beiden angefochtenen Beschlüssen handelt es sich um solche, die im Berufungsverfahren ergangen sind. Zu den Beschlüssen im Sinne des § 519 Abs 1 ZPO gehören nämlich nicht bloß die berufungsgerichtlichen Beendigungsbeschlüsse, sondern alle im eigentlichen Berufungsverfahren ergangenen Beschlüsse (Kodek in Rechberger, Rz 2 zu § 519 mwN), sohin auch die Beschlüsse, mit denen die Ablehnung eines vom Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswiederholung bestellten Sachverständigen verworfen wird. Vom Berufungsgericht im Berufungsverfahren gefaßte Beschlüsse, die im § 519 ZPO nicht aufgezählt sind, können aber überhaupt nicht angefochten werden (Kodek aaO), weshalb die Rekurse der klagenden Partei zurückzuweisen waren.

Den Beschluß des Berufungsgerichtes vom 3.3.1997, 13 R 63/96x-38, mit dem die Gebühren des Sachverständigen Prof.Dr.S***** mit S 20.075 bestimmt wurden und ausgesprochen wurde, daß die Kostenersatzpflicht dem Grunde nach die klagende Partei treffe, bekämpft der Kläger mit Rekurs und beantragt, den Gebührenanspruch des Sachverständigen abzuweisen und festzustellen, daß die Kostenersatzpflicht dem Grunde nach die beklagte Partei treffe. Die beklagte Partei hat Rekursbeantwortung erstattet.

Insoweit sich der Rekurs des Klägers gegen den Ausspruch des Berufungsgerichtes richtet, daß die Kostenersatzpflicht dem Grunde nach die klagende Partei trifft, ist das Rechtsmittel, wie schon oben ausgeführt, unzulässig.

Hinsichtlich der Bestimmung der Gebühren des Sachverständigen vertritt der Kläger in seinem Rechtsmittel die Meinung, der Honoraranspruch sei verfehlt, weil das Gutachten unrichtig sei. Der Sachverständige habe nämlich die Frage, ob es deutschsprachige Literatur vor dem Jahre 1988, in welcher das EKG-Monotoring als ein Minimalerfordernis genannt sei, verneint, diese Antwort sei aber, wie sich aus den mit der außerordentlichen Revision vorgelegten Beilagen ergebe, unrichtig.

Weiters seien die Ausführungen des Revisors zu den vom Sachverständigen verzeichneten Gebühren richtig. Der Sachverständige habe nämlich laut Protokoll in der Berufungsverhandlung vom 4.9.1996 nur sein Gutachten vorgetragen, tatsächlich habe er nicht einmal dies getan. Ebensowenig sei die Begründung des Berufungsgerichtes für den Zuspruch des Betrages von S 8.000 für das Gutachten vom 11.11.1996 zutreffend. Es sei auch unrichtig, daß dem Sachverständigen ein Literaturstudium auferlegt worden sei, weil niemand dem Sachverständigen ein solches auferlegen könne. Tatsächlich habe der Sachverständige die Frage unrichtig beantwortet. Im übrigen habe der Revisor durchaus zu Recht die Grundleistung mit dem am 11.11.1996 verzeichneten S 8.000 in eine Relation gesetzt.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Wie sich aus dem Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 4.9.1996 ergibt, hat der Sachverständige nicht nur sein schriftliches Gutachten vorgetragen, sondern auch zu weiteren Fragen Stellung genommen. Es bestehen keine Bedenken, diese Ausführungen als (Teil-)Gutachten anzusehen und entsprechend zu honorieren.

Betreffend den Zuspruch von S 8.000 für das schriftliche Gutachten vom 6.11.1996 kann auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Der Kläger gibt lediglich die vom Berufungsgericht eingeholte Stellungnahme des Revisors wieder, diese hat das Berufungsgericht in seine Begründung aber bereits einbezogen und weitgehend abgelehnt.

Die Rekursbeantwortung der beklagten Partei ist nicht zu honorieren, weil nach § 41 Abs 3 GebAG kein Kostenersatz stattfindet.

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