OGH 15Os114/97 (15Os121/97)

OGH15Os114/97 (15Os121/97)28.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.August 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Ebner, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dipl.Ing.Dr.Wihelm P***** wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 7.April 1977, GZ 38 Vr 2570/93-1611, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gemäß § 55 StGB gefaßten Beschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Dipl.Ing.Dr.Wilhelm P***** wurde im ersten Verfahrensgang mit dem Urteil des Kreis- (nunmehr Landes-)gerichtes Wels vom 21.November 1991, GZ 16 Vr 1566/85-1385, unter anderem wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 2 erster Fall StGB und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu Strafen verurteilt.

Der dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 27.Mai 1993, GZ 15 Os 100, 103/92-24, teilweise Folge gegeben und die Schuldsprüche in mehreren Fakten sowie demzufolge die Strafaussprüche kassiert und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen. Seine Nichtigkeitsbeschwerde in Ansehung der Schuldsprüche wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB wurde zurückgewiesen.

Nach dem daher insoweit rechtskräftigen Schuldspruch liegt dem Beschwerdeführer zur Last,

C) am 4.Juli 1985 in Bad Goisern ein Gut, das ihm anvertraut worden

ist und dessen Wert 25.000 S überstieg, nämlich einen Bargeldbetrag von 200.000 S aus einem Zinsendepot, das am 3.Juli 1985 in einem extra bezeichneten verschlossenen Umschlag zur Aufbewahrung im Firmentresor und zur Einzahlung am folgenden Tag auf ein dafür eingerichtetes Sonderkonto bei der Volksbank B***** seinem Gewahrsam anvertraut worden war, der Firma "Wilhelm P***** Hoch- und Tiefbau GesmbH & Co KG" mit dem Vorsatz, diese dadurch unrechtmäßig zu bereichern, dadurch zugeeignet, daß er diesen Betrag von 200.000 S aus dem verschlossenen Umschlag entnahm und damit eine Schuld der genannten Firma bei der Bauarbeiter-Urlaubskasse bezahlte, sowie

D) am 19.November 1989 in Bad Goisern und am 22.November 1989 in Linz

dadurch, daß er in einer an das Oberlandesgericht Linz zu Handen

dessen Präsidenten Mag.B***** gerichteten Eingabe vom 19.November

1989, welche am 22.November 1989 in der Präsidialabteilung des

Oberlandesgerichtes einlangte und als "Antrag auf Überprüfung aller

Exekutionsakte des Bezirksgerichtes Bad Ischl, in denen Frau

Ing.Friederike K***** als Sachverständige unberechtigt Honorare

bezogen hat", bezeichnet ist, anzeigte: ".... Frau Ing.K***** war

jedoch - soweit ich Einblick habe - niemals bei Lokalaugenscheinen

oder bei Gutachtenserörterungen anwesend, verrechnete trotzdem dafür

die entsprechenden Honorare ..... Es besteht somit der begründete

Verdacht, daß Frau Ing.K***** in den Verfahren, in denen sie pro forma als Sachverständige eingesetzt war, ihre Honorare zu Unrecht und ohne Leistung bezogen hat. Hiedurch wurden die Gläubiger und auch ich und meine Firmen, möglicherweise auch andere Verpflichtete in anderen Verfahren geschädigt ..... Der Schaden bei meinen Verfahren beträgt mindestens 250.000 S zu Unrecht bezogene SV-Honorare ....", die Genannte dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, indem er sie einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2 StGB, falsch verdächtigte, wobei er wußte (§ 5 Abs 3 StGB), daß die Verdächtigung falsch ist und wobei die fälschlich angelastete Handlung mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck wurde - nachdem das Verfahren in Ansehung der vom Obersten Gerichtshof kassierten Schuldsprüche ausgeschieden worden war - der Angeklagte für den in Rechtskraft erwachsenen Teil des Schuldspruches des Urteils des (vormaligen) Kreisgerichtes Wels vom 21.November 1991 gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.Mai 1995, AZ 14 U 636/94, nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB sowie unter Anwendung des § 28 (Abs 1) StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten und zehn Tagen verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen wurde, wobei die Vorhaft vom 12.September 1985, 15.45 Uhr, bis zum 7. März 1986, 12.15 Uhr, auf die allenfalls zu vollziehende Strafe angerechnet wurde; zudem wurde der Beschluß gefaßt, "gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO" (gemeint: gemäß § 55 StGB) vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24. Mai 1995, AZ 14 U 636/94, abzusehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die - soweit sie vom Verteidiger ausgeführt ist - das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen nach § 281 Abs 1 Z 3, 4 und 11 StPO behauptet. Ausgeführt wird in der Rechtsmittelschrift weiters eine Strafberufung sowie - wenn auch in den Rechtsmittelanträgen nicht enthalten - der Sache nach eine Beschwerde gegen den mit dem Urteil verkündeten Beschluß (S 5 oben der Rechtsmittelschrift = S 763/Bd 40).

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Welcher der taxativ aufgezählten Gründe des § 281 Abs 1 Z 3 StPO geltend gemacht werden soll, ist der die Ausführungen zur Z 3 und Z 4 der genannten Gesetzesstelle nicht trennenden Beschwerde nicht zu entnehmen.

Zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung eines geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes bedarf es dagegen im einzelnen der deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Tatumstände, die den Nichtigkeitsgrund bilden sollen, der durch bloß ziffernmäßige Anführung nicht genüge getan wird (Mayerhofer StPO4 § 285 E 32, § 285 a E 43, 48).

In Ansehung der mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27. Mai 1993, GZ 15 Os 100, 103/92-24, in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche durften in der neuen Hauptverhandlung keine Beweise zugelassen werden, die eine Überprüfung der rechtskräftigen Schuldsprüche bezwecken (Mayerhofer aaO § 289 E 3 und 4).

Eben dies versuchte indes der Beschwerdeführer mit den Beweisanträgen

Denn die Beweisanträge sollten nach dem Inhalt des als Beweisthema zu verstehenden Vorbringens dazu dienen, die Veruntreuung auf ein "kriminelles Konzept" des seinerzeitigen Masseverwalters zurückzuführen, der "strafbare Tatbestände des Verurteilten vorgetäuscht" habe, sodaß "kein Tatbestand gemäß § 133 Abs 1 und 2" StGB gegeben sei, zumal der Masseverwalter die vom Beschwerdeführer angeordnete "Kompensation des entnommenen Zinsdepot-Betrages von 200.000 S" durchgeführt, dies jedoch dem Gericht und der Staatsanwaltschaft verschwiegen habe und der "angeblich veruntreute Betrag von 200.000 S Eigentum der P***** KG" gewesen sei und "somit eine Veruntreuung unmöglich stattfinden konnte" (S 3, 4, 6, 7 und 8 des genannten Schriftsatzes).

Gleiches gilt für die Beweisanträge in Ansehung der Verleumdung. Wird doch damit unter Beweis zu stellen getrachtet, daß dem Beschwerdeführer die rechtskräftig konstatierte Wissentlichkeit gefehlt habe und berechtigte Zweifel an verrechneten Tätigkeiten der Sachverständigen Ing.K***** bestanden hätten (S 10 und 14 des Schriftsatzes).

Auch soweit Beweisaufnahmen zur Dartuung eines Ausschließungsgrundes des im ersten Verfahrensgang tätig gewesenden Vorsitzenden des Schöffengerichtes gestellt wurden, bedeutet dies wesensnotwendig eine - wie dargelegt unzulässige - Anfechtung des bereits rechtskräftig gewordenen Schuldspruchteils. Dies gilt auch für die im Zusammenhang mit dem behaupteten Ausschließungs- oder Befangenheitsgrund begehrte Verlesung der Beweiswürdigung des Urteils des Kreisgerichtes Wels (S 14 des Schriftsatzes).

Angesichts der rechtskräftigen Schuldsprüche bedurfte es auch nicht der Verlesung der in diesem Urteil enthaltenen rechtlichen Würdigung.

Soweit eine Unterlassung der Verlesung der Strafzumessungsgründe aus dem genannten Urteil (dort S 250) moniert wird, fehlt es an einer Beschwerdelegitimation; denn es wurde bloß die Verlesung der S 4 und 165 bis 182 begehrt (S 26 des Schriftsatzes).

Gleichfalls nicht zur Beschwerde legitimiert ist der Angeklagte, soweit er rügt, die vorgenommenen Verlesungen seien zu hastig gewesen, wäre es doch ihm (oder den Verteidigern) freigestanden, der Art der Verlesung zu widersprechen und eine Entscheidung des Schöffensenates darüber zu begehren. Erst unter dieser Voraussetzung wäre er zur Verfahrensrüge berechtigt (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 6, 7).

Im übrigen kann die Ablehnung eines Beweisantrages, soweit damit Strafzumessungsumstände unter Beweis gestellt werden sollen, keine Nichtigkeit bewirken (Mayerhofer aaO § 280 E 20, 26; 9 Os 155/81; 10 Os 139/80). Insoweit steht nur die Berufung offen.

Durch die vom Schöffengericht im Zwischenerkenntnis vom 7.April 1997 vorgenommene Abweisung der Beweisanträge (S 57/Bd 39) wurden somit Verteidigungsrechte iS des § 281 Abs 1 Z 4 StPO nicht verletzt.

In der Strafzumessungsrüge nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO moniert der Beschwerdeführer, daß die Verhängung einer Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.Mai 1995 nicht dem Gesetz entspreche, weil ausgehend von der mit 27.Mai 1993 partiell rechtskräftigen Verurteilung durch das Kreisgericht Wels vom 21.November 1991 die Verhängung einer Zusatzstrafe zum dreieinhalb Jahre später ergangenen Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien denkunmöglich sei; aus den gleichen Erwägungen sei nicht über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24. Mai 1995 zu entscheiden gewesen.

Bei dieser Argumentation verkennt der Beschwerdeführer, daß die Regelung des § 31 Abs 1 StGB nicht auf einen Schuldspruch abstellt, sondern darauf, ob jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Im vorliegenden Fall war kein materiell- oder verfahrensrechtliches Hindernis dagegen gegeben, daß die Straffestsetzung für die bereits rechtskräftig gewordenen Schuldsprüche mit jenem Verfahren verbunden worden wäre, das beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien geführt wurde. Folgerichtig waren demnach die Bestimmungen der §§ 31 und 40 StGB anzuwenden. Eine Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 StPO liegt nicht vor.

Der Rechtsmittelschrift sind Ausführungen eingeschoben, die als "ein vom Angeklagten selbst verfaßter Schriftsatz" deklariert werden, "der zum Inhalt dieser Nichtigkeitsbeschwerde erhoben wird".

Auf diese Ausführungen war nicht Bedacht zu nehmen.

Die zur Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde und für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über eine solche notwendige Verteidigung (§ 41 Abs 1 Z 4 StPO) durch einen in eine Verteidigerliste eingetragenen Verteidiger (§ 39 Abs 1 StPO) dient der Vermeidung formell verfehlter Beschwerden oder solcher Beschwerdeeinwände und damit gleichzeitig der Wahrung der Interessen sowohl des Angeklagten, der die Nichtigkeitsbeschwerde eben ausführt, als auch aller sonstigen Beschwerdeführer in ihrer Gesamtheit (RZ 1971, 13 unter Berufung auf Vorjudikatur). Es ist demnach nur auf die vom Verteidiger ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde Bedacht zu nehmen (RZ 1937, 118; RZ 1973/101; 9 Os 92/78; 15 Os 27, 28/91; 16 Os 11, 12/92; 14 Os 112/92; 14 Os 94/92; 11 Os 99, 100/95). Daran ändert sich auch nichts, wenn Ausführungen des Angeklagten vom Verteidiger mit der von ihm verfaßten Rechtsmittelschrift dem Gericht überreicht werden. In welcher Form dies geschieht, ob durch Beilegen oder Vereinigen mit dem Schriftsatz des Verteidigers im Weg des Beiheftens oder durch Fotomontage oder durch Abschreiben, ist gleichgültig. In einem derartigen Vorgehen kann nämlich stets nur ein zum Scheitern verurteilter Versuch erblickt werden, jene strafprozessuale Normen zu umgehen, die nur eine einzige Ausführung der Nichtigkeitsgründe durch Aufnahme eines gerichtlichen Protokolls oder in einem durch einen Verteidiger unterfertigten Schriftsatz gestatten (EvBl 1980/82; RZ 1971, 13; 11 Os 86/85).

Aus den angeführten Erwägungen war auch auf einen Schriftsatz des Angeklagten, betitelt "Vervollständigung des Aktes 38 Hv 151/93, LG Innsbruck" und eine Äußerung des Beschwerdeführers zur Stellungnahme der Generalprokuratur (die zusätzlich zu jener des Verteidigers eingebracht wurde) nicht Bedacht zu nehmen.

Beigefügt sei, daß das hier in Rede stehende "Verteidigermonopol" auch der Bestimmung des Art 6 Abs 3 lit c MRK entspricht (Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 5.9.1990, Nr.12.350/86 = ÖJZ 1991, 319).

Aus den dargelegten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Z 1 und 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO). Zur Entscheidung über die Berufung und die der Sache nach ausgeführte Beschwerde ist demnach das Oberlandesgericht Innsbruck berufen (§ 285 i StPO).

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