OGH 3Ob203/97t

OGH3Ob203/97t28.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Gemeinde M*****, wider die verpflichtete Partei Dr.Ferdinand K*****, vertreten durch Dr.Georg Peterlunger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 223.842,39, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 7.Mai 1997, GZ 22 R 133/97f-7, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am See vom 4.März 1997, GZ 1 E 714/97t-2, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten eines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Gemeinde, vertreten durch ihren Bürgermeister, die Forderungsexekution nach § 294 EO zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 690.394,09 auf Grund eines Rückstandausweises der Gemeinde vom 12.2.1997.

Die Exekutionsbewilligung bekämpfte der Verpflichtete mit Rekurs, in dem er die "sachliche Unzuständigkeit" des Erstgerichtes mit der Begründung geltend machte, für die Eintreibung von Beiträgen zu den Herstellungskosten der Ortskanalisation in der Höhe von S 458.423,90 sei das Erstgericht sachlich nicht zuständig, weil nach § 7 Abs 1 Sbg InteressentenbeiträgeG LGBl 1992/161 die Vollstreckung der fälligen Beiträge durch den Bürgermeister bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde, das sei die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft, zu veranlassen sei. Im übrigen sei der Rückstandsausweis nicht dem Verpflichteten, sondern einer im Rekurs namentlich genannten Person zugestellt worden. Außerdem entspreche der Rückstandsausweis den Formvorschriften der EO nicht, dessen Vollstreckbarkeit sei von der Gemeinde rechtswidrig bestätigt worden.

Mit angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs teilweise Folge, sodaß es das Begehren auf Bewilligung der Forderungsexekution zur Hereinbringung von S 466.521,70 zurückwies und lediglich die Exekutionsbewilligung zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von S 223.842,39 bestätigte.

Das Rekursgericht führte dazu im wesentlichen aus:

Gemäß § 1 Z 13 EO seien Exekutionstitel im Sinne der EO die über direkte Steuern und Gebühren sowie über Landes-, Bezirks- und Gemeindezuschläge ausgefertigten, nach den darüber bestehenden Vorschriften vollstreckbaren Zahlungsaufträge und Rückstandsausweise. Letztere seien nach ständiger Rechtsprechung vom Gericht bei Prüfung der Voraussetzungen einer Exekutionsbewilligung nicht auf die materielle Richtigkeit, sondern lediglich dahin zu überprüfen, ob sie den gesetzlich festgelegten Inhaltserfordernissen entsprächen (SZ 32/126; EvBl 1973/82; RPflE 1989/14, 1992/73 uam). Soweit der Rekurswerber geltend mache, die Abgabenvorschreibungen hinsichtlich der im Rückstandsausweis enthaltenen Kanalbenützungsgebühren seien ihm nie zugestellt worden, strebe er die Prüfung des Rückstandsausweises auf seine materielle Richtigkeit an. Nach den vorstehenden Ausführungen sei auf dieses Rekursvorbringen nicht näher einzugehen.

Die Prüfung des über den Exekutionsantrag entscheidenden Gerichtes habe sich jedoch auch auf die Frage zu erstrecken, ob ein Rückstandsausweis für Forderungen geschaffen worden sei, für die dies im Gesetz vorgeschrieben sei (RpflgE 1989/14; 1996/20). Für die mit dem Rückstandausweis geltend gemachten Interessentenbeiträge (Herstellungskosten) sehe § 7 Abs 2 Sbg InteressentenbeiträgeG nicht vor, daß die Rückstandsausweise Exekutionstitel für das gerichtliche Vollstreckungsverfahren seien. In diesem Umfang und auch, soweit es sich auf Barauslagen für Sachverständige und Kommissionsgebühren beziehe, stelle der Rückstandsausweis keinen Exekutionstitel nach § 1 Z 13 EO dar.

Was die (laufenden) Kanalbenützungsgebühren angehe, ermächtige § 1 Abs 1 Sbg BenützungsgebührenG die Gemeinde, durch Beschluß der Gemeindevertretung Gebühren für die Benützung von gemeindeeigenen Trinkwasserversorgungs- und Abwasseranlagen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erheben, wobei die Erhebung der Gebühren gemäß § 1 Abs 2 leg cit in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde falle (Giese/Huber Sbg GemO 1994, FN 1 bis 4 zu § 56). Der Bereich der Vollstreckung von öffentlichen Abgaben, Beiträgen sowie diesen gleichgestellten Geldleistungen sei gemäß § 1 Abs 3 VVG vom Geltungsbereich des VVG ausgenommen (aaO Rz 1 zu § 81). Hiefür gelte vielmehr die Abgabenexekutionsordnung [AbgEO] (Ringhofer, Verwaltungsverfahren II FN 14 zu § 1 VVG). Gemäß § 3 Abs 1 AbgEO würden die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände und der Gemeinden zu erhebenden öffentlichen Abgaben, Beiträge und Nebenansprüche nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 im finanzbehördlichen oder gerichtlichen Vollstreckungsverfahren eingebracht. Die Einhebung, (Vorschreibung und Eintreibung) der Abgaben obliege gemäß § 56 Abs 3 Sbg GemO 1994 dem Bürgermeister. Hieraus leite sich die Legitimation des Bürgermeisters zur Betreibung der Kanalbenützungsgebührforderung auf Grund des vorliegenden Rückstandsausweises ab. Dem stehe auch § 81 Sbg GemO 1994 nicht entgegen, der dahin ausgelegt werde, daß die Gemeinde jedenfalls die Bezirksverwaltungsbehörde um Vollstreckung zu ersuchen habe, somit Rückstandausweise des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde nicht selbst vollstrecken könne (Giese/Huber aaO Rz 5 zu § 81; Walter/Mayer Verwaltungsverfahrensrecht6 Rz 980). Aus dieser Bestimmung könne nicht abgeleitet werden, daß auch die nach § 3 Abs 1 AbgEO bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme des gerichtlichen Exekutionsverfahren ausgeschlossen werden hätte sollen. Schließlich sehe § 13 Sbg BenützungsgebührenG die Ausstellung eines Rückstandsausweises als Exekutionstitel für das abgabenbehördliche oder gerichtliche Vollstreckungsverfahren zur zwangsweisen Einbringung vollstreckbar gewordener Gebührenansprüche durch den Bürgermeister vor. Der Exekutionsantrag zur Hereinbringung der Kanalbenützungs- gebühren beziehe sich auf Gebühren im Sinne des § 1 Z 13 EO, für deren Hereinbringung das Sbg BenützungsgebührenG die Erlassung eines Rückstandsausweises auch vorsehe. Da der von der Gemeinde erlassene Rückstandsausweis im übrigen den für einen solchen vorgesehenen formellen Erfordernissen entspreche, sei die Erteilung der Exekutionsbewilligungen im Umfang von S 223.872,39 zu Recht erfolgt.

Das Rekursgericht sprach aus, daß gegen diese Entscheidung ein Revisionsrekurs gemäß §§ 78 EO, 528 Abs 1 ZPO zulässig sei, da sich die Entscheidung mit Rechtsfragen auseinandersetze, zu der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, denen allerdings zur Wahrung insbesondere der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme.

Diese Entscheidung bekämpft der Verpflichtete mit seinem auf die Rekursgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Nichtigkeit gestützten Revisionsrekurs, mit dem er die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin anstrebt, daß der Exekutionsantrag zur Gänze abgewiesen werde. Damit verbindet er auch einen Einstellungsantrag sowie den Antrag, die Exekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung gegenüber diesen Rekurs aufzuschieben. Eine Entscheidung darüber unterließ das Erstgericht bislang.

Zur Begründung führt der Verpflichtete aus, daß aus den Bestimmungen des § 3 Abs 3 VVG iVm § 81 Sbg GemO 1994 abzuleiten sei, daß das Einschreiten der Gemeinde als betreibende Partei unzulässig und rechtswidrig sei. Vielmehr habe als betreibende Partei ausschließlich eine Gemeindebehörde, zB der Bürgermeister, einzuschreiten. Durch Einsicht in den Abgabenakt der Gemeinde könne zweifelsfrei festgestellt werden, daß dem Rekurswerber die Kanalbenützungsgebühren nicht vorgeschrieben worden sei. Die Namhaftmachung eines falschen Abgabenschuldners stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, wer Partei im gerichtlichen Exekutionsverfahren zur Vollstreckung von Rückstandsausweisen nach dem Sbg BenützungsgebührenG ist, fehlt, und diese Frage über den Anlaßfall hinaus für eine größere Anzahl von Rechtsunterworfenen von Bedeutung ist.

Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Die Exekutionsordnung enthält keine eigenständige Definition der Parteien des Vollstreckungsverfahrens. Auszugehen ist (wie nach der ZPO: Fucik in Rechberger Rz 2 vor § 1 ZPO mwN) von einem formellen Parteibegriff. Betreibender Gläubiger ist, wer die Zwangsvollstreckung begehrt, Verpflichteter ist, gegen wen die Zwangsvollstreckung begehrt wird (Holzhammer Zwangsvollstreckungsrecht4 13 f; Rechberger/Simotta Exekutionsverfahren2 Rz 83; ebenso Heller/Berger/Stix 157). Die Sachlegitimation ist für die Parteistellung nicht von Bedeutung (Rechberger/Simotta aaO Rz 84). Nach § 7 Abs 1 EO muß dem Exekutionstitel unter anderem die Person des Berechtigten und des Verpflichteten zu entnehmen sein. Dies ist beim vorliegenden Rückstandsausweis der Fall, der von der betreibenden Gemeinde (und zwar von ihrem Bürgermeister) ausgestellt wurde. Es gibt auch nicht den geringsten Grund, an der Parteifähigkeit der Gemeinde zu zweifeln, bei der es sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt (Ortsgemeinde als Gebietskörperschaft: Artt 115, 116 B-VG). Bloßen Behörden und Ämtern fehlt es in der Regel an der Parteifähigkeit im Zivilprozeß (Fucik aaO Rz 5; JBl 1946, 186), nichts anderes gilt für das Vollstreckungsverfahren nach der Exekutionsordnung (vgl nur Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 20 und Rechberger/Simotta Exekutionsverfahren2 Rz 103; Heller/Berger/Stix 184).

Wollte ein Spezialgesetz entgegen dem Parteiensystem der Exekutionsordnung eine Behörde wie den Bürgermeister (Art 117 Abs 1 lit c B-VG) als Formalpartei im gerichtlichen Exekutionsverfahren schaffen, müßte dies ausdrücklich geschehen. Dies ist aber in den einschlägigen Landesgesetzen nicht der Fall.

Klarzustellen ist zunächst noch, daß entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes - jedenfalls im noch nicht rechtskräftigen Umfang - nicht § 1 Z 13 EO zur Anwendung kommt, weil dieser Bestimmung die spezielleren Vorschriften des Sbg Landesrechts vorgehen. Sowohl nach § 172 Sbg LandesabgabenO [LAO] als auch nach § 13 Abs 2 Sbg BenützungsgebührenG sind Rückstandsausweise Exekutionstitel auch für das gerichtliche Vollstreckungsverfahren. Auf die (zitierte) wiederum generellere Norm der Sbg LAO (LGBl 1963/58 in der Fassung LGBl 1994/67) ist angesichts der spezielleren Regelung in § 13 Sbg BenützungsgebührenG (LGBl 1963/13 idF LGBl 1993/3) nicht weiter einzugehen.

Verfehlt ist der Hinweis des Revisionsrekurswerbers auf § 3 VVG schon im Hinblick auf die bereits vom Erstgericht zitierte Bestimmung des § 1 Abs 3 VVG, wonach dieses Gesetz nicht für die öffentlichen Abgaben und Beiträge und ihnen gesetzlich gleichgehaltenen Geldleistungen gilt. Gerade um solche Leistungen handelt es sich aber bei den Kanalbenützungsgebühren nach dem Sbg BenützungsgebührenG.

Dem Revisionsrekurswerber kann daber auch in keiner Weise darin beigepflichtet werden, daß aus § 81 Sbg GemeindeO oder aus der von ihm zitierten Lehrbuchstelle geschlossen werden könnte, betreibende Partei sei nicht die Gemeinde selbst, sondern richtigerweise eine Gemeindebehörde (was im übrigen selbst bei Unrichtigkeit der Bezeichnung der betreibenden Partei keinesfalls zur Abweisung des Exekutionsantrags, sondern allenfalls zur Richtigstellung der Parteienbezeichnung führen würde: SZ 54/61).

Auch die - wie bereits gesagt, hier nicht anwendbar ist - Bestimmung des § 3 Abs 1 VVG stellt im übrigen klar, daß dann, wenn die Vollstreckungsbehörde für eine Gemeinde eine gerichtliche Exekution führt, die Bezirkshauptmannschaft nicht selbst als Partei, sondern namens der Gemeinde als betreibender Gläubigerin einschreitet (2 Ob 938/53, 2 Ob 940/53, 2 Ob 939/53; 3 Ob 89/74). Nichts anderes gilt für die gerichtliche Exekution durch die Anspruchsberechtigten (ua die Gemeinden) selbst nach § 2 Abs 3 VVG. Weder aus der Sbg LAO noch aus § 81 Sbg GemO läßt sich eine abweichende Regelung der Parteistellung ableiten. Nach dem schon vom Rekursgericht zitierten § 56 Abs 3 Sbg GemO obliegt die Einhebung (Vorschreibung und Eintreibung) der Abgaben dem Bürgermeister. Nichts läßt darauf schließen, daß damit eine Amtspartei für das gerichtliche Vollstreckungsverfahren geschaffen werden sollte. § 81 Abs 3 Sbg GemO betrifft lediglich die sogenannte politische Exekution und sagt daher für das gerichtliche Exekutionsverfahren auf Grund abgabenrechtlicher Rückstandsausweise von Gemeinden überhaupt nichts aus. Wie sich aus den Materialien (abgedruckt bei Giese/Huber Kommentar zur Sbg GemeindeO 472) eindeutig ergibt, soll durch die Nennung des Bürgermeisters nur klargestellt werden, welches Organ der Gemeinde antragsberechtigt sein soll (also nicht etwa die Gemeindevertretung).

§ 81 Abs 1 Sbg GemO verweist lediglich auf die "besonderen Rechtsvorschriften", worunter inbesondere die Sbg LAO zu verstehen ist (aaO Rz 1 zu § 81). Auch aus dem Grundriß des Verwaltungsverfahrensrechts von Walter/Mayer (nunmehr 6.Auflage Rz 1010) läßt sich für den Standpunkt des Revisionsrekurswerbers nichts gewinnen. Zwar ist dort davon die Rede, daß der Gesetzgeber durch § 3 Abs 3 VVG offenbar die Behörden ermächtigen wolle, für die Gebietskörperschaften als betreibende Gläubiger einzuschreiten. Selbst wenn damit tatsächlich die Begründung einer Formalpartei gemeint sein sollte, ist eben § 3 Abs 3 VVG auf den vorliegenden Rückstandsausweis ohnehin nicht anwendbar. Auch die EB zur Regierungsvorlage (905 BlgNR 16.GP, 3) lassen sich nicht in der vom Rechtsmittelwerber gewünschten Richtung deuten, ist es doch selbstverständlich, daß für die Gebietskörperschaften deren Behörden handeln müssen, weil jene nicht selbst - in der Terminologie der Zivilverfahrensgesetze - prozeßfähig sind.

Was das angebliche Fehlen einer ordnungsgemäßen Zustellung der Abgabenvorschreibung an ihn angeht, läßt der Rechtsmittelwerber die zutreffende Rechtsansicht des Rekursgerichtes unbekämpft, daß es bei der Vollstreckung von verwaltungsbehördlichen Exekutionstiteln den Gerichten verwehrt ist, die Rückstandsausweise auf ihre materielle Richtigkeit zu überprüfen. Überdies hat der Oberste Gerichtshof auch schon klargestellt, daß von den Gerichten auch die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung des Exekutionstitels selbst nicht zu überprüfen ist (SZ 6/47; JBl 1988, 795 = SZ 60/279). Umsoweniger ist dies für der Schaffung des Exekutionstitels vorangehende Zustellungen zulässig. Auch die zitierte E des Landesgerichtes Krems (RPflSlg 1994/83) stützt die Ansicht des Revisionsrekurses nicht, weil auch darin klargestellt wird, daß das Gericht lediglich prüfen darf, ob ein Rückstandsausweis über den darin genannten Anspruch überhaupt erlassen werden durfte. Dies ist im vorliegenden Fall, wie bereits mehrfach dargestellt, zu bejahen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 50, 40 ZPO.

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