Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas Giuseppe Andrea M***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1.) und des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (2.) schuldig erkannt, weil er am 12.August 1996 (1.) eine Prostituierte, die er vorerst von hinten festhielt und der er dann ein Messer an den Hals setzte, mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt zur Vornahme eines Oralverkehrs nötigte und anschließend (2.) unter Verwendung des Messers mit der Äußerung "Jetzt gibst du mir zuerst deine Geldtasche" mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Bargeld abzunötigen suchte.
Rechtliche Beurteilung
Die auf § 281 Abs 1 Z 3 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Die Verfahrensrüge (Z 3) behauptet Urteilsnichtigkeit, weil die Zeugen, die auch vom Verteidiger befragt worden sind und auf deren Aussagen sich der Schuldspruch gründet, nicht über ihr Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 und 2 StPO belehrt worden sind. Insbesondere das Tatopfer würde sich wegen seiner zu den wesentlichen Umständen von der Verantwortung des Angeklagten abweichenden Aussage (Verwendung der Waffe, Versuch der Abnötigung von Bargeld), sollte die Verantwortung des Angeklagten der Wahrheit entsprechen, wegen falscher Beweisaussage allenfalls auch wegen Verleumdung strafbar gemacht haben. Da kein rechtlicher oder sachlicher Konnex zu jenen Taten bestehen müsse, welche dem Angeklagten angelastet werden, komme das Entschlagungsrecht auch im vorliegenden Fall zum Zug. Ähnliches gelte iS des § 152 Abs 1 Z 2 StPO für die Zeugenaussage des Lebensgefährten des Opfers.
Die Argumentation der Beschwerde ist unzu- treffend; sie findet auch in der zitierten Judikatur und Literatur keine Stütze und würde letztlich jeden Zeugen (und seine Angehörigen), der in seiner Aussage der Verantwortung des Angeklagten widerspricht, von der Aussage befreien. Die Bestimmung des § 152 Abs 1 StPO bezieht sich nämlich nicht auf Konsequenzen einer vor der betreffenden Vernehmung in derselben Sache abgelegten Aussage. Daher steht auch bei wiederholter Befragung einem Zeugen selbst dann kein Entschlagungsrecht zu, wenn gegen ihn wegen einer vorangegangenen Vernehmung in derselben Sache ein Strafverfahren, etwa infolge Anzeige des belasteten Beschuldigten wegen Verleumdung oder falscher Beweisaussage, eingeleitet wurde. Mit Rücksicht auf den erforderlichen Konnex zwischen jener Tat, die Gegenstand des Strafverfahrens ist, in dem der Zeuge vernommen wird, und jener, die allenfalls zu einem bereits gegen ihn anhängigen Strafverfahren führt oder deren er verdächtig ist, muß der Entschlagungsgrund schon bei der ersten Vernehmung zur betreffenden Sache gegeben sein und darf nicht erst durch die Aussage selbst geschaffen werden (14 Os 82/94).
Auch die von der Beschwerde herangezogene Lehrmeinung (Höpfel in FS für Platzgummer, S 253 ff) bestätigt dies. Sie geht ausdrücklich davon aus, daß die Ansicht des Obersten Gerichtshofes (in 14 Os 82/94 durch Reduktion) der Teleologie der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung entspricht. Nur die mögliche Offenbarung eines außerhalb der gerichtlichen Aufarbeitung des Straffalls allenfalls gesetzten kriminellen Verhaltens, nicht aber ein innerhalb dessen vielleicht zustande gekommenes "Aussagedelikt" führt zum Entschlagungsrecht des Zeugen. Diese thematische Beschränkung ist unverzichtbar, soll sich der Sinn der Strafdrohung gegen Falschaussagen nicht in sein Gegenteil verkehren (Höpfel aaO, S 259; die von der Beschwerde zitierte S 261 enthält keine Aussage zur vorliegenden Frage, sondern befaßt sich mit der Problematik der Zeugenaussage eines noch nicht rechtskräftig Verurteilten sowie der Umgehung des Entschlagungsrechtes).
Im übrigen wird der Einhaltung der Wahrheitspflicht durch Zeugen ganz allgemein durch die Bestimmung des § 165 (für die Hauptverhandlung iVm § 248 Abs 1) StPO Rechnung getragen, der das Gericht im vorliegenden Fall auch nachkam (S 86 und 92, wobei die Verletzung dieser Formvorschrift allerdings keine Nichtigkeit begründen kann; siehe Mayerhofer, StPO4, § 165 E 1 und 2).
Die Mängelrüge (Z 5) moniert eine unzureichende Begründung der Feststellung des Einsatzes schwerer Gewalt durch Vorhalten des Messers und der damit im Zusammenhang stehenden Nötigung zum Oralverkehr und des Versuchs zur Abnötigung von Bargeld. Das Tatgericht hat sich dabei aber keineswegs, wie die Beschwerde behauptet, mit dem substanzlosen Gebrauch von verba legalia begnügt, sondern im Rahmen seiner Tatsachenfeststellungen detailliert konstatiert, in welcher Weise der Angeklagte diese schwere Gewalt ausübte sowie seine Nötigungshandlungen setzte (US 3 ff) und dies mit dem Hinweis auf die als glaubwürdig erkannte Aussage des Opfers unter Ablehnung der gegenteiligen Verantwortung des Angeklagten zureichend begründet (US 6 ff).
Soweit die Mängelrüge inhaltlich das Fehlen einer Feststellung ("Prüfung") über den auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz beim Raubversuch behauptet, geht sie an den dazu im Spruch (US 2) sowie in den Gründen (US 5, siehe auch US 7) getroffenen Feststellungen vorbei.
Insgesamt war die Nichtigkeitsbeschwerde somit bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 StPO). Zur Entscheidung über die zugleich erhobene Berufung ist daher das zuständige Oberlandesgericht berufen (§ 285 i StPO).
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