OGH 10ObS174/97d

OGH10ObS174/97d8.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Danzl als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter SR Dr.Raimund Kabelka (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl-Heinz Schubert (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Sela Z*****, Serbien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Elternrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Februar 1997, GZ 7 Rs 388/96x-20, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5.März 1996, GZ 3 Cgs 124/95m-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die am 25.7.1932 geborene Klägerin ist die Mutter des bei einem Arbeitsunfall am 7.8.1980 in Österreich tödlich verunglückten Sheremet Z*****. Sie ist Hausfrau und lebt gemeinsam mit einem weiteren Sohn, ihrer Schwiegertochter und deren sieben Kindern in Kosovo in einem alten Lehmbau mit zwei Zimmern und einem Vorraum von Einkünften aus den Erträgnissen ihres Grundstückes im Ausmaß von 50 a schlechter Bodenqualität. Alle diese Familienmitglieder sind ohne Beschäftigung. Die Erträgnisse des Grundstückes reichen nicht für den eigenen Bedarf, sodaß die Klägerin durch Zuschüsse ferner Verwandter unterstützt werden muß. Sie ist nicht in der Evidenz des für ihren Wohnort zuständigen Zweiges der Pensions- und Invalidenversicherung Kosovo. Ihr 1910 geborener Gatte und Vater des verunfallten Sohnes ist bereits 1985 verstorben. Auch er war nicht in der Pensions- und Invalidenversicherungsevidenz. Der Verstorbene hat bis zu seinem Tod alle seine Ersparnisse an die Klägerin für deren Unterhalt geschickt. Nach dem Tod des Genannten lebten seine Eltern von der Unterstützung durch Nachbarn.

Mit Bescheid vom 22.8.1995 lehnte die beklagte Partei den Anspruch auf Gewährung von Elternrente aus der Unfallversicherung nach dem am 7.8.1980 verstorbenen Sohn ab.

In ihrer Klage stellte die Klägerin das Begehren auf Zuerkennung einer solchen Rente.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung einer Elternrente im gesetzlichen Ausmaß ab dem 2.12.1982. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des § 219 Abs 1 ASVG erfüllt seien, wobei der Beginn des Rentenzuspruches nach § 86 Abs 4 ASVG ab dem Tag der ersten Antragstellung anzunehmen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, daß es die beklagte Partei auch zur Leistung einer vorläufigen Zahlung von S 500 monatlich verpflichtete. Es übernahm im übrigen sowohl die Feststellungen als auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes als unbedenklich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens gestützte Revision der beklagten Partei. Diese ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit ist entgegen seiner Benennung im Rechtsmittel nicht weiter ausgeführt und kann damit schon deshalb zu keiner inhaltlichen Behandlung führen (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

In der Rechtsrüge werden Feststellungsmängel dahingehend geltend gemacht, daß nicht festgestellt worden sei, daß der Verstorbene "zur Zeit seines Todes für seine Mutter einen für eine (nach ortsüblichen Maßstäben) auskömmliche Lebenshaltung notwendigen und zumindest ansatzweise bestimmten Beitrag leistete" und überdies die Mittel zu vergleichen seien, "die die Eltern aus eigenem für die Lebensführung aufgewendet haben, und jene, die der Versicherte hiefür beigesteuert hat".

Nach § 219 Abs 1 ASVG haben ua bedürftige Eltern des Versicherten, dessen Tod durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde, Anspruch auf Elternrente von zusammen jährlich 20 vH der Bemessungsgrundlage, wenn der Versicherte ihren Lebensunterhalt überwiegend bestritten hat. Der im Gesetz nicht näher definierte Begriff der Bedürftigkeit wurde von der Rechtsprechung seit jeher dahin ausgelegt, daß diese dann vorliegt, wenn der Anspruchswerber im Zeitpunkt des Todes des Versicherten weder durch eigenes Vermögen oder durch eigenes Einkommen noch durch eine zumutbar gewesene Beschäftigung imstande gewesen ist, den notwendigen Unterhalt selbst zu erwerben. Maßgebend für das Vorhandensein dieser Umstände ist, daß diese Voraussetzungen bereits im Zeitpunkt des Todes des Versicherten bestanden (SV-Slg 21.680, 21.681, 23.194, 29.170, 31.307, 32.942, 35.067, 40.398; MGA ASVG Anm 1 zu § 219). Nach den für den Obersten Gerichtshof maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen war die zum Zeitpunkt des Todes ihres Sohnes in bescheidensten Verhältnissen lebende und weder aus der kleinen Liegenschaft noch aus einer öffentlichen Pensionsversicherung ihres Heimatstaates Einkünfte erzielende Klägerin damals auf Zuschüsse ihrer Verwandten, speziell ihres im Ausland (Österreich) lebenden Sohnes, angewiesen. Der Sohn hatte dabei alle seine Ersparnisse für deren Unterhalt in seine Heimat geschickt.

Diese nur sehr allgemein gehaltenen Feststellungen lassen aber nicht erkennen, welche Leistungen der Verstorbene und Versicherte vor seinem Tod tatsächlich zur überwiegenden (= mehr als die Hälfte erforderlichen) Bestreitung des Lebensunterhaltes seiner Eltern, speziell seiner nunmehr als Klägerin auftretenden Mutter geleistet hat. Hiezu ist es zunächst erforderlich, konkrete Feststellungen dahin zu treffen, welches Einkommen und welche Ersparnisse der im Zeitpunkt seines Todes als Eisenbieger bei einer Wiener Firma beschäftigte (und nach dem Pensionsakt selbst verheiratete und für drei - zufolge seines Alters von erst 28 Jahren jedenfalls minderjährige - Kinder sorgepflichtige) Sohn hatte, um überhaupt beurteilen zu können, daß und bejahendenfalls inwieweit er überhaupt in der Lage war, seinen Eltern im überwiegenden Maße Unterhalt zu leisten. Dazu kommt, daß neben dem Verstorbenen zumindest ein weiterer Sohn vorhanden ist, welchen seinerseits allfällige Unterhaltspflichten gegenüber seinen Eltern getroffen haben. Schließlich lebte im maßgeblichen Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch noch dessen Vater und Ehegatte der Klägerin, sodaß auch diesen möglicherweise gegenüber seiner Ehefrau eine Unterhaltspflicht getroffen haben mußte, deren Anteil - zum gesamten Haushaltseinkommen - bisher völlig unberücksichtigt geblieben ist. Wenngleich der Genannte - 1910 geboren und damit zum Zeitpunkt des Todes seines Sohnes bereits im 70.Lebensjahr stehend - nach den Feststellungen der Vorinstanzen über kein eigenes Pensionseinkommen verfügte, so haben doch beide Elternteile jedenfalls in geringem (bescheidenem) Umfang Erträgnisse aus ihrer Liegenschaft (Landwirtschaft) bezogen, die den Unterhaltsbedarf zumindest teilweise naturaliter abzudecken vermochten.

Da auch in Sozialrechtssachen die allgemeinen Grundsätze über die Verteilung der Beweislast gelten, also derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die rechtsbegründenden Tatsachen hiefür zu beweisen hat (SSV-NF 1/48, 5/140, 6/119, 10 ObS 2430/96t), müßte es zum Nachteil der Klägerin gereichen, wenn die zur abschließenden rechtlichen Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen des § 219 Abs 1 ASVG erforderlichen konkreten und tatsächlichen Erhebungen nicht oder nur im Sinne von Negativfeststellungen erfaßt werden könnten. Es wird daher unumgänglich sein, die Feststellungsgrundlage im aufgezeigten Umfange zu erweitern.

Da sohin für die abschließende rechtliche Beurteilung wesentliche Fragen noch ungeklärt sind, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens im aufgezeigten Sinne aufzuheben.

Ein Kostenvorbehalt hatte zu entfallen, da sich die Klägerin am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat und ihr somit auch keine Verfahrenskosten entstanden sind.

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