Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die begehrte einstweilige Verfügung wie folgt erlassen wird:
"1. Dem Gegner der gefährdeten Partei Bernhard K***** wird verboten, die Hanns-Gerhard K***** zu 1/3 (B-LNR 3) und zu 1/6 (B-LNR 5) jeweils in EZ 81 KG L*****, Grundbuch I*****, zugeschriebenen Miteigentumsanteile zu veräußern oder zu belasten.
2. Das Bezirksgericht Innsbruck wird ersucht, das unter Punkt 1. genannte Verbot in der dort genannten Einlage bei den Miteigentumsanteilen B-LNR 3 und B-LNR 5 anzumerken und die Beteiligten hievon zu verständigen.
3. Für die Einbringung der Hauptsachenklage wird der gefährdeten Partei eine Frist von einem Monat erteilt."
Die gefährdete Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens vorläufig, der Gegner der gefährdeten Partei hat diese endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die gefährdete Partei ist zu einem Drittel und zu einem Sechstel Miteigentümerin der im Spruch genannten Liegenschaft. Der Gegner der gefährdeten Partei ist aufgrund der Einantwortungsurkunde des BG Innsbruck vom 31.5.1996 ebenfalls zu einem Drittel und zu einem Sechstel (derzeit noch "außerbücherlicher") Miteigentümer dieser Liegenschaft. Seine Miteigentumsanteile sind im Grundbuch noch seinem verstorbenen Vater zugeschrieben. Zwischen den Streitteilen sind mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig, unter anderem vor dem Landesgericht Innsbruck ein Verfahren zur Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an der genannten Liegenschaft.
Die gefährdete Partei begehrte die aus dem Spruch ersichtliche einstweilige Verfügung. Der Antragsgegner habe im Rahmen von Vergleichsgesprächen im Verfahren zur Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch seinen damaligen Rechtsvertreter erklärt, er verkaufe die ihm gehörigen Liegenschaftsanteile um 3 Mio S an sie. Der Vertreter des Antragsgegners sei mit Schreiben vom 19.11.1996 um die Bekanntgabe der Zahlungsmodalitäten ersucht worden. Daraufhin habe dieser am 27.11.1996 unter Bezugnahme auf dieses Schreiben mitgeteilt, der Antragsgegner sei bereit, einen Kaufvertrag zum Kaufpreis von 3 Mio S abzuschließen, wobei der Betrag Zug um Zug gegen Unterfertigung des Kaufvertrags bezahlt werden müsse; in sämtlichen zwischen den Streitteilen anhängigen Verfahren sollte Ruhen bei wechselseitiger Kostenaufhebung eintreten. Dieses Anbot sei an die gefährdete Partei weitergeleitet worden, die das Anbot angenommen habe. Mit Schreiben vom 13.12.1996 sei dem Rechtsvertreter des Antragsgegners mitgeteilt worden, daß die gefährdete Partei das Anbot angenommen und ihren Rechtsanwalt beauftragt habe, den entsprechenden Kaufvertrag auszuarbeiten und dem Rechtsvertreter des Antragsgegners zu übermitteln. Noch am selben Tag habe dieser dem Rechtsvertreter der Antragstellerin mitgeteilt, sein Mandant sei mit der Erstellung des Kaufvertrags einverstanden und dieser solle ihm übermittelt werden. Am 17.12.1996 habe der Rechtsvertreter des Antragsgegners jedoch ein mit dem Vortag datiertes Fax übermittelt, wonach ein rechtsverbindliches Anbot seines Mandanten nicht vorliege. Dieser habe lediglich seine Bereitschaft zu Verkaufsverhandlungen bekundet; es liege von dritter Seite ein verbindliches Anbot mit einem Kaufpreis von 3,8 Mio S vor, das bis 21.12.1996 befristet sei. Die gefährdete Partei müsse bis 19.12.1996 mitteilen, ob sie um diesen Preis kaufen wolle. Da zwischen den Streitteilen der Kaufvertrag zum Kaufpreis von 3 Mio S bereits abgeschlossen gewesen sei, sei der Antragsgegner an diesen gebunden und habe die gefährdete Partei einen Anspruch auf Übergabe der Liegenschaft und Einräumung des Eigentumsrechts. Sie beabsichtige, den Antragsgegner auf Zuhaltung des Vertrags und auf Unterlassung der Weiterveräußerung zu klagen. Um ihren vertraglichen Anspruch durchsetzen zu können, sei die begehrte einstweilige Verfügung dringend geboten.
Der Antragsgegner wendete ein, das von der gefährdeten Partei behauptete Kaufanbot nie erstellt zu haben. Er habe seinen damaligen Rechtsvertreter nicht bevollmächtigt, an die gefährdete Partei ein Verkaufsanbot zum Kaufpreis von 3 Mio S zu richten. Von seinem Rechtsvertreter sei der Gegenseite auch nur mitgeteilt worden, man solle einen Kaufvertragsentwurf vorbereiten und übersenden; der Antragsgegner werde nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt den Entwurf prüfen.
Das Erstgericht wies den Provisorialantrag ab. Zwischen den Streitteilen sei kein gültiger Kaufvertrag zustandegekommen: Gemäß § 862 ABGB müsse eine Offerte innerhalb der vom Offerenten bestimmten Frist angenommen werden. In Ermangelung einer solchen Fristsetzung müsse die einem Anwesenden von Person zu Person gemachte Offerte sogleich angenommen werden, widrigenfalls sie erlösche. Die sofortige Annahme des am 4.11.1996 vom damaligen Vertreter des Antragsgegners gestellten Anbots sei unterblieben. Bei der schriftlichen Aufforderung vom 19.11.1996 zur Bekanntgabe der Zahlungsmodalitäten durch die gefährdete Partei handle es sich lediglich um eine Aufforderung zur Konkretisierung des bereits erloschenen Anbots vom 4.11.1996. Am 27.11.1996 habe der damalige Rechtsvertreter des Antragsgegners neuerlich ein mündliches Anbot ohne Fristsetzung erstellt; auch dieses Anbot sei nicht sofort angenommen worden. Es sei demnach mangels fristgerechter Annahme erloschen. Die schriftliche Mitteilung des Rechtsvertreters der gefährdeten Partei an den Vertreter des Antragsgegners vom 13.12.1996, die gefährdete Partei nehme das Anbot an, stelle eine eigene verbindliche Offerte dar, die aber vom Antragsgegner nicht angenommen worden sei. Im Ersuchen um Erstellung und Übermittlung eines Kaufvertrags sei lediglich eine Aufforderung zu erblicken, das von der gefährdeten Partei gemachte Anbot zu konkretisieren und in schriftlicher Form zu übermitteln.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 50.000 übersteige. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt. Die Tatsachen- und Beweisrüge sei nicht zulässig, weil das Erstgericht Feststellungen auch aufgrund von unmittelbar vernommenen Zeugen getroffen habe; eine Umwürdigung der Beweise sei im Sicherungsverfahren ausgeschlossen. Der (ehemalige) Rechtsvertreter des Antragsgegners sei aufgrund der ihm erteilten Prozeßvollmacht nicht berechtigt gewesen, namens des Antragsgegners ein Anbot zum Verkauf der Liegenschaftsanteile zu stellen, weil ein solches Anbot über den Gegenstand des Teilungsprozesses hinausgegangen sei und weil die Veräußerung eines Liegenschaftsanteils im Namen eines anderen einer Spezialvollmacht im Sinne des § 1008 ABGB bedürfe. Eine solche Spezialvollmacht habe nicht festgestellt werden können. Der Rechtsvertreter des Antragsgegners habe daher die Erklärung, die gefährdete Partei könne die Liegenschaftsanteile des Antragsgegners zum Preis von 3 Mio S kaufen, als falsus procurator abgegeben. Dieses Kaufanbot sei infolge vollmachtslosen Handelns des Rechtsvertreters des Antragsgegners unwirksam. Auf das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht könne sich die gefährdete Partei nicht berufen, weil sie ein Verhalten des Antragsgegners, aus dem sie berechtigterweise den Eindruck hätte gewinnen können, der Rechtsvertreter des Antragsgegners sei berechtigt, Erklärungen für seinen Mandanten über den Verkauf der Liegenschaftsanteile abzugeben, nicht einmal behauptet habe. Wenngleich die Rechtsansicht des Erstgerichts, das Kaufanbot vom 27.11.1996 sei mangels sofortiger Annahme erloschen, unrichtig sei, erweise sich aus diesen Gründen die Abweisung des Provisorialantrags als berechtigt.
Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Frage, ob das Rekursgericht unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes von den erstinstanzlichen Feststellungen zur Frage des Vorliegens einer Anscheinsvollmacht abgegangen ist, muß nicht beantwortet werden, weil - wie noch auszuführen sein wird - das Anbot des Antragsgegners zum Verkauf seiner Liegenschaftsanteile durch die seinem (ehemaligen) Rechtsvertreter erteilte Prozeßvollmacht gedeckt und die Frage des Vorliegens einer Anscheinsvollmacht somit unerheblich ist.
Die einem Rechtsanwalt erteilte Prozeßvollmacht ermächtigt gemäß § 31 ZPO unter anderem auch zum Abschluß von Vergleichen über den Gegenstand des Rechtsstreits (SZ 61/34; JBl 1988, 654; vgl EvBl 1992/76). Gegenstand des vom Gegner der gefährdeten Partei angestrengten Rechtsstreits zu AZ 10 Cg 222/96d des LG Innsbruck war die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an der den Streitteilen gehörigen Liegenschaft. Der (im Vergleichsweg) angebotene Verkauf der Anteile des die Zivilteilung begehrenden Gegners der gefährdeten Partei betrifft insofern den Gegenstand des Rechtsstreits, als es sich dabei um eine der nächstliegenden Möglichkeiten zur Beilegung eines (Zivil-)Teilungsstreits handelte, weshalb der damalige Rechtsvertreter des Gegners der gefährdeten Partei durch seine Prozeßvollmacht gedeckt war, als er den - vergleichsweisen - Verkauf der Miteigentumsanteile anbot. Nach den erstrichterlichen Sachverhaltsannahmen bot der ehemalige Rechtsvertreter des Antragsgegners dem Rechtsvertreter der gefährdeten Partei erstmals am 4.11.1996 die hier verfahrensverfangenen Miteigentumsanteile um den Preis von 3 Mio S zum Kauf an. Am 19.11.1996 ersuchte die gefährdete Partei um Bekanntgabe der Zahlungsmodalitäten, worauf am 27.11.1996 ein neuerliches (zweites) Anbot des Rechtsvertreters des Gegners der gefährdeten Partei unter Bekanntgabe der Zahlungsmodalitäten erfolgte. Erklärte daraufhin der Rechtsvertreter der gefährdeten Partei, er werde sich "ehestens nach Abklärung mit seiner Mandantschaft" melden, und vereinbarten zudem die beiden Rechtsvertreter, für den Fall der Annahme des Anbots den Sachverständigen zu verständigen, um Kosten (eines Lokalaugenscheins) zu sparen, so kann diese Abrede nur so verstanden werden, daß der Rechtsvertreter des Antragsgegners damit der gefährdeten Partei zur Anbotsannahme eine - nicht mit einem Endzeitpunkt bestimmte, angemessene - Überlegungsfrist einräumte. Es handelte sich somit dabei nicht um ein Anbot ohne Fristsetzung, das mangels sofortiger Annahme erloschen wäre, sondern um ein Anbot mit Einräumung einer Annahmefrist. Die Annahmeerklärung sollte ehestens nach Abklärung mit der gefährdeten Partei erfolgen. Da die gefährdete Partei das Anbot durch ihren Rechtsvertreter gegenüber dem Rechtsvertreter des Antragsgegners sodann am 13.12.1996 annahm, erfolgte die Annahme fristgerecht, waren doch bloß etwa zwei Wochen seit der Anbotstellung verstrichen. Im übrigen ging der Antragsgegner wohl selbst von einer fristgerechten und ordnungsgemäßen Anbotsannahme aus, kann doch das Ansinnen seines Vertreters, der Bevollmächtigte der gefährdeten Partei möge einen entsprechenden Kaufvertrag erstellen und ihm sodann übermitteln, füglich nur in diesem Sinn verstanden werden. Durch die gemäß § 862 erster Satz ABGB fristgerechte Annahme war der Kaufvertrag zustande gekommen; die gefährdete Partei hat damit das Bestehen ihres Anspruchs auf Übertragung der Miteigentumsanteile bescheinigt. Die Gefährdung dieses Anspruchs ist evident, weil sich der Gegner der gefährdeten Partei um den Verkauf seiner Miteigentumsanteile an einen Dritten bemüht.
Da aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 75 der III.Teilnovelle zum ABGB auch ein Belastungs- und Veräußerungsverbot bei einer dem Erben noch nicht eingeantworteten Liegenschaft angemerkt werden kann (SZ 53/32; SZ 53/132; SZ 24/334), ist die einstweilige Verfügung in Stattgebung des Revisionsrekurses antragsgemäß zu erlassen.
Gemäß § 393 Abs 1 EO hat die gefährdete Partei die Kosten des Sicherungsverfahrens vorläufig selbst zu tragen. Dem Gegner ist die Abwehr des Sicherungsantrags nicht gelungen; aufgrund seiner Erfolglosigkeit hat er gemäß § 402 EO sowie §§ 40 und 50 ZPO keinen Kostenersatzanspruch (1 Ob 2223/96h mwN).
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