OGH 6Ob732/80

OGH6Ob732/8015.10.1980

SZ 53/132

Normen

ABGB §547
ABGB §822
ABGB §75 der 3.TN
ABGB §547
ABGB §822
ABGB §75 der 3.TN

 

Spruch:

Ist der Erbe, dem der Nachlaß eingeantwortet wurde, noch nicht als Eigentümer einer Nachlaßliegenschaft im Grundbuch einverleibt, können zur Sicherung von Forderungen der Gläubiger des Erblassers und der Erbschaftsgläubiger einstweilige Verfügungen analog § 75 der

3. TN zum ABGB erlassen werden

OGH 15. Oktober 1980, 6 Ob 732/80 (LGZ Wien 45 R 8/80; BG Hernals 4 C 62/78)

Text

Der Kläger begehrte mit der am 6. Feber 1978 eingebrachten Klage, die vier im Ausland wohnhaften Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von 16 200 S zu verurteilen. Nach dem Vorbringen des Klägers sei Sophie B am 27. September 1976 gestorben. Diese habe bis zu ihrem Ableben eine Steuerberatungskanzlei geführt. Als bestellter Substitut und Liquidator habe der Kläger in der Zeit von Mai 1976 bis März 1977 Besprechungen bei Finanzämtern geführt und für die Klientel der Verstorbenen eine Steuerberatungstätigkeit ausgeübt. Der Nachlaß nach Sophie B sei mit der in Rechtskraft erwachsenen Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. September 1977 den Beklagten, die sich unter Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars zu Erben erklärt hätten, zu je einem Viertel eingeantwortet worden. In den Nachlaß falle die Liegenschaft EZ 1840 KG X. Grundbücherlich sei das den Beklagten im Erbweg angefallene Eigentum noch nicht einverleibt. Die Klagsforderung fände im Wert der Nachlaßliegenschaft ausreichende Deckung. Deshalb hafteten die Beklagten ungeachtet ihrer bedingten Erbserklärung zur ungeteilten Hand.

Am 15. Juni 1979 stellte der Kläger den Antrag, zur Sicherung der klageweise geltend gemachten Geldforderung den Beklagten die Veräußerung und Belastung der Nachlaßliegenschaft zu untersagen und dieses Verbot grundbücherlich anzumerken. In diesem Antrag stellte der Kläger sein Klagsvorbringen dahin klar, daß er nach dem Ableben der Erblasserin durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder als Substitut und Liquidator des Unternehmens (der Verstorbenen) bestellt worden sei, wiederholte aber die Klagsbehauptung, seine Tätigkeit von Mai 1976 bis März 1977 ausgeübt zu haben. Er behauptete ohne weitere Ausführungen, daß ihm daraus die Klagsforderung erwachsen sei. Die Beklagten verfügten außer der Nachlaßliegenschaft, an welcher das Eigentum der Erben noch nicht einverleibt sei, über kein im Inland gelegenes Vermögen und strebten die Veräußerung dieser Liegenschaft an.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Es vertrat die Ansicht, daß der zu sichernde Anspruch nicht ausreichend bescheinigt sei, ohne auch nur andeutungsweise erkennen zu lassen, welchen Sachverhalt, aus dem der zu sichernde Anspruch abgeleitet werden sollte, es als glaubhaft gemacht ansah. Es nahm als bescheinigt an, daß die im Ausland wohnhaften Beklagten im Inland außer den ihnen im Erbweg angefallenen Anteilen an der Nachlaßliegenschaft kein Vermögen besäßen und die Veräußerung dieser Liegenschaft anstrebten. Es vertrat die Ansicht, daß die Anmerkung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes ungeachtet des Umstandes, daß das Eigentum der Beklagten an der Nachlaßliegenschaft noch nicht einverleibt sei, zulässig sei, weil ein Fall des § 75 III. TN vorläge.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es vertrat die Ansicht, daß der zu sichernde Anspruch nach den Behauptungen des Klägers ausschließlich gegen die ruhende Verlassenschaft entstanden und daß die Beklagten erst durch die Einantwortung zu Schuldnern des Klägers geworden sein könnten. Die vom Kläger behauptete Forderung sei gegen die Verlassenschaft gerichtet und würde, falls ein Exekutionstitel für die Forderung vorliege, auch vor der Einantwortung in die Nachlaßliegenschaft vollstreckbar sein. Deshalb sei § 75 III. TN nicht anwendbar, das Verbot des § 379 Abs. 4 EO bestehe uneingeschränkt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Als Gläubiger des Erben im Sinne des § 822 ABGB i. d. F. des § 73 III. TN sowie der §§ 74 und 75 III. TN sind nach dem Zuschnitt der Bestimmungen auf die Schwebezeit der Abhandlungspflege die Gläubiger des Erblassers und die Erbfallgläubiger, die ihre Forderungen vor der Einantwortung gegen den ruhenden Nachlaß zu verfolgen in der Lage sind, nicht zu verstehen. Für die Zeit nach der erfolgten Einantwortung und des damit grundsätzlich beendeten Schwebezustandes in der rechtlichen Besitzzuweisung an den Verlassenschaftssachen wird durch die genannten gesetzlichen Bestimmungen unmittelbar keine Regelung getroffen. Soweit aber in Ansehung der dem Erben angefallenen Nachlaßliegenschaft bis zur Einverleibung seines Eigentumsrechtes eine Anspruchsdurchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung ein hindernder Schwebezustand fortbesteht, wird die Erlassung einstweiliger Verfügungen in Analogie zu § 75 III. TN zur Sicherung von Forderungen gegen den Erben in ständiger Rechtsprechung (EvBl 1980/142 u. v. a.) für zulässig erachtet. In diesem Stadium erscheinen aber Gläubiger des Erblassers und Erbschaftsgläubiger, die noch keinen Exekutionstitel gegen den Erblasser oder den ruhenden Nachlaß besitzen, in gleicher Weise wie Gläubiger des Erben schutzbedürftig, weil es vom Verhalten des Erben abhängt, wann die abgabenrechtlichen Voraussetzungen zur Einverleibung seines Eigentumsrechtes erfüllt sind und der Erbe daher weitgehend den Zeitpunkt der Einverleibung seines Eigentumsrechtes oder gar unmittelbar das eines Nachmannes zum Nachteil aller Gläubiger zu beeinflussen vermag. Die Gleichartigkeit der Interessenlage rechtfertigt es, soweit § 75 III. TN in Ansehung von Nachlaßliegenschaften, an denen das Eigentum des Erben noch nicht einverleibt ist, auch noch nach der Einantwortung - analog - angewendet wird, auch Gläubiger des Erblassers, der diesem gegenüber im Sinne des § 547 ABGB mit dem Erben für eine Person gehalten wird, als Gläubiger des Erben anzusehen, soweit diese Gläubiger noch keinen in die Nachlaßliegenschaft vollstreckbaren Exekutionstitel besitzen. Sie können nämlich nach der Einantwortung nur mehr einen Exekutionstitel gegen den Erben erwerben.

Die Ausführungen des Rekursgerichtes, daß die zu sichernde Forderung gegen die Verlassenschaft gerichtet werde, übergeht den Umstand, daß die Forderung erst nach der erfolgten Einantwortung gegen die Erben geltend gemacht wird. Daß sie allenfalls vor der Einantwortung gegen die Verlassenschaft geltend gemacht hätte werden können, tatsächlich aber erst nach der Einantwortung gegen die Erben geltend gemacht wird, beraubt den Gläubiger nicht des Schutzbedürfnisses an einer Sicherung analog § 75 III. TN.

Für einstweilige Verfügungen, die nach § 75 III. TN angeordnet werden, besteht nach ständiger Rechtsprechung (EvBl. 1980/142 u. v. a.) keine Beschränkung der Sicherungsmittel im Sinne des § 379 Abs. 4 EO. Die vom Rekursgericht unter diesem Gesichtspunkt angenommene Unzulässigkeit des Sicherungsantrages liegt daher nicht vor. Der Gefährdungstatbestand nach § 379 Abs. 2 Z. 2 EO ist nach dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt erfüllt. § 75 III. TN enthebt den Gläubiger aber nicht, den zu sichernden Anspruch wie in jedem anderen Fall einer einstweiligen Verfügung zu bescheinigen. Der Kläger hat in seinem Sicherungsantrag zum gesamten Antragsvorbringen einschließlich des forderungsbegrundenden Sachverhaltes die Einsicht in die Abhandlungsakten und seine Vernehmung angeboten. Das Erstgericht hat im Sicherungsverfahren die einige Tage nach Erlassung der einstweiligen Verfügung bei ihm eingelangten Abhandlungsakten nicht eingesehen und den Kläger als Auskunftsperson über den anspruchsbegrundenden Sachverhalt des von ihm behaupteten Anspruches überhaupt nicht befragt. Es hat dann auch nicht einmal andeutungsweise dargelegt, welchen Sachverhalt zur Anspruchsbescheinigung es als glaubhaft gemacht ansah, und sich mit der Würdigung begnügt, daß der Anspruch nicht ausreichend bescheinigt worden sei. Das Rekursgericht hat nach seiner unzutreffenden Rechtsansicht über die Unzulässigkeit des beantragten Sicherungsmittel zur Anspruchsbescheinigung nicht Stellung genommen. Es bedarf offensichtlich einer Ergänzung des Verfahrens erster Instanz zur Bescheinigung des vom Revisionsrekurswerber behaupteten Anspruches.

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