Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.845,-- bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten S 3.307,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Beklagte ist Rechtsträgerin und Erhalterin des AKH Wien. Die Ärzte der dort eingerichteten Universitätskliniken sind Bundesbedienstete.
Am 16.8.1996 händigte der diensthabende Arzt der Universitätsklinik für Innere Medizin III (Nephrologie) einem Dialysepatienten ein Krankenhausrezept zum Bezug von Arzneimitteln für die Heimdialyse aus, auf dem sich ua folgender Aufdruck befand: "Bitte bis eine Woche vor Liefertermin retournieren; Lieferapotheke: C*****apotheke, ***** W*****; Fr.St*****." Dazu erhielt der Patient ein Informationsblatt mit folgendem Inhalt:
Sehr geeehrter Kunde!
Sie haben ab sofort die Möglichkeit, Ihren Monatsbedarf an Medikamenten mit Lieferung der Firma B***** zugestellt zu bekommen.
Wenn Sie das wünschen, senden Sie das AKH-Rezept an:
C*****apotheke
zH Frau St*****
*****
***** W*****
Wir erledigen für Sie die chefärztliche Bewilligung.
Bei Rückfragen wenden Sie sich an Frau St*****...".
Weiters wurde dem Patienten ein Kuvert ausgefolgt, welches bereits mit der im Informationsblatt angeführten Lieferadresse und dem Vermerk "Postgebühr zahlt Empfänger" versehen war.
Der Patient sandte das Krankenhausrezept mit dem übergebenen Kuvert an die angegebene Lieferadresse und erhielt verschiedene Medikamente rechtzeitig zu dem im Rezept angeführten Termin.
Das Rezeptformular war von einem Assistenten der Universitätsklinik Innere Medizin III des AKH erstellt worden, um Dialysepatienten, die erfahrungsgemäß viele Medikamente brauchen und bei der Beschaffung immer wieder auf Schwierigkeiten stoßen, zu helfen und ihnen den Weg in mitunter mehrere Apotheken zu ersparen. Die in Universitätskliniken ausgestellten Rezepte müssen normalerweise vom Hausarzt "umgeschrieben" werden; bei vielen Medikamenten ist außerdem eine Bewilligung des Chefarztes der Krankenkassa erforderlich. Diesen vielfach beschwerlichen Beschaffungsvorgang wollten die Ärzte der genannten Klinik im Interesse der Kranken verkürzen. Die C*****apotheke in W***** hatte ihnen angeboten, die Umschreibung und allenfalls notwendige Einreichung bei der Krankenkasse für die Patienten vorzunehmen und die erforderlichen Medikamente bereitzuhalten. Den damit befaßten Ärzten kam dabei nicht in den Sinn, den Wettbewerb dieser Apotheke zum Nachteil anderer Apotheken zu fördern; einziger Beweggrund für dieses Vorgehen war die beabsichtigte Hilfestellung für die Patienten.
Im August 1996 erhielten die Ärzte der Universitätsklinik Innere Medizin III die Nachricht, daß ein neues Medikament für Dialysepatienten auf den Markt gekommen war. Bei der Erörterung, ob man den Patienten mitteilen solle, auch dieses Medikament bei einer bestimmten Apotheke zu besorgen, warf ein Oberarzt ein, daß das zu wettbewerbsrechtlichen Problemen führen könne. Dieser neue Aspekt wurden zum Anlaß genommen, die beschriebene Aktion sofort zu beenden. Die zu diesem Zweck aufgelegten Formulare wurden vernichtet. Zuletzt wurde an einem Erlaß an die Kliniken gearbeitet, derartige Aktionen in Hinkunft zu unterlassen.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassunganspruchs beantragt der klagende Apothekerverband, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, beim Betrieb ihrer Krankenhäuser bei Ausstellung von Krankenhausrezepten auf die Möglichkeit des Bezugs von Arzneimitteln im Versandweg hinzuweisen oder in ähnlicher Weise die verbotene Abgabe von Arzneimitteln im Versandhandel zu fördern.
Die beanstandete Vorgangsweise verstoße gegen das Verbot des Versandhandels für Arzneimittel in § 50 Abs 2 GewO, § 59 Abs 9 AMG, widerspreche aber auch der Regelung über die Zustellung von Arzneimitteln an Patienten in § 8a ApothekenG. Durch den Verstoß gegen die genannten Vorschriften verschaffe die Beklagte der C*****apotheke in W***** gegenüber den übrigen Apotheken einen Wettbewerbsvorteil. Den beteiligten Ärzten, deren Verhalten gemäß § 18 UWG der Beklagten zuzurechnen sei, seien die einschlägigen Bestimmungen des Arzneimittel- und Apothekenrechts bekannt. Der Verstoß dagegen sei ihnen auch subjektiv vorwerfbar. Damit sei daher auch ein Verstoß gegen das UWG verbunden.
Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus. Die Bediensteten der Universitätskliniken stünden in keinem vertraglichen Verhältnis zur Beklagten als Spitalserhalterin, sondern zur Republik Österreich. Sie seien daher nicht in ihrem Betrieb im Sinne des § 18 UWG tätig gewesen. Mit der von Ärzten der Universitätsklinik Innere Medizin III gepflogenen Praxis sei nur beabsichtigt gewesen, Dialysepatienten bei der Beschaffung der notwendigen Medikamente zu helfen. Der Beklagten und ihrem Klinikvorstand sei dieses Verhalten mit bekannt gewesen. Es liege aber auch kein Versandhandel mit Arzneimitteln vor. Mit dem Vorgehen sei lediglich sichergestellt worden, daß die Patienten die verordneten Medikamente tatsächlich erhielten. Die für den Versandhandel typische Möglichkeit, Waren aus Katalogen, Prospekten und dergleichen oder bei Vertretern auszusuchen, habe nicht bestanden.
Das beanstandete Verhalten sei lediglich zwei Monate lang in neun Fällen praktiziert und auf Anraten eines Arztes, der rechtliche Argumente eingewandt hatte, wieder eingestellt worden. Die Beklagte, die davon erst durch die Zustellung der Klage erfahren habe, habe bereits einen Erlaß ausgearbeitet, mit dem alle Klinikärzte angewiesen würden, Patienten bei der Beschaffung von Medikamenten nicht auf eine Weise zu unterstützen, die mit den Bestimmungen der Gewerbeordnung, des Arzneimittelgesetzes und des Apothekengesetzes unvereinbar sei.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Aufgrund der Feststellung, daß die Ärzte nur den Patienten behilflich sein wollten, ihnen eine Förderung einer bestimmten Apotheke aber nicht in den Sinn gekommen sei, verneinte es die für einen Verstoß gegen § 1 UWG erforderliche Wettbewerbsabsicht der handelnden Ärzte und ging auf eine nähere Prüfung der Zurechnungs- und der Verstoßfrage nicht ein.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichts und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Ein verbotener Versandhandel mit Arzneimitteln liege hier nicht vor. Der Versandhandel sei eine Vertriebsform des Einzelhandels, bei dem die Ware nicht in einem offenen Ladengeschäft mit Schaufenster, sondern schriftlich mittels Katalogen, Anzeigen, Prospekten oder auch durch Haushaltsvertreter angeboten würde. Die schriftlich bestellte Ware werde dem Käufer im Versandweg zugestellt; nicht gefallende Ware werde zurückgenommen. Der Umstand, daß eine Apotheke das von einem Arzt verordnete Medikament dem Patienten nicht persönlich ausfolge, sondern im Postwege zusende, lasse nicht den Versandhandel mit Arzneimitteln annehmen. Mit § 59 Abs 9 AMG solle lediglich verhindert werden, daß Patienten Arzneimittel, die sowohl für Menschen aber auch - bei der Entsorgung - für die Umwelt gefährlich sein könnten, in beliebig großer Menge ansammelten. Die Bestimmung verfolge das Anliegen, solche Substanzen nur in einem für den Heilzweck erforderlichen Ausmaß und mit einer gewissen Kontrolle an den Letztverbraucher gelangen zu lassen. Dieses Anliegen werde durch die Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken in kleineren Mengen am besten gesichert. Die Vorgangsweise der Ärzte der Universitätsklinik Innere Medizin III habe nicht gegen diese Intention des Gesetzgebers verstoßen, weil die Abgabe der Arzneimittel medizinisch indiziert gewesen und auch durch eine Apotheke erfolgt sei. Aber auch ein Verstoß gegen § 8a ApothekenG liege nicht vor. Mit dieser Bestimmung solle nur die Zustellung mit apothekeneigenen Zustelleinrichtungen in einem bestimmten Umkreis verboten werden, wenn die Arzneimittel nicht dringend benötigt würden. Da aber nicht feststehe, daß die beanstandete Zustellung von Arzneimitteln an Patienten durch apothekeneigene Einrichtungen erfolgt sei, sei auch eine Übertretung der letztgenannten Vorschrift nicht bescheinigt. Daher schade es im vorliegenden Fall nicht, daß das Verhalten der Ärzte der Universitätsklinik Innere Medizin III der Beklagten zuzurechnen sei und mit den Anordnungen der Beklagten nach Bekanntwerden des Verstoßes noch nicht alles getan worden sei, gleichartige Verhaltensweisen in Hinkunft zu unterbinden. Auch sei unerheblich, daß die Vorgangsweise der Ärzte wettbewerbsrechtlich auch dann beanstandet werden könnte, wenn sie ausschließlich im Patienteninteresse gehandelt haben sollten; für die Annahme der Förderung fremden Wettbewerbs genüge nämlich bereits die Schuldform der Fahrlässigkeit.
Der dagegen vom Kläger erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht hat festgestellt, daß die Ärzte der Universitätsklinik Innere Medizin III des AKH Wien mit der beanstandeten Vorgangsweise nur den für die betroffenen Dialysepatienten beschwerlichen Vorgang der Beschaffung der für sie notwendigen Medikamente erleichtern wollten; den Wettbewerb der C*****-Apotheke in W***** zu fördern, kam ihnen dabei nicht in den Sinn. Einziger Beweggrund ihres Handelns war die Hilfestellung für die Patienten. Der Kläger hat diese Feststellungen in seinem Rekurs angefochten. Das Rekursgericht hat diese Tatsachenrüge zwar nicht behandelt, doch ist diese Anfechtung von Feststellungen des erkennenden Richters im Sicherungsverfahren mit Rekurs seit der Entscheidung des verstärkten Senats 6 Ob 650/93 (SZ 66/164 = ÖBl 1993, 259) insoweit ausgeschlossen, als dieser den Sachverhalt aufgrund bei ihm abgelegter Zeugen- oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat. Die fragliche Feststellung hat der Erstrichter aufgrund der Aussage der Oberärztin in der Universitätsklinik für Innere Medizin III getroffen, sodaß das Rekursgericht davon gar nicht hätte abgehen können. Aus dieser Feststellung ergibt sich aber, daß die Ärzte, denen die beanstandete Handlungsweise bei der Beschaffung der Arzneimittel für Patienten zur Last gelegt wird, nicht in Wettbewerbsabsicht gehandelt haben. Ob "zu Zwecken des Wettbewerbs", also in Wettbewerbsabsicht gehandelt wurde, ist eine Tat- und keine Rechtsfrage (SZ 47/23 = ÖBl 1974, 111 - Brillenmacher im Wunderland; SZ 61/194; SZ 62/192; SZ 63/156; SZ 65/133; ÖBl 1997, 69 - Mietschulden). Die festgestellte Wettbewerbsabsicht muß aber nicht das einzige oder wesentliche Ziel der Handlung gewesen sein; sie darf nur gegenüber den eigentlichen Beweggrund nicht völlig in den Hintergrund treten (SZ 44/116; MR 1989, 61 - Ideenfabrik; SZ 62/192; SZ 63/156); ob dies der Fall ist oder die (mitspielende) Wettbewerbsabsicht neben anderen Zielen der Handlung noch Gewicht hat, ist als Wertung eine Rechtsfrage, die aufgrund der zu den konkurrierenden Motiven und Zwecken des Handelnden getroffenen Feststellungen zu beurteilen ist (MR 1989, 61 - Ideenfabrik; SZ 62/192; SZ 63/156; SZ 65/133). Diese Grundsätze gelten auch bei der Förderung von fremdem Wettbewerb. Wurde aber vom Erstgericht das Fehlen der Wettbewerbsabsicht ausdrücklich festgestellt, so darf die Beurteilung nicht mehr allein aufgrund von Erfahrungssätzen erfolgen (4 Ob 101/88).
Fehlt die Wettbewerbsabsicht gänzlich, dann bleibt für eine wettbewerbsrechtliche Beurteilung des beanstandeten Verhaltens kein Raum. Ob damit Bestimmungen der Gewerbeordnung, des Arzneimittelgesetzes oder des Apothekengesetzes verletzt wurden, muß daher nicht geprüft werden.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich §§ 78, 402 EO, 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.
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