OGH 6Ob65/97w

OGH6Ob65/97w26.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatsanwaltschaft Wien, Landesgerichtsstraße 11, 1082 Wien, wider die beklagten Parteien 1. Sladjan S*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in Wien, 2. Claudia S***** (K*****), ***** wegen Nichtigerklärung einer Ehe, infolge der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 27.August 1996, GZ 45 R 542/96f-24, womit infolge Berufung der erstbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 29.Februar 1996, GZ 3 C 118/95a-13, abgeändert und die Klage abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Antrag der klagenden Partei auf Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstbeklagte war und ist jugoslawischer Staatsbürger (der Teilrepublik Serbien). Nach dem Auszug aus dem Eheregister der Gemeinde S***** in Jugoslawien hat er am 23.12.1992 mit einer am 10.11.1970 in Wien geborenen Frau mit dem Vornamen Claudia die Ehe geschlossen. Aus der Urkunde ist der von der Frau vor der Eheschließung geführte Nachname nicht ersichtlich. Es ist der Urkunde auch nicht zu entnehmen, wer bei der Eheschließung anwesend war. Die Zweitbeklagte wird in der Klage als "Claudia Maria S*****" bezeichnet. Claudia K***** ist österreichische Staatsbürgerin und wurde am 10.11.1970 in Wien geboren.

Mit der am 14.11.1995 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Staatsanwaltschaft, gestützt auf § 23 EheG die Nichtigerklärung der Ehe der Beklagten gemäß § 21 EheG. Der Erstbeklagte benötige die Ehe mit der österreichischen Ehepartnerin, um problemlos in Österreich eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und allenfalls auch die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben zu können. An die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft sei niemals gedacht worden. Bei der Eheschließung sei zumindest die Zweitbeklagte nicht persönlich anwesend gewesen. Die im § 17 EheG vorgeschriebene Form der Eheschließung sei nicht eingehalten worden.

Der Erstbeklagte bestritt das Klagebegehren. Die Ehe sei nicht nichtig. Die Eheschließung habe in Anwesenheit der Zweitbeklagten (in Jugoslawien) stattgefunden.

Die Zweitbeklagte brachte vor, daß sie den Erstbeklagten nicht kenne. Sie sei ledig und noch nie in Jugoslawien gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und erklärte die Ehe für nichtig. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Erstbeklagte, ein jugoslawischer Staatsbürger, habe die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin benötigt, um in Österreich problemlos eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung zu erhalten. Er sei in den Besitz von Standesdokumenten der Zweitbeklagten gelangt. Diese habe die Dokumente (einem Dritten) anläßlich der Gewährung eines Darlehens "zur Sicherheit" übergeben, dann aber nicht mehr zurückerhalten. Sie habe daraufhin Verlustanzeige bei der Polizei erstattet und Ersatzdokumente beschafft. Der Erstbeklagte habe es unter Verwendung der Dokumente der Zweitbeklagten in Jugoslawien geschafft, am 23.12.1992 eine Ehe "zu schließen", was von der Gemeinde beurkundet worden sei. Die Zweitbeklagte sei dabei nicht anwesend gewesen. Zwischen den Beklagten habe nie ein Kontakt bestanden. Sie seien bis zum Verfahren einander völlig fremd gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß eine Ehe gemäß § 17 Abs 1 EheG dadurch geschlossen werde, daß die Verlobten vor dem Standesamt persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklärten, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Gemäß § 21 Abs 1 EheG sei eine Ehe nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der vorgeschriebenen Form stattgefunden habe. Die vorliegende Ehe sei nichtig. Die Klagebefugnis der Staatsanwaltschaft gründe sich auf § 28 EheG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Erstbeklagten Folge und wies die Nichtigkeitsklage ab. Es erachtete die Beweiswürdigung des Erstgerichtes für unbedenklich und beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß eine nichtige (vernichtbare) Ehe nur dann vorliege, wenn der äußere Schein einer Ehe gegeben sei. Um eine Nichtehe handle es sich, wenn nicht einmal dieser äußere Schein gegeben sei. Nur eine äußerliche Ehekonsenserklärung vor einem Standesbeamten oder Scheinstandesbeamten führe zu einer allenfalls wegen Formmangels vernichtbaren Ehe. Die Zweitbeklagte sei am Vorgang der "Eheschließung" in keiner Weise beteiligt gewesen. Es liege nicht bloß ein Verstoß gegen die Formerfordernisse des § 17 EheG vor, sondern eine Nichtehe. Die Feststellung des Nichtvorliegens einer Ehe habe im Prozeß zwischen den scheinbaren Ehegatten zu erfolgen. Im vorliegenden Fall sei nicht die Nichtigkeit einer Ehe gegeben, es liege vielmehr eine Nichtehe vor. Die Ehenichtigkeitsklage sei daher abzuweisen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Zur zu lösenden Rechtsfrage liege eine oberstgerichtliche Judikatur nicht vor.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Erstbeklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Zweitbeklagte hat sich weder am Berufungsverfahren noch am Revisionsverfahren beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig. Zur Frage, ob eine bloß beurkundete Eheschließung, bei der eine Konsenserklärung eines Ehepartners nicht abgegeben wurde, als eine nichtige Ehe oder aber als eine Nichtehe zu qualifizieren ist, liegt eine oberstgerichtliche Judikatur nicht vor. Die Revision ist berechtigt.

Nach den von der Revisionswerberin richtig zitierten jugoslawischen Gesetzesbestimmungen (Ehegrundgesetz vom 3.4.1946; Gesetz über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 5.6.1980; Gesetz vom 15.7.1982, dem jugoslawischen IPRG: alle abgedruckt in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht) gelten im jugoslawischen Rechtsbereich für die Eheschließung bestimmte Formvorschriften. Eine Eheschließung, bei der ein Ehepartner nicht persönlich anwesend ist und bei der seine Konsenserklärung durch einen Stellvertreter abgegeben wird, ist möglich. Die Nichtigkeit einer Ehe liegt vor, wenn die für die Gültigkeit der Ehe vorgesehenen Bedingungen nicht erfüllt waren. Nach den Kollisionsvorschriften ist für die Nichtigkeit der Ehe das Recht des Ortes der Eheschließung maßgeblich. Eine der österreichischen Gesetzesbestimmung über die Staatsbürgerschaftsehe (§ 23 EheG) vergleichbare Bestimmung ist im jugoslawischen Recht nicht aufzufinden.

Die Vorinstanzen haben zutreffend österreichisches Sachrecht angewendet. Gemäß § 17 Abs 1 IPRG ist bei der Beurteilung eines Ehenichtigkeitstatbestandes das Personalstatut des beteiligten österreichischen Ehepartners maßgebend, wenn das Personalstatut des anderen einen gleichartigen Ehenichtigkeitsgrund nicht kennt (SZ 62/159, SZ 67/56; 7 Ob 2179/96h). Gemäß § 16 Abs 2 IPRG ist zwar die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt die Einhaltung der Formvorschrift des Ortes der Eheschließung. Alle sachlichen, also nicht zur Form der Eheschließung gehörigen Ehevoraussetzungen sind jedoch gemäß § 17 Abs 1 IPRG für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut zu beurteilen. Zu den materiellen Voraussetzungen gehören auch die Konsenserfordernisse (Schwimann in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 17 IPRG).

Es steht fest, daß der Erstbeklagte die Urkunde über die Eheschließung erschlichen hat, sei es unter Mitwirkung des jugoslawischen Standesbeamten, sei es durch dessen Täuschung. Eine wirksame Konsenserklärung der Zweitbeklagten wurde nie abgegeben. Selbst wenn vor dem ausländischen Standesbeamten ein Stellvertreter für sie die Eheerklärung abgegeben hätte (was nicht festgestellt wurde), wäre diese mangels Vollmacht nicht wirksam. Ein ohne ausreichende Vertretungsbefugnis gesetzter Geschäftsakt ist unwirksam. Es kann dahingestellt bleiben, ob der unwirksam vertretene Ehepartner die in seinem Namen ohne Vollmacht abgegebene Konsenserklärung genehmigen könnte (wie dies für das Obligationenrecht allgemein gilt) und die Ehe dadurch saniert werden könnte, weil eine derartige Genehmigung nicht einmal behauptet, geschweige denn festgestellt wurde. Das Berufungsgericht hat wegen der fehlenden Konsenserklärung der Zweitbeklagten die vom Erstbeklagten behauptete, von der Klägerin bekämpfte Ehe als Nichtehe qualifiziert. Eine solche liegt jedoch immer nur dann vor, wenn nicht einmal der äußere Schein einer Ehe gegeben ist (6 Ob 333/67, Leitsatz veröffentlicht in EFSlg 8470). Zutreffend verweist die Revisionswerberin zu diesem Thema auf den Umstand, daß infolge des von der ausländischen Behörde ausgestellten Auszuges aus dem Heiratsregister (und der im Register eingetragenen Ehe) zumindest der äußere Anschein einer im Ausland erfolgten Eheschließung gegeben ist. Die Echtheit dieser Urkunde (bzw die Übereinstimmung mit dem Original) wurde nicht bestritten. Es ist davon auszugehen, daß die für Eheschließungen zuständige ausländische Behörde eine Ehe beurkundet hat, deren Schließung nach dem maßgeblichen Ortsrecht auch bei Abwesenheit eines Ehepartners durch Stellvertreter möglich war und ist. Trotz der Feststellung des Erstgerichtes über die Abwesenheit der Zweitbeklagten bei der Eheschließung vermittelt der Auszug aus dem Eheregister daher den äußeren Anschein, daß (auch) die Zweitbeklagte eine Ehekonsenserklärung abgegeben hat. Eine Nichtehe läge nur dann vor, wenn nicht einmal dieser Rechtsschein bejaht werden könnte, was etwa dann der Fall wäre, wenn die Eheschließung von einem dafür unzuständigen (ausländischen) Organ beurkundet worden wäre (vgl Pichler in Rummel ABGB2 Rz 1 zu §§ 15-19 EheG). Infolge des zu bejahenden äußeren Rechtsscheins einer Ehe ist die Nichtigerklärung der Ehe erforderlich (§ 27 EheG), die Klagelegitimation der Revisionswerberin also gegeben (§ 28 Abs 1 EheG). Nach den getroffenen Feststellungen ist die Klage auch berechtigt, weil der Nichtigkeitssanktion des § 23 EheG auch eine Ehe unterliegt, die nur zur Erlangung einer Arbeits- oder Aufenthaltsgenehmigung geschlossen wurde (SZ 67/56). Es ist daher das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Aus der Bestimmung über die Kostenersatzpflicht des Staatsanwalts im Falle seines Unterliegens im Nichtigkeitsprozeß (§ 85 1.DV EheG) ist zu folgern, daß dem Staatsanwalt im Falle des Obsiegens kein Kostenersatzanspruch zusteht. Sein Kostenersatzantrag ist jedenfalls schon deshalb nicht berechtigt, weil er betragsmäßig nicht konkretisiert wurde.

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