OGH 8ObA105/97t

OGH8ObA105/97t23.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Brigitte Augustin und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang L*****, Maschinenschlosser, ***** vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Firma D***** Werke GmbH, NfgKG, ***** vertreten durch Dr.Martin Stossier und Dr.Hans Leitner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Jänner 1997, GZ 7 Ra 362/96y-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11.Juli 1996, GZ 6 Cga 108/96m-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 21.375,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.562,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist bei der beklagten Partei seit dem 27.9.1982 beschäftigt und übt dort seit Juni 1989 als nicht freigestellter Betriebsrat die Funktion des Betriebsratsvorsitzenden aus. Die beklagte Partei hat den Betriebsteil "Schlosserei", in welchem auch der Kläger beschäftigt ist, mit 1.5.1996 ausgegliedert und an (Ing.)Richard W***** übertragen. Noch am 30.4.1996 hat der Kläger der beklagten Partei mitgeteilt, weiterhin bei ihr Betriebsrat bleiben zu wollen, und ersucht, ihm einen anderen Tätigkeitsbereich zu den gleichen Bedingungen wie bisher zur Verfügung zu stellen. Die beklagte Partei antwortete durch ihren Rechtsvertreter, daß nunmehr entsprechend den Bestimmungen des AVRAG und der Rechtsprechung des EuGH (Ing.)Richard W*****, der Übernehmer der Schlosserei, als Dienstgeber des Klägers gelte. Obwohl der Kläger keinen Rechtsanspruch habe, im Betrieb der beklagten Partei weiterhin Betriebsratstätigkeiten durchzuführen, gestattete sie dem Kläger, seine Betriebsratstätigkeit bis zur Dauer von vier Monaten ab Betriebsübergang zu dulden. Dieses Angebot nahm der Kläger nicht an. Er ist mit dem Übergang seines Dienstverhältnisses auf (Ing.)W***** nicht einverstanden.

Der Kläger begehrte mit seiner am 23.5.1996 bei Gericht eingelangten Klage die Feststellung, daß sein Dienstverhältnis zur beklagten Partei ungeachtet eines Überganges des Betriebsteiles "Schlosserei" auf (Ing.)Richard W***** auch ab 1.5.1996 ungelöst aufrecht bestehe (wohl gemeint über den 1.5.1996 hinaus fortbestehe). Er sei mit dem Übergang seines Dienstverhältnisses von der beklagten Partei auf (Ing.)Richard W***** nicht einverstanden. Er könne nach der Rechtsprechung des EuGH und des österreichischen OGH nicht gezwungen werden, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt habe. Da er auf den im AVRAG und in der Richtlinie 77/187/EWG vorgesehenen Schutz freiwillig verzichtet habe, sei die beklagte Partei nach wie vor sein Arbeitgeber. Dies anerkenne aber jene nicht an.

Die beklagte Partei beantragte die Klageabweisung. Der Kläger sei mehrfach - sowohl schriftlich als auch mündlich - darauf hingewiesen worden, daß bei einem Betriebsteilübergang, wie der Ausgliederung der Schlosserei, der Neuinhaber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bestehenden Arbeitsverhältnisse eintrete. Diese Eintrittsautomatik wirke unabhängig vom allenfalls gegenteiligen Wollen des bisherigen Neuinhabers sowie des einzelnen Arbeitsnehmers. Der Kläger übersehe bei seiner Argumentation, daß ein Arbeitnehmer auf den vorgesehenen Schutz insofern freiwillig verzichten könne, als er mit dem Veräußerer vereinbaren könne, daß sein Arbeitsverhältnis nicht auf den Erwerber übergehe. Dies setze jedoch voraus, daß der Arbeitnehmer weder beim Veräußerer noch beim Übernehmer Arbeitsleistungen zu erbringen habe. Darüber hinaus stehe es dem Kläger frei, sein Dienstverhältnis zum Übernehmer zu kündigen, wenn er nicht für ihn arbeiten wolle. Schließlich sei die arbeitsvertragliche Seite von der Seite der Betriebsverfassung streng zu trennen. Die im § 62 b ArbVG vorübergehende Zuständigkeit trete hier deshalb nicht ein, weil im unselbständigen Betriebsteil "Schlosserei" mit bloß drei Dienstnehmern ein Betriebsrat nicht einzurichten sei.

Außer dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt steht weiters außer Streit, daß der Kläger Mitglied des Betriebsrates ist sowie daß im veräußerten Betriebsteil "Schlosserei" nur drei Arbeitnehmer beschäftigt sind.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger könne gemäß § 3 Abs 4 AVRAG dem Übergang seines Dienstverhältnisses auf den Erwerber nur widersprechen, wenn der Erwerber den kollektivvertraglichen Bestandschutz oder betriebliche Pensionszusagen nicht übernehme. Keiner dieser beiden Gründe sei in dem Verfahren behauptet worden. Der vom Kläger geltend gemachte Widerspruchsgrund, der Erwerber der Schlosserei sei nicht sein freigewählter Arbeitgeber, lasse sich weder den gesetzlichen normierten, noch den durch die Lehre erweiterten Widerspruchsgründen, nämlich der Unzumutbarkeit der Beschäftigung oder dem Vorliegen spezifisch persönlicher Ablehnungsgründe gegenüber dem Erwerber, unterstellen. Würde man den Standpunkt des Klägers anerkennen, wäre im Ergebnis die Wertung des AVRAG unterlaufen und möglicherweise auch das Vertrauen des Übernehmens erschüttert, der auch auf die in den übernommenen Arbeitnehmern angesammelten Erfahrungen greifen wolle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge; es änderte das angefochtene Urteil ab und gab dem Klagebegehren statt. Ergänzend stellte es fest, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers zum Erwerber des Betriebsteiles durch Arbeitgeberkündigung zum 7.2.1997 beendet wurde.

Im übrigen stellte das Berufungsgericht ausführlich den Meinungsstand in Lehre und Rechtsprechung zum Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegenüber der "Eintrittsautomatik" der Betriebsübergangsrichtlinie 77/187/EWG bzw des AVRAG dar, wie folgt.

In RdW 1992, 375 ff "Betriebsübergang und Übergang der Arbeitsverhältnisse - Anmerkungen zum Entwurf eines Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz" meinte Runggaldier, es sei der Wortlaut des Abs 3 des geplanten § 3 danach zu prüfen, ob und in welchen Fällen der Arbeitnehmer dem automatischen Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen könne, und zwar unabhängig von der Frage, ob er dann auch im Gefolge des Widerspruches vorzeitig austreten dürfe. Runggaldier hält dies deshalb für aufklärungsbedürftig, weil der nach seiner Ansicht nicht klare Tenor der Entscheidung des EUGH vom 5.5.1988, Rs C 144, 145/87 (Rs Berg und Busschers, Slg 1988, 2559) den Schluß nahe lege, daß der Arbeitnehmer der Übernahme nicht widersprechen dürfe (aaO S 378).

Schrank vertrat in seinem Artikel "Eintrittsautomatik bei Betriebsübergang", ecolex 1993, 541 f, die Auffassung, daß die Eintrittsautomatik grundsätzlich unabhängig vom allenfalls gegenteiligen Wollen des bisherigen und des neuen Inhabers ebenso wie des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers wirke, schließt aber den einvernehmlichen Nichtübergang des Arbeitsverhältnisses nicht aus. Daß die Eintrittsautomatik zu Lasten des Betriebsnachfolgers, aber auch des bisherigen Arbeitgebers stärker sei als deren Wollen, ergebe sich aus dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut in Verbindung mit der relativen Unabdingbarkeit, die im § 8 AVRAG angeordnet sei. Die parallele Gebundenheit auch der Arbeitnehmer ergebe sich indessen unzweifelhaft aus der Existenz des speziell eingeschränkten Widerspruchsrechtes (§ 3 Abs 4) und des begünstigten Selbstkündigungsrechtes gegenüber dem Betriebsnachfolger (§ 3 Abs 5). Beides würde zumindest in der Kombination und wegen der materiellen Einschränkungen, keinen Sinn machen, käme dem Arbeitnehmer nach den Intentionen des Gesetzes ein aus der Vertragsfreiheit resultierendes Ablehnungs- oder Widerspruchsrecht zu. Die ständige, wenn auch teils sehr umständliche Judikatur des Bundesarbeitsgerichtes zur diesbezüglich viel offeneren Parallelbestimmung des § 613 a BGB, wonach dem Arbeitnehmer ein grundsätzliches Widerspruchsrecht zustehe, sei daher auf § 3 AVRAG keineswegs übertragbar (aaO 542).

Köck meint in seinem Aufsatz "Widerspruch des Arbeitnehmers bei Betriebsübergang" in ecolex, 1993, 547, aus der Normierung eines Widerspruchsrechtes in besonderen Fällen könne das Bestehen eines allgemeinen Rechtes des Arbeitnehmers, den Vertragsübergang durch Widerspruch auch ohne Grund zu verhindern, mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Da der Gesetzgeber objektive Widerspruchsgründe normiert habe, wäre - wenn überhaupt - ein zusätzliches Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers nur in besonders schwerwiegenden Fällen denkbar, die einerseits eine Unzumutbarkeit des Eingehens (oder der Fortsetzung) eines Dienstverhältnisses mit dem Betriebserwerber gleich stünden, und überdies spezifisch persönliche Ablehnungsgründe gegenüber dem Betriebserwerber darstellten (aaO 548 Anm 8).

Tomandl hielt in seinem Artikel "Arbeitsrechtliche Konsequenzen beim Übergang eines Betriebsteiles" in ZAS 1993, 193 f aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (insbesondere in den Rechtssachen Berg und Busschers = Rs C 144, 145/87) das Widerspruchsrecht nach § 3 Abs 4 AVRAG nicht mit der EG-Betriebsübergangs-Richtlinie vereinbar, weil nach der damals bekannten Rechtsprechung des EuGH die Richtlinie selbst dann den Arbeitgeberwechsel verlange, wenn der Arbeitnehmer Einwände gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses erhebe (aaO, 199). Tomandl hielt aber dann angesichts einer unerwarteten Kehrtwendung des EuGH den § 3 Abs 4 AVRAG für richtlinienkonform. Dieser habe nämlich in der Rechtssache C 132, 138, 139/91, Katsikas und andere, den Mitgliedsstaaten nunmehr gestattet, nach ihrem Belieben zu regeln, was geschehen solle, wenn Arbeitnehmer aus freien Stücken das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwerber fortsetzen will. Sie könnten etwa vorsehen, daß der Arbeitsvertrag mit dem Erwerber bestehen bleibe, sie könnten die Weigerung des Arbeitnehmers aber auch als Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Arbeitgeber bewerten (aaO, 200).

Schrammel setzt sich in seinem Aufsatz "Rechtsfragen des Betriebsüberganges" in ZAS 1995, 6 f ebenfalls mit dieser Frage auseinander. Er kommt dabei zum Schluß, daß der österreichische Gesetzgeber den Arbeitnehmern ein allgemeines Widerspruchsrecht offenkundig nicht habe einräumen wollen und § 3 Abs 4 AVRAG ein Recht der Arbeitnehmer, den Vertragsübergang durch einen Widerspruch auch ohne wichtigen Grund zu verhindern, zweifellos ausschließe. Der EuGH habe nach Meinung Schrammels allerdings auch betont, die Richtlinie könne den Arbeitnehmern deshalb nicht verpflichten, sein Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber fortzusetzen, weil eine derartige Verpflichtung gegen Grundrechte des Arbeitnehmers verstieße; der Arbeitnehmer müsse bei der Wahl seines Arbeitgebers frei sein und dürfe nicht verpflichtet werden, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt habe. Diese These des EuGH stehe im Einklang mit der Judikatur des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes. Die unmittelbar durch Gesetz vorgenommene Auswechslung eines Vertragspartners eines privatrechtlichen Vertrages greife nach Meinung des VfGH (auch) in das Eigentumsrecht des anderen Vertragsteiles ein; sie bilde eine Eigentumsbeschränkung. Eigentumsbeschränkungen seien nach nationalem Recht zwar nicht generell verboten, müßten allerdings im öffentlichen Interesse gelegen und verhältnismäßig sein. Der EuGH habe hingegen das "europäische Grundrecht" der Vertragsfreiheit offenbar als unbeschränkbar angesehen. Es sei daher nur schwer vorstellbar, daß eine nationale Regelung, die zwar national in verfassungskonformer Weise ein Widerspruchsrecht ausschließe oder nur in engen Grenzen zulasse, aber im Ergebnis gegen "europäische" Grundrechte des Arbeitnehmers verstoße, europarechtlich Bestand haben könne (aaO, 12).

Rabanser äußert sich in den WBl 1995, 173 in "Betriebsrat und Betriebsvereinbarung bei Betriebs(teil)übergang" zur Frage des Schicksals des Betriebsrates bei einer Betriebsabspaltung (im vorliegenden Fall die Ausgliederung der Schlosserei) dahin, daß eine Kompetenzerweiterung des Betriebsrates des abgehenden Betriebes dann nicht in Frage komme, wenn im neuen Betrieb ein Betriebsrat nicht zu errichten sei, sei es, daß im neuen Betrieb weniger als 5 stimmberechtigte Arbeitnehmer dauernd beschäftigt werden, oder wenn der Betrieb überhaupt nicht mehr in den Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsrechtes falle (aaO 176). Der genannte Autor nimmt aber nicht zur Frage Stellung, ob ein Betriebsrat aus diesem Grund dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen kann, welche rechtlichen Folgen dies nach sich ziehen könnte und wie sich die Partner des Betriebsüberganges in einem solchen Fall verhalten sollen.

Binder meint in "Die Österreichische Betriebsübergangsregelung - eine geglückte Bedachtnahme auf die europarechtlichen Vorgaben?" (DRdA 1996, 1 ff [10 f]) ebenfalls, daß die Richtlinie 77/187 EWG zur Widerspruchszulässigkeit keine unmittelbare Aussage enthalte. Nach der Entscheidung vom 16.12.1992 (Katsikas und andere), worin der EuGH erklärte, daß es dem Arbeitnehmer freistehe, das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber fortzusetzen, und daß eine Fortsetzungsverpflichtung gegen die "Grundrechte des Arbeitnehmers" bezogen auf Arbeitsplatzfreiheit und Persönlichkeitsschutz verstoßen würde, stehe somit das Widerspruchsrecht nach § 3 Abs 4 AVRAG in keinem Gegensatz zur Richtlinie. In der Tat stehe nämlich das verfassungsmäßig geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit auf dem Spiel, das innerstaatlich in den Artikeln 6 Abs 1 und 18 StGG 1867 seinen Niederschlag gefunden habe (aaO S 11).

Gehe man daher davon aus, daß der Widerspruch nach § 3 Abs 4 AVRAG richtlinienkonform ist, sei vom Berufungsgericht dazu Stellung zu nehmen, ob der Arbeitnehmer dabei nur auf die Gründe des § 3 Abs 4 AVRAG beschränkt sei oder er auch andere Gründe geltend machen könne oder überhaupt nicht verbunden sei, hiefür Gründe anzugeben.

Zusammenfassend vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, daß zwar § 3 Abs 4 AVRAG ein allgemeines Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gegen den Betriebsübergang nicht zulasse, jedoch ein Recht der Arbeitnehmer, aus einem wichtigen Grund dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, auch nicht ausschließe (vgl Schrammel ZAS 1995, 12, Köck, ecolex 1993, 548). Die Fassung des § 3 Abs 4 AVRAG sei - wie bereits dargestellt (Runggaldier aaO 31) - historisch damit zu erklären, daß bis zur Entscheidung des EuGH vom 16.12.1992 Rs 132, 138, 139/91 "Katsikas", NZA 1993, 169 die Rechtsprechung des EuGH den Schluß nahe legte, der Arbeitnehmer dürfe der Übernahme seines Arbeitsvertrges bei einem Betriebsübergang überhaupt nicht widersprechen und deshalb ein Widerspruch deshalb nur beschränkt möglich sein solle. Lege man aber § 3 Abs 4 AVRAG nach der Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang aus, weil zB die Worte "nur" oder "ausschließlich" fehlten, dann könne der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsvertrages zwar nicht grundlos, aber wohl auch aus anderen als den im § 3 Abs 4 AVRAG genannten Gründen widersprechen, wenn diese so schwerwiegend seien, daß sie die Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit dem Erwerber des Betriebsteiles unzumutbar machten und überdies spezifische persönliche Ablehnungsgründe darstellten (vgl Köck aaO 548 Anm 8).

Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes habe der Kläger einen derartigen Grund geltend gemacht, weil er bereits in der Klage vorbrachte, er habe mit Schreiben vom 30.4.1996 der Betriebsleitung der beklagten Partei mitgeteilt, weiterhin als Betriebsrat bei dieser bleiben zu wollen, und ersuche, ihm einen anderen Tätigkeitsbereich zu den gleichen Bedingungen wie bisher zur Verfügung zu stellen. Da die Mitglieder des Betriebsrates gemäß § 115 Abs 2 ArbVG bei Ausübung ihrer Tätigkeit an keinerlei Weisungen gebunden und nur der Betriebsversammlung (Gruppenversammlung) verantwortlich seien, gemäß § 115 Abs 2 ArbVG in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt und wegen dieser benachteiligt werden dürften und das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot auch hinsichtlich der Versetzung eines Betriebsratsmitgliedes gelte, sei der Kläger nicht verpflichtet, weiter zu begründen, weshalb er im Betrieb der Beklagten weiter Betriebsrat bleiben wolle, sondern sei die beklagte Partei verpflichtet gewesen, diese Erklärung ohne weitere Überprüfung zur Kenntnis zu nehmen (vgl Gahleitner-Leitsmüller Umstrukturierung und AVRAG, Rz 254, S 131).

Aber selbst wenn man der Ansicht sei, daß der Gesetzgeber in § 3 Abs 4 AVRAG objektive Widerspruchsgründe normiert habe und diese auch nicht im Sinne der zitierten Lehre (vgl auch Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht5, 248; Krejci Betriebsübergang, Grundfragen des § 3 AVRAG 88) erweitert werden könnten, könne dies vorliegendenfalls den Standpunkt der beklagten Partei und des Erstgerichtes nicht stützen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Slg I 1991, 4105 d'Urso und Ventadori) solle die Richtlinie 77/187/EWG die Aufrechterhaltung der Rechte der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens gewährleisten, indem sie ihnen die Möglichkeit einräume, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortsetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart gewesen seien. Die bei dem Übergang eines Unternehmens oder Betriebes auf einen anderen Unternehmensinhaber anwendbaren Bestimmungen sollten daher den Bestand der Arbeitsverhältnisse, die Teil der übertragenen wirtschaftlichen Einheit seien, im Interesse der Beschäftigten soweit wie möglich wahren (vgl EuGH vom 16.12.1992, Katsikas ua, NZA 1993, 169, 170).

Wenn die beklagte Partei dem gegenüber meine, daß beim gegenständlichen Sachverhalt die arbeitsvertragliche Seite strikt von jener Betriebsverfassung zu trennen sei, und es gemäß § 62 b ArbVG für 4 Monate oder je nach Betriebsvereinbarung auch für längere Zeit möglich sei, daß ein Arbeitnehmer beim Erwerber des Betriebsteiles beschäftigt, aber im Betriebsrat des Stamm(rest)betriebes weiterhin Mitglied sei (vgl Grillberger in Tomandl, "Der Betriebs(teil)übergang im Arbeitsrecht", 445) verkenne sie, daß mit der Arbeitsverfassungsgerichtsnovelle 1986 im Zusammenhang mit dem Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot im besonderen die Unzulässigkeit jeder Versetzung von Betriebsratsmitgliedern betont worden sei, die der Ausübung des Mandates in irgendeiner Weise abträglich sein könnte, und eine derartige Rechtsfolge aus den nachstehend angeführten Gründen nur mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers eintreten könne. Dieser Individualanspruch stehe dem Kläger als Betriebsratsmitglied zu und nicht dem Betriebsrat als Organ der Belegschaft (Cerny in Cerny ua, Arbeitsverfassungsrecht, § 115 ArbVG Erl 6, 345).

Dieser Argumentation sei noch entgegenzuhalten, daß die genannte Richtlinie den Schutz der Arbeitnehmer bei Unternehmensübergängen im Zusammenhang mit der im Art 117 EWG-Vertrag genannten Notwendigkeit gewährleisten wolle, auf eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte hinzuwirken und dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen (Schlußanträge des Generalanwaltes van Gerven in der Rechtssache d'Urso ua Slg 1991 I-4126). Daraus folge aber auch, daß die auf der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14.2.1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen beruhenden nationalen Rechtsvorschriften nicht dahin ausgelegt werden könnten, daß damit der besondere Kündigungsschutz der Betriebsräte oder der sonstigen Arbeitnehmervertreter unter Berufung auf die "Eintrittsautomatik", welche vor allem dem Schutz der Arbeitnehmer diene, unterlaufen werde. Da die in den jeweiligen nationalen Betriebsverfassungsgesetzen vorgesehenen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte gerade im Interesse der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingung der Arbeitskräfte beschlossen worden seien, sei eine Auslegung des § 3 Abs 4 AVRAG in dem von der beklagten Partei gewünschten und vom Erstgericht für richtig gehaltenen Sinne denkunmöglich, weil dann der Kündigungs- und Entlassungsschutz der Belegschaftsvertreter nach §§ 120 f ArbVG umgangen werde (vgl auch Gahleitner-Leitsmüller, Umstrukturierung und AVRAG, Orac, Rz 254, S 131).

Die Ansicht des Erstgerichtes und der beklagten Partei werde auch nicht durch die Entscheidung des EuGH vom 25.7.1991 in der Rechtssache C-362/89 Giuseppe d'Urso ua gestützt. Dort sei zwar ausgesprochen worden, daß die Bestimmungen der genannten Richtlinie für jedermann verbindlich seien, einschließlich der gewerkschaftlichen Vertreter, aber nur in dem Sinn, daß von der Zweckbestimmung dieser Richtlinie, die darauf abziele, im Interesse der Arbeitnehmer die sich aus den Arbeitsverträgen oder Verhältnissen ergebenden Verpflichtungen auf den Erwerber zu übertragen, durch Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Erwerber auch mit Zustimmung der gewerkschaftlichen Vertreter nicht abgegangen werden dürfe. Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, daß die Abspaltung eines Betriebsteiles und die mißverständliche Interpretation der "Eintrittsautomatik" des § 3 Abs 4 AVRAG als Instrument benützt werden könne, den Kündigungs- und Entlassungsschutz der Betriebsräte zu umgehen und damit wirkungslos zu machen.

Zutreffend führe der Kläger in seiner Berufung aus, daß die Auffassung des Erstgerichtes und der beklagten Partei zur Folge hätte, "das gesamte Betriebsverfassungsrecht zur Makulatur zu machen", wenn ein Dienstgeber einen an sich einheitlichen Betrieb in unzählige Teilbetriebe zerlegen, ihn "gleichsam atomisieren" könne, wobei "für jedes einzelne Atom", weise es jeweils weniger als 5 Dienstnehmer auf, überhaupt kein Betriebsrat gewählt werden könnte. Sei ein Mitglied eines Betriebsrates mit der Übertragung eines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber des Betriebsteiles nicht einverstanden, könne der Veräußerer nur die Klage auf Zustimmung nach den §§ 120 ff ArbVG beim zuständigen Arbeitsgericht einbringen, um den Widerspruch des Betriebsrates zu überwinden. Die Bestimmungen des § 3 Abs 4 AVRAG seien dann nicht anwendbar. Die Berechtigung der Besorgnisse des Klägers folge daraus, daß der Erwerber des Betriebsteiles das Arbeitsverhältnis des Klägers nach Ablauf des betriebsverfassungsrechtlichen Schutzes zum 7.2.1997 beendet habe. Beim diesbezüglichen Vorbringen handle es sich um keine unzulässige Neuerung, es diene nur der Stützung der Berufungsausführungen. Aus diesen Erwägungen erübrige sich die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes, ob § 3 Abs 4 AVRAG mit dem in §§ 6 Abs 1 und 18 Staatsgrundgesetz 1867 geschützten Grundrecht der Erwerbsfreiheit vereinbar sei. Auch die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 177 EGV sei entbehrlich. Neben der Rechtswirkung der Richtlinien seien Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für die Gerichte der Mitgliedstaaten bindend, sodaß insoweit § 12 ABGB eingeschränkt werde. Die Richtersprüche des Europäischen Gerichtshofes schafften objektives Recht (vgl 8 ObA 211/96 mwN). Unter Bedachtnahme auf den Vorrang des EU-Rechtes gehe das Berufungsgericht von der Ansicht aus, daß es zur Erreichung des Schutzzieles der Richtlinie 77/187/EWG geboten sei, zumindest einem Mitglied des Betriebsrates ein Widerspruchsrecht in dem genannten Sinne zuzubilligen; es sei unzweifelhaft, daß das Schutzziel der genannten Richtlinie Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Belegschaftsvertreter nicht einschränken oder schmälern wolle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO); durch die Anfechtung der vom Erwerber des Betriebsteiles ausgesprochenen Kündigung wird keineswegs dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur beklagten Partei (schlüssig) widersprochen. Vielmehr mußte der Kläger, um nichts unversucht zu lassen, diese Kündigung anfechten, insbesondere solange der Ausgang des Verfahrens über seine Feststellungsklage gegen den Veräußerer des Betriebsteiles noch ungewiß war.

Die ausführliche Begründung des Berufungsgerichtes zum Widerspruchsrecht des Klägers, er sei in seiner besonderen Situation als Mitglied des Betriebsrates berechtigt, im Falle eines Betriebsteilüberganges von der beklagten Partei auf einen Erwerber dem "automatischen" Übergang seines Arbeitsverhältnisses zum Erwerber zu widersprechen, sodaß sein Arbeitsverhältnis auch nach dem Betriebsteilübergang noch weiterhin zum "Alt-Arbeitgeber" aufrecht fortbestehe, ist zutreffend (§ 48 ASGG).

Die beklagte Partei führte in ihrer Revision aus, es bestehe nur in den zwei Fällen des § 3 Abs 4 AVRAG (Ablehnung der Übernahme des kollektivvertraglichen Bestandschutzes und der betrieblichen Pensionszusagen durch den Erwerber) ein Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers. Der Wunsch mancher Autoren nach einem weitergehenden Widerspruchsrecht sei lediglich ein "rechtspolitischer Wunsch" an den Gesetzgeber, die Rechtsprechung könne jedoch nicht über das bestehende Gesetz hinaus "allenfalls vorhandene Unzulänglichkeiten der Gesetzgebung" berichtigen. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes gehe an der wirtschaftlichen Realität vorbei. Nach Ausgliederung des Betriebsteiles "Schlosserei" bestehe für den Kläger keine Beschäftigungsmöglichkeit. Eine Kündigung nach § 121 ArbVG wäre aus Anlaß des Überganges eines Betriebsteiles unzulässig. Der Mandatsschutz des Klägers könne nicht den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer begründen. Gemäß § 62 b Abs 3 ArbVG im Zusammenhalt mit § 62 Z 1 ArbVG gehe das Arbeitsverhältnis auch eines Betriebsratsmitgliedes über; für die Dauer der vorübergehenden Beibehaltung des Zuständigkeitsbereiches (von 4 Monaten) bedeute dies, daß bei einer rechtlichen Verselbständigung das Betriebsratsmitglied aus dem ursprünglichen Betrieb ausscheide und die Mitgliedschaft zum Betriebsrat jedenfalls dann erlösche, wenn im verselbständigten Betriebsteil ein Betriebsrat nicht zu errichten sei. Der Arbeitnehmer könne zwar auf den Schutz des AVRAG und der Betriebsübergangs-Richtlinie verzichten, hingegen könne dem Betriebsinhaber (Veräußerer) nicht ein Arbeitnehmer aufgezwungen werden, den er nicht beschäftigen könne. Der Europäische Gerichtshof habe klargestellt (Entscheidung d'Urso), daß der automatische Betriebsübergang auch für Mitglieder der Belegschaftsvertretung gelte. Dem Kläger werde durch den Übergang des Arbeitsverhältnisses kein neuer Arbeitgeber aufgezwungen, er könne vielmehr von sich aus das Arbeitsverhältnis beenden.

Das Berufungsgericht hat schon ausführlich die Meinungen der Lehre und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum "Widerspruchsrecht" des Arbeitnehmers im Falle des Betriebsüberganges dargestellt.

Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 ObA 211/96

(inzwischen veröffentlicht ZAS 1997/4, 51 [Geist] = ecolex 1996, 697

= DRdA 1996/52, 513 [Gahleitner]) ausführte, sind für die

richtlinienkonforme Auslegung des § 3 AVRAG auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zur Richtlinie 77/187/EWG maßgeblich. Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 16.12.1992, verbundene Rechtssachen C-132/91 , C-138/91 und C-139/91 , Grigorios Katsikas gegen Angelos Konstantinidis und Uwe Skreb und Günter Schroll gegen PCO Stauereibetrieb Paetz & Co Nachfolger GmbH, ist es Sache der Mitgliedstaaten, bei Anwendung der den §§ 3 f AVRAG zugrundeliegenden Richtlinie 77/187/EWG Näheres zum "Widerspruchsrecht" zu bestimmen. Sie können insbesondere auch vorsehen, daß bei Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer bestehen bleibt. An dieser Rechtsauffassung hat der EuGH in der Entscheidung vom 7.3.1996, verbundene Rechtssachen C 171/94 und C 172/94 , Albert Merckx und Patrick Neuhuys gegen Ford Motors Company Belgium SA (= RdW 1996, 214 [Tinhofer]) festgehalten. Neben der schon vom Berufungsgericht ausführlich dargestellten Lehre und Rechtsprechung ist noch ergänzend auf Wank in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 120 RdNR 89 ff zu verweisen, wonach auch das Bundesarbeitsgericht ausgeführt hat (AP 1 zu § 613 a BGB), es sei mit Art 12 Abs 1 Grundgesetz (Freiheit der Berufswahl) nicht vereinbar, dem Arbeitnehmer gegen seinen Willen einen neuen Arbeitgeber aufzuzwingen.

Ergänzend zu den Ausführungen des Berufungsgerichtes ist noch auf Krejci (Betriebsübergang - Grundfragen des AVRAG, 88) zu verweisen, der für ein allgemeines Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers aus wichtigem Grund eintritt; es solle nicht nur in den im AVRAG erwähnten, sondern in allen Fällen bestehen, in denen dem Arbeitnehmer eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsnachfolger unzumutbar ist. Es solle also jeder diesbezügliche wichtige Grund ausreichen. Das in solchen Fällen ohnedies zustehende Austrittsrecht sei insofern keine rechtlich gleichwertige Alternative, als seine Ausübung das Arbeitsverhältnis überhaupt beenden würde, während das Widerspruchsrecht die Vertragsübernahme blockiere, das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber aber bestehen lasse (88). Schrammel (Rechtsfragen des Betriebsüberganges, ZAS 1995, 6 ff [12 f]) tritt für ein allgemeines Widerspruchsrecht ein, knüpft daran allerdings andere Rechtsfolgen. § 3 Abs 4 AVRAG könne nicht als abschließende Regelung des Widerspruchsrechtes gedeutet werden..... Man werde daher das allgemeine Widerspruchsrecht am ehesten als eine besondere Form einer vorzeitigen Auflösung aus wichtigem Grund verstehen können. Das Arbeitsverhältnis zum Veräußerer werde durch die Ausübung des Widerspruchsrechtes beendet (13). Ebenso treten Schwarz/Löschnigg (Arbeitsrecht aus trüber Quelle, ÖJZ 1994, 217 ff), für ein allgemeines Widerspruchsrecht über die zwei genannten Fälle des § 3 Abs 4 AVRAG hinaus ein (222). Die Regelung des AVRAG nehme jedenfalls auf eine mögliche Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim Erwerber in völlig unzureichender Weise bezug (223). Sie erwähnen weiters, daß es nicht einsichtig wäre, warum der Arbeitnehmer nicht von vorneherein mit dem Veräußerer vereinbaren könne, daß sein Arbeitsverhältnis nicht auf den Erwerber des Betriebs übergehe. Dies decke sich mit der Absicht des österreichischen Gesetzgebers und der EG-Richtlinie, dem Arbeitgeber keinen neuen Arbeitgeber oktroyieren zu wollen (223).

Tinhofer (Der Wechsel des Vertriebshändlers als Betriebsübergang - Anmerkungen zum Urteil des EuGH vom 7.3.1996, Rs C-171 und 172/94 [Merckx gegen Ford Motors Company] RdW 1996, 211 ff [213]) hebt die - über die Frage des Vorlagegerichts hinausgehende - Stellungnahme des EuGH zum Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers hervor. "Unter Bezugnahme auf das Urteil der Rs Katsikas wiederholte der EuGH, daß die Betriebsübergangs-Richtlinie den Arbeitnehmer nicht verpflichte, das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Betriebsinhaber fortzusetzen."

Eine solche Verpflichtung verstieße gegen die Grundrechte des Arbeitnehmers, der in der Wahl seines Arbeitgebers frei sein muß und nicht verpflichtet werden könne, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt habe. Neben der Frage, welche konkreten Grundrechtsnormen damit gemeint sind, ist auch unklar, ob die Betriebsübergangsrichtlinie selbst dem Arbeitnehmer ein solches Widerspruchsrecht einräumt. Für Österreich ist eine Antwort darauf von großer Bedeutung, weil das AVRAG nur ein auf zwei konkrete Fallkonstellationen beschränktes Widerspruchsrecht normiert (vgl § 3 Abs 4 AVRAG).

Wachter (Widerspruchsrecht und privilegierte Kündigung des Arbeitnehmers beim Betriebsübergang, in FS Gitter [1995] 1023) meint, die Einschränkung des Widerspruchsrechts im AVRAG sei de lege lata kaum zu erschüttern. Damit nehme das AVRAG auf eine mögliche Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim Erwerber in völlig unzureichender Weise Bezug. Darüber hinaus stelle sich ganz allgemein die Frage, ob es überhaupt sachgerecht sei, dem Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht erst dann einzuräumen, wenn ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim Erwerber unzumutbar sei. Nach Wiedergabe von Teilen an der Begründung der EuGH in den RS Katsikas ua faßt Wachter zusammen, eine solche Verpflichtung (ergänze: zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber) verstieße gegen Grundrechte des Arbeitnehmers, der bei der Wahl seines Arbeitgebers frei sein müsse und nicht verpflichtet werden könne, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt habe.

Es ist hier nicht in Form eines obiter-dictum zum Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers dahin Stellung zu nehmen, ob sich ein ganz allgemeines Widerspruchsrecht schon aus dem "Europäischen Grundrecht der Vertragsfreiheit" ableiten lasse (Schrammel aaO, 12), oder ob es auf die Fälle der Unzumutbarkeit eingeschränkt werde (so Krejci, aaO 88; Schwarz/Löschnigg aaO 223); es ist aber keinesfalls dem vom AVRAG und der Richtlinie bezweckten Arbeitnehmerschutz dienlich, dem Arbeitnehmer nur ein Recht auf außerordentliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer einzuräumen (vgl den Hinweis bei Krejci aaO 88; Schwarz/Löschnigg aaO 223; gegenteilig Schrammel aaO 13).

Lediglich Gahleitner/Leitsmüller, (Umstrukturierung und AVRAG, 131 [RN 254]) nehmen auf die besondere Rechtsstellung von Betriebsratsmitgliedern Bedacht:

"Das Arbeitsverhältnis von Betriebsratsmitgliedern ist durch den in § 115 ArbVG normierten Mandatsschutz besonders vor einseitigen Eingriffen des Arbeitgebers geschützt. Geht ein gesamter Betrieb über, so bringt dies für die Mandatsausübung keine Probleme, da der Betriebsinhaberwechsel an der Betriebsidentität gemäß § 34 ArbVG nichts ändert und daher das Mandat des Betriebsrates unberührt läßt. Wird hingegen nur ein Betriebsteil übertragen, so hat dies zur Folge, daß der Betriebsrat als Organ im Fall der Verselbständigung dieses Betriebsteiles nur mehr für weitere vier Monate für diesen ausgegliederten Teil zuständig bleibt (§ 62b ArbVG). Diese Frist kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung bis zum Ende der Funktionsperiode des Betriebsrates ausgedehnt werden. Wird der ausgelagerte Betriebsteil mit einem anderen Betriebsteil oder Betrieb zu einem neuen Betrieb zusammengeschlossen, so kann der Betriebsrat sich mit dem Betriebsrat des anderen betroffenen Betriebes oder Betriebsteiles zu einem einheitlichen Betriebsrat gemäß § 62 c ArbVG zusammenschließen. Dieser "einheitliche Betriebsrat" besteht bis zur Neuwahl eines Betriebsrates, längstens jedoch für ein Jahr. Wird hingegen ein Betriebsteil ausgelagert und in einen bestehenden Betrieb integriert, so verliert der bisher für den Betriebsteil zuständige Betriebsrat sein Mandat für die von der Auslagerung betroffenen Arbeitnehmer.

Ist nun ein Betriebsratsmitglied in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer des Betriebes in einem bestimmten Betriebsteil beschäftigt und wird dieser ausgegliedert, so endet nach Ablauf der vier Monate die Betriebszugehörigkeit des Betriebsratsmitgliedes, und es verliert sein Mandat. Ein Arbeitgeber könnte sich sohin durch die Ausgliederung eines Betriebsteiles, in dem ein ihm unangenehmes Betriebsratsmitglied beschäftigt ist, von diesem erfolgreich trennen. Da aber § 115 ArbVG das Mandat des Betriebsrates vor einseitigen Beschränkungen und Benachteiligungen des Betriebsinhabers schützt, ist mE davon auszugehen, daß im Falle der Betriebsteilausgliederung einem in diesem Betriebsteil beschäftigten Betriebsratsmitglied ein Widerspruchsrecht zukommt und es damit sein Mandat aufrechterhalten kann."

Wenn schon für den "einfachen" Arbeitnehmer ein solches Widerspruchsrecht über die Bestimmung des § 3 Abs 4 und 5 AVRAG hinaus zusteht, so ist schon wegen des die Funktion eines Betriebsratsmitgliedes absichernden Mandatsschutzes im besonderen Fall eines Betriebsratsmitgliedes diesem ein Widerspruchsrecht zuzubilligen, insbesondere auch dann, wenn in dem übergegangenen Betriebsteil nur so wenige Arbeitnehmer (insgesamt drei) beschäftigt sind, daß die persönliche Grundlage für die (Wieder-)Wahl des Klägers oder auch eines anderen Betriebsrates-Mitgliedes zweifelhaft erscheinen muß (vgl § 40 Abs 1 ArbVG).

Ohne ein solches, zumindest für Betriebsratsmitglieder bestehendes Widerspruchsrecht würde für den Arbeitnehmer im Widerspruch zum Prinzip der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie (vgl F.Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechtes, 147 ff) ein Kontrahierungszwang begründet (vgl auch den Fall des § 18 Abs 1 BAG, wonach für den Lehrling nur die Option zur Weiterverwendung eingeräumt, ihm aber nicht ein befristetes ex lege Arbeitsverhältnis aufgedrängt wird). Die scheinbare Ungleichbehandlung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wird durch den Schutzcharakter des Arbeitsrechtes im Zusammenhang mit dem Prinzip des Kündigungsschutzes (vgl F.Bydlinski aaO 567) gerechtfertigt.

Die Möglichkeit des § 62 b Abs 3 ArbVG ist im Falle des für die Wahl eines Betriebsrates zu geringen persönlichen Substrates des Betriebsteiles von nur drei Arbeitnehmern nicht geeignet, dem Anliegen des Mandatsschutzes zu dienen. Den Kläger auf die Möglichkeit, von sich aus das Arbeitsverhältnis zum Veräußerer durch Kündigung oder vorzeitigen Austritt zu beenden, zu verweisen, würde dazu führen, daß er nicht nur seine Funktion als Mitglied des Betriebsrates verlöre, sondern auch zusätzlich sein Arbeitsverhältnis, wodurch seiner Interessenlage keinesfalls entsprochen wäre. Es würde sich der Schutz des zu schützenden Arbeitnehmers nach Art des sogenannten "Bumerang-Effektes" gegen diesen richten.

Die beklagte Partei als Veräußerer ist keineswegs "gezwungen" einen Arbeitnehmer ohne Beschäftigungsmöglichkeit weiter zu beschäftigen, denn diesfalls wäre - würde das Betriebsratsmitglied von seinem "Widerspruchsrecht" Gebrauch machen - eine Kündigung unter den besonderen Voraussetzungen des § 121 Z 1 ArbVG zu erwägen, soferne der klagende Arbeitgeber den Nachweis erbringt, daß er das betroffene Betriebsratsmitglied trotz seines Verlangens an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder in einem anderem Betrieb des Unternehmens ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigen könne. Aus dieser engen Umschreibung des Kündigungsgrundes ist die besondere Wertung des besonderen Bestandschutzes des Arbeitsverhältnisses eines Belegschaftsorganes erkennbar, die jedenfalls das Widerspruchsrecht des Klägers rechtfertigt. Auf die weitergehende Frage, die insbesondere von Tinhofer (aaO 213), angeschnitten wird, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen ein Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegeben sei, braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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