OGH 4Ob82/97f

OGH4Ob82/97f13.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien 1. Rainer G*****, 2. Roswitha G*****, ***** vertreten durch Dr.Erich Aichinger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei V***** GesmbH & Co KG, ***** vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufhebung der erlassenen einstweiligen Verfügung (Streitwert im Provisorialverfahren S 408.713,20), infolge Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 23.Oktober 1996, GZ 22 R 549/96h-21, ergänzt durch den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 5.Februar 1997, GZ 22 R 549/96h-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 6.Dezember 1995, GZ 5 C 561/95g-12, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revisionsrekursbeantwortung wird als verspätet zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden als nichtig aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens über den Aufhebungsantrag.

Text

Begründung

Die gefährdeten Parteien hatten eine ihnen gehörige Liegenschaft an die Antragsgegnerin veräußert. Zur Sicherstellung einer gleichzeitig vereinbarten Mietausfallsgarantie übernahm die Bank für O*****, im Auftrag der gefährdeten Parteien eine Bankgarantie zugunsten der Beklagten. In ihrem vor Einleitung des Rechtsstreites gegen die Antragsgegnerin gerichteten Sicherungsantrag brachten die gefährdeten Parteien vor, die Antragsgegnerin nehme die Bankgarantie als Begünstigte mißbräuchlich in Anspruch. Sie begehrten die Erlassung eines gegen die Bank gerichteten Auszahlungsverbotes.

Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung und verbot der Garantin, aus der von ihr übernommenen Bankgarantie den S 68.550 übersteigenden Betrag an die Gegnerin auszufolgen. Es setzte eine Rechtfertigungsfrist von vier Wochen (§ 391 Abs 2 EO). Die gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rechtsmittel der Gegnerin der gefährdeten Parteien blieben erfolglos. Der Oberste Gerichtshof bejahte den Anspruch der gefährdeten Parteien auf Widerruf des bereits erfolgten (mißbräuchlichen) Garantieabrufes.

In ihrer gegen die aus der Bankgarantie begünstigte Beklagte gerichteten Rechtfertigungsklage begehren die Kläger die Feststellung, die Beklagte habe zu Unrecht S 477.263,20 (anstatt S 68.550) abgerufen und die Bankgarantie sei, soweit sie S 68.550 übersteige, erloschen.

Die Gegnerin der gefährdeten Parteien beantragt die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und vertritt die Auffassung, die eingebrachte Feststellungsklage sei nicht geeignet, die durch die einstweilige Verfügung geschaffene Lage einer Klärung zuzuführen.

Das Erstgericht wies den Aufhebungsantrag mit der Begründung zurück, die Rechtfertigungsklage sei fristgerecht eingebracht und nachgewiesen, ihr Inhalt sei im Verfahren über die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nicht zu beurteilen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gegnerin der gefährdeten Parteien nicht Folge, wies die Rekursbeantwortung der gefährdeten Parteien zurück und führte aus, die zur Rechtfertigung dienende Klage könne auch auf Feststellung gerichtet sein und müsse den Anspruch nicht wörtlich erfassen. Sie müsse nur die Möglichkeit schaffen, das Zurechtbestehen des Anspruches zu klären. Dies sei auch mit der hier erhobenen Feststellungsklage der Fall.

Das Rekursgericht verneinte eine Zweiseitigkeit des Verfahrens über die Aufhebung der einstweiligen Verfügung unter Hinweis auf die seiner Meinung nach analog anzuwendenden Bestimmungen des § 402 Abs 2 EO. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei und - in Ergänzung seines Beschlusses - daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Parteien ist zulässig und berechtigt.

Die Antragsgegnerin macht geltend, das Verfahren erster Instanz sei wegen Unterbleibens der nach § 399 Abs 2 Satz 2 EO vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung nichtig.

Rechtliche Beurteilung

§ 399 Abs 2 letzter Satz EO schreibt zwingend vor, daß der Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung (oder Einschränkung) einer einstweiligen Verfügung eine mündliche Verhandlung vorauszugehen hat. Erfolgt die Entscheidung über den Aufhebungsantrag ohne vorausgehende mündliche Verhandlung, so ist sie nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nichtig im Sinn des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (Heller/Berger/Stix EO 2890; EvBl 1962/218, EFSlg 32.379, 52.466; RZ 1995/66; JBl 1995, 532 [König]; EvBl 1996/86).

Die Anordnung des § 399 Abs 2 letzter Satz EO betrifft ihrem Wortlaut nach nur Anträge auf Aufhebung oder Einschränkung einstweiliger Verfügungen nach § 399 Abs 1 Z 1-4 EO, nicht jedoch auch auf § 391 Abs 2 letzter Satz EO gestützte Aufhebungsanträge. Die Beschlußfassung über die Aufhebung einstweiliger Verfügungen mangels Rechtsfertigungsklage bedarf daher keiner vorangehenden mündlichen Verhandlung.

Allerdings schließt die Bestimmung des § 45 Abs 3 EO eine einseitige Behandlung eines vom Gegner der gefährdeten Partei gestellten Aufhebungsantrages aus. Wurde die gefährdete Partei - wie im gegenständlichen Fall - vor Beschlußfassung nicht gehört, ihr somit die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, entzogen, ist der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verwirklicht.

Die der Entscheidung erster Instanz anhaftende Nichtigkeit wurde vom Rekursgericht nicht erkannt und daher nicht behandelt. Die Nichtigkeit des Verfahrens kann daher auch noch im Revisionsrekurs geltend gemacht werden (sie müßte sogar von Amts wegen berücksichtigt werden, vgl Kodek in Rechberger ZPO Rz 2 zu § 503; RZ 1995/66; JBl 1995, 532). Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse.

Das Erstgericht wird nach Einholung einer Äußerung der gefährdeten Parteien neuerlich zu entscheiden haben. Bei dieser Beschlußfassung wird das Erstgericht auch zu beachten haben, ob die (fristgerecht) eingebrachte Rechtfertigungsklage geeignet ist, die durch die einstweilige Verfügung geschaffene Lage einer Klärung zuzuführen.

Stichworte