OGH 5Ob65/97p

OGH5Ob65/97p13.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Baumann, Dr.Spenling und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede J*****, vertreten durch Dr.Josef Sailer, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, wider die beklagte Partei Erwin J*****, vertreten durch Dr.Thomas Schreiner, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wegen Unterhalts, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. Dezember 1996, GZ 44 R 874/96x-40, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha vom 23.August 1996, GZ 1 C 826/94i-32, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß sie mit Einbeziehung des unangefochtenen Teils zu lauten haben:

"Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin ab 1.12.1993 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.550,- zu zahlen, und zwar die bis zur Rechtskraft dieses Urteils fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen, die weiteren Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im vorhinein.

Das Mehrbegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin ab 1.12.1993 einen weiteren monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 850,- zu zahlen, wird abgewiesen."

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit S 16.755,20 (darin enthalten S 2.792,54 Umsatzsteuer) bestimmten anteiligen Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde nach fast 27-jähriger Dauer im Jahr 1987 aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden.

Mit der am 20.7.1994 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten einen Unterhalt von S 2.400,- monatlich ab 1.12.1993. Sie brachte dazu im wesentlichen vor, daß sie aus Krankheitsgründen Ende Oktober 1993 ihren Arbeitsplatz verloren habe und derzeit lediglich die Notstandshilfe von rund S 7.300,- monatlich beziehe, während der Beklagte über eine Pension von rund S 17.500,- monatlich netto inklusive der anteiligen Sonderzahlungen verfüge. Auf Grund der Einkommensrelation zwischen den Streitteilen sei der begehrte Unterhalt berechtigt.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete im wesentlichen ein, er habe im Zuge der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens die Haushälfte der Klägerin übernommen und dafür einen Ausgleichsbetrag von S 720.000,- bezahlt. Darüber hinaus habe die Klägerin auch namhafte Vermögenswerte geerbt, sodaß unter Berücksichtigung ihres beträchtlichen Vermögens und der daraus erzielten Erträgnisse keine Unterhaltspflicht bestehe. Der Klägerin wäre auch die Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit zumutbar. Schließlich seien die vom Beklagten bezahlten Kreditraten von S 8.640,- monatlich zur Finanzierung der Ausgleichszahlung und die Halbjahresraten von S 6.000,- für einen Haussanierungskredit zu berücksichtigen. Da den Beklagten eine weitere Sorgepflicht für seine zweite nicht berufstätige Ehegattin treffe, könne er den begehrten Unterhalt nicht leisten.

Das Erstgericht gab dem Unterhaltsbegehren der Klägerin teilweise statt. Es verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 1.150,- ab 1.12.1993 an die Klägerin und wies deren Mehrbegehren bei gegenseitiger Aufhebung der Verfahrenskosten ab. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin (geb am 8.12.1941), die über keine Berufsausbildung verfügt, war während der Ehe und auch noch nachher als Textilarbeiterin bei der Fa. D***** beschäftigt und verdiente ca. S 9.000,- monatlich. Zum 31.10.1993 wurde sie aufgrund ihrer langwierigen Krankenstände gekündigt. Ihr Pensionsantrag wurde abgewiesen, desgleichen eine Klage beim ASG Wien. Bis zur Abweisung dieser Klage bezog die Klägerin einen Pensionsvorschuß von S 237,50 täglich (S 7.125,- monatlich), seither erhält sie eine Notstandshilfe von S 242,80 täglich (S 7.284,- monatlich, 12 mal im Jahr).

Bei der nachehelichen Vermögensaufteilung erhielt der Beklagte den Hälfteanteil der Klägerin am gemeinsamen Einfamilienhaus, wofür ihr dieser eine Ausgleichszahlung von S 720.000,- zu leisten hatte. Von diesem Geldbetrag bestritt die Klägerin die bis dahin aufgelaufenen Rechtsanwaltskosten von S 27.881,36, ca S 200.000,- verwendete sie für diverse Anschaffungen, etwa eine Kücheneinrichtung, die restlichen ca. S 500.000,- legte sie auf ein "gewöhnliches" Sparbuch, von dem sie jederzeit abheben konnte. Ihr werden dafür die für täglich fällige Spareinlagen üblichen Zinsen gewährt. Darüber hinaus hat die Klägerin aus einer Erbschaft S 90.000,- erhalten. Der derzeitige Stand des Sparbuchs, von dem die Klägerin wegen ihres geringen Einkommens immer wieder Abhebungen tätigte, beträgt S 450.000,-. Die daraus erzielbaren Zinseneinnahmen (Eckzinssatz abzüglich KESt) betragen etwa S 8.000,- jährlich bzw S 660,-

monatlich. Weiteres Vermögen besitzt die Klägerin nicht.

Die Klägerin wohnt seit ihrem Auszug aus dem ehelichen Einfamilienhaus zusammen mit ihrem Sohn in einer ca 33 m2 großen Genossenschaftswohnung, die ihr noch als Dienstwohnung zur Verfügung gestellt worden war. Sie hat dafür S 1.800,- monatlich aufzuwenden. Wegen der beengten Wohnverhältnisse beabsichtigt die Klägerin, in nächster Zeit bei der G*****, einer gemeinnützigen Bauvereinigung, eine ca 70 m2 große Genossenschaftswohnung zu erwerben. Die Anschaffungskosten (ohne Möblierung und Hausrat) werden sich auf ca S 400.000,- bis S 500.000,- belaufen. Das betreffende Bauvorhaben soll im Herbst 1997 fertiggestellt werden.

Der Gesundheitszustand der Klägerin ist schlecht. Sie hat nur noch eine Niere und bereits zwei Brustoperationen hinter sich. Wegen psychischer Leiden steht sie in ständiger ärztlicher Behandlung. Der sich andauernd verschlechternde Zustand war der Grund, daß sie ihren Arbeitsplatz verlor. Sie muß Medikamente zu sich nehmen, die monatlich ca. S 500,- kosten.

Der Beklagte war bis Ende März 1993 als Hilfsarbeiter bei der Fa P***** in M***** beschäftigt und ist seither Pensionist. Seine monatliche Pension beträgt S 14.825,- netto, sodaß sein Nettojahreseinkommen unter Einbeziehung der Sonderzahlungen mindestens S 207.550,- (monatlich S 17.300,-) beträgt. Er hat wieder geheiratet und ist für seine Ehefrau, die nach einem Verkehrsunfall zu 80 % erwerbsunfähig ist und über kein eigenes Einkommen verfügt, sorgepflichtig. Weitere Sorgepflichten bestehen nicht.

Der Beklagte hat, um die Ausgleichszahlung an die Klägerin aufzubringen, einen Kredit von S 800.000,- aufgenommen. Außerdem nahm er 1993 einen Althaussanierungskredit von S 115.840,- auf. Die daraus resultierenden Rückzahlungsverpflichtungen betragen ca S 10.000,-

monatlich. Außerdem hat der Beklagte Leasingraten für einen Pkw zu zahlen, den er seiner gehbehinderten Ehefrau kaufte. Er bewohnt zusammen mit seiner Frau das ihm im Zuge der nachehelichen Vermögensaufteilung allein zugefallene Einfamilienhaus und hat mittlerweile seiner zweiten Ehefrau einen Hälfteanteil übertragen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Klägerin stehe ein Anteil von 36 % des gemeinsamen Einkommens der Streitteile zu (40 % abzüglich 4 % zur Berücksichtigung der Sorgepflicht des Beklagten für seine zweite Ehegattin). Auf höhere Zinseneinnahmen ihres Sparguthabens durch Ausnützung längerfristiger Veranlagungsmöglichkeiten könne die Klägerin nicht angespannt werden, weil sie wegen ihres geringen Einkommens den Zugriff auf ihr Sparbuch für tägliche Ausgaben brauche und außerdem in nächster Zeit den Kauf einer Wohnung beabsichtige. Den Stamm ihres Vermögens sei die Klägerin nicht anzugreifen verpflichtet, weil man andernfalls auch vom Beklagten die Verwertung des Hauses verlangen müßte. Gehe man von den beiderseitigen Einkommensverhältnissen der Streitteile aus und veranschlage man dabei monatliche Zinseneinnahmen der Klägerin von ca S 660,-, stehe ihr gegen den Beklagten ein Unterhaltsanspruch von monatlich S 1.150,- zu.

Das von beiden Parteien (von der Klägerin hinsichtlich der Abweisung ihres Begehrens vom Beklagten hinsichtlich der Stattgebung) angerufene Berufungsgericht wies hingegen das Unterhaltsbegehren der Klägerin ab. Es führte aus:

Nach § 66 EheG habe der schuldlos oder minderschuldig geschiedene Ehegatte nur insoweit einen Unterhaltsanspruch gegen den allein oder überwiegend schuldig geschiedenen Ehegatten, als seine Einkünfte aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen. Zwar sei die Klägerin nicht verpflichtet, den Stamm ihres Vermögens zur Deckung ihres Unterhaltes heranzuziehen. Nicht nur die tatsächlich bezogenen, sondern auch fiktive Zinsenerträgnisse aus einem Kapitalvermögen, die der unterhaltsfordernde Ehegatte vertretbarerweise hätte erzielen können, seien jedoch zu berücksichtigen (EFSlg 60.308, 64.915; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 136 f). Auch wenn der Kapitalbetrag aus einer Ausgleichszahlung im Rahmen der nachehelichen Vermögensauseinandersetzung stammt, seien daraus erzielte oder erzielbare Zinseneinkünfte als Eigeneinkommen anzurechnen (EFSlg 63.502).

Das Rechtsmittelgericht habe bereits mit der Rekursentscheidung vom 21.3.1995, 44 R 2025/95 (ON 17 im erstgerichtlichen Akt), das einstweilige Unterhaltsbegehren der Klägerin gänzlich abgewiesen und die Ansicht vertreten, daß der Klägerin die Ausnützung einer längerfristigen Veranlagungsmöglichkeit mit einem Nettozinsenertrag von 6 % jährlich (nach Abzug der KESt) zumutbar wäre. Wenn die Klägerin jetzt (in ihrer Berufung) behaupte, ihr restliches Geldvermögen laut Vorvertrag vom 9.7.1996 bereits für die Anzahlung einer Eigentumswohnung verwendet zu haben (wobei ihr Sohn als Wohnungskäufer auftrete) und sie daher über kein Kapitalvermögen mehr verfüge, stelle dies eine unzulässige Neuerung dar (§ 482 ZPO).

Sicherlich sei ein geschiedener Ehegatte nicht verpflichtet, eine im Rahmen der nachehelichen Vermögensaufteilung erhaltene Ausgleichszahlung überhaupt ertragsbringend anzulegen. Er dürfe diese durchaus für notwendige und zweckmäßige Anschaffungen, etwa eine neue Wohnung, oder zukunftsorientiert, etwa für eine Lebensversicherung, verwenden (EFSlg 60.307; Purtscheller/Salzmann, a.a.O., Rz 136). Im vorliegenden Fall habe die Klägerin aber bereits zum Zeitpunkt der Scheidung im Jahr 1987 über eine eigene, wenn auch bloß 33 m2 große Wohnung verfügt. Wenn die Klägerin erst jetzt, knapp 10 Jahre nach der Ehescheidung, eine Anzahlung für die Anschaffung einer neuen Wohnung leiste, so wäre zwischenzeitig eine längerfristig gebundene Veranlagung ihres Geldvermögens durchaus möglich gewesen. Nachvollziebare Gründe für das jahrelange Zuwarten bis zur Anschaffung einer neuen Wohnung habe sie nicht geltend gemacht. Es bestehe daher kein Anlaß, von der in der Rekursentscheidung zu 44 R 2025/95 vertretenen Ansicht abzugehen, daß die Klägerin auf einen möglichen Nettozinsenertrag von 6 % jährlich anzuspannen sei. Dabei werde keineswegs verkannt, daß seither die Kapitalzinsen gesunken sind. Dennoch gebe es nach wie vor Veranlagungsmöglichkeiten, etwa mehrjährig gebundene Anleihen, aus welchen ein Nettozinsenertrag von 6 % jährlich, selbst nach Abzug der Kapitalertragssteuer, erzielbar sei. Weiters sei zu berücksichtigen, daß bei einer möglichen Veranlagung schon vor mehreren Jahren zu einem fixen Zinssatz bis zum Ende der Laufzeit die Klägerin von den in letzter Zeit gesunkenen Zinsen nicht betroffen wäre.

Eine konkurrierende weitere Sorgepflicht für eine nicht berufstätige zweite Ehegattin sei mit einem Abzug von 4 % zu berücksichtigen (6 Ob 587/93; EFSlg 72.363). Somit stehe der Klägerin ein Anteil von 36 % des gemeinsamen Einkommens zu (40 % minus 4%). Gehe man von einem möglichen Nettozinsenertrag von 6 % jährlich aus dem (bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz jedenfalls noch vorhandenen) Kapitalbetrag von S 450.000,- aus, so müsse sich die Klägerin ein mögliches Einkommen aus Zinseneinkünften von S 27.000,- jährlich oder S 2.250,- monatlich anrechnen lassen. Bei einer Nettopension des Beklagten von rund S 17.300,- monatlich einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen, einem Notstandshilfebezug der Klägerin von rund S 7.300,- monatlich und einem möglichen Zinseneinkommen von S 2.250,-

monatlich ergebe sich somit ein gemeinsames Einkommen von S 26.850,-

monatlich, der der Klägerin zustehende Anteil von 36 % ergebe rund S 9.650,- monatlich. Abzüglich des Eigeneinkommens der Klägerin von rund S 9.550,- monatlich würde sich zwar rein rechnerisch ein verbleibender Unterhaltsanspruch von S 100,- monatlich ergeben. Unterhalt sei jedoch nicht mathematisch exakt zu berechnen, sondern im Rahmen einer Ermessensentscheidung mit gerundeten Beträgen festzusetzen, wobei die Prozentkomponente nur eine Orientierungshilfe darstelle (EFSlg 70.678 ff). Ein sich rein rechnerisch ergebender ganz geringfügiger, gegen Null tendierender Unterhaltsanspruch sei daher nicht gerichtlich festzusetzen, sondern vielmehr mit gänzlicher Klagsabweisung vorzugehen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität vorliege.

In der jetzt vorliegenden außerordentlichen Revision macht die Klägerin geltend, daß es nicht angehe (und iSd vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsauffassung vom Obersten Gerichtshof auch noch nicht entschieden worden sei), von einer schuldlos geschiedenen Frau die längerfristige Veranlagung der ihr im Zuge der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens zugekommenen Ausgleichszahlung zu verlangen, um daraus einen Teil ihres Unterhalts zu bestreiten. Dies sei schon nach den Lebensverhältnissen der Klägerin unzumutbar. Andernfalls müsse sich auch der Beklagte, der die Haushälfte der Klägerin erhielt, auf die Verwertung dieses Vermögens anspannen lassen. In Wahrheit habe der für eine Ausgleichszahlung erzielte oder erzielbare Zinsenertrag bei der Unterhaltsbemessung überhaupt außer Betracht zu bleiben. Bei Geldanlagen zum Eckzinssatz könne überhaupt nicht von veranschlagbaren Einkünften die Rede sein. Unabhängig davon sei die Erzielung eines Zinsenertrags von 6 % jährlich netto gar nicht möglich bzw eine solche Annahme durch den festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt. Der Revisionsantrag geht dahin, das angefochtene Urteil entweder so abzuändern, daß der Beklagte zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von S 1.550,- ab 1.12.1993 verpflichtet wird, oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung (an eine der Vorinstanzen) zurückzuverweisen.

Dem Beklagten wurde die Revisionsbeantwortung freigestellt. Er hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Anders als der Klägerin, die schuldhaft die Erzielung höherer Zinseneinnahmen aus ihrem Sparguthaben verabsäumt habe, könne ihm die Verwertung seines Vermögens (nämlich seines Hauses bzw Hausanteils) nicht zugemutet werden, weil er es zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses benötige. Daß die Klägerin mittlerweile eine Eigentumswohnung angeschafft haben soll, sei als Neuerung unbeachtlich; bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz sei der Klägerin das Sparguthaben von S 450.000,- zur Verfügung gestanden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei der Lösung der Rechtsfrage, ob der Klägerin die Zinsenerträgnisse ihres Sparbuches als Einkünfte zuzurechnen sind, die Rechtslage verkannte; die Revision ist aber auch berechtigt.

Da unstrittig ist, daß sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin auf § 66 EheG stützt (Feststellungen über die Art der Scheidung fehlen), hat der Beklagte nur insoweit für den Unterhalt der Klägerin aufzukommen, als sich diese den Unterhalt durch Einkünfte aus ihrem Vermögen und die Erträgnisse einer zumutbaren Erwerbstätigkeit nicht selbst verschaffen kann. Hier stehen nur mehr die Einkünfte aus Vermögen, konkret die Zinsenerträgnisse aus einem Sparguthaben zur Diskussion, und zwar einerseits die effektiven Einkünfte, andererseits ein fiktives Einkommen, das sich die Klägerin durch eine bessere Veranlagung ihres Vermögens hätte verschaffen können. Die Unterscheidung erübrigt sich jedoch, weil die Zinsen aus dem Sparguthaben, um das es hier geht, bei der Unterhaltsbemessung überhaupt außer Betracht zu bleiben haben.

Richtig ist, daß es sich bei den Zinsenerträgnissen eines Sparguthabens des unterhaltsfordernden Ehegatten grundsätzlich um bemessungsrelevante Einkünfte iSd § 66 EheG handelt, sodaß es einer besonderen Rechtfertigung bedarf, warum sie bei der Klägerin nicht unmittelbar zur Deckung ihres Unterhalts herangezogen werden sollen. Die Klägerin hat hiefür den Umstand geltend gemacht, daß das fragliche Sparguthaben nichts anderes als die ihr vom Beklagten anläßlich der Ehescheidung für ihren Anteil am gemeinsamen Haus geleistete Ausgleichszahlung sei. Tatsächlich anerkannt die Judikatur bei der vorübergehenden Veranlagung einer dem unterhaltsfordernden Ehegatten im Zuge der nachehelichen Vermögensauseinandersetzung zugeflossenen Ausgleichszahlung eine derartige Ausnahme. Zumindest dann, wenn es sich dabei - wie im gegenständlichen Fall - um das Surrogat für das dem anderen Ehegatten übertragene Hälfteeigentum an einem Einfamilienhaus handelt, erscheint es im Hinblick auf die Geldwertverdünnung einerseits und die Wertsteigerung von Immobilien andererseits sachgerecht, nicht nur das Kapital selbst, sondern auch den Kapitalertrag (die Zinsen) bei der Unterhaltsbemessung unberücksichtigt zu lassen, sofern Kapital und Zinsen wieder zur Anschaffung von Wohnraum oder anderer im Zuge der nachehelichen Vermögensauseinandersetzung verlorener Wirtschaftsgüter - etwa für Einrichtungsgegenstände - verwendet wird (vgl 1 Ob 622/93, tw veröffentlicht in Jus extra Z 1594). Das gilt zwar nur, solange das Kapital für diesen Zweck gebunden bleibt und die widmungsgemäße Verwendung in absehbarer Zeit zu erwarten ist, sodaß die Preisgabe dieser Bindung oder eine bereits feststehende Zweckverfehlung zur Behandlung der Zinsen als normale Einkünfte führt (vgl 1 Ob 622/93; 4 Ob 531/95 = RZ 1996, 49/11), doch heißt dies nicht, daß jedes längere Zeit brachliegende Sparguthaben, das aus einer Ausgleichszahlung stammt, für immer dieser Privilegierung verlustig geht. Die Zweckbindung kann auch nur vorübergehend aufgehoben sein und bei entsprechendem Bedarf wieder eintreten, sodaß jeweils für den Zeitpunkt eines sich verwirklichenden Unterhaltsbedarfs geprüft werden muß, ob die Zinsen einer noch vorhandenen Ausgleichszahlung zum bemessungsrelevanten Einkommen des Unterhaltspflichtigen oder Unterhaltsberechtigten zu zählen sind.

Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es gerechtfertigt, jene Zinsenerträgnisse nicht als Einkommen der Klägerin zu veranschlagen, die seit der Geltendmachung des gegenständlichen Unterhaltsbegehrens aufgelaufen sind (nur sie wären überhaupt von Belang). Für diesen überschaubaren Zeitraum steht nämlich fest, daß die Klägerin, sollte sie jemals ihr Ziel einer Ersatzbeschaffung für die anläßlich der Ehescheidung verlorene Wohnmöglichkeit aus den Augen verloren haben, den auf Grund ihrer beengten Wohnverhältnisse durchaus notwendigen Ankauf einer Wohnung zielstrebig verfolgte. Daß sie dafür mehr als die auf dem Sparbuch noch vorhandenen S 450.000,- braucht, liegt auf der Hand. Kapital und Zinsen der Ausgleichszahlung dienen nunmehr eindeutig dem Zweck, der Klägerin für den Verlust der Wohnmöglichkeit im eigenen Haus Ersatz zu verschaffen. Wenn der Beklagte darauf pocht, sein Haus nicht geldbringend verwerten zu müssen, weil es der Befriedigung seines Wohnbedürfnisses dient (vgl EFSlg 65.012 f), ist Gleiches auch der Klägerin hinsichtlich jenes Vermögens zuzugestehen, das sie für ihren Anteil an diesem Haus (das zugleich ihre Wohnung war) erhalten hat und nunmehr für die Ersatzbeschaffung braucht.

Das führt zum Ergebnis, daß der Klägerin, die nach der von den Vorinstanzen richtig dargestellten Prozentsatzmethode 36 % vom Gesamtbetrag ihrer und des Beklagten Einkünfte als Unterhalt verlangen kann, ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von S 1.550,- zu leisten ist. Die Zinseneinkünfte der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum seit 1.12.1993 haben - gleichgültig in welcher Höhe sie erzielt wurden oder hätten erzielt werden können - außer Betracht zu bleiben.

Die Kostenentscheidung stützt sich hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens auf § 43 Abs 1 und § 50 ZPO, hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO. Ihr liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Im erstinstanzlichen Verfahren ist die Klägerin mit rund 2/3 des geltend gemachten Anspruchs durchgedrungen. Sie kann daher 1/3 der mit S 17.057,28 (darin S 2.842,88 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ersetzt verlangen (die Differenz gegenüber dem Kostenverzeichnis erklärt sich daraus, daß dieses - die Tagsatzung vom 6.12.1994 betreffend - auch Kosten des Provisorialverfahrens enthält). Im zweitinstanzlichen Verfahren war die Klägerin - gemessen am endgültigen Verfahrensausgang - mit ihrer Berufung (Gesamtkosten S 3.381,12 inkl S 563,52 Umsatzsteuer) zu rund 1/3 erfolgreich, konnte die gegnerische Berufung zur Gänze abwehren (Kosten der Berufungsbeantwortung S 3.381,12 inkl S 563,52 Umsatzsteuer) und ersiegte in der Berufungsverhandlung in der es um den ursprünglichen Streitwert ging (Kosten S 5.070,72 inkl S 845,12 Umsatzsteuer), wiederum rund 1/3 des insgesamt strittigen Betrags. In dritter Instanz ist sodann die Klägerin mit ihrem eingeschränkten Begehren zur Gänze durchgedrungen (Kosten S 4.871,04 inkl S 811,84 Umsatzsteuer). Demnach stehen der Klägerin S 5.685,76 (darin S 947,63) für das erstinstanzliche Verfahren zu, S 6.198,40 (darin S 1.033,07) für das Verfahren in zweiter Instanz und S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof. Ein anteiliger Barauslagenersatz an den Beklagten ist von der Klägerin nicht zu leisten, weil der Beklagte mit seiner Berufung letztlich keinen Erfolg hatte.

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