OGH 13Os198/96

OGH13Os198/967.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Mai 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Rouschal, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Marte als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann N***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2, 161 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Mai 1996, GZ 12 c Vr 283/90-130, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch unbekämpft gebliebene Freisprüche enthaltenden) Urteil wurde Johann N***** (des, richtig: Mayerhofer/Rieder, StGB4, § 159 E 14 a) der Vergehen der fahrlässigen Krida nach den §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2, 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, als faktischer, ab 11.April 1989 als rechtlicher Geschäftsführer der Firma P***** Export und Import GesmbH, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war,

vom 23.April 1988 bis Ende 1992 fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt zu haben, indem er das Unternehmen ohne Eigenkapital gründete und fortführte, leichtsinnig und unverhältnismäßig Kredit benützte, überhöhte Privatentnahmen tätigte und kein ordnungsmäßiges Rechnungswesen (Buchhaltung) führte sowie

ab Anfang 1993 "in Kenntnis bzw fahrlässiger Unkenntnis" der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft fahrlässig die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft vereitelt bzw geschmälert zu haben, indem (ergänze:) er für die Gesellschaft neue Schulden einging, Schulden bezahlte und die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5 a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Nach Z 3 erhobene, die Verletzung oder Vernachlässigung einer Vorschrift, deren Beachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt, behauptende Verfahrensrügen können nur auf einen der in dieser Gesetzesstelle taxativ bezeichneten Paragraphen gestützt werden (Mayerhofer, StPO4, § 281 Z 3 E 2 ff). Die vom Angeklagten behauptete Unmöglichkeit (Verbüßung einer Verwaltungsstrafhaft), Geschäftsunterlagen zur vertagten Hauptverhandlung vom 23.Mai 1996 beizuschaffen, hat darauf keinen Bezug.

Die im § 221 Abs 1 StPO angeordnete, mit Urteilsnichtigkeit bewehrte Zustellung der Ladung des Angeklagten (selbst) zur Hauptverhandlung spätestens drei Tage vor dieser ist fristgerecht erfolgt. Die Ladung für die Hauptverhandlung vom 23.Mai 1996 wurde dem Angeklagten am 15. Mai 1996 im Polizeigefangenenhaus eigenhändig zugestellt (siehe RSa bei ON 123). Einerseits wurde daher die Vorbereitungsfrist gewahrt, weil der Angeklagte rechtzeitig vom Termin der Hauptverhandlung verständigt worden ist, andererseits müßte diese Frist bei der Ladung zur vertagten Hauptverhandlung (wie hier) gar nicht eingehalten werden (Mayerhofer, aaO, § 221 E 23).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist jedoch die materielle Vorbereitung auf die Hauptverhandlung von dieser Nichtigkeitssanktion nicht erfaßt. Wohl kann unter Voraussetzung entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung die Erschwerung der materiellen Vorbereitung mit Verfahrensrüge nach Z 4 geltend gemacht werden. Da ein solcher Antrag vom Beschwerdeführer nicht gestellt worden ist, mangelt es schon an der formellen Voraussetzung für die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes (Mayerhofer, aaO, § 281 Z 4 E 1; sonst insgesamt 15 Os 4/91).

Den weiteren Beschwerdeausführungen zuwider wurde der bezeichnete Nichtigkeitsgrund auch durch die Unterlassung der Zustellung einer Abschrift vom Hauptverhandlungsprotokoll (trotz entsprechender Anträge nach Urteilsfällung) nicht verwirklicht, weil nur ein (gänzliches) Unterlassen der Aufnahme, nicht aber der Zustellung dieses Protokolls Nichtigkeit begründet. Das Gesetz stellt es den Parteien ohnehin frei, in das abgeschlossene Protokoll und dessen Beilagen Einsicht und von ihnen Abschriften zu nehmen (Mayerhofer, aaO, § 271 E 28 a).

Die Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt die Abweisung des Antrages auf Beischaffung "dieses Buches" (S 231/VIII). Voraussetzung eines erheblichen Beweisantrages ist die Bezeichnung des Beweismittels und des Beweisthemas; ferner muß darin angegeben sein, inwieweit nach Ansicht des Antragstellers das Ergebnis der Beweisaufnahme für die Schuldfrage von Bedeutung sein und aus welchen Gründen sie das vom Antragsteller erwartete Ergebnis haben wird (Mayerhofer, aaO, § 246 E 27).

Dem zu Recht der Ablehnung verfallenen (S 232/VIII) Beweisbegehren mangelt es schon an einem konkreten Beweisthema, weil aus ihm nicht hervorgeht, welche bestimmten, für die Schuldfrage bedeutsamen Umstände für die Beischaffung des (im Antrag so bezeichneten) "Buches" (S 211 f, 216/VIII) bewiesen werden sollten. Diese sind auch nicht mit der gebotenen Deutlichkeit aus dem Zusammenhang erschließbar. Aus den in der Hauptverhandlung bis dahin hervorgekommenen Umständen geht lediglich hervor, daß der Angeklagte dadurch allenfalls Zahlungen belegen wolle, die von der P***** Export und Import GesmbH an die N***** GesmbH erfolgt seien, wovon das Erstgericht allerdings ausgegangen ist (US 16).

In der Rechtsmittelausführung nachgetragene Überlegungen können schon deswegen keine Berücksichtigung finden, weil sie das Erstgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht kannte (Mayerhofer, aaO, § 281 Z 4 E 16, 18, 41).

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet unzureichende Begründung der Urteilsannahme, daß die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft unter anderem durch die mangelnde Führung eines geordneten Rechnungswesens und einer übersichtlichen Buchhaltung herbeigeführt wurde (US 16 f, 20, 23).

Abgesehen davon, daß für die Erfüllung des alternativen Mischtatbestandes des § 159 Abs 1 Z 1 StGB die Verübung einer von mehreren kridaträchtigen Handlungen genügt (Mayerhofer/Rieder, aaO, § 159 E 13), kann mit dem Einwand, daß bei der Firma P***** Export und Import GesmbH ein Kassabuch geführt worden sei, nichts gewonnen werden. Derartige Aufzeichnungen stellen nämlich nur einen Teil der notwendigen Buchführung dar, die nach den insofern unbekämpft gebliebenen Urteilsannahmen weitere gravierende, den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit mitverursachende Mängel aufwies (US 20).

Soweit die Beschwerde darauf hinweist, die Gesellschaftereinlage (500.000 S) sei bezahlt worden, das Beweisverfahren habe nicht ergeben, daß der Angeklagte leichtsinnig und unverhältnismäßig Kredit benützt habe, die Privatentnahmen seien nicht überhöht gewesen, wird kein Begründungsmangel aufgezeigt, sondern in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Art die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft; verwarf das Erstgericht doch die diesbezügliche Verantwortung des Angeklagten und folgte dem Gutachten des Sachverständigen (US 24 ff).

Den weiteren Beschwerdeausführungen zuwider wurde der dem Gericht obliegenden Begründungspflicht (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zur leichtsinnigen und unverhältnismäßigen Kreditbenützung (fremdfinanzierter Ankauf von Klavieren, US 16 und 20) sowie übermäßigen Aufwand durch überhöhte Privatentnahmen (US 17, 20, 26 f) durch den Bezug auf das Gutachten des Buchsachverständigen (US 22 f, 27) hinreichend entsprochen.

Die auch auf die Ausführungen der Mängelrüge Bezug nehmende Tatsachenrüge (Z 5 a) zeigt keine aktenkundigen Beweisergebnisse auf, die erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen.

Die Unterstellung einer Verzögerungsabsicht betrifft keine entscheidungswesentliche Tatsachenfeststellung, sondern Beweiserwägungen der Tatrichter. Der Einwand gänzlicher Bezahlung der Stammeinlagen der GesmbH wurde vom Erstgericht durch die gegenteilige Aussage des Mitangeklagten Wolfgang J***** (S 88/VII), der auf Grund seiner anläßlich der Firmeneintragung abgegebenen, falschen Erklärung, daß das Stammkapital in voller Höhe einbezahlt worden sei und ihm zur freien Verfügung stünde, wegen des Vergehens nach § 122 Z 1 GmbHG (aF) rechtskräftig verurteilt wurde (US 4, 15, 25, 30, 32), als widerlegt erachtet. Daß dieser (auch durch andere Beweisergebnisse gefestigten, US 25) Aussage gefolgt und die damit im Widerspruch stehende Verantwortung des Angeklagten verworfen wurde, kann mit Tatsachenrüge nicht erfolgreich bekämpft werden.

Auch die (nicht immer sachbezogene, überwiegend nicht näher erläuterte) Kritik am von den Tatrichtern eingeholten Gutachten des Buchsachverständigen, dessen nachvollziehbare und schlüssige Ausführungen das Erstgericht seinen Urteilsfeststellungen zugrunde legte (US 21 f), vermag nicht durchzuschlagen. Der gegen den genannten Sachverständigen wiederholt erhobene Vorwurf tatsachenwidriger Behauptung zur Löschung der Firma P***** Export und Import GesmbH ist durch den Gutachteninhalt und der auf einem erklärbaren Irrtum beruhenden Befundaussage, wonach sich die Gesellschaft "in Liquidation befindet" (S 49, 349/IV), erfolgten Korrektur der Boden entzogen (S 309, 311/VII).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet zunächst (jedoch ohne weitere konkrete Ausführungen), die Verurteilung des Angeklagten "sowohl nach § 159 als auch nach § 161 StGB" sei "nicht nachvollziehbar".

Sie vernachlässigt dabei das im Urteilsspruch enthaltene Tatsachensubstrat, daß der Angeklagte für seine kridaträchtige Geschäftsführung der P***** Export und Import GesmbH auch von der Nichtigkeitsbeschwerde nicht weiter bestritten als leitender Angestellter einer juristischen Person als unmittelbarer Täter für das Vergehen nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB haftet. Worin im vorliegenden Fall die unrichtige Lösung der Schuldfrage zum Nachteil des Angeklagten gelegen sein soll, vermag die Beschwerde nicht einmal im Ansatz darzustellen und entbehrt damit bereits der Bezeichnung jener Umstände, die den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund bilden sollen (§ 285 a Z 2 StPO).

Die Rechtsrüge beschäftigt sich des weiteren mit der vorliegendenfalls tatbildlich vorausgesetzten Zahlungsunfähigkeit des Schuldners mehrerer Gläubiger. Ob und wann eine solche Zahlungsunfähigkeit vorliegt, ist eine Tatfrage (Kienapfel, BT II3, § 159 RN 21 und die dort zitierte Judikatur). Bei der Beurteilung der dazu unabdingbaren Rahmenprämissen stimmt die Beschwerde zunächst auch mit dem angefochtenen Urteil überein (S 348/VIII, US 31) und geht selbst davon aus, daß das Erstgericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit festgestellt hat. Die Beschwerde behandelt somit in Wahrheit nicht die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründet, um auf diese Weise einen Rechtsfehler des Schöffengerichtes aufzuzeigen, sondern wendet sich gegen die zur Zahlungsunfähigkeit festgestellten Sachverhaltsmomente. Denn ob die P***** Export und Import GesmbH (trotz Zahlungsunfähigkeit) noch weiterbesteht (und weitere Geschäfte vornimmt, woraus sich bereits der Kern des dem Angeklagten treffenden Schuldvorwurfes ergibt, weil das Wesen der fahrlässigen Krida gerade darin besteht, daß trotz eingetretener Zahlungsunfähigkeit die Geschäfte fortgeführt werden), ob rechtskräftige Haftungsbescheide des Finanzamtes bestehen oder nicht, in welcher Weise Schulden bezahlt wurden oder Forderungen (etwa der Firma N*****) bestehen, betrifft allein den Bereich des Tatsächlichen. Mit den Gründen für das Eintreten der Zahlungsunfähigkeit sowie mit deren Erkennbarkeit für den Angeklagten hat sich das Erstgericht hinreichend auseinandergesetzt (und seine diesbezüglichen Feststellungen im übrigen logisch begründet; US 15 ff, 19 ff, 25 ff). Mit den Feststellungen des Erstgerichtes über das kridarelevante Verhalten des Angeklagten (mangelndes Eigenkapital, überhöhte Entnahmen, gravierende Mängel der Buchführung und daraus resultierende Unmöglichkeit der Verschaffung eines ausreichenden Überblickes über die finanzielle Situation des Unternehmens, US 20) hat das Erstgericht zugleich jene Maßnahmen konstatiert, die ein ordentlicher Kaufmann in der Lage des Angeklagten einzuhalten gehabt hätte.

Die zu den einzelnen Kridahandlungen in sachverhaltsmäßiger Beziehung ausreichend getroffenen Urteilsannahmen sowohl zur Sorgfaltswidrigkeit des Tatverhaltens und der Zurechenbarkeit des Erfolges (insbesondere unter den Gesichtspunkten des Risikozusammenhanges und der Risikoerhöhung gegenüber sorgfaltsgemäßem Alternativverhalten) als auch zu der die Fahrlässigkeitsschuld eingrenzenden Zumutbarkeit sorgfaltsgemäßen Verhaltens (siehe auch US 27 ff, 31; Kienapfel, aaO, RN 24 ff) hätte die Rechtsrüge ihren Ausführungen zugrunde legen müssen.

Die die tatsächlichen Feststellungen des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit negierende sowie die zum Fahrlässigkeitsmoment erfolgten Konstatierungen vernachlässigende Rechtsrüge entbehrt somit der prozeßordnungsgemäßen Darstellung (14 Os 154,155/89).

Die Strafzumessungsrüge (Z 11) reklamiert zu Unrecht unter Hinweis auf den Zeitpunkt der letzten Verurteilung des Angeklagten (6.Dezember 1991; S 37/VII) und den Tatzeitraum des Vergehens nach § 159 Abs 1 Z 1 StGB (23.April 1988 bis Ende 1992) die Anwendung des § 31 StGB.

Voraussetzung dafür ist, daß alle im neuen Urteil zur Aburteilung gelangten Straftaten vor der Fällung des früheren Urteiles begangen worden sind. Demnach kommt eine Bedachtnahme gemäß § 31 StGB dann nicht in Betracht, wenn (wie vorliegend) die Tatzeit teils vor, teils nach Fällung des früheren Urteils liegt (EvBl 1995/127 = 15 Os 191/94). Ob dies aber im Rahmen der Strafzumessung von Belang ist, ist im Rahmen der Erledigung der ohnehin erhobenen Berufung (s auch § 290 Abs 1 letzter Satz StPO) zu prüfen (s Mayerhofer, StGB4 § 31 ENr 31).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war damit teils als unbegründet, teils als nicht den formalrechtlichen Voraussetzungen entsprechend dargestellt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285 i StPO).

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