OGH 9ObA15/97i

OGH9ObA15/97i30.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Christoph Kainz und Karl Lewisch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl W*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Roessler Rechtsanwalts KEG in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 51.000 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.August 1996, GZ 9 Ra 84/96f-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 13.Dezember 1995, GZ 4 Cga 117/95k-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 811,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß ihm ein Anspruch auf Altersunterstützung gemäß der Betriebsvereinbarung über die Richtlinien für diese Altersunterstützung vom 3.4.1978 zustehe. Obwohl die Beklagte anderen ehemaligen Arbeitnehmern der Beklagten Leistungen aus dem Titel Betriebspension erbringe, so daß eine Einstellung der Leistung aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgt sei, verweigere die Beklagte dem Kläger diese Leistung, obwohl er nach Erlangung einer Alterspension wegen langer Versicherungsdauer nach den Bestimmungen des ASVG anspruchsberechtigt sei. Eine Dienstgeberkündigung könne seinen Anspruch nicht vernichten, dies wäre sittenwidrig. Der Dienstgeber könnte auf diese Weise sonst einseitig den Anspruch auf Altersunterstützung verhindern.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Nach den Richtlinien sei die Altersunterstützung eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung, die ausschließlich an der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft orientiert sei. Nach § 2 Abs 1 der Richtlinien seien alle Dienstnehmer anspruchsberechtigt, die mindestens das 15.Firmendienstjahr vollendet hätten, unter anderem eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach dem ASVG bezögen und das Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst hätten. Kein Anspruch auf Altersunterstützung bestehe bei Kündigung vor Erreichung der Altersgrenze, bei fristloser Entlassung oder bei unbegründetem vorzeitigen Austritt. Das Dienstverhältnis des Klägers habe durch Kündigung vor Erreichung der Altersgrenze geendet, sodaß ein Anspruch auf Altersunterstützung nicht bestehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht sei der Anspruch des Klägers gemäß § 2 der Richtlinien bei Kündigung durch den Arbeitgeber vor Erreichung der Altersgrenze nicht gegeben.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest:

Das Dienstverhältnis des Klägers, der vom 23.2.1956 bis 25.9.1992 bei der Beklagten als Gießereiarbeiter beschäftigt war, wurde seitens der Beklagten aufgekündigt. Der Kläger bezieht seit 1.1.1995 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer. Nach den bei der Beklagten geltenden Richtlinien für die Altersunterstützung ist diese eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Zuwendung für langjährige Mitarbeiter im Unternehmen. Sie wird als Sozialleistung neben der Alters- oder Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension sowie der Witwen- oder Waisenpension nach dem ASVG gewährt. Auf diese freiwillige Sozialleistung des Unternehmens besteht kein Rechtsanspruch. Die Zuwendungen können, wenn es die wirtschaftliche Lage des Unternehmens erfordert, in ihrer Höhe geändert oder eingestellt werden. Ansprüche aus der gesetzlichen Pensionsversicherung dürfen durch die Altersunterstützung nicht geschmälert werden. Anspruchsberechtigt sind alle Dienstnehmer, die mindestens das 15. Firmendienstjahr vollendet haben und anschließend

a) Alterspension nach dem ASVG beziehen ... oder ...

b) vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach dem ASVG beziehen und das Dienstverhältnis einvernehmlich gelöst haben, oder ...

Kein Anspruch auf Altersunterstützung besteht bei Kündigung vor Erreichung der Altersgrenze, bei fristloser Entlassung oder bei unbegründetem vorzeitigen Austritt. Derzeit beziehen rund zehn ehemalige Arbeitnehmer der Beklagten die freiwillige Altersunterstützung. Diese beziehen zusätzlich zum Teil Invaliditätspension, zum Teil sind sie aus dem Betrieb der Beklagten im Alter von 59 Jahren ausgeschieden, um dann Sonderunterstützung in Anspruch zu nehmen. Der Kläger stand jedoch zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im 58. Lebensjahr.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und stellte im Sinne des Klagebegehrens fest, daß der Kläger ab 1.1.1995 Anspruch auf Altersunterstützung gemäß der Betriebsvereinbarung über die Richtlinien für die Altersunterstützung der E***** AG vom 3.4.1978 habe.

Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß die Betriebsvereinbarung zwar einen Widerrufsvorbehalt enthalte, die Beklagte einen Widerruf jedoch weder behauptet noch vorgebracht habe, daß aus wirtschaftlichen Erwägungen generell keine Altersunterstützung mehr gewährt werde. Sie könne sich daher nicht auf eine einseitige Rechtsgestaltung durch Widerruf stützen. Dem Arbeitgeber sei es zwar nicht untersagt, Bedingungen für die Leistungszusage zu normieren, wozu sowohl aufschiebende als auch auflösende gehörten. Bei letzteren sei aber eine Umgehung zwingender betriebspensionsrechtlicher Vorschriften unzulässig. Der Arbeitgeber habe es nicht in der Hand, durch Ausübung des ihm zukommenden einseitigen Gestaltungsrechtes der Kündigung unmittelbar vor Eintritt der vom Willen des Arbeitnehmers unabhängigen Bedingung für den Erwerb des unverfallbaren Rechtes die Anwartschaft zum Erlöschen zu bringen. Vereinbarungen, die den Anspruch an eine bestimmte Art der Auflösung binden, seien zwar zulässig, jedoch an den Grundsätzen des § 879 ABGB zu messen und könnten nicht dazu führen, daß durch eine Arbeitgeberkündigung alle Anwartschaften vernichtet werden. Die Kündigung durch den Dienstgeber vor Erreichung der Altersgrenze, die zum Verlust des Anspruches auf Altersunterstützung und somit zum Verlust auf die Anwartschaft führt, sei sittenwidrig. Die Anspruchsberechtigung des Klägers sei aber erst ab Bezug der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gegeben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, in Abänderung des Urteiles des Berufungsgerichtes das Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen.

Die klagende Partei stellt den Antrag, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In der Regel begründet die Zusage einer Zuwendung des Arbeitgebers mit dem Hinweis, daß auf sie kein Rechtsanspruch bestehe, keinen Anspruch des Arbeitnehmers (Welser, Widerrufsvorbehalt und Teilkündigungsvereinbarung des Arbeitgebers, DRdA 1991, 1 f; DRdA 1992/16 [Apathy]; DRdA 1994/12 [Apathy]). Der Pensionsvertrag ist ein Schuldvertrag, für den grundsätzlich, soweit nicht das Betriebspensionsgesetz Ausnahmen vorsieht, die Vertragsfreiheit besteht. Dem Arbeitgeber aber auch den Parteien der Betriebsvereinbarung ist es daher nicht untersagt, in Pensionsrichtlinien Bedingungen für die Leistungszusage wie auch Widerrufsvorbehalte zu normieren oder auszusprechen, daß kein Rechtsanspruch auf die Leistung bestehe (SZ 67/202). Die Pensionszusage und ihr Inhalt ist nach den §§ 914, 915 zweiter HalbsatzABGB auszulegen (ZAS 1989/15 [Tomandl]; DRdA 1990/10 [Runggaldier]), Betriebsvereinbarungen hingegen nach den §§ 6, 7 ABGB (Arb 11.108).

Selbst bei einem grundlos zulässigen Widerruf entstehen Anwartschaften, während bei Nichteinräumung eines Rechtsanspruches solche nicht entstehen können (Strasser, Geltungsbereich und Rückwirkung des Betriebspensionsgesetzes, DRdA 1990, 13; Welser aaO, 7). Daher ist die Formulierung maßgeblich und wie die Pensionszusage unter Beachtung der Übung des redlichen Verkehrs und der Auslegungsregeln zu verstehen ist. Maßgebend ist dabei nicht nur der Wortlaut, sondern wie die Erklärung inhaltlich verstanden und gehandhabt wird. Es ist zu beachten, daß bei Vorgabe eines, wenn auch widerruflichen Pensionsanspruches die gleichzeitige Vorenthaltung auch nur eines Minimums einer Rechtsposition mit Vorsicht zu betrachten ist. Aber nur bei eindeutigem Fehlen eines Verpflichtungswillens in den Pensionsrichtlinien ist kein Rechtsanspruch gegeben. Es kann daher nicht jeder Ausschluß des Anspruches als jederzeitige Widerruflichkeit umgedeutet werden, wie dies Welser (aaO, 7) angemessen erscheint, noch ist nur isoliert auf den wörtlichen Ausdruck Bedacht zu nehmen. Bei der Auslegung ist auf die insgesamt getroffene Regelung abzustellen (Welser aaO, 7; DRdA 1992/ 16 [Apathy, 203]).

Der Wille der Parteien der Betriebsvereinbarung ist aus dem Text der Betriebsvereinbarung ist zu erschließen (DRdA 1990/10 [Runggaldier]; Arb 11.278). Aus dem Gesamtzusammenhang folgt aber nur, daß mit der Formulierung "kein Rechtsanspruch" nur kein unbedingter, von der Widerruflichkeit unabhängiger Anspruch gemeint war. Wäre es beabsichtigt gewesen, überhaupt keinen Rechtsanspruch zu begründen, hätte es der im Vordergrund stehenden detailliert formulierten Widerrufsklausel nicht bedurft. Die Absicht ging daher dahin, die Widerruflichkeit durch den Willen, keinen Rechtsanspruch auf eine unwiderrufliche Leistung zu begründen, zu verstärken. Die Beklagte stützte ihr Vorbringen im übrigen in erster Instanz nicht auf das Fehlen jeglichen Rechtsanspruches, sondern nur auf die Widerruflichkeit.

Ist die Anwartschaft auf die Altersunterstützung aber nur widerruflich, so besteht sie bis dahin unter den übrigen Voraussetzungen der Richtlinien. Ein Widerruf der Anwartschaft ist nicht hervorgekommen. Rund zehn andere ehemalige Arbeitnehmer der beklagten Partei beziehen diese Altersunterstützung unangefochten. Die Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber ist nicht als Widerruf auch des Anwartschaftsrechtes anzusehen, weil der Verlust des Anwartschaftsrechtes nicht eine notwendige Folge einer Kündigung ist.

Zu prüfen bleibt noch die Frage der Wirksamkeit der Bestimmung der Richtlinien, daß kein Anspruch auf Altersunterstützung bei Kündigung vor Erreichung der Altersgrenze besteht. Die Richtlinien differenzieren dabei nicht zwischen Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerkündigung.

Mit der ständigen Rechtsprechung ist davon auszugehen, daß Ruhegeldregelungen Entgeltcharakter besitzen, bei denen der Arbeitnehmer vorgeleistet hat und seinem Partner auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist (Rummel, Betriebspension in der Krise - Widerruf wegen Dürftigkeit?, DRdA 1989/366; DRdA 1990/10 [Runggaldier] = ZAS 1989/9 [Kerschner]; DRdA 1993/45 [Resch] = ZAS 1995/1 [Schrammel]; DRdA 1993/58 [Eichinger]; 9 ObA 224/94 uva).

Abgesehen davon, daß die Formulierung in ihrem Zusammenhang eher auf eine Kündigung durch den Arbeitnehmer hindeutet, räumen die Richtlinien mit dieser Bestimmung dem Arbeitgeber das einseitige Recht ein, die bereits erworbenen Pensionsanwartschaften des Arbeitnehmers nach Willkür zunichte zu machen. Eine solche einseitige, vom Arbeitnehmer nicht beeinflußbare Gestaltungsmöglichkeit bei einem Entgeltcharakter genießenden Rechtsanspruch und dem im Arbeitsrecht herrschenden Grundsatz des Schutzes des persönlich abhängigen Arbeitnehmers ist wegen grober Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Arbeitnehmers sittenwidrig (RdW 1990, 413; ZAS 1991/9 [Adamovic]; ZAS 1992/15 (Schima]).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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