OGH 15Os41/97

OGH15Os41/9724.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Innsbruck zum AZ 38 Vr 2570/93, Hv 151/93 gegen Dr.Dipl.Ing.Wilhelm P***** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen anhängigen Strafsache über dessen "Beschwerde an den Obersten Gerichtshof wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit gemäß GRBG" nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluß vom 27.Mai 1993, GZ 15 Os 100,103/93-24, kassierte der Oberste Gerichtshof in teilweiser Stattgebung der vom Angeklagten Dr.Dipl.Ing.P***** gegen das schöffengerichtliche Urteil des Landesgerichtes Wels vom 21.November 1991, GZ 16 Vr 1566/85-1385, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mehrere Schuldspruchsfakten, demgemäß auch den Strafausspruch und verwies die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Innsbruck, bei dem das Verfahren seither zum AZ 38 Vr 2570/93, Hv 151/93, anhängig ist; hingegen wurden die erstgerichtlichen Schuldsprüche wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB bestätigt. Nach der dem Obersten Gerichtshof vorliegenden Aktenlage schied der Schöffengerichtsvorsitzende des Landesgerichtes Innsbruck mit Beschluß vom 6.Februar 1997 das weitere (noch erforderliche) Verfahren über die rechtskräftig erledigten Schuldsprüche aus, beraumte zur Straffestsetzung hierüber für den 7.April 1997 eine Hauptverhandlung an und leitete die Akten bezüglich der aufgehobenen Schuldspruchsfakten zur Ergänzung der Voruntersuchung an den Untersuchungsrichter zurück.

Laut einer dem Obersten Gerichtshof am 9.April 1997 erteilten Auskunft wurde Dr.Dipl.Ing.P***** mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 7.April 1997 unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf ein bezirksgerichtliches Urteil zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten und zehn Tagen verurteilt, die unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde; die vom 12.September 1985 bis 7.März 1986 in Untersuchungshaft zugebrachte Zeit wurde gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB auf die verhängte Strafe angerechnet (ON 5 des Os-Aktes). Die Tatsache der Verhängung einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe wird vom Beschwerdeführer auch in seiner Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokratur vorgebracht.

In einer am 18.März 1997 in der Einlaufstelle des Obersten Gerichtshofes persönlich überreichten, mit 17.März 1997 datierten Eingabe, die als "Beschwerde an den Obersten Gerichtshof wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit gemäß GRBG" tituliert ist (ON 1 des Os-Aktes), führt der Beschwerdeführer unter anderem wörtlich aus:

"Die überlange Verfahrensdauer - insgesamt fast 12 Jahre - stellt eine ständige Verletzung meines Grundrechtes auf persönliche Freiheit dar, da ich jederzeit wieder in Untersuchungshaft genommen werden kann und ich seit fast 12 Jahren mit der Strafdrohung des Freiheitsentzuges leben muß. Die Rückverweisung des eigentlichen Verfahrens an den Untersuchungsrichter stellt eine weitere Verzögerung des Verfahrens dar. Bis heute wurde noch immer kein neues Gutachten eines Buchsachverständigen erstellt.

Es wird Grundrechtsbeschwerde dagegen erhoben, daß in Kenntnis der neuen Beweismittel, durch die meine Schuldlosigkeit bewiesen werden kann bzw bewiesen werden wird, vorher noch die Festsetzung von Freiheitsstrafen erfolgen soll. Dies widerspricht dem Recht auf persönliche Freiheit, sowohl nach dem Grundrechtsbeschwerde-Gesetz, als auch insbesondere nach der Menschenrechtskonvention.

Es wird beantragt, die Abweisung der Wiederaufnahmsanträge aufzuheben, die Ausscheidung der aufgehobenen Anklagepunkte aus dem Verfahren 38 Hv 151/93 aufzuheben und ehestens ein Gutachten unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse des Konkursgerichtes Handelsgericht Wien und der neu bestellten Masseverwalter, sowie der Finanzbehörden zu erstellen und entweder in einer gemeinsamen Hauptverhandlung zu entscheiden oder mangels strafbarer Tatbestände die Anklage zurückzuziehen und das Verfahren einzustellen".

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist aus mehrfachen Gründen unzulässig.

Gemäß § 3 Abs 1 GRBG ist in der Beschwerde anzugeben und zu begründen, worin der Beschwerdeführer die Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit erblickt. Die angefochtene oder zum Anlaß der Beschwerde genommene Entscheidung oder Verfügung ist genau zu bezeichnen. Der Tag, der für den Beginn der Beschwerdefrist maßgeblich ist (§ 4 Abs 1), ist anzuführen.

Der vorliegenden "Grundrechtsbeschwerde" ermangelt es bereits an diesen - kumulativ geforderten - essentiellen Voraussetzungen formeller Natur, sodaß nicht beurteilt werden kann, ob, wann und gegen welche strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung, durch die der Betroffene im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt worden zu sein behauptet, er den vorgeschriebenen Instanzenzug überhaupt ausgeschöpft hat (§ 1 Abs 1 GRBG) und ob die Beschwerde rechtzeitig bei einem der in § 4 Abs 1 GRBG bezeichneten Gerichten eingebracht worden ist.

Im übrigen ergibt sich schon aus dem Vorbringen selbst (etwa: ..., da ich jederzeit wieder in Untersuchungshaft genommen werden kann ...) daß sich die Beschwerde nicht gegen einen solchen richterlichen Akt wendet, der eine Freiheitsbeschränkung im Sinne einer Festnahme oder Anhaltung gleichkommt oder für eine solche ursächlich ist oder war (vgl Mayrhofer/E.Steininger GRBG 1992 § 1 Rz 18, 25 f mwN).

Sollte sich die Beschwerde - der Sache nach - gegen die in der Zeit vom 12.September 1985 bis 7.März 1986 erfolgte Anhaltung des Beschwerdeführers in Untersuchungshaft (diese Zeit wird in der von ihm eingebrachten Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur genannt) richten, wäre sie insoweit auch deshalb unzulässig, weil das Grundrechtsbeschwerdegesetz, BGBl 1992/864, erst mit 1.Jänner 1993 in Kraft getreten ist (§ 13 Abs 1 GRBG) und die im § 4 Abs 1 GRBG normierte Beschwerdefrist jedenfalls nicht gewahrt wäre (Mayrhofer/E.Steininger aaO § 4 Rz 5).

Die zudem relevierte überlange Verfahrensdauer könnte fallbezogen allenfalls einen Milderungsgrund darstellen (§ 34 Abs 2 StGB); die vom Erstgericht beschlossene Ausscheidung der in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchsfakten, die Straffestsetzung für diese Straftaten, ferner die Rückleitung des Verfahrens bezüglich der kassierten Schuldsprüche an den Untersuchungsrichter und die Abweisung der Wiederaufnahmsanträge hinwieder sind prozessuale Vorgänge, die mangels funktioneller Grundrechtsrelevanz einer Geltendmachung im Wege des Grundrechtsbeschwerdegesetzes unzugänglich sind (vgl abermals Mayrhofer/E.Steininger aaO § 1 Rz 26, 30, 37, 49).

Schließlich scheint der Beschwerdeführer überhaupt zu verkennen, daß ein allgemeines Aufsichtsrecht und eine jederzeitige Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofes in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehen ist (11 Os 175/96).

Für eine Verfahrenseinstellung oder einen Freispruch - wie dies in der Beschwerde und in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur begehrt wird - bietet das Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde keinen Raum (vgl § 7 Abs 1 GRBG).

Angesichts der aufgezeigten mehrfachen Unzulässigkeit der Beschwerde erübrigte sich die Anordnung einer Mängelbehebung bezüglich der unterbliebenen Unterfertigung der Beschwerdeschrift durch einen Verteidiger (Mayrhofer/E.Steininger aaO § 3 Rz 24 f).

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