OGH 3Ob2044/96a

OGH3Ob2044/96a23.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl O***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Helmut Salzbrunn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl O*****, vertreten durch Dr.Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen "Unzulässigkeit der Exekution", infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Dezember 1995, GZ 47 R 1221/95x-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19.Juli 1995, GZ 56 C 104/94y-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Urteile werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte führt gegen die klagende Partei aufgrund des Notariatsaktes des Notars Dr.Winfried L***** vom 25.3.1993, GZ 2298/93, zu 71 E 2017/94p des Erstgerichtes Exekution zur Hereinbringung von restl. S 812.497,99 sA, laut Vorbringen in der Tagsatzung vom 8.3.1995 eingeschränkt auf S 792.788,07.

Die klagende Partei brachte die Klage am 22.8.1994 ein und nannte als deren Gegenstand im Rubrum "Unzulässigkeit der Exekution"; sie brachte vor, der Beklagte sei Gesellschafter und Geschäftsführer der klagenden GmbH gewesen. Mit Vereinbarung (Notariatsakt) vom 25.3.1993 habe der Beklagte das gesamte von der GmbH betriebene Unternehmen samt allem Zubehör verkauft und habe gleichzeitig die Geschäftsanteile übertragen. Vereinbarungsgemäß sei der Kaufpreis von S 9,000.000 durch Übernahme der offenen Verbindlichkeiten von S 6,559.482,70, sofortige Barzahlung von S 1,500.000 und monatliche Teilbeträge im Kapitalsbetrag von S 940.517,21 zu begleichen gewesen. Für die Bezahlung des Kaufpreises habe ua die GmbH persönlich zu haften gehabt. Neben dem für die Übergabe zum 31.3.1993 erstellten vorläufigen Vermögensstatus, der diese Verbindlichkeiten ausgewiesen habe, sei ua Vertragsgrundlage gewesen, daß der Beklagte dieses Gewerbe ordnungsgemäß ausgeübt habe. Wie sich in der Folge allerdings herausgestellt habe, habe der Beklagte der Klägerin nicht nur zahlreiche Verbindlichkeiten verschwiegen; die Klägerin habe von der Behörde vor allem erfahren müssen, daß für die im zweiten Stock errichteten Gästezimmer sowohl die bauliche als auch die gewerbebehördliche Genehmigung fehle und wesentliche Auflagen jahrelang unbeachtet blieben. Neben der Überprüfung von Statik, Wärme- und Schallschutz sowie aller Elektro- und Sanitärinstallationen seien für die nachträgliche Bewilligung aufwendige Umbauten, vor allem der Einbau von Fluchttüren, Brandschutzeinrichtungen, Sicherheitsbeleuchtungen sowie einer völlig neuen Stiege notwendig gewesen. Im einzelnen berechne sich der vom Beklagten verschuldete Schaden mit restlichen Verbindlichkeiten von S 348.609,06, Sanierungskosten von mindestens S 1,500.000, zusammen S 1,848.609,06. Dagegen habe die Klägerin bereits die offenen Raten von S 865.517,21 aufgerechnet; der restliche Schaden betrage somit S 983.091,85. Der Beklagte, der die Übergabe eines rechtlich und tatsächlich einwandfrei geführten Unternehmens zugesagt habe, habe dafür ausdrücklich die persönliche Haftung übernommen. Da der Beklagte der Klägerin außerdem bei Vertragsschluß unrichtige (unvollständige) Urkunden übergeben und darüber hinausgehende nötige Auskünfte verweigert habe, sei mit weiteren künftig auftretenden Vermögensnachteilen, insbesondere Abgabenforderungen, zu rechnen. Obwohl die klagende Partei den Beklagten mehrmals aufgefordert habe, wegen dieser Schäden zumindest das Erlöschen des im Notariatsakt vom 25.3.1993 enthaltenen vollstreckbaren Anspruchs anzuerkennen, und trotz geschehener Aufrechnung führe er nunmehr aufgrund dieses Titels Fahrnisexekution gegen die klagende Partei, weshalb am 25.7.1994 bereits die gesamte Gaststätteneinrichtung der klagenden Partei gerichtlich gepfändet worden sei.

Die klagende Partei erhob folgendes Klagebegehren: "Zwischen den Streitteilen wird festgestellt, daß die aufgrund des Notariatsakts vom 25.März 1993 des Dr.Winfried L*****, öffentlicher Notar in R*****, Geschäftszahl 2198/93, betriebene vollstreckbare Restforderung von S 812.497,99 samt Zinsen getilgt und damit bereinigt ist; das von der beklagten Partei zu 71 E 2017/94p des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien geführte Exekutionsverfahren ist daher unzulässig".

Der Beklagte wendete ein, es sei unrichtig, daß er das von der GmbH betriebene Unternehmen samt Zubehör verkauft und gleichzeitig die Geschäftsanteile übertragen hätte. Er sei seit 25.11.1981 nicht mehr Gesellschafter der klagenden Partei. Als deren Geschäftsführer sei er in der außerordentlichen Generalversammlung am 25.3.1993 enthoben worden. Die in Exekution gezogene Restforderung entspreche der freien Vereinbarung des Entgeltes für die Weitergabe der Mietrechte an die klagende Partei. Weiters sei dem Beklagten eine bilanziell erfaßte Forderung aus einem Darlehen gegen die klagende Partei zugestanden, als deren Abgeltung ebenfalls das Entgelt laut Notariatsakt vom 25.3.1993 vereinbart worden sei. Dieses habe insgesamt S 2,440.517,21 zuzüglich Inventurwert betragen. Die Behauptung, der Beklagte hätte "zahlreiche Verbindlichkeiten verschwiegen", entbehre jeder Grundlage. Das Klagsvorbringen sei insoweit auch nicht schlüssig und substantiiert. Daß für die Beherbergung von Gästen noch keine gewerberechtliche Bewilligung vorlag, sei der klagenden Partei und ihren Gesellschaftern selbstverständlich bekannt gewesen. Vor Errichtung des Notariatsaktes vom 25.3.1993 habe der Beklagte gegenüber den Gesellschaftern der klagenden Partei auf diesen Umstand ausdrücklich hingewiesen; dabei sei auch erwähnt worden, daß die Herstellung einer brandbeständigen Stiege zur Erlangung der Bewilligung erforderlich sei. Im Status per 28.2.1993 sei daher unter der Rubrik "offene Leistungen, Vereinbarungen und zukünftige Pauschalien" ein Kostenvoranschlag für eine Fluchttreppe in Höhe von S 259.479 netto ausgewiesen. Im Notariatsakt vom 25.3.1993 sei vereinbart worden, daß der Beklagte nur für darüber hinausgehende notwendige Aufwendungen für die Herstellung der Fluchttreppe aufzukommen hätte. Allein daraus gehe hervor, daß diese Thematik in den Vertragsverhandlungen ausführlich erörtert worden sei. Die klagende Partei habe es allerdings bis heute unterlassen, den Auftrag zur Herstellung der Stiege zu erteilen, wiewohl sie unschlüssigerweise nunmehr die Kosten für die Herstellung dieser Stiege als Argument für eine Zahlungseinstellung ins Treffen führe. Ebenso haltlos sei der Vorwurf, daß wesentliche Auflagen jahrelang unbeachtet geblieben seien. Die wesentliche Auflage laut Punkt 50 der Verhandlungsschrift der MA 36 vom 28.5.1991 betreffe die brandhemmende Ausführung von doppelflügigen Türen vom Gastraumbereich im ersten Stock zum Hauptstiegenhaus. Dafür existiere ein Kostenvoranschlag über S 81.480; dieser Betrag sei bei der Ermittlung der in Exekution gezogenen Restforderung von S 812.497,99 bereits vorweg in Abzug gebracht worden. Wenige weitere noch unterledigte Auflagen aus der Betriebsanlagengenehmigung beträfen Bagatellerledigungen, die der Beklagte durch Professionisten unmittelbar habe vornehmen lassen wollen; daran sei er jedoch von der klagenden Partei gehindert worden. Die klagende Partei habe es hingegen verabsäumt, die Erledigungen selbst durchführen zu lassen und dem Beklagten Rechnungen oder Kostenvoranschläge zur Kenntnis zu bringen. Die in Betracht kommenden Kosten seien jedenfalls minimal. Offenbar trachte die klagende Partei danach, die Kosten umfangreicher geplanter Adaptierungen dem Beklagten anzulasten und diesen durch Zahlungseinstellung unter Druck zu setzen. Die Geltendmachung von angeblichen Verbindlichkeiten von S 348.609,06 und von angeblichen Sanierungskosten von S 1,500.000 habe keine vertragliche Grundlage.

Das Erstgericht wies das - von Amts wegen neu gefaßte - Klagebegehren, der Anspruch des Beklagten wider die klagende Partei aufgrund des Notariatsaktes des Notars Dr.Winfried L***** vom 25.3.1993, GZ 2198/93, zu dessen Hereinbringung mit Beschluß des Erstgerichtes vom 21.4.1994, 71 E 2017/94p-1, die Exekution durch Pfändung, Verwahrung und Verkauf beweglicher Sachen bewilligt wurde, sei erloschen, ab. Gemäß § 35 Abs 1 EO könnten bei einer Oppositionsklage nur Einwendungen gegen einen betriebenen Anspruch erhoben werden, als diese auf Tatsachen beruhen, die nach Entstehung des Exekutionstitels eingetreten sind. Die klagende Partei mache nur Umstände geltend, die vor oder bei Abschluß des Notariatsaktes eingetreten seien sollen. Im Oppositionsstreit könne aber weder über die Gültigkeit noch über das rechtswirksame Zustandekommen des Exekutionstitels abgesprochen werden; bei vollstreckbaren Notariatsakten sei mit Klage gemäß § 39 Abs 1 Z 1 EO vorzugehen. Die klagende Partei habe den Streitgegenstand mit "Unzulässigkeit einer Exekution" bezeichnet und habe im Urteilsbegehren auf ein bestimmtes Exekutionsverfahren Bezug genommen.

Das Berufungsgericht bestätigte - mit Ausnahme der Kostenentscheidung - dieses Urteil und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualifikation nicht zur Entscheidung angestanden seien. Der geltend gemachte Anspruch könne ausschließlich im Wege einer Feststellungsklage erfolgversprechend verfolgt werden. Eine Umdeutung der vorliegenden Oppositionsklage in eine Feststellungsklage sei nicht möglich.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Auch zur Verteidigung gegen eine ungerechtfertigte Exekutionsführung aus einem vollstreckbaren Notariatsakt steht dem Verpflichteten das Rechtsbehelfssystem der EO zur Verfügung; er kann auch eine Oppositionsklage erheben (Rechberger/Oberhammer/Bogensberger, Der vollstreckbare Notariatsakt 72 f). Im Oppositionsstreit kann jedoch weder über die Gültigkeit noch über das rechtswirksame Zustandekommen des Notariatsaktes abgesprochen werden. Die Prüfung dieser Frage ist nur aufgrund einer in § 39 Abs 1 Z 1 EO erwähnten Klage möglich (3 Ob 27/82 = RPflSlgE 1983/3; NZ 1973, 189). Für die Geltendmachung eines materiellrechtlichen Unwirksamkeitsgrundes des Notariatsaktes steht auch die Klage nach § 36 EO bzw Art XVII EGEO nicht zur Verfügung (NZ 1973, 189).

Im übrigen wird unterschiedlich beurteilt, inwieweit sich aus § 35 Abs 1 Satz 1 EO eine Einschränkung der Gründe ergibt, die beim vollstreckbaren Notariatsakt mit Oppositionsklage geltend gemacht werden können. Nach dieser Bestimmung können mit Oppositionsklage Einwendungen gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution bewilligt wurde, insoweit erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehen des diesem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten sind. Bei einer Oppositionsklage gegen einen vollstreckbaren Notariatsakt muß jedoch beachtet werden, daß ihm die Rechtskraftwirkung fehlt; deshalb ist etwa die zivilrechtliche Aufrechnungserklärung, die nach der Errichtung des Aktes abgegeben wurde, eine nach der Entstehung des Titels eingetretene beachtliche Tatsache, weil dem Notariatsakt die Präklusionswirkung des Urteils hinsichtlich der rechtsgestaltenden Einwendungen fehlt (Kralik, Die Vollstreckbarkeit der Notariatsurkunden, in Erster Kongreß des österreichischen Notariates 1964, 21 [37]; nunmehr auch Oberhammer in JAP 1996, 105 [106]). Hier stellt sich also auch nicht die Frage, ob der späteren klageweise geltend gemachten Irrtumsanfechtung die Rechtskraft des Vorurteils entgegensteht (hiezu s SZ 68/12 mwN; abl Oberhammer aaO). Vielmehr kann der aufgrund eines Notariatsakts Verpflichtete mit Oppositionsklage alle Einwendungen erheben, soweit nicht ein materiellrechtlicher Unwirksamkeitsgrund des Notariatsakts geltend gemacht wird.

Soweit in den Entscheidungen 3 Ob 27/82 (= RPflSlgE 1983/3) und 3 Ob 89/65 der Umstand, daß dem Notariatsakt die Präklusionswirkung mangels Rechtskraft fehlt, nicht beachtet wurde, kann die Verneinung der Zulässigkeit der Oppositionsklage nicht aufrecht erhalten werden. In der Entscheidung ÖBA 1994, 814 war diese Frage nicht zu lösen.

Im vorliegenden Fall stützt der Verpflichtete seine Klage darauf, die im Exekutionsverfahren 71 E 2017/94p des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien aufgrund des Notariatsaktes des Dr.Winfried L*****, öffentlicher Notar in R*****, vom 25.3.1993 betriebene Restforderung von S 812.497,99 sA sei getilgt, weil er gegen den betreibenden Gläubiger mit einer Schadenersatzforderung von restlichen S 983.091,85 aufgerechnet habe. Der vom Beklagten verschuldete Schaden setze sich aus restlichen Verbindlichkeiten in Höhe von S 348.609,06 und Sanierungskosten in Höhe von S 1,500.000 zusammen; gegen den Gesamtbetrag von S 1,848.609,06 habe die klagende Partei bereits die offenen Raten von S 865.517,21 aufgerechnet; der restliche Schaden betrage somit S 983.091,85. Der Beklagte, der die Übergabe eines rechtlich und tatsächlich einwandfrei geführten Unternehmens zugesagt habe, habe ausdrücklich die persönliche Haftung übernommen.

Hier bekämpft der Verpflichtete nicht den Notariatsakt an sich als unwirksam, sondern macht Gegenforderungen geltend, die er nach seinem Vorbringen bei Entstehung des Notariatsaktes mangels Kenntnis noch nicht geltend machen konnte. Derartige Gestaltungsrechte können mit Oppositionsklage geltend gemacht werden; da dem Notariatsakt die Rechtskraftwirkung fehlt, ist jede zivilrechtliche Aufrechnungserklärung, die nach Errichtung des Notariatsaktes abgegeben wurde, ein Umstand, der mit Oppositionsklage geltend gemacht werden kann. Mangels entsprechender Feststellungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die geltend gemachten Gegenforderungen zum Teil noch nicht entstanden wären. Die Vorinstanzen sind somit zu Unrecht davon ausgegangen, daß sich schon aufgrund der Klagsbehauptungen die Unzulässigkeit einer Oppositionsklage ergibt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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