OGH 4Ob64/97h

OGH4Ob64/97h22.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich D*****, vertreten durch Dr.Mag.Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 90.000,--), infolge Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. Dezember 1996, GZ 35 R 771/96h-19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 25.Juli 1996, GZ 9 C 2892/95i-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt, einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teiles, wie folgt lautet:

Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, 1. es zu unterlassen, der klagenden Partei über ihren Telefaxanschluß Wien 4701517 unerwünschte Werbung zu senden, 2. der klagenden Partei den Betrag von S 1.200,-- samt 4 % Zinsen seit Klagstag zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 18.388,80 bestimmten Prozeßkosten (darin S 120,-- Barauslagen und S 3.044,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 23.077,12 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 11.820,-- Barauslagen und S 1.859,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Rahmen einer an 100 bis 200 Adressaten gerichteten Werbeaussendung übermittelte der Beklagte der Klägerin einen Werbetext mittels Telefax, wobei die Klägerin insgesamt drei Mitteilungen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen erhielt. Vor ihrer Absendung bestand zwischen den Streitteilen kein Geschäftskontakt. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte den Beklagten auch nicht um Übersendung von Werbematerial ersucht.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, 1.) es zu unterlassen, der Klägerin über ihren Telefaxanschluß unerwünschte Werbung zu senden und 2.) die dadurch entstandenen Kosten in Höhe von S 1.200,-- zu bezahlen.

Durch die Übersendung unerwünschter Werbung habe der Beklagte den Telefaxanschluß der Klägerin unzulässigerweise blockiert. Werbung per Telefax verstoße außer gegen § 1 UWG auch gegen § 354 ABGB sowie § 39 Abs 2 Fernsprechordnung. Der Beklagte sei aufgefordert worden, eine entsprechende Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung zu unterfertigen, sowie die durch die Übersendung aufgelaufenen Manipulationskosten in der pauschalierten Höhe von S 1.200,-- zu bezahlen, er habe darauf nicht reagiert.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Er habe das Telefax über Aufforderung der Klägerin übersendet. Überdies habe die Klägerin dadurch, daß sie der Aufnahme ihrer Telefaxnummer in öffentliche Verzeichnisse wie das Telefonbuch nicht widersprochen habe und diese Nummer auch auf ihrem Briefpapier anführe, schlüssig zu verstehen gegeben, daß sie bereit sei, entsprechende Sendungen zu übernehmen. Die Übermittlung einer einzigen Seite eines Angebotes nehme nur einige Sekunden in Anspruch, belästige die Klägerin somit nicht unzumutbar und beanspruche auch die Büroeinrichtung der Empfängerin nicht ungewöhnlich. Im übrigen habe der Beklagte noch vor der ersten Tagsatzung einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich angeboten, auf den die Klägerin nicht reagiert habe. Die Wiederholungsgefahr sei somit weggefallen.

Unbestritten blieb, daß der Beklagte der Klägerin noch vor der ersten Tagsatzung einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich angeboten hatte. Er hielt dieses Anbot im Verfahren aufrecht.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren Folge und wies das Zahlungsbegehren ab.

Einen der Klägerin durch die Übersendung der drei Telefaxmitteilungen entstandenen Aufwand an Material- und Personalkosten konnte das Erstgericht nicht feststellen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und bewertete den nicht in Geld bestehenden Entscheidungsgegenstand mit über S 50.000,--. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen. Die Beklagte habe ihr Anbot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs damit verknüpft, daß die nachfolgende Gerichtsverhandlung unbesucht bleiben und Ruhen des Verfahrens eintreten solle. Sie habe Kostentragung nicht angeboten. Die Klägerin hätte daher mit Annahme des Vergleichs nicht all das bekommen, was sie im Fall eines stattgebenden Urteiles erlangt hätte. Vielmehr hätte sie auf Kosten verzichten müssen, da eine Entscheidung über die Kostentragung durch Ruhenseintritt unterbunden worden wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage eines Wegfalles der Wiederholungsgefahr zwar zutreffend dargestellt, auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch unrichtig angewendet hat.

Vorweg ist festzuhalten, daß zur Frage, ob unerwünschte, im Wege eines Telefaxanschlusses übermittelte Werbung unzulässig ist und die Rechtssphäre des Empfängers verletzt, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 25.10.1995, I ZR 255/93 (GRUR 1996, 208) Telefaxwerbung im Hinblick auf die für den Empfänger damit verbundenen belästigenden Auswirkungen, wie die Beeinträchtigung seines Betriebsablaufes und die Verlagerung von Kosten für Papier, Toner und Strom auf den Empfänger, als wettbewerbswidrig und damit unzulässig beurteilt, sofern der Empfänger damit aufgrund besonderer Gegebenheiten nicht einverstanden sei oder sein Einverständnis im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung auch nicht vermutet werden könne (vgl dazu auch WRP 1992, 652; NJW-RR 1990, 1324 und NJW-RR 1991, 160).

Lehrmeinungen in Österreich teilen diese Auffassung (Pfersmann, Werbung mittels Telefax ist unzulässig, zu den Urteilen des OLG Graz und des LGZ Wien EvBl 1995/27 und 28 in ÖJZ 1995, 136; Kucsko, unerbetene Telefax-Werbung, ecolex 1990, 39).

In Übereinstimmung mit deutscher Lehre und Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof schon bisher Werbung durch ungebetene telefonische Anrufe bei Privatpersonen, um Waren oder Dienstleistungen anzubieten und Geschäftsabschlüsse anzubahnen, dann als wettbewerbswidrig beurteilt, wenn der Angerufene nicht zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis erklärt hatte, zu Werbezwecken angerufen zu werden. Telefonwerbung überschreite das mit jeder Werbung mehr oder weniger verbundene, noch tragbare Maß der Belästigung und greife unzulässig in die Individualsphäre des Anschlußinhabers ein (ÖBl 1984, 13 - Telefonwerbung; ÖBl 1995, 12 - Computerkurse; zuletzt 4 Ob 2141/96y; vgl Fitz/Gamerith Wettbewerbsrecht2 71; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 680 f; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht19 § 1 dUWG Rz 57).

Ob auch Telefaxwerbung in diesem Sinn sittenwidrig ist, und gegen § 354 ABGB (allenfalls § 39 Abs 2 Fernsprechordnung) verstößt, wenn der Anschlußinhaber die Werbesendung weder gewünscht hat, noch der Werbende nach den Umständen ein solches Einverständnis voraussetzen konnte, kann hier dahingestellt bleiben.

Der Beklagte wendet sich mit Recht gegen die von den Vorinstanzen bejahte Wiederholungsgefahr. Wiederholungsgefahr - als materiellrechtliche Voraussetzung jedes Unterlassungsanspruches (so auch des von der Klägerin auf § 354 ABGB gestützten Begehrens, vgl Fitz/Gamerith aaO 82) - ist dann zu verneinen, wenn der Verletzer besondere Umstände dartun kann, die eine Wiederholung seiner Handlung als ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (Fitz, Gamerith aaO 82; Koppensteiner aaO 737 ff; ÖBl 1996, 35 - Rolls Royce).

Nach ständiger Rechtsprechung beseitigt das - wenngleich vom Kläger abgelehnte - Angebot des Beklagten, sich in einem vollstreckbaren Vergleich zu der vom Beklagten begehrten Unterlassung zu verpflichten und ihm all das zu bieten, was er durch ein seinem Unterlassungsbegehren stattgebendes Urteil erlangen könnte, regelmäßig die Wiederholungsgefahr (SZ 51/87; ÖBl 1985, 16, ÖBl 1990, 32, MR 1988, 125; ecolex 1994, 627). Ob der Beklagte gleichzeitig auch den Rechtsstandpunkt der Klägerin als richtig bezeichnet oder weiterhin daran festhält, durch die beanstandete Handlung keinen Gesetzesverstoß begangen zu haben, macht dabei in der Regel keinen Unterschied, sofern er nur einen den ganzen Unterlassungsanspruch umfassenden, an keinerlei Bedingungen geknüpften Vergleich anbietet, und nach den Umständen des Falles keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seines Willens bestehen, von gleichartigen Handlungen künftig tatsächlich Abstand zu nehmen. Der Kläger erhält nämlich durch einen solchen Vergleich alles das, was er durch ein seinem Unterlassungsbegehren stattgebendes Urteil hätte erlangen können, nämlich einen Titel, welcher ihn bei jeder weiteren Zuwiderhandlung des Beklagten zur Exekutionsführung nach § 355 EO berechtigt (ÖBl 1985, 16 - Linzer Tort uva).

Der Umstand, daß der Beklagte den Vergleich nur über das Unterlassungsbegehren (nicht aber auch über das Zahlungsbegehren) angeboten hat, steht dem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht entgegen, kann doch die Vermutung, ein Beklagter werde einen bestimmten Verstoß abermals begehen, auch dann entkräftet werden, wenn derselbe Beklagte einem anderen, in derselben Klage erhobenen Anspruch nur den Antrag auf Abweisung entgegenhält, weil er diesen Anspruch für nicht berechtigt erachtet (4 Ob 28/94, teilweise veröffentlicht ecolex 1994, 627). Der Oberste Gerichtshof hat daher den Wegfall der Wiederholungsgefahr auch in Fällen bejaht, in denen die Klägerin neben dem vom Vergleichsanbot betroffenen Unterlassungsanspruch noch ein weiteres Begehren auf Unterlassung (so ÖBl 1984, 123) oder Schadenersatz (SZ 51/87) erhoben hatte.

Bei der Beurteilung, ob durch das gegenständliche Vergleichsanbot bei gleichzeitiger Bestreitung des Schadenersatzanspruches die Wiederholungsgefahr weggefallen ist, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Daß der Beklagte dem Schadenersatzbegehren - nach den Feststellungen des Erstgerichts auch berechtigt - entgegengetreten ist, läßt hier keinen Schluß darauf zu, er würde trotz des angebotenen Vergleiches auch in Zukunft geneigt sein, der Klägerin unerwünschte Werbung per Telefax zu übermitteln.

Daß sein Anbot einen Kostenersatz nicht umfaßte, schadet nicht, weil darüber auch noch im Rechtsstreit entschieden werden kann (ÖB 1985, 164 - Aufzahlen statt Draufzahlen; ÖBl 1989, 52 - Carsonics/Carsound).

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach die Klägerin bei Annahme des angebotenen Vergleiches auf Kosten hätte verzichten müssen, weil der Beklagte sein Vergleichsanbot an ein Ruhen des Verfahrens geknüpft habe, was eine Kostenbestimmung verhindert hätte, trifft nicht zu. Der vom Beklagtenvertreter gewählten Formulierung des Vergleichsanbotes "unpräjudiziell für den Rechtsstandpunkt unterbreite ich hiemit namens meiner Mandantschaft das Angebot, daß sich.... in einem vollstreckbaren Vergleich verpflichtet, es in Hinkunft zu unterlassen, ihrer Mandantschaft über deren Telefaxanschluß unerwünschte Werbung zu senden. Wenn aufgrund dieses Angebotes die morgige erste Tagsatzung unbesucht bleiben kann, ersuche ich um ihre diesbezügliche Fax-Nachricht bis heute 17,00 Uhr" kann keineswegs entnommen werden, daß der Beklagte zum Abschluß eines Vergleiches nur unter der Voraussetzung eines Ruhens des Verfahrens gewillt sei, oder gar, daß er eine Kostentragung überhaupt ablehne. Seine Formulierung läßt vielmehr die Frage offen, ob die erste Tagsatzung besucht werden oder das Verfahren fortgesetzt werden soll. Er bringt lediglich zum Ausdruck, daß die Klägerin - sollte sie mit einem Nichtbesuch der ersten Tagsatzung einverstanden sein, ihm dies mitteilen möge. Diese Formulierung läßt die Frage der Kostentragung völlig offen. Die Kosten könnten außergerichtlich verglichen oder im weiteren Verfahren bestimmt werden. Selbst für den Fall eines tatsächlichen Ruhenseintrittes wäre eine Kostenbestimmung in dem von der Klägerin fortzusetzenden Verfahren noch möglich. Die Klägerin hätte für den Fall der Annahme des angebotenen Vergleiches keineswegs auf Kosten verzichten müssen. Sie hätte daher durch Abschluß dieses Vergleiches alles erlangt, was sie ersiegen konnte. Der Beklagte hat demnach mit seinem - im Verfahren aufrecht erhaltenen - Vergleichsanbot die Vermutung der Wiederholungsgefahr entkräftet.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 und 52 Abs 1 ZPO.

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