OGH 14Os51/97

OGH14Os51/9722.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gunter K***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 27 E Vr 104/97 des Landesgerichtes Innsbruck, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß vom 4.März 1997 (ON 49) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und eines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 4.März 1997, GZ 27 E Vr 104/97-49 (S 97/II), mit welchem die bedingte Nachsicht eines Strafteiles von sechs Monaten aus dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 22.November 1993, GZ 27 Vr 145/92-58 a, widerrufen wurde, ist das Gesetz in dem sich aus den Anfechtungsvorschriften und den Bestimmungen des XX.Hauptstückes der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen verletzt worden.

Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem sogleich in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 22.November 1993, GZ 27 Vr 145/92-58a, wurde über Gunter K***** eine Freiheitsstrafe von neun Monaten verhängt, von der ihm gemäß § 43 a (Abs 3) StGB ein Teil von sechs Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Den nicht bedingt nachgesehenen Teil dieser Freiheitsstrafe verbüßte der Verurteilte unter Anrechnung der Vorhaft (11.Oktober 1993 bis 22. November 1993) im unmittelbaren Anschluß daran bis zum 11.Jänner 1994, an welchem Tage er auf freien Fuß gesetzt wurde (ON 65).

In der Folge beging Gunter K***** ab 1.Feber 1994 bis zu seiner neuerlichen Festnahme am 10.Jänner 1997 zahlreiche strafbare Handlungen, wofür er mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. März 1997, GZ 27 E Vr 104/97-49, rechtskräftig zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurde, die er seither verbüßt.

Schon zuvor, nämlich mit rechtskräftigem Beschluß vom 14.Jänner 1997 - zu einem Zeitpunkt also, zu dem infolge der vorerwähnten nicht einrechenbaren Zeiten behördlicher Anhaltung des Verurteilten die Probezeit noch nicht abgelaufen war, weil ihr zunächst zu errechnendes Ende (11.Jänner 1997) durch die neuerliche Haft ab 10. Jänner 1997 nicht zum Tragen kam (§ 49 StGB; Mayerhofer StPO4 E 15 zu § 6) - hatte das Landesgericht Innsbruck im früheren Verfahren gemäß § 497 Abs 1 StPO ausgesprochen, daß die bedingte Nachsicht des sechsmonatigen Strafteils endgültig geworden ist (GZ 27 Vr 146/92-76).

Obgleich diese Vorstrafakten (AZ 27 Vr 145/92 des Landesgerichtes Innsbruck) im Folgeverfahren (AZ 27 E Vr 104/97 des Landesgerichtes Innsbruck) zur Verfügung standen und in der Hauptverhandlung auch verlesen wurden (siehe dort S 1/II und S 6 des stenographischen Hauptverhandlungsprotokolls), faßte das Landesgericht Innsbruck am 4. März 1997 anläßlich der neuerlichen Verurteilung des Gunter K***** gemäß § 494 a (Abs 1 Z 4) StPO den Beschluß, die mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 22.November 1993 gewährte bedingte Teilstrafnachsicht zu widerrufen (S 97/II).

Dieser Widerrufsbeschluß steht - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht - mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil ihm die materielle Rechtskraft des - wenngleich verfrühten und demnach seinerseits gesetzwidrigen, nichtsdestoweniger aber rechtswirksamen - Beschlusses des Landesgerichtes Innsbruck vom 14.Jänner 1997 auf endgültige Strafnachsicht entgegenstand.

Der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 4.März 1997 konnte weder die schon vorher wirksam beschlossene endgültige Strafnachsicht beseitigen noch sonst für den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Die konstitutive Wirkung des Beschlusses des Landesgerichtes Innsbruck vom 14.Jänner 1997 blieb vielmehr davon unberührt (vgl EvBl 1989/64 = JBl 1989, 400 aE uva). Der rechtswidrige und den Verurteilten belastende Widerrufsbeschluß war daher zu kassieren (§ 292 letzter Satz StPO).

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