OGH 7Ob2113/96b

OGH7Ob2113/96b16.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Richard Köhler und Dr.Anton Draskovits, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Karl H*****, vertreten durch Dr.Kurt Schneider und Dr.Rudolf Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 618.292,-- sA (Revisionsinteresse S 378.392,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 15.Jänner 1996, GZ 14 R 104/95-45, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30.Jänner 1995, GZ 15 Cg 160/93x-39, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.785,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.797,50 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde Ende 1985 als Tochtergesellschaft der A. & D. J***** GmbH gegründet. Beide Gesellschaften nahmen ihre Tätigkeit am 1.1.1986 auf, wobei der Klägerin in dieser Holding die Rolle der Arbeitsgesellschaft zukam. Alleiniger Gesellschafter der Muttergesellschaft ist Anton J*****, der auch zum Geschäftsführer beider Gesellschaften bestellt wurde.

Zu dieser Gesellschaftsgründung war es nach Beratungen Anton J*****s durch den Beklagten über die Steuervorteile des § 22 Abs 2 KStG 1966 gekommen, welche es ermöglichen, die Steuerleistungen auf die Hälfte zu reduzieren. Der Beklagte erklärte dabei, daß dieser Steuervorteil schon im ersten Geschäftsjahr genützt werden könne, ob das in den folgenden Jahren noch möglich sei, könne nicht gesagt werden. Die Jahresbilanz für das erste Steuerjahr der Arbeitsgesellschaft müsse bereits im folgenden Kalenderjahr und nicht erst - nach den handelsrechtlichen Vorschriften - binnen 5 Monaten nach dem folgenden Kalenderjahr erstellt werden. In der Folge wurden dem Beklagten Steuervollmachten für die neugegründeten Gesellschaften und für das Einzelunternehmen Anton J*****s erteilt, welche am 1.6.1988 wieder gekündigt wurden.

Gemäß § 22 Abs 1 KStG 1966 in der in den Jahren 1986 und 1987 geltenden Fassung betrug der Steuersatz für Kapitalgesellschaften 55 %. Er ermäßigte sich gemäß § 22 Abs 2 KStG 1966 auf die Hälfte, soweit unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften offene Ausschüttungen auf Gesellschaftsanteile mit einem den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß vornahmen. Schüttete eine Kapitalgesellschaft ihren Gewinn offen aus, führte das zu einem sogenannten Spaltsatz von 38 %, weil die Körperschaftssteuer selbst eine nicht abzugsfähige Betriebsausgabe ist, weshalb sich der körperschaftssteuerpflichtige Gewinn gegenüber dem handelsrechtlichen Gewinn um die zu zahlende Körperschaftssteuer erhöht. Der für die Ausschüttung zur Verfügung stehende Gewinn wird damit geringer als der körperschaftssteuerpflichtige Gewinn. Der Differenzbetrag wurde als einbehaltener Gewinn betrachtet und unterlag dem normalen Steuertarif. Zur Vermeidung der Differenz zwischen Halbsatz und Spaltsatz ("Schatteneffekt") wurde von Kapitalgesellschaften, die durch Beteiligungen miteinander verbunden sind, das "Schütt aus"-Hol zurück" Verfahren angewandt. Dabei schüttet die Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft offen Gewinne aus, die gemäß § 22 Abs 2 KStG 1966 mit dem halben Steuersatz versteuert werden. Im Gegenzug gewährt die Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft einen Gesellschafterzuschuß, der handelsrechtlich als Ertrag gewertet wird, steuerrechtlich aber den Gewinn verkürzt. Schüttet die Tochtergesellschaft den gesamten steuerpflichtigen Gewinn aus, dann wurde die gesamte Ausschüttung nur mit dem Halbsatz versteuert.

Liegen der Zuschußgewährung nur steuerliche Motive zugrunde, kann ein Mißbrauchstatbestand im Sinne der einschlägigen Bestimmungen der Bundesabgabenordnung vorliegen. Daher ist es wünschenswert, daß der Zuschuß während des laufenden Geschäftsjahres an die Tochtergesellschaft gewährt wird. Die steuerliche Wirksamkeit erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres rückwirkend gewährter Gesellschafterzuschüsse (nachvalutarische Zuschüsse) ist umstritten. Sie würden von den Abgabenbehörden nur anerkannt, wenn eine ausreichende wirtschaftliche Motivation die rückwirkende Beschlußfassung sinnvoll erscheinen ließ. Das BMfF erkannte mit Erlaß vom 10.10.1984 unter diesen Umständen nachvalutarische Zuschüsse zwar grundsätzlich an. Die wirtschaftliche Begründung für diese Vorgangsweise würden die Abgabenbehörden jedoch in jedem Fall prüfen müssen. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über die Zulässigkeit nachvalutarischer Gesellschafterzuschüsse bestand damals nicht.

Zur Verwirklichung der Steuervorteile für das Geschäftsjahr 1986 sah es der Beklagte - nach der durchaus geübten Praxis - als notwendig an, die Bilanz der Klägerin für 1986 noch 1987 fertig zu stellen, um der Muttergesellschaft noch in diesem Jahr die Möglichkeit zu eröffnen, einen Gesellschafterzuschuß an die Tochtergesellschaft für 1987 in der Höhe des Gewinns der Klägerin im Jahr 1986 beschließen zu können. Er urgierte daher fehlende Unterlagen bei Anton J*****, die ihm jedoch erst im Jahr 1988 ausgehändigt wurden. Den Vorschlag, noch vor Fertigstellung der Bilanz 1987 am Beginn des Jahres 1988 einen nachvalutarischen Gesellschafterzuschluß für 1987 zu beschließen, lehnte Anton J***** ab, nachdem er sich bei anderen Wirtschaftstreuhändern erkundigt hatte, ob die Angaben des Beklagten über die Zulässigkeit solcher nachvalutarischer Zuschüsse stichhältig sind. Die Gewährung eines Gesellschafterzuschusses ist zwar grundsätzlich davon unabhängig, ob der Geschäftsabschluß der Tochtergesellschaft für das vorangegangene Wirtschaftsjahr bereits abgeschlossen ist. Die - zur Vermeidung des Schatteneffekts notwendige - Höhe des Zuschusses in der Höhe des Gewinns der Tochtergesellschaft aus dem Vorjahr muß dann geschätzt werden. Zu einem solchen Vorgehen hatte der Beklagte Anton J***** nicht geraten, weil geplant war, die Bilanz der Klägerin für das Jahr 1986 noch im Jahr 1987 zu erstellen. In der Praxis wird der Gesellschafterzuschuß von der Muttergesellschaft regelmäßig erst dann beschlossen, wenn die Bilanz der Tochtergesellschaft und damit der erforderliche Zuschußbetrag der Höhe nach feststeht.

Für den Jahresabschluß der Klägerin für das Jahr 1986 fehlten ein Beleg über ein Sparbuch und Fahrtenbücher. Da das Sparbuch dem Geschäftsführer der Klägerin gestohlen worden war, war ein Kraftloserklärungsverfahren anhängig. In der Buchhaltung der Klägerin befand sich zwar ein Hinweis, daß die Einlage dieses Sparbuchs auf ein anderes Sparbuch übertragen worden war, es fehlte aber die Information über die Höhe der Zinsen und der Kapitalertragssteuer für das Jahr 1986. Dafür wäre ein Beleg erforderlich gewesen, wobei auch eine Bankauskunft genügt hätte. Die Fahrtenbücher stammten vom Einzelunternehmen Anton J*****s, dessen Fuhrpark auch von der Klägerin herangezogen wurde. Zur Vermeidung eines Abzugs für Privatfahrten, die nach Auskunft Anton J*****s nicht stattgefunden hätten, wären die Fahrtenbücher auch für die Bilanz der Klägerin notwendig gewesen. Der Geschäftsführer der Klägerin vertröstete den Beklagten mit der Vorlage dieser Unterlagen immer wieder, obwohl der Beklagte diese Unterlagen schon ab August 1987 immer wieder unter Hinweis auf deren Notwendigkeit für die zeitgerechte Erstellung der Bilanz der Klägerin verlangt hatte. Der Beklagte unterließ selbst einen Urlaub zum Jahresende, weil er hoffte, diese Unterlagen für die Bilanzerstellung noch vor Jahresende zu bekommen und die Bilanz fertigstellen zu können. Andererseits urgierte auch Anton J***** die Fertigstellung der Jahresabschlüsse beider Gesellschaften vor dem Jahresende 1987.

Die Bankbestätigung über die Erträge des Sparbuches erhielt der Beklagte erst im Februar 1988, die Fahrtenbücher kurz danach. Wegen des fehlenden Belegs über den Ertrag des Sparbuchs konnte der Beklagte die Bilanz nicht früher fertigstellen. Die Bilanz wäre aber trotz der fehlenden Fahrtenbücher fertigzustellen gewesen, weil der Reisekostenaufwand - sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich in zulässiger Weise - auch geschätzt und als Rückstellung gebucht hätte werden können.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten (nach Einschränkung des Klagebegehrens AS 163) die Zahlung von S 618.292,-- samt 12 % Zinsen aus S 378.392,-- vom 29.3.1990 bis 6.5.1992 und aus S 618.292,- ab 7.3.1992 als Ersatz für die entgangene Steuerersparnis von S 378.392,-- und für die zusätzliche Steuer von S 239.900,--, die bei Zahlung des Betrages von S 378.392,-- anfallen werde. Der Beklagte habe die Bilanz der Klägerin für das Geschäftsjahr 1986 trotz Vorliegens aller notwendigen Unterlagen zur Ermittlung der besprochenen Steuervorteile nach dem "Schütt aus-Hol zurück"-Prinzip nicht rechtzeitig erstellt. Dadurch habe er der Klägerin den Entgang des zugesagten Steuervorteils schuldhaft verursacht. Die vom Beklagten als fehlend monierten Fahrtenbücher hätten sein Einzelunternehmen betroffen und seien für die Erstellung der Bilanz der Klägerin nicht erforderlich gewesen. Sparbücher der Klägerin seien noch rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden. Der vom Beklagten als Ausweg vorgeschlagene nachvalutarische Gesellschafterzuschuß wäre von den Finanzbehörden nicht anerkannt worden.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Wichtigste Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung des "Schütt aus-Hol zurück"-Prinzips sei die Fassung eines den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gesellschafterbeschlusses auf Gewinnausschüttung bei der Tochtergesellschaft und auf Gewährung eines Gesellschafterzuschusses bei der Muttergesellschaft. Der Beklagte habe Anton J***** ausreichend darüber belehrt, daß er als Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften verpflichtet sei, die Jahresabschlüsse für das abgelaufene Geschäftsjahr in den ersten fünf Monaten des folgenden Geschäftsjahres aufzustellen. Er habe die Jahresabschlüsse beider Gesellschaften für das Jahr 1986 bereits im Herbst 1987 weitestgehend fertiggestellt gehabt. Die für die Fertigstellung notwendigen Unterlagen habe er bei Anton J***** mehrmals urgiert, aber erst verspätet im Jahr 1988 erhalten. Da die Bilanzen somit nicht rechtzeitig erstellt worden seien, habe er dem Beklagten einen nachvalutarischen Gesellschafterzuschuß vorgeschlagen. Obwohl das eine steuerrechtlich durchaus anerkannte Methode sei, habe Anton J***** diesen Vorschlag abgelehnt. Die Klägerin habe sich den Schaden daher durch eigenes Fehlverhalten zugefügt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte habe dem Geschäftsführer der Klägerin die erforderlichen Aufklärungen zur Erlangung der Steuervorteile nach dem "Schütt aus-Hol zurück-Prinzip" erteilt. Daher habe er nicht damit rechnen müssen, daß ihm die erforderlichen und besonders bezeichneten Unterlagen nicht rechtzeitig übermittelt würden. Es sei auch nicht geboten gewesen, nur mit Schätzungen zu arbeiten; die Unterlassung einer solchen Schätzung sei bei den vorliegenden Umständen daher kein Kunstfehler. Die verspätete Erstellung der Bilanzen für das Jahr 1986 sei dem Beklagten nicht als Fehlverhalten anzulasten. Überdies sei die Klägerin nicht der ihr obliegenden Rettungspflicht nachgekommen, weil sie den vom Beklagten vorgeschlagenen - durchaus vertretbaren - Ausweg eines nachvalutarischen Gesellschafterzuschusses nicht begangen habe.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts teilweise dahin ab, daß es der Klägerin den Ersatz von S 378.392,-- samt 4 % Zinsen seit 29.3.1990 zusprach, die Abweisung des Mehrbegehrens von S 239.900,-- und des Zinsenmehrbegehrens jedoch bestätigte. Weiters sprach es aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Aufgabe des Beklagten als Steuerberater der Klägerin wäre es gewesen, für die rechtzeitige Beschlußfassung eines Zuschusses durch die Muttergesellschaft an die Tochergesellschaft zu sorgen. Dafür hätte eine bloße Gewinnschätzung, die nicht erst am Jahresende erfolgen hätte müssen, zur annähernden Errechnung des benötigten Betrags genügt. Aus der Angabe des Beklagten, daß es seine Aufgabe gewesen sei, für eine gleichmäßige Gewinnentwicklung der Einzelfirma Anton J*****s und der Klägerin zu sorgen und diese monatlich festzustellen, ergebe sich, daß der Beklagte die für eine annähernde Gewinnschätzung notwendiger Zahlen zur Verfügung gehabt habe, um die für die vollständige Geltendmachung des ermäßigten Steuersatzes notwendige Höhe des Zuschusses zu ermitteln. In der Unterlassung dieses Vorgehens liege das Verschulden des Beklagten. Unklar sei auch, aus welchem Grund die Bilanz 1986 im Jahr 1987 hätte fertiggestellt werden sollen, weil der Zuschußbedarf für 1987 zur Ermittlung der vollen Steuerbegünstigung nicht vom Gewinn des Jahres 1986 abhängig gewesen sei. Der auf die Unterlassung des nachvalutarischen Zuschusses gegründete Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht sei nicht zielführend, weil dieser Zuschuß nicht von der Klägerin, sondern von deren Muttergesellschaft, somit von einem Dritten, gewährt hätte werden müssen. Ein allfälliger Beitrag eines Dritten zur "Schadensentstehung" könne vom Schädiger dem Geschädigten gegenüber nicht geltend gemacht werden. Darüber hinaus stehe aber auch nicht fest, daß die Gewährung eines solchen Zuschusses den Schaden tatsächlich abgewendet hätte. Daher hafte der Beklagte der Klägerin für den entgangenen Steuervorteil.

Die für die Begleichung des Schadenersatzbetrages in Zukunft entstehende Steuerbelastung werde erst mit Abgabe der Steuererklärung der Klägerin für das Jahr, in dem der Schadenersatzbetrag geleistet werde, fällig. Überdies sei derzeit noch nicht absehbar, welche steuerlichen Vorschriften dann anzuwenden sein würden. Auch stehe noch nicht fest, ob die Klägerin dann überhaupt einen Gewinn erzielen und Körperschaftssteuer zu zahlen haben werde.

Die dagegen vom Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor. Das Berufungsgericht ist zwar bei der Wiedergabe der erstgerichtlichen Feststellungen über die Frage, ob die Bilanz der Klägerin für das Jahr 1986 auch ohne die erst 1988 beigebrachten Belege bereits im Jahr 1987 erstellt hätte werden können, von den Feststellungen des Erstgerichts insoweit abgewichen, als es anführte, daß für die Sparbuchzinsen eine Rechnungsabgrenzung gemacht hätte werden können. Dagegen stellte das Erstgericht fest, daß der Beklagte diese Bilanz im Jahr 1987 wegen des fehlenden Belegs über das Sparguthaben nicht hätte fertigstellen können. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht auf der Grundlage einer von ihm - ohne Durchführung eines eigenen Beweisverfahrens - abgeänderten Feststellung entschieden, weil es dem Beklagten nicht vorgeworfen hat, die Bilanz 1986 nicht rechtzeitig fertiggestellt zu haben. Sein Schuldvorwurf lautet vielmehr dahin, daß der Beklagte anhand der ihm bekannten Unterlagen den notwendigen Gesellschafterzuschuß bereits im Jahr 1987 - auch ohne Vorliegen der Bilanz der Klägerin für das Jahr 1986 - einschätzen hätte können. Die Mängelrüge betrifft daher keine für die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts relevante Feststellung. Von der weiteren Feststellung aber, daß in der Praxis Gesellschafterzuschüsse der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft im Rahmen eines Vorgehens nach dem "Schütt aus-Hol zurück"-Prinzips durch die Muttergesellschaft erst nach Vorliegen der Bilanz der Tochtergesellschaft für das vorangegangene Wirtschaftsjahr beschlossen werden, wenn also der Gewinn der Tochtergesellschaft für das vorangegangene Wirtschaftsjahr bereits feststeht, ist das Berufungsgericht nicht abgegangen. Welcher Einfluß diese Feststellung auf die Entscheidung hat, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung.

Die Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders mit seinen besonderen Kenntnissen ist der eines Sachverständigen im Sinne des § 1299 ABGB gleichzusetzen. Sachverständiger ist jeder, der eine Tätigkeit ausübt, die besondere Fähigkeiten erfordert. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des sachverständigen Beraters dürfen zwar nicht überspannt werden. Es können von ihm nur der Fleiß und die Kenntnisse verlangt werden, die seine Fachgenossen gewöhnlich haben. Der Sachverständige hat aber für den Mangel des besonderen Fleißes und der besonderen Kenntnisse, die für die übernommenen Tätigkeiten erforderlich sind, einzustehen (HS XIV/XV/7; vgl auch SZ 43/236; Koziol/Welser10 I 478 f). Bei abrechnungstechnischen Dienstleistungen, die gesetzlichen Vorschriften unterliegen, hat der Wirtschaftstreuhänder ua auch die handels- und steuerrechtlichen Vorschriften einzuhalten, die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchhaltung und Bilanzierung zu beachten, die Klienten über ihre gesetzlichen Verpflichtungen (Aufzeichnungspflichten) zu belehren, bei Unklarheiten, Mängeln und Unzukömmlichkeiten in den Unterlagen den Klienten zu benachrichtigen sowie den Klienten zu benachrichtigen, wenn ihm steuerliche und andere Nachteile drohen, sofern dies aus den übergebenen Unterlagen erkennbar ist (Mandl/Kleiner, Die Berufsgrundsätze der Wirtschaftshänder in Bertl/G.Mandl/J.Mandl, Handbuch für Wirtschaftstreuhänder 25 ff [30]).

Der Beklagte hat, obwohl die Gewährung eines Gesellschafterzuschusses durch die Muttergesellschaft nicht davon abhängt, daß der Geschäftsabschluß der Tochtergesellschaft für das vorangegangene Wirtschaftsjahr bereits fertiggestellt ist, sondern der Zuschuß auch aufgrund einer (vorläufigen) Gewinnschätzung beschlossen werden kann, es nicht für notwendig erachtet, dem Geschäftsführer der Klägerin, der auch der Geschäftsführer der Muttergesellschaft ist, eine solche Beschlußfassung nahezulegen, nur weil er hoffte, daß die Bilanz der Klägerin für das Geschäftsjahr 1986 noch im Jahr 1987 aufgestellt werden kann. Spätestens Anfang Dezember 1987 mußte ihm aber klar gewesen sein, daß die Bilanz der Klägerin unter Umständen nicht mehr in diesem Kalenderjahr fertiggestellt werden kann, wenn der Geschäftsführer der Klägerin - wie bisher - die erforderlichen Unterlagen trotz seiner Urgenzen nicht beibringen werde. Wenn auch von Wirtschaftstreuhändern bei der Ausnützung der Steuerersparnis aufgrund des "Schütt aus-Hol zurück"-Prinzips die Praxis geübt wurde, zuerst die Bilanz der Tochtergesellschaft im nächstfolgenden Geschäftsjahr zu erstellen, um erst dann, aber noch in diesem Jahr die Beschlußfassung über den erforderlichen Gesellschafterzuschuß in der Höhe des Gewinns der Tochtergesellschaft im vorangegangenen Wirtschaftsjahr zu ermöglichen, hätte der Beklagte erkennen können, daß er die für die Erreichung der Steuerersparnis optimale Zeitenabfolge, die keinen Verdacht auf Vorliegen eines Mißbrauchstatbestands erregt hätte, nicht werde einhalten können, wenn die Bilanz nicht rechtzeitig fertigzustellen ist. Unter diesen Umständen aber hätte er den Geschäftsführer der Klägerin nicht nur auf den Verlust der erhofften Steuerersparnis, sondern auch auf die Möglichkeit hinweisen müssen, den Gesellschafterzuschuß in der Höhe des geschätzten Gewinns der Klägerin für das Jahr 1986 noch im Jahr 1987 vor der Erstellung der Bilanz der Klägerin für das Geschäftsjahr 1986 zu beschließen. Dieser Weg hätte die erhoffte Steuersparnis gesichert. Der erst im Jahr 1988 erstattete Vorschlag des Beklagten, den Gesellschafterzuschuß nachträglich für das Jahr 1987 zu beschließen, wäre ohne Bekanntgabe wirtschaftlicher Gründe nicht erfolgreich gewesen. Daß der Beklagte den Geschäftsführer der Klägerin nicht rechtzeitig im Jahr 1987 auf die Möglichkeit hingewiesen hat, den Gesellschafterzuschuß in der Muttergesellschaft in der Höhe des geschätzten Gewinns der Klägerin für das Jahr 1986 zu beschließen, ist nach den dargelegten Grundsätzen als Sorgfaltsverstoß zu werten. Der Beklagte kann sich dann nicht mehr auf eine von seinen Standesgenossen geübte Praxis berufen, wenn ihm klar geworden sein mußte, daß die Einhaltung dieser Praxis zu einem Verlust der angestrebten Steuerersparnis führen kann, ein anderer Weg aber offensteht. Ob der Beklagte die Bilanz der Klägerin für das Geschäftsjahr 1986 trotz Fehlens der Unterlagen noch im Jahr 1987 erstellen hätte können, ist für die rechtliche Beurteilung daher ohne Belang.

Auch der Einwand des Beklagten, die Klägerin habe sich den Schaden selbst zugefügt, weil sie es trotz des ihr erteilten Rates unterlassen habe, im Jahr 1988 für einen nachvalutarischen Gesellschafterzuschuß zu sorgen, ist nicht stichhältig. Abgesehen davon, daß dieser Beschluß durch die Muttergesellschaft der Klägerin gefaßt hätte werden können, worauf der einzige Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin, der dieselbe Stellung auch bei der Muttergesellschaft innehat, zwar unschwer hätte Einfluß nehmen können, hätten sich die Klägerin und deren Muttergesellschaft dadurch einer Verfolgung durch die Finanzbehörden wegen Mißbrauchs steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten aussetzen können. Grundsätzlich wirken Vereinbarungen oder Handlungen abgabenrechtlich nicht zurück. Mit Erlaß vom 10.10.1984, AÖF 1984/236 hat zwar das BMfF die Maßnahme des "Schütt aus-Hol zurück"-Prinzips grundsätzlich anerkannt, wenn dafür eine rückwirkend beschlossene Einlage verwendet wurde. In einem solchen Fall hätte jedoch die Abgabenbehörde die wirtschaftliche Begründung für diese Vorgangsweise prüfen müssen. Eine solche wirtschaftliche Begründung hat der Beklagte dem Geschäftsführer der Klägerin aber nicht nennen können. Offensichtlich lag auch keine vor, wenn das Ziel der besprochenen Maßnahmen bloß war, Steuervorteile zu erlangen. Ohne eine solche wirtschaftliche Begründung war der Ratschlag des Beklagten demnach aussichtslos. Daß ein dem Ratschlag des Beklagten entsprechendes Handeln den Schaden hätte vermieden hätte, kann daher nicht angenommen werden. Damit ist aber auch kein Verstoß der Klägerin gegen die sie treffende Schadensminderungspflicht anzunehmen. Die Unterlassung einer Maßnahme, die - hier mangels Vorliegens einer wirtschaftlichen Begründung - als aussichtslos zu beurteilen war und die die Klägerin und deren Muttergesellschaft der Untersuchung durch die Steuerbehörden auf einen Mißbrauchstatbestand ausgesetzt hätte, kann nicht als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten gewertet werden.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte