OGH 13Os38/97

OGH13Os38/9716.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Marte als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Arnold P***** und Ing.Petra P***** wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und 15 StGB und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 9. September 1996, GZ 38 Vr 2608/96-104, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek und des Verteidigers Dr.Pohle, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Freisprüchen, I.1. und 2. (Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und 15 StGB) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Unangefochten wurden der Angeklagte Arnold P***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 (§ 161 Abs 1) StGB und der Vergehen der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1 und Z 2, 161 Abs 1 StGB sowie die Angeklagte Ing.Petra P***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 2, 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie in Volders und an anderen Orten

I. als leitende Angestellte einer juristischen Person, nämlich der Firma A***** GesmbH, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, und zwar

1. Arnold P***** als Geschäftsführer in der Zeit vom 24.Oktober 1984 bis zum 31.Mai 1989 fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit dieser Firma herbeigeführt, insbesondere dadurch, daß er das Unternehmen ohne ausreichendes Eigenkapital gründete, die Geschäfte ohne hinreichende kaufmännische Vorbildung führte, leichtsinnig und unverhältnismäßig Kredit benützte und keine bzw unrichtige Rentabilitäts-Kalkulationen anstellte;

2. Arnold P***** als Geschäftsführer und Ing.Petra P***** als Prokuristin in der Zeit ab 1.Juni 1989 bis zum 19.August 1992 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit dieser Firma die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt bzw geschmälert, insbesondere dadurch, daß im Zuge der Betriebsfortführung neue Schulden eingegangen wurden, Schulden, auch alte, bezahlt wurden und Arnold P***** nicht rechtzeitig die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragte;

II. Arnold P***** dadurch, daß er als Geschäftsführer der Firma A***** GesmbH, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, in der Zeit vom 24.Jänner bis zum 10.August 1992 einen Betrag von 623.688,38 S bar aus der Firmenkasse entnahm, einen Bestandteil des Vermögens dieser Firma beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger dieser Firma oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert.

Neben unbekämpft gebliebenen Freisprüchen wurden Arnold und Ing.Petra P***** auch von der wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und 15 StGB erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Ihnen wurde angelastet

I. im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Berechtigte nachangeführter Leasinggesellschaften durch Vorlage eines Schätzungsgutachtens über eine Produktionsanlage für Bewässerungsrohre mit der Patentnummer A384146 des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dipl.Ing.Dieter M*****, aus dem sich nicht ergibt, daß die gegenständliche Anlage noch nicht gebaut ist, verbunden mit der Behauptung, daß die Firma A***** GesmbH tatsächlich im Besitz dieser Produktionsanlage sei, sohin durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung eines falschen Beweismittels zu nachfolgenden Handlungen verleitet, bzw zu verleiten versucht zu haben, welche nachangeführte Gesellschaften an ihrem Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, wobei der Schade 500.000 S überstieg, und zwar:

1. am 26.September 1991 Berechtigte der Firma H***** GesmbH zum Abschluß eines Kaufvertrages über die nicht existente Produktionsanlage und zur Bezahlung eines Kaufpreises von 6 Mio S verleitet;

2. im Sommer 1991 Berechtigte der Firma Al***** GesmbH zum Ankauf der nicht existenten Produktionsanlage und zur Bezahlung eines Kaufpreises von 6 Mio S zu verleiten versucht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Freispruch richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.

Den beiden Angeklagten war diesbezüglich in der Anklageschrift der im obigen Urteilsspruch dargestellte Sachverhalt vorgeworfen worden.

Den wesentlichen Urteilsannahmen zufolge versuchte der Angeklagte Arnold P***** den im Sommer 1991 unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch der von ihm verantwortlich geführten A***** GesmbH durch Kapitalzufluß im Wege eines sogenannten "sale and lease back"-Geschäftes zu verhindern. Dieses Finanzierungsmodell besteht im förmlichen Verkauf von Anlagegut an ein Leasingunternehmen gegen Barzahlung des Kaufpreises bei gleichzeitiger Einräumung des weiteren Benützungsrechtes des Verkäufers gegen monatliche Entgeltzahlung. Im Zuge der Vertragsgespräche mit den genannten Leasingunternehmen erweckte der Angeklagte bei seinen Verhandlungspartnern unter Verwendung eines irreführenden Sachverständigengutachtens nach Überzeugung der Tatrichter bewußt den tatsachenwidrigen Anschein, über eine funktionstaugliche Produktionsanlage zur Herstellung von Bewässerungsrohren im Neuwert von 9,5 Mio S zu verfügen. Tatsächlich besaß die A***** lediglich zur Herstellung einer Fabrikationsstätte für Baurohre geeignete Einzelaggregate, die als Teil einer Gesamtanlage zur Herstellung von Bewässerungsrohren nur den weitaus geringeren Wert von etwa 2,9 Mio S besaßen. Nachdem Verhandlungen mit der Al***** GesmbH ergebnislos verlaufen waren, kam es mit der H***** GesmbH zum Vertragsabschluß, welche die (in der vom Angeklagten Arnold P***** zugesicherten Beschaffenheit nicht existente und in der Folge auch nicht errichtete) Anlage zum Preis von 6 Mio S kaufte. Die A***** konnte trotz der Kapitalzufuhr ihrer Zahlungsverpflichtung nur kurze Zeit nachkommen; die unberichtigten Ansprüche des Leasingunternehmens wurden im Konkursverfahren mit 4,4 Mio S festgestellt.

Ungeachtet der als erwiesen angenommenen vorsätzlichen Täuschung und der hiedurch bewirkten bzw angestrebten vorsätzlichen unrechtmäßigen Bereicherung (siehe insbesondere US 20, 21) verneinten die Tatrichter den (zur Tatbestandsverwirklichung des Betruges essentiellen) Schädigungsvorsatz des Angeklagten Arnold P*****, wobei für sie unter anderem maßgebend war, daß das vorliegende Finanzierungsgeschäft durch eine von der A***** beigebrachte Bankgarantie in Höhe von 1,5 Mio S besichert war. Dem Angeklagten wurde zugebilligt, eine ausreichende Besicherung der Investitionssumme angenommen und gehofft zu haben, den vertraglichen Verpflichtungen letztendlich nachkommen zu können (US 34 ff).

Das für die Verneinung des Schädigungsvorsatzes (mit-)bestimmende Argument der "Beibringung" einer Bankgarantie über 1,5 Mio S ist, wie die Anklagebehörde zu Recht unter dem Gesichtspunkt der unzureichenden Begründung (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) geltend macht, nicht stichhältig. Den Entscheidungsgründen ist in diesem Zusammenhang nämlich zu entnehmen, daß die als Garant auftretende R*****kasse W***** den Betrag von 1,5 Mio S sogleich nach Überweisung des Kaufpreises von 6 Mio S im Hinblick auf ihre Garantieerklärung zurückbehalten und somit von dem an die A***** weitergeleiteten Betrag abgezogen hat (US 19). In dieser Erklärung war die Gültigkeit der Bankgarantie bis zum Höchstbetrag von 1,5 Mio S ausdrücklich vom Eingang des in Rede stehenden Kaufpreises abhängig gemacht worden (siehe Beilage 4 zu ON 18). Wirtschaftlich gesehen betraf diese Garantieerklärung somit einen von der Firma H***** GesmbH zur Verfügung gestellten Geldbetrag, die sich durch diese mit der R*****kasse W***** getroffene Vereinbarung die Rückführung zumindest eines Teiles des von ihr investierten Kapitals sichergestellt hat. Von einer "Beibringung" dieser Garantie seitens der A***** kann keine Rede sein, weshalb der aus dieser Prämisse abgeleiteten Schlußfolgerung des Erstgerichtes auf den fehlenden Schädigungsvorsatz der Boden entzogen ist.

Berechtigt ist ferner der Vorwurf der Mängelrüge, das Erstgericht habe Beweisergebnisse unerörtert gelassen, deren Beachtung eine andere Lösung der den Angeklagten Arnold P***** betreffenden Schuldfrage möglich erscheinen läßt. Der Zeuge Walter H*****, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit genaue Kenntnis von den Vorgängen bei der A***** hatte, gab nämlich - in diesem Punkt im wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Angeklagten (S 195/II) - an, daß die fragliche Produktionsstätte für Bewässerungsrohre mit relativ geringem finanziellen Aufwand in kurzer Zeit hätte fertiggestellt werden können (S 215 F/II iVm ON 46). Die dessen ungeachtet unterlassene Fertigstellung bedingt durchaus die Möglichkeit, daß der Angeklagte Arnold P***** den zugesicherten Betrieb von vorneherein nicht ins Auge gefaßt hat, was wiederum als erörterungsbedürftiges Indiz für einen Schädigungsvorsatz zu werten ist.

Wenn der Angeklagte Arnold P***** in seiner Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde auf seine Verantwortung verweist, wonach zum fraglichen Zeitraum geeignete Räumlichkeiten für die Produktionsstätte für Bewässerungsrohre gefehlt und er die Anschaffung eines tauglichen Betriebsgebäudes bereits in die Wege geleitet habe, steht diese Darstellung im aufklärungsbedürftigen Widerspruch zur Aussage des Zeugen H*****, der eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen ist. Trifft die Behauptung des Angeklagten zu, daß die alsbaldige Inbetriebnahme gar nicht möglich war, wäre dies ein für die Prüfung des allfälligen Schädigungsvorsatzes jedenfalls nicht zu vernachlässigender Umstand.

In bezug auf die Angeklagte Petra P*****, die von ihrem Recht auf Aussageverweigerung (§ 203 StPO) während des gesamten Verfahrens Gebrauch gemacht hat, ergab das Beweisverfahren nach Ansicht des Schöffensenates "überhaupt keine Anhaltspunkte" für eine Beteiligung an den in Rede stehenden Täuschungshandlungen, weil "die Mitarbeiter der fraglichen Leasinggesellschaften übereinstimmend und glaubwürdig angegeben haben, die Gespräche (nur) mit dem Angeklagten Arnold P***** geführt zu haben" (US 36).

Auch dieser Ausspruch ist mangelhaft begründet (Z 5), weil damit nicht im Einklang stehende Beweisergebnisse unerörtert geblieben sind.

Der Aussage des Zeugen Johann S*****, der die Vertragsverhandlungen für die H***** GesmbH geführt hat, läßt sich entnehmen (S 211/II, S 59/III), daß der Angeklagte Arnold P***** zwar sein "Ansprechpartner", jedoch die Angeklagte Ing.Petra P***** "auch dabei" war. Ungeachtet dieser nur bei isolierter Betrachtung den Standpunkt des Erstgerichtes stützenden Passage läßt diese von den Tatrichtern nicht näher erörterte Aussage in ihrer Gesamtheit unmißverständlich ein Substrat erkennen, das eine Beteiligung der bei diesen Gesprächen anwesenden leitenden Angestellten der A***** Ing.Petra P***** zumindest in Form der intellektuellen Beihilfe indiziert. Unter diesem Aspekt hat das Erstgericht jegliche Prüfung verabsäumt.

Erörterungsbedürftig wäre auch die von der Anklagebehörde herangezogene, von den Tatrichtern jedoch unbeachtet gebliebene Aussage des Zeugen Heinrich H***** gewesen, der als Vertreter der Hausbank der Firma A***** wiederholt geschäftlichen Kontakt mit den beiden Angeklagten hatte und angab, daß bei den "Besprechungen" die Angeklagte Ing.Petra P***** seiner Meinung nach "wortführend dabei war" (S 217/II).

Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit der Urteilsbegründung macht die Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich.

Die in der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung zur Stellungnahme der - der Nichtigkeitsbeschwerde beitretenden - Generalprokuratur, weitwendig angestellten Überlegungen, wonach das gesamte Beweisverfahren (auch) eine mängelfreie Begründung des Freispruchs erlaubt hätte, müssen vorliegend unbeachtet bleiben. Denn bei Erledigung einer Mängelrüge ist auf das Urteil und dessen Entscheidungsgründe abzustellen und nicht auf (sonst) vorhandene Beweismittel, die in der angefochtenen Entscheidung unerörtert blieben. Begründet doch insbesondere auch das Übergehen von (vorhandenen) Beweismitteln bei Feststellung entscheidender Tatsachen, Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 ENr 57).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den von der Anfechtung betroffenen Freisprüchen aufzuheben und insoweit an das Erstgericht zur Verfahrenserneuerung zurückzuverweisen, welches im Falle eines Schuldspruches und einer danach zu verhängenden Strafe §§ 31, 40 (in bezug auf den vorliegenden Strafausspruch) StGB zu beachten haben wird.

Da die Teilaufhebung nur (einzelne) Freisprüche betraf, jedoch der Schuldspruch, auf welchem der Strafausspruch beruht, unberührt blieb, war über die Berufung der Staatsanwaltschaft meritorisch zu entscheiden (15 Os 127/96).

Das Schöffengericht verhängte über Arnold P***** nach § 156 Abs 2 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten, über Ing.Petra P***** nach § 159 Abs 1 StGB eine solche von vier Monaten; beide Strafen wurden gemäß § 43 Abs 1 StGB je unter Bestimmung von dreijährigen Probezeiten bedingt nachgesehen.

Dabei wertete das Schöffengericht als erschwerend bei beiden Angeklagten den hohen Schaden, bei Arnold P***** weiters das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie die Verwirklichung beider Deliktsfälle des § 159 StGB (richtig: eines Verbrechens mit zwei Vergehen). Als mildernd wurde berücksichtigt bei beiden Angeklagten deren ordentlicher Lebenwandel und das lange Wohlverhalten seit den Taten.

Die Berufung, mit der die Staatsanwaltschaft bei beiden Angeklagten die Erhöhung des Strafausmaßes anstrebt, ist nicht im Recht.

Es trifft zwar zu, daß der Erschwerungsgrund des langen Tatzeitraumes unberücksichtigt blieb, doch darf nicht übersehen werden, daß daraus der angelastete hohe Schaden resultiert. So gesehen hat das Schöffengericht im Ergebnis angemessene Strafen verhängt, die keiner Erhöhung bedürfen, sodaß der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.

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