OGH 7Ob2427/96d

OGH7Ob2427/96d2.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johann W*****,

2. Rosa W*****, beide vertreten durch Dr.Heinrich Nagl und Dr.Rudolf Ruisinger, Rechtsanwälte in Horn, wider die beklagte Partei Josef N*****, vertreten durch Dr.Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, wegen S 81.814,80 sA (Revisionsinteresse S 81.514,80), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 27.September 1996, GZ 2 R 1172/96g-52, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Horn vom 22.Dezember 1995, GZ 1 C 510/93i-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 6.695,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.115,84 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Eigentümer der EZ ***** KG G***** mit den Grundstücken Nr 119/2 (Garten) und 120/1 (Baufläche mit Schmiede samt Hof). Die Nachbarliegenschaft EZ ***** KG G***** mit den Grundstücken 119/1 (Garten) und 120/2 (Baufläche mit Wohnhaus samt Hof) steht im Eigentum des Beklagten. Auf dem Grundstück 120/1 der Kläger befindet sich ein Brunnen. Aus Anlaß eines Erbteilungsübereinkommens vom 15.1.1938 in dem Verlassenschaftsverfahren nach dem Alleineigentümer sämtlicher genannter Grundstücke vereinbarten die Parteien des Teilungsvertrages, daß der jeweilige Eigentümer des Grundstücks 120/2 allein das Recht des Wasserbezugs aus dem auf dem Grundstück 120/1 liegenden Brunnen haben soll; danach wurde auch eine entsprechende Dienstbarkeit einverleibt. Von den Eigentümern des dienenden Grundstücks, so auch den Klägern, wurde der Brunnen nie zum Wasserbezug benützt. Im Jahr 1956 wurde dem damaligen Eigentümer des dienenden Grundstücks die Errichtung eines "Wagenschuppens" über dem Brunnen bewilligt. Mit Bescheid vom 3.11.1992 erteilte die Baubehörde den Klägern die Bewilligung zur Umwidmung des Wagenschuppens in eine Pkw-Garage und Durchfahrt. Eine Berufung des Beklagten dagegen hatte keinen Erfolg. Die Kläger verwenden die Garage nicht zum Abstellen von Fahrzeugen, sondern nur zum Durchfahren.

Im Juni und Juli 1993 ließen die Kläger den Brunnenkranz samt Deckel sanieren und wendeten dafür S 81.814,80 auf. Dabei wurde ein neuer Deckel mit einer Belastbarkeit von 5.000 t eingebaut, der für das Befahren mit Kraftfahrzeugen geeignet ist. Wäre ein Deckel verwendet worden, der ebenfalls den Bestimmungen der Bauordnung entspricht, also verschließbar und flüssigkeitsdicht ist, aber nur eine Belastbarkeit von 1,5 oder 2,5 t gehabt hätte, wäre der Aufwand um S 300,-- geringer gewesen. Wäre der Brunnenrand nur seinem früheren Zustand (nur geschichtete, nicht wasserdicht verlegte Steine; Belastbarkeit des Deckels ca 500 kg) entsprechend saniert worden, hätten die Kosten S 10.902,-- betragen. Der Brunnen ist durch die Sanierungsmaßnahmen nunmehr bis zu einer Tiefe von 3 m dicht.

Zu diesen Sanierungsmaßnahmen war es gekommen, weil der Beklagte nach einem Gebrechen die Undichtheit des Brunnens wegen Bruches des Deckels der zuständigen Baubehörde bekanntgegeben hatte, welche den Klägern als Grundeigentümern sodann aufgetragen hatte, den Brunne zu sanieren, ohne daß der Umfang der Sanierung erörtert worden wäre. Die Wahrnehmungen der Behörde über die Benützung des Wagenschuppens führten auch zur Antragstellung der Kläger auf Umwidmung des über den Brunnen errichteten Gebäudes auf eine Garage und Durchfahrt.

Die Kläger begehren vom Beklagten die Zahlung von S 81.814,30 sA. Als ausschließlicher Wasserbenützungsberechtigter sei der Beklagte verpflichtet, die Kosten der Instandsetzung des Brunnens zu tragen. Um dem Auftrag der Baubehörde nachzukommen, sei die tatsächlich vorgenommene Sanierung erforderlich gewesen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Umfang der tatsächlich vorgenommenen Sanierungsarbeiten wäre nicht erforderlich gewesen, wenn der über dem Brunnen errichtete Raum weiterhin nur als Wagenschuppen benützt worden wäre. Der Auftrag zur Sanierung des Brunnens sei eine Folge der Umwidmung gewesen. Die Kläger hätten die damit verbundenen Mehrkosten daher durch diese Widmungsänderung verursacht und könnten keinen Ersatz begehren.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, den Klägern S 81.514,80 zu zahlen; das auf Zahlung weiterer S 300,-- gerichtete Mehrbegehren wies es hingegen ab.

Der Schachtbrunnen habe den geltenden Bauvorschriften in mehrfacher Weise nicht entsprochen. Er sei wegen bloß geschichteten Mauerwerks und des einfachen, lose aufliegenden, zweiteiligen Brunnendeckels nicht flüssigkeitsdicht gewesen. Brunnen müßten jedoch bis in eine Tiefe von 3 m flüssigkeitsdicht sein. Wohl blieben gemäß § 121 nöBauO Bewilligungen, die am 31.12.1969 bestanden hätten, bestehen und seien bewilligte Bauwerke durch das Gesetz (insb § 57 Abs 2 nöBauO) unberührt. Liege aber ein qualifiziertes Baugebrechen im Sinne des § 112 Abs 1 nöBauO vor, würden also durch einen bestehenden Zustand die Standfestigkeit eines Gebäudes oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt, dann sei die Behebung dieses Gebrechens nach der derzeit gültigen Bauordnung vorzunehmen. Da der Brunnendeckel gebrochen gewesen sei, habe die Gefahr bestanden, daß die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt werde. Die Kläger seien daher verpflichtet gewesen, den Brunnen der derzeitigen Bauordnung entsprechend zu sanieren. Ungeachtet des Umstands, daß die Baubehörde keinen (ausdrücklichen) Auftrag erteilt habe, die Sanierung im Sinne des § 57 Abs 2 nöBauO vorzunehmen, seien die Kläger als Eigentümer des Bauwerks auch ohne behördlichen Auftrag zu einer entsprechenden Sanierung verpflichtet gewesen. Gemäß § 483 ABGB habe der Servitutsberechtigte den notwendigen Aufwand zur Erhaltung und Herstellung der Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist, zu tragen. Der Beklagte habe als alleiniger Wasserbenützungsberechtigter den notwendigen Aufwand daher allein zu tragen. Ob das Brunnenwasser nach der Sanierung noch Trinkwasserqualität habe, sei unerheblich, weil die Wasserqualität auf die Notwendigkeit der Brunnensanierung keinen Einfluß habe. Nicht berechtigt sei jedoch der durch die höhere Belastbarkeit des neuen Deckels verursachte Mehraufwand von S 300,--.

Das Berufungsgericht bestätigte das - nur im stattgebenden Teil angefochtene - Urteil des Erstgerichts und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Die Instandhaltung der dienstbaren Sache obliege gemäß §§ 482, 483 ABGB dem Dienstbarkeitsberechtigten. Werde aber der zur Dienstbarkeit bestimmte Gegenstand auch vom Eigentümer benützt, so müsse er im Verhältnis seiner Benützung zur Erhaltung beitragen. Habe der Servitutsberechtigte die Kosten einer Herstellung ganz aus eigenen Mitteln bestritten, könne er gemäß § 1042 ABGB vom mitbenützenden Eigentümer des herrschenden Gutes verhältnismäßigen Ersatz fordern. Der Schachtbrunnen habe Beschädigungen im Bereich des Deckels und der Auflagesteine aufgewiesen. Zur Sanierung eines Baugebrechens bedürfe es keines baubehördlichen Auftrags. Seien daher Gebrechen vorgelegen, seien die Kläger als Liegenschaftseigentümer auch zu deren Behebung selbst ohne behördlichen Auftrag verpflichtet gewesen. Da der Brunnen in seinem vor der Sanierung bestehenden Zustand nicht dicht gewesen sei, habe auch die Gefahr bestanden, daß das Wasser verunreinigt und dadurch die Gesundheit und Sicherheit von Menschen gefährdet werde. Eine dem § 57 Abs 2 nöBauO entsprechende Sicherheit sei durch den Brunnen in seinem früheren Zustand nicht gewährleistet gewesen. Die Sanierungsarbeiten hätten ua auch dem Ziel gedient, den Brunnen entsprechend den geltenden Vorschriften abzudichten. Sie seien daher gemäß § 112 Abs 1 nöBauO geboten gewesen. Die Pflicht zur Tragung der Sanierungskosten treffe gemäß § 483 ABGB den Beklagten. Daran ändere nichts, daß die Kläger als Grundeigentümer nach der nöBauO zur Sanierung verpflichtet gewesen seien.

Die dagegen vom Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision wendet sich in erster Linie gegen den Umfang der vorgenommenen Sanierung. Nicht ein dem § 57 Abs 2 nöBauO entsprechender Schachtbrunnen wäre herzustellen gewesen, sondern bloß ein Brunnenabschluß in der Art, wie er in der seinerzeitigen Baubewilligung angeführt gewesen und auch tatsächlich ausgeführt worden sei, nämlich ein nicht flüssigkeitsdichter Abschluß mit Schichtmauerwerk. Zu berücksichtigen seien daher nur Kosten von S 10.902,--. Dazu ist den Beklagten folgendes zu entgegnen:

§ 121 nöBauO bestimmt zwar, daß Bewilligungen, die am 31.12.1969 bereits bestanden haben, bestehen bleiben (Abs 1); bewilligte Bauwerke werden, unbeschadet der Bestimmungen des Abschnitts VIII (wozu ua die Bestimmungen über die Vermeidung und Behebung von Baugebrechen in § 112 nöBauO gehören), nicht berührt (Abs 2). § 121 Abs 2 nöBauO schreibt demnach die Anpassung bestehender Bauwerke an neue technische Vorschriften nicht vor (Hauer/Zaussinger, nöBauO4, 479, Anm 3 zu § 121). Anders wird die Verpflichtung des Grundeigentümers zur Behebung von Baugebrechen beurteilt. Gemäß § 112 Abs 1 nöBauO hat der Eigentümer eines Bauwerks dafür zu sorgen, daß dieses in einem der Baubewilligung entsprechenden Zustand erhalten wird; er hat Baugebrechen, durch welche die Standfestigkeit, die äußere Gestaltung, der Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt werden könnten, zu beheben. Weist ein bewilligtes Bauwerk demnach keine Baugebrechen auf, sondern entspricht sein Zustand der seinerzeitigen Baubewilligung, dann ist der Grundeigentümer nicht zur Anpassung an neue technische Vorschriften verpflichtet. Gefährdet aber ein Baugebrechen - wie hier - ua die Sicherheit von Personen und Sachen, dann hat der Grundeigentümer diese zu beheben, dabei aber auch jene technischen Vorschriften zu beachten, die zur Erreichung dieser Sicherheit neu eingeführt wurden, und zwar ungeachtet des Umstands, daß eine solche Maßnahme im ursprünglichen Baubescheid nicht vorgesehen war, das (unbeschädigte) Bauwerk also trotz Fehlen solcher Sicherheiten konsensmäßig wäre. Die Rechtspflicht des Grundeigentümers, Baugebrechen der genannten Art zu beheben, umfaßt dann auch Maßnahmen, die in der Baubewilligung nicht vorgesehen waren. Dabei kommt es nicht darauf an, daß Ziel dieser Maßnahmen nicht die Neuherstellung eines bestimmten Zustands, sondern dessen Wiederherstellung und sohin die Erhaltung des Bauwerks ist (VwGHSlg 6467 [A]).

Im vorliegenden Fall war der Brunnendeckel gebrochen und damit undicht, sodaß Festkörper aber auch Flüssigkeiten eindringen konnten. Auch das darunter liegende, bloß geschichtete Mauerwerk war nicht dicht. Zur Verhinderung der Gefährdung der Gesundheit von Personen schreibt § 57 Abs 2 nöBauO ua vor, daß die Innenflächen von Schachtbrunnen bis zu einer Tiefe von 3 m unter dem Gelände wasserdicht auszuführen sind, ihre Außenfläche bis zu einer Tiefe von 2 m mit einer mindestens 50 cm dicken Schicht aus festgestampften Ton oder Lehm zu umgeben und der Brunnenschacht mit einem flüssigkeitsdichten und tragfähigen Deckel, der den Brunnenkranz übergreift, abzudecken ist. Im Fall der Behebung eines Baugebrechens eines solchen Brunnens muß der Grundeigentümer nach den vorstehenden Grundsätzen diese Maßnahmen zur Dichtheit des Brunnens treffen, wenn auch der seinerzeitige Baubescheid solche Maßnahmen (noch) nicht vorgeschrieben hatte.

Gemäß § 483 ABGB muß der Aufwand zur Erhaltung und Herstellung einer Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist, in der Regel von dem Berechtigten getragen werden; wenn aber diese Sache auch von dem Verpflichteten benützt wird, so muß er verhältnismäßig zu dem Aufwand beitragen; nur durch Abtretung derselben an den Berechtigten kann er sich, auch ohne dessen Beistimmung, von dem Beitrage befreien. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt aber weder in der Errichtung eines Gebäudes über dem Brunnen noch im Abstellen von Fahrzeugen in dem Gebäude oder im Durchfahren desselben eine Benützung der zur Dienstbarkeit bestimmten Sache, nämlich des Brunnens, durch den Verpflichteten. Daß die Kläger kein Wasser aus dem Brunnen beziehen, steht ausdrücklich fest. Mit den vom Beklagten ins Treffen geführten Gebrauchshandlungen nützen die Kläger bloß die in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft. Auch konnte nicht festgestellt werden, daß die Kläger das Baugebrechen am Brunnen durch unsachgemäße Maßnahmen herbeigeführt hätten. Der Beklagte ist daher allein zur Erhaltung des Brunnens verpflichtet.

Ungeachtet des Umstandes, daß den Beklagten die Erhaltungspflicht trifft, waren die Kläger nach der Bauordnung als Grundeigentümer verpflichtet, die bestehenden Baugebrechen am Brunnen zu beheben. Da sie damit aufgrund einer öffentlich rechtlichen Vorschrift einen Aufwand getätigt haben, den der Beklagte nach § 483 ABGB selbst hätte machen müssen, steht ihnen gemäß § 1042 ABGB das Recht zu, von ihm Ersatz zu fordern (vgl SZ 59/77; Petrasch in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 483).

Der Beklagte kann den Klägern auch nicht entgegenhalten, daß regelmäßig der Dienstbarkeitsberechtigte bestimmt, durch welche Maßnahme er seiner Verpflichtung zur Erhaltung der Sache nachkommt (so SZ 43/144). Die Ausgestaltung von Schachtbrunnen zur Erreichung der für die Sicherheit von Menschen erforderlichen Dichtheit ist durch die nöBauO festgelegt und steht nicht in seinem Belieben.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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