Spruch:
Durch welche Maßnahme der Dienstbarkeitsberechtigte seiner Verpflichtung zur Erhaltung der Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist, nachkommt, ist ihm überlassen
OGH 8. September 1970, 8 Ob 154/70 (LG Innsbruck 2 R 90/70; BG Hopfgarten C 76/69 )
Text
Die Kläger als Eigentümer der Liegenschaft EZ 62/I KG K, zu der unter anderem die Parzellen 2440/1 und 261 gehören, begehrten Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand a) es zu unterlassen, ihren Weg über die Parzelle 2440/1 in solcher Weise zu halten, daß sich das Eindringen von Wasser, Schotter, Schlamm und dergleichen auf die Parzelle 261 ergebe; b) innerhalb ihrer Dienstbarkeitsberechtigung auf ihrem Weg über die Parzelle 2440/1 durch entsprechende Einrichtungen weitere Einwirkungen auf die Parzelle 261 durch Wasser, Schlamm, Schotter und dergleichen zu verhindern.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus: Im Jahre 1935 sei anläßlich eines Agrarverfahrens zu Lasten des Anwesens O, das derzeit den Klägern gehöre, auf dem Grundstück 2440 (seit 1965 2440/1) zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Höfe A (derzeit im Eigentum des Erstbeklagten) und Sch (derzeit im Eigentum des Zweitbeklagten) die Dienstbarkeit des Fahrweges vereinbart worden. Dieser Fahrweg sei 1966 zum größten Teile ganz oder teilweise mit Gras bewachsen, sein aufgeschotterter Teil zirka 1.5 m breit gewesen. Im Juni 1966 habe der Erstbeklagte Teile der Wegstrecke aufgeschottert, darunter an zwei Stellen in einer Breite von zirka 2
m. Mit der am 14. Juni 1966 eingebrachten Klage zu C ../66 des Erstgerichtes hätten die Kläger vom Erstbeklagten Unterlassung der Beschotterung des Weges für eine über den Zweck der landwirtschaftlichen Nutzung hinausgehende Befahrung und über eine Breite von 1.5 m hinaus begehrt. Diese Klage sei rechtskräftig abgewiesen worden. In der Begründung des Urteiles des Obersten Gerichtshofes sei ausgeführt worden, es sei festgestellt, daß bei den gegebenen Grund- und Geländeverhältnissen eine Beschotterung in dem vom Erstbeklagten vorgenommenen Ausmaß zur Benützbarkeit des Weges durch ortsübliche, dem Betrieb der Landwirtschaft dienende Motorfahrzeuge erforderlich sei und daß die Breite der Befestigung mit Schotter das erforderliche Ausmaß nicht überschreite. Der Fahrweg über die Parzelle 2440/1 sei etwa 20 m ab der Südostecke des Hauses der Kläger Parzelle 261 in einer Breite von 2.5 m vom Kläger gemeinsam mit den beiden Beklagten vor 1969 voll geschottert worden. Vom Haus der Kläger führe der Fahrweg in einer Linkskurve steil bergwärts. Dieser Wegteil weise zwei vom Wasser ausgewaschene Rinne auf, die an der Hausecke in den Hofraum vor dem Haus der Kläger einmunden. Nach der 20 m langen Steigung des Weges verlaufe er weniger steil und hier seien nur die beiden Fahrspuren beschottert. Auskehren - die das abrinnende Wasser zu den Wegrändern hin ableiten würden - seien nicht vorhanden. Solche Auskehren seien unbedingt notwendig, um das wilde Ablaufen des Wassers über die Fahrrinnen des Weges und über die Beschotterung zum Haus und in den Hofraum des Klägers abzuwenden. Die beiden Beklagten hätten derartige Auskehren bereits anläßlich der von ihnen zugegebenen Aufschotterungen im März 1969 angefertigt, sie hätten sie aber wegen des ausdrücklichen Verbotes des Erstklägers nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, in Abständen von zirka 30 m in den Fahrweg einlegen dürfen. Bis auf den Mangel der Anbringung von erforderlichen Auskehren sei die Aufschotterung des Weges durchaus fachgemäß und ortsüblich vorgenommen worden. Bei ordnungsgemäßer Beschotterung und gleichzeitiger Anlage von Auskehren würde es sich vermeiden lassen, daß angesammeltes Oberflächenwasser Schotter, Schlamm und Sand an das Haus 261 und in den davorliegenden Hofraum der Kläger schwemme. Ohne Beschotterung würde die Benützung des Weges durch Kleintraktoren der Beklagten erheblich erschwert sein. Derartige immer wieder vor der Beschotterung im März 1969 aufgetretenen Benutzungsbehinderungen seien erwiesen worden. Die beiden Beklagten hätten sich seit 1966/67 zur Bewältigung der Transporte zu ihren Bergbauernhöfen vom Pferdebetrieb auf den Betrieb mit Kleintraktoren umgestellt. Solche Kleintraktoren mit Vierradantrieb und Zwillingsrädern entsprechen den Erfordernissen der landwirtschaftlichen Betriebe der beiden Beklagten, sie benötigen eine Spurweite bis zu 1.80 m. Durch das Befahren der beschotterten Wegstrecke werde Schotter von den Rädern teilweise nach außen gedrückt, sodaß Wegbreiten bis zu 1.9 bis 2 m mit Schotter bedeckt nicht zu vermeiden seien.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Die Dienstbarkeit des Fahrweges über die Parzelle 2440/1 der Kläger sei zum Zwecke der landwirtschaftlichen Nutzung der berechtigten Liegenschaften der beiden Beklagten bestellt worden. Die Höfe der Beklagten würden noch immer als Landwirtschaften betrieben. Die Umstellung der Betriebe von Pferdefuhrwerk auf Kleintraktoren entspreche einem notwendigen Bedürfnis. Eine Beschotterung des Weges sei daher insoweit zu billigen, als dadurch keine weitere Fläche in Anspruch genommen werde als jene, die für das Befahren des Weges mit solchen Kraftfahrzeugen erforderlich sei. Die festgestellte Beschotterung des Weges, wie sie von den Beklagten im März 1969 vorgenommen worden sei, stelle daher eine Tauglichmachung des Weges im Rahmen des Dienstbarkeitsrechtes der beiden Beklagten dar und sei zulässig gewesen. Das Klagebegehren entbehre daher der rechtlichen Grundlage. Im übrigen sei es auch zu allgemein gehalten, um im Stattgebungsfalle einen tauglichen Exekutionstitel darzustellen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß das Klagebegehren schon wegen seiner Unbestimmtheit keinen Erfolg haben könne. Außerdem sei die Klage teilweise nicht schlüssig, da die Beweisaufnahme hervorgebracht habe, daß der strittige Weg auf eine Strecke von 22 m ab dem Eck des Hauses der Kläger schon vor 1969 vom Erstkläger unter Mitwirkung der beiden Beklagten beschottert worden sei. Die Kläger hätten nicht dargetan, auf welchen Titel sie ihr Begehren, daß die Beklagten allein auch auf diesem Teil des Weges entsprechende Einrichtungen zur Abkehr des Wassers errichten sollten, stützten. Liege diesbezüglich keine besondere Vereinbarung vor, was nicht behauptet worden sei, käme für diesen Teil des Weges nur eine gemeinsame Errichtung entsprechender Einrichtungen durch die Kläger und die Beklagten in Betracht. Auch aus diesem Gründe hätte der Klage in der vorliegenden Form ein Erfolg versagt bleiben müssen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist dem Berufungsgerichte zuzustimmen, daß sich das Begehren der Kläger entgegen der in der Berufung vertretenen Ansicht nicht auf die Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB stützen kann, sondern daß Grundlage des Klagebegehrens die Bestimmung des § 523 ABGB ist. Wenn die Kläger in der Revision diese Ansicht mit der Begründung bekämpfen, ihr Anspruch stütze sich auf § 484 ABGB, dann übersehen sie, daß die Geltendmachung einer unberechtigten Erweiterung der Servitut ein Anwendungsfall des § 523 ABGB ist. Dem Dienstbarkeitsberechtigten obliegt die Erhaltung der dienenden Sache (§§ 483, 494 ABGB). Erfolgt diese Erhaltung aber, wie behauptet wird, auf eine Art, daß dadurch der Eigentümer des dienenden Grundstückes in seinem Eigentum beeinträchtigt wird, liegt ein Eingriff in dieses Recht vor, der mit der Klage nach § 523 ABGB abgewehrt werden kann.
Hingegen ist den Klägern beizupflichten, wenn sie in der Revision die Ansicht des Berufungsgerichtes bekämpfen, daß das Klagebegehren in der vorliegenden Form unbestimmt sei und schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben könne. Durch welche Maßnahme der Dienstbarkeitsberechtigte seiner Verpflichtung zur Erhaltung der Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist, nachkommt, ist ihm überlassen. Der Eigentümer des dienenden Gutes kann dem Dienstbarkeitsberechtigten keine bestimmte Erhaltungsmaßnahme vorschreiben. Wenn die Kläger daher allgemein von den Beklagten die Anlage solcher Einrichtungen verlangen, durch die in das Eigentumsrecht der Kläger nicht eingegriffen wird, bzw allgemein die Unterlassung solcher Maßnahmen verlangen, durch die in das Eigentumsrecht der Kläger in bestimmter Weise eingegriffen wird, ist das Klagebegehren ausreichend konkretisiert (vgl hiezu einen ähnlichen Fall 4 Ob 548/67).
Schließlich ist das Klagebegehren auch deshalb nicht unschlüssig, weil durch die Beweisaufnahme hervorgekommen ist, daß der Weg über die Parzelle 2440/1 zum Teil auch von den Klägern mitbenützt wird. Es ist zwar richtig, daß in diesem Fall die Kläger eine alleinige Erhaltung dieses Wegstückes durch die Beklagten nicht verlangen können (§ 483 Satz 2, 494 ABGB). Daraus folgt aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nur, daß das Klagebegehren allenfalls hinsichtlich dieses Teiles des Weges sachlich zum Teil (nämlich hinsichtlich des Leistungsbegehrens) unberechtigt wäre.
Die Gründe, aus denen das Berufungsgericht zur Bestätigung des abweisenden Ersturteiles gelangt ist, erweisen sich somit nicht als stichhältig. Da sich das Berufungsgericht, von seiner unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, mit den Berufungsgrunden der unrichtigen Beweiswürdigung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht befaßt hat, mußte das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Rechtssache an dieses Gericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden.
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