OGH 8ObA80/97s

OGH8ObA80/97s27.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinz Paul (Arbeitgeber) und Walter Darmstädter (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat des Landeskrankenhauses Klagenfurt, ***** vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden Gebhard A*****, ebendort, dieser vertreten durch Dr.Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Landeskrankenhaus Klagenfurt, Klagenfurt, St.Veiter Straße 47, vertreten durch das Direktorium, dieses vertreten durch Dr.Wolfgang Tautschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert S 300.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.November 1996, GZ 7 Ra 164/96h-10, womit infolge Berufung der (zweit)beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. April 1996, GZ 31 Cga 21/96h-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.725,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß des 75. Jahrestages der Kärntner Volksabstimmung gewährte die beklagte Partei ihren Bediensteten, die am 10.10.1995 Dienst geleistet haben, Zeitausgleich im Verhältnis von 1:1 und zwar im Ausmaß der geleisteten Dienststunden höchstens bis zu 8 Stunden. Das Berufungsgericht hat zutreffend begründet, daß das weitergehende Feststellungsbegehren, aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes stehe dieser Zeitausgleich auch den Bediensteten des Landeskrankenhauses zu, die am 10.10.1995 ihren turnusmäßigen Freizeitanteil konsumiert haben, nicht berechtigt ist (§ 48 ASGG).

Den Revisionsausführungen ist entgegenzuhalten:

Das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot ist negativ im Sinne eines materiellen Gerechtigkeitsgebotes als Willkürverbot bzw positiv als Sachlichkeitsgebot zu verstehen (Arb 9581; SZ 67/15, SZ 63/228);

sachlich gerechtfertigte Differenzierungen unter Zugrundelegung eines

generalisierenden Prinzipes (vgl 9 ObA 308/88) - etwa im Sinne eines

Stichtagsprinzipes (ZAS 1984/14, 103 [Holzer] = Arb 10.241 = JBl

1985, 759 = DRdA 1985, 294 [Binder]; SZ 58/40 = RdW 1985, 189 = ZAS

1987, 16 [ Petrovic] = Arb 10.434 ua) - sind zulässig.

Sämtlichen Freistellungsgründen (wichtiger persönlicher Grund, Krankheit, Pflegefreistellung, Freizeitgewährung für Betriebsratsmitglieder gemäß § 116 ArbVG ua) ist gemeinsam, daß ein Freistellungsanspruch mit Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann in Betracht kommt, wenn sich bei einem Arbeitnehmer während der vereinbarten Arbeitszeit ein solcher Freistellungsgrund (Anlaß) ereignet; anders ist es hingegen bei den nicht an einem bestimmten, mehr oder weniger zeitlich fixierten Anlaß gebundenen Freistellungsansprüchen (Urlaub, Betriebsratsfreistellung gemäß § 117 ArbVG), die regelmäßig der Vereinbarung ihrer zeitlichen Fixierung bedürfen. Wenn sich daher außerhalb der Arbeitszeit etwas ereignet, das, fiele es in die Arbeitszeit, einen solchen Freistellungsgrund bildete, dann steht dafür kein Ersatzfreistellungsanspruch zu (auch der Anspruch auf Ersatzruhe gemäß § 6 Abs 1 und 3 ARG betrifft nur den Fall der Beschäftigung während der wöchentlichen Ruhezeit oder der Ersatzruhe). Daher steht etwa einem Arbeitnehmer mit Nachtschicht für einen während des Tages stattfindenden Behördenweg, Bankweg (vgl Adamovic in der Anm zu ZAS 1990/17, 151) kein Anspruch auf Freistellung zu.

Unter dem Gesichtspunkt, den Arbeitnehmern des Landeskrankenhauses die Teilnahme an Veranstaltungen und Feiern zum 75. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung zu ermöglichen, genügt daher das im Anlaßfall gewählte Differenzierungsmerkmal dem Sachlichkeitsgebot, denn nur Dienst versehende, nicht aber Freitzeit konsumierende Arbeitnehmer waren durch die Diensteinteilung an der Teilnahme an Veranstaltungen gehindert. Ebensowenig wie es für außerhalb der Zeit der konkreten Arbeitsleistung fallende Hinderungsgründe (zB Erkrankung eines Arbeitnehmers an einem Sonntag oder Feiertag) einen Ersatzfreistellungsanspruch gibt, besteht aufgrund des Sachlichkeitsgebotes ein gerechtfertigter Grund, einen Zeitausgleich für Arbeitnehmer, die während eines solchen Anlasses keine Arbeit leisten (ua wegen Verbrauches von turnusmäßiger Freizeit), zu gewähren (vgl zum Anspruch auf Feiertagsentgelt im Fall eines Krankenstandes im Sinne des EFZG: 9 ObA 2060/96y = ind 2354 = RdW 1996, 600).

Die Gewährung von Zeitausgleich im Ausmaß von bis zu 8 Stunden an Arbeitnehmer, die unabhängig von der zeitlichen Lagerung des Dienstes an diesem Tag Dienst versahen, ist eine zweckmäßige Pauschalierung, durch die es entbehrlich wird, die Anspruchsvoraussetzungen eines Zeitausgleiches näher nach der zeitlichen Kongruenz von Anlaß und Diensteinteilung aufwendig - nach Art einer Zeitabrechnung bei Gleitzeit (DRdA 1993/7, 45) - zu prüfen. Die vom Revisionswerber behauptete Zufälligkeit, Arbeitnehmer, die am 10.10.1995 turnusmäßigen Freizeitanteil konsumierten, von der Begünstigung auszunehmen, liefe im Ergebnis darauf hinaus, den sachlich rechtfertigenden Zusammenhang zwischen Dienstfreistellungsgrund und Zeitausgleich so aufzulösen, daß damit alle oder nahezu alle Arbeitnehmer - ausgenommen solche im Urlaub bzw im Karenzurlaub - in den Genuß des Zeitausgleiches kämen.

Eine Beweislastumkehr unter dem Gesichtspunkt der Beweisnähe (SZ 65/14 = DRdA 1992/44, 369 [Eichinger]; igS 8 ObA 251/95 = ecolex 1996, 196), der Arbeitgeber habe den Rechtfertigungsgrund einer Differenzierung zu beweisen, nachdem der Arbeitnehmer den Anscheinsbeweis eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz erbrachte, tritt dann nicht ein, wenn das vom beklagten Arbeitgeber gebrauchte Unterscheidungsmerkmal sich als sachlich gerechtfertigt erweist. Der klagende Betriebsrat kann sich nicht dadurch beschwert erachten, daß der Zeitausgleich allen Arbeitnehmern, die am 10.10.1995 Dienst zu versehen hatten, gewährt wurde, ohne daß sie den konkreten Nachweis (etwa im Sinne von § 8 Abs 8 AngG; § 16 UrlG ua) für die Teilnahme an Veranstaltungen erbringen müßten.

Das Feststellungsinteresse, das auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (SZ 47/63 = JBl 1975, 94; Arb 9927), ist im vorliegenden Fall - trotz der "zeitlichen Überholung" des 10.10.1995 (vgl zu § 54 Abs 2 ASGG 13.3.1997, 8 ObA 59/97b) - noch nicht weggefallen, weil in der Arbeitszeitabrechnung (Saldenausgleich unter Berücksichtigung von Zeitausgleich) diese Vorfrage für die Lohn- und Gehaltsverrechnung auch nach dem Oktober 1995 noch bedeutsam ist (allenfalls für die endgültige Abrechnung unechter Vorschüsse im Sinne von Akontierungen).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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