OGH 13Os208/96

OGH13Os208/9626.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Miljevic als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nebojsa K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 31.Oktober 1996, GZ 7 Vr 226/96-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nebojsa K***** der Vergehen des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs 3 Z 1 StGB (1.) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2.), der Verbrechen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 StGB (3.), der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (4.) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (5.) sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (6.) schuldig erkannt.

Die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wendet sich gegen die Schuldsprüche zu 3., 4. und 5., wonach er

(zu 3.) Sladjana E***** dadurch, daß er sie im Badezimmer einschloß, widerrechtlich gefangen hielt, wobei die Tat wegen der teilweise zu

2. (Beißen, Versetzen von Faustschlägen, Schlägen mit einem Nudelwalker und durch Würgen, was einen Bruch des Nasenbeines, eine Rißquetschwunde an der Nase, Hämatome an Armen, Beinen und im Brustbereich, Blutunterlaufungen im Halsbereich zur Folge hatte) und

4. a (siehe unten) vom Schuldspruch umfaßten Tathandlungen der Festgehaltenen besondere Qualen bereitete;

(zu 4.) sie mit Gewalt und gefährliche Drohung nötigte, und zwar

a) dadurch, daß er ihr den Mund zuhielt, am Schreien hinderte,

b) durch die Äußerung, wenn sie ihm keine Liebesdienste mehr erweise, werde er sie umbringen, durch Drohung mit dem Tode unter Verwendung eines Messers zur Aufrechterhaltung der Beziehung,

c) durch die Äußerung, wenn sie die Gendarmerie verständige, werde er sie umbringen, sohin durch Drohung mit dem Tode zur Unterlassung der Verständigung der Gendarmerie,

d) durch die Äußerung, wenn sie die Anzeige gegen ihn nicht zurückziehe, werde er sie umbringen, sohin durch Drohung mit dem Tode zum Zurückziehen der Anzeige sowie

(zu 5.) durch Festhalten, sohin mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes.

Rechtliche Beurteilung

Der Schuldspruch zu 4. faßt (verfehlt, SSt 49/7) ein Vergehen der Nötigung und drei Verbrechen der schweren Nötigung zusammen, ein für den Angeklagten erwachsener Nachteil ergab sich daraus jedoch nicht (SSt 54/79).

Die Rechtsrügen des Angeklagten gehen insgesamt fehl.

Der zum Schuldspruch wegen Vergewaltigung behauptete Feststellungsmangel (Z 9 lit a), Sladjana E***** habe allenfalls ein als Einwilligung in den Geschlechtsverkehr aufgefaßtes Verhalten gesetzt, beinhaltet die Umdeutung der Aussage des Opfers und verläßt die gesetzliche Anfechtungsgrundlage der Urteilstatsachen, welche für die angestrebte Konstatierung keinen Raum bieten. Nach den eindeutigen Feststellungen mußte der Angeklagte sein Opfer festhalten, um einen Geschlechtsverkehr vollziehen zu können. Dabei war ihm bewußt, gegen den Willen der Frau zu handeln (US 6). Die Beschwerde reklamiert somit eine Feststellung, die vom Schöffengericht nicht unterlassen, sondern ausdrücklich aus Beweisgründen abgelehnt wurde.

Des weiteren stellt die Beschwerde darauf ab (Z 10), daß das Erstgericht bestimmte Scheinkonkurrenzen nicht erkannt habe, weil das Täterverhalten bereits mit der Unterstellung unter einen Deliktstypus vollständig erfaßt worden sei. Auch diese Einwände werden aus urteilsfremden Sachverhaltsbehauptungen abgeleitet.

Das Vorbringen, die Freiheitsentziehung (3.) sei ein notwendiges und regelmäßiges Begleitgeschehen der (schweren) Nötigung (4.) und der Vergewaltigung (5.), übergeht die vorliegenden Urteilsannahmen des aktionsmäßig getrennten Einsperrens des Opfers im Badezimmer als Angriff auf die Freiheit, welcher in keiner festgestellten Mittel-Zweck-Beziehung zum gesonderten Nötigungsverhalten des Täters stand.

Insoweit eine Spezialität des Tatbestandes der Vergewaltigung zu jenem der Nötigung ins Spiel gebracht und der Schluß gezogen wird, die spezielleren Delikte hätten bei Rechtsanwendung gegenüber den allgemeinen Delikten zurückzutreten, genügt der Hinweis, daß die angesprochene Problematik ein dem Gesetzeswortlaut nach, unter mehrere Tatbestände subsumierbares und gleichzeitiges, als Handlungseinheit erfaßbares Täterverhalten voraussetzt, was vorliegend jedoch nicht zutrifft.

Auch die Beschwerdeargumentation, die Nötigungshandlungen seien gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet gewesen wie die Vergewaltigung, weil der Vorsatz des Täters insgesamt auf einen Beischlaf gerichtet gewesen wäre, verläßt den durch die festgestellten Urteilstatsachen gezogenen Rahmen, weswegen dieses Vorbringen mangels gesetzmäßiger Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes einer fallbezogenen Prüfung und Erwiderung entzogen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als nicht den formalrechtlichen Voraussetzungen entsprechend ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO), weswegen gemäß § 285 i StPO über die zugleich erhobene Berufung das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden hat.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes besteht jedoch entgegen der von der Generalprokuratur in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten (die sie ebenfalls für nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt erachtet) darüber hinaus vertretenen Auffassung kein Feststellungsmangel, der zu einem Vorgehen nach § 290 StPO zwingt.

Die Qualifikation nach § 99 Abs 2 StGB ergibt sich nämlich feststellungsmäßig (s. SSt 54/28) ohne weiteres aus dem Urteil, wonach der äußerst aggressive Angeklagte (US 9) die im engsten Raum (Badezimmer) mit ihm über 20 Minuten eingesperrte, schwer verängstigte (S 18) Frau mit Würgen und Schlägen, die ganz erhebliche Verletzungen zur Folge hatten, traktierte und deren Hilfeschreie durch Zuhalten des Mundes erstickte (US 5), was durchaus ausreichende Feststellungen zu den angenommenen besonderen Qualen sind (Mayerhofer-Rieder StGB4 § 99 E 10).

Auch zu den Schuldsprüchen zu 4. b und c sind Feststellungsmängel zu der vom Erstgericht angenommenen Deliktsvollendung nicht zu erkennen. Schon der Urteilstenor gibt in beiden Fällen keinen Hinweis auf einen bloßen Versuch. Bereits die Worte: der Angeklagte habe sein Opfer durch gefährliche (Todes-)Drohungen zur Aufrechterhaltung der Beziehung (4. b) sowie zum Unterlassen der Verständigung der Gendarmerie genötigt (4. c) läßt keinen Platz, daß er sein Vorhaben nicht verwirklichen konnte und die Genötigte nicht zumindest begonnen hat, sich in der von ihm geforderten Weise zu verhalten (Leukauf/Steininger Komm3 § 105 RN 28). Dies bestärken die weiteren Urteilsausführungen, wonach der Angeklagte nach den Nötigungshandlungen mit seinem Opfer verschiedene Lokale besuchte und nach außen zwischen beiden ein gutes Einvernehmen gezeigt wurde (US 9) sowie die keineswegs prompt erstattete Anzeige des Opfers (s. auch Leukauf/Steininger aaO RN 29).

Auch soll nicht unerwähnt bleiben, daß die ungerügte und keinesfalls zum Nachteil des Angeklagten (s. nochmals SSt 54/79) vorgenommene Zusammenfassung aller Nötigungen zu einer einzigen Straftat bei einer (teilweisen neuen) Prüfung des jeweiligen Entwicklungsstadiums bloß einiger Fakten (schließlich) zu deren gesondert rechtlicher Beurteilung (als Versuch) neben dem unverrückbar weiter bestehenden bisher einzigen Schuldspruch wegen des (vollendeten) Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB führen könnte. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher nicht veranlaßt, gemäß § 290 StPO vorzugehen.

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