OGH 9ObA27/97d

OGH9ObA27/97d26.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Wilhelm Koutny und Heinrich Dürr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei U*****, vertreten durch Mag.Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dragisa N*****, vertreten durch Dr.Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.September 1996, GZ 8 Ra 141/96f-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.Dezember 1995, GZ 15 Cga 50/94w-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den pauschalen Aufwand von S 3.600,-- für das Verfahren zweiter Instanz an den Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst, binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.900,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.650,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin kündigte dem Beklagten das Dienstverhältnis als Hausbesorger des Hauses ***** W*****, P*****gasse 9, für den 30.6.1994 auf und beantragte, dem Kündigungsgegner aufzutragen, die in diesem Haus gelegene Hausbesorgerwohnung Top Nr. 5, binnen 14 Tagen nach Beendigung des Dienstverhältnisses zu übergeben.

Die Klägerin berief sich in ihrer Kündigung auf § 18 Abs 6 lit d HBG. Sie habe das Haus P*****gasse 9, mit Kaufvertrag vom 19.5.1993 erworben; der Hausbesorgerposten werde aufgelassen.

Der Beklagte erhob fristgerecht Einwendungen gegen die Aufkündigung und beantragte, diese aufzuheben. Die Absicht, den Hausbesorgerposten aufzulassen, bilde nur dann einen Kündigungsgrund, wenn hiefür wichtige Gründe angegeben werden könnten und die ernste Absicht der Auflassung des Dienstpostens erwiesen sei.

In der Tagsatzung vom 23.6.1994 brachte die Klägerin vor, daß das Haus P*****gasse 9 sehr klein sei und überwiegend von ihr selbst genutzt werde. Sie stelle das Objekt ihren Mitgliedern zur Verfügung und könne die Hausbesorgerarbeiten in Zukunft "durch ihre Mitglieder ausführen".

Schließlich brachte die Klägerin vor, daß sich der Beklagte seit Zustellung der Aufkündigung nicht mehr um das Haus kümmere. Abgesehen vom Versperren des Haustors verrichte er keine Tätigkeiten mehr.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung des Dienstverhältnisses auf und wies den Antrag der Klägerin, dem Kündigungsgegner aufzutragen, die Hausbesorgerdienstwohnung geräumt zu übergeben, ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Beklagte ist im Haus P*****gasse 9 seit 1.1.1983 als Hausbesorger tätig. Die ihm beigestellte Dienstwohnung, die er mit seiner Frau bewohnt, stellt seine einzige Wohnmöglichkeit dar. Er übt neben der Hausbesorgertätigkeit einen weiteren Beruf aus und verfügt insgesamt über ein Nettoeinkommen von S 15.700,-- monatlich. Er besitzt kein Vermögen und ist für seine im Ausland lebende pflegebedürftige Mutter sorgepflichtig. Seine Frau verfügt über eigenes Einkommen. Die Klägerin hat das Haus P*****gasse 9 mit Kaufvertrag vom 19.5.1993 erworben. Von den 33 im Haus befindlichen Wohnungen sind 11 (inklusive der Hausbesorgerdienstwohnung) durch Mieter belegt, 4 werden von Mitgliedern der Klägerin genutzt. Der Rest des Hauses dient religiösen und kulturellen Zwecken. Im Erdgeschoß plant die Klägerin die Errichtung einer Andachtsraumes und eines Supermarktes. Sie hat bereits Pläne hiefür eingereicht und um Baugenehmigung angesucht. Zur Durchführung des Bauvorhabens ist die Auflösung der Hausbesorgerwohnung erforderlich. Die Klägerin beabsichtigt, mit der Wohnung auch den Hausbesorgerposten aufzulassen, da die Hausbesorgertätigkeit durch ihre Mitglieder, im speziellen durch zu diesem Zweck beschäftigte Gebetsdiener, vorgenommen werden soll.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Auflassung des Hausbesorgerpostens nicht im Belieben des Hauseigentümers liege; vielmehr müsse er wichtige Gründe und eine ernstliche Absicht zur Auflassung nachweisen. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin noch keine Baubewilligung erwirkt, sodaß Projektänderungen oder die Untersagung des Projektes durch die Baubehörde nicht ausgeschlossen seien. Da auch im Zusammenhang mit den Gebetsdienern, die die Hausbesorgerarbeiten erledigen sollen, nur eine bloße Absicht der Klägerin nachgewiesen sei, könne von der Notwendigkeit oder der Zweckmäßigkeit der Auflassung des Hausbesorgerpostens nicht gesprochen werden. Überdies müsse vor der Auflassung des Hausbesorgerpostens eine Interessensabwägung zwischen den Interessen des Hauseigentümers und jenen des Hausbesorgers stattfinden, die hier zugunsten des Beklagten ausfalle. Eine allfällige Vernachlässigung der Hausbesorgerpflichten durch den Beklagten sei unbeachtlich, weil darauf die Kündigung nicht gestützt worden sei.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es der Aufkündigung und dem Räumungsbegehren stattgab. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und vertrat die Rechtsauffassung, daß der von der Klägerin beabsichtigte Umbau die Auflassung des Hausbesorgerpostens notwendig mache. Im übrigen sei zu erwarten, daß durch den Plan der Klägerin, das Haus zu einem Wohnhaus für Vereinsmitglieder und zu einem religiösen und kulturellen Zentrum zu machen, viele Arbeiten wegfallen, da sie unter den Vereinsmitgliedern aufgeteilt werden könnten. Die übrigen Arbeiten sollten die im Hause wohnenden Gebetsdiener übernehmen. Es seien hinreichende Gründe für die Auflassung des Hausbesorgerpostens gegeben. Eine Interessensabwägung zwischen Hauseigentümer und Dienstnehmer sei nicht durchzuführen; sie würde im übrigen unter den gegebenen Umständen zu Gunsten der Klägerin ausfallen, die das Haus gekauft habe, um ihren Vereinszwecken gerecht werden zu können.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles der ersten Instanz abzuändern. Hilfsweise wird die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 18 Abs 6 erster Satz HBG kann der Hauseigentümer, wenn dem Hausbesorger eine Dienstwohnung zusteht, nur aus erheblichen Gründen kündigen. Solche Gründe liegen gemäß § 18 Abs 6 lit d HBG dann vor, "wenn der Hausbesorgerposten überhaupt aufgelassen wird". Die Klägerin hat ihre Kündigung ausschließlich auf diesen Kündigungsgrund gestützt. Er ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dann gegeben, wenn der Hauseigentümer wichtige Gründe für die Auflassung des Hausbesorgerpostens nachweist - dieses Erfordernis ergibt sich aus § 18 Abs 6 erster Satz HBG - und wenn die ernstliche Absicht der Auflassung erwiesen ist. Die Auflassung des Hausbesorgerpostens steht daher nicht im Belieben des Hauseigentümers. Sie darf nicht zum Schein erfolgen, etwa um einem Hausbesorger, gegen den andere Kündigungsgründe nicht zu Gebote stehen, auf diese Weise kündigen zu können. Änderungen, die bloß einen Wechsel in der Person des Hausbesorgers bedeuten, können daher den hier geltend gemachten Kündigungsgrund nicht verwirklichen (RdW 1992, 382 = ARD 4353/3292; Arb 9.513 u.a.). Daher ist eine Auflassung des Hausbesorgerpostens dann anzunehmen, wenn Eigentümer oder Mieter des Hauses die gesamten Hausbesorgerarbeiten unentgeltlich übernehmen oder wenn diese von deren Bediensteten im Rahmen ihrer sonstigen Beschäftigung ohne zusätzliche Entlohnung verrichtet werden. Dies gilt hingegen nicht für den Fall, daß diese Arbeit von Eigentümern oder Mietern bzw von Hausangstellten oder sonstigen Beauftragten dieser Personen entgeltlich verrichtet werden (Arb 9513, Arb 7502). Auch durch bloße Teil- oder Behelfslösungen kann die Gesamtheit der Hausbesorgertätigkeiten und damit der Hausbesorger nicht substituiert werden (Arb 11.229; infas 1993 A 163; infas 1992 A 56 uva).

Im Verfahren über die Aufkündigung eines Hausbesorgerpostens ist für die Beurteilung des zugrundeliegenden Sachverhaltes der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung maßgeblich. Der Aufkündigende hat daher die Kündigungsgründe unter kurzer Anführung der maßgeblichen Tatsachen in der Kündigung bei Ausschluß eines späteren Nachschiebens anzugeben (§ 22 Abs 1 HBG; infas 1993 A 163; Arb 9513). In ihrer Kündigung brachte die Klägerin lediglich vor, daß sie das Haus erworben habe und daß der Hausbesorgerposten aufgelassen werde. Behauptungen, denen eine Auflassung des Hausbesorgerpostens im Sinne der eben dargestellten Rechtslage entnommen werden könnten, wurden bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung nicht aufgestellt.

Erst in der Tagsatzung vom 23.6.1994 brachte die Klägerin vor, daß die Hausbesorgerarbeiten in Zukunft "durch ihre Mitglieder ausgeführt" werden könnten. Abgesehen davon, daß dieses erst nach Zustellung der Kündigung erstattete Vorbringen nicht maßgeblich ist (infas 1993 A 163; 8 ObA 34/97a ua), wird auch damit das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes nicht dargetan. Dazu wären konkrete Behauptungen erforderlich, denen die ernste Absicht der Klägerin entnommen werden könnte, die gesamten Hausbesorgertätigkeiten unentgeltlich (bzw ohne zusätzliches Entgelt) von ihren Mitgliedern durchführen zu lassen.

Gleiches gilt für die vom Erstgericht dazu getroffene Feststellung, wonach die Hausbesorgertätigkeiten durch "zu diesem Zweck beschäftigte Gebetsdiener" vorgenommen werden sollen: Auch diese Feststellung ist - da ihr kein Vorbringen in der Kündigung zugrunde liegt - für die rechtliche Beurteilung von vorneherein nicht maßgeblich. Außerdem müßte angesichts der Absicht, die Hausbesorgerarbeiten "durch zu diesem Zweck beschäftigte Gebetsdiener" vorzunehmen, im Sinne der dargestellten Rechtslage nicht von einer beabsichtigten Auflassung, sondern von einem den Kündigungsgrund nicht verwirklichenden Wechsel in der Person des Hausbesorgers ausgegangen werden. Daß die Revisionswerberin in ihrer Berufung das Fehlen von Feststellungen reklamiert hat, wonach ihr durch die Tätigkeit der ohnedies bei ihr beschäftigten Gebetsdiener keine zusätzlichen Kosten erwachsen würden, ist ohne Bedeutung, weil sich dieses Begehren - wie gezeigt - nicht auf entsprechendes Vorbringen stützen kann.

Im Ergebnis erweist sich daher das erstgerichtliche Urteil als zutreffend, sodaß es in Stattgebung der Revision wiederherzustellen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 58a ASGG, jene über die Kosten des Revisionsverfahrens auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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