OGH 6Ob66/97t

OGH6Ob66/97t20.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Chris S*****, vertreten durch Dkfm.DDr.Gerhard Grone, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dr.Michael T*****, 2. Eleonora T*****, ebendort, 3. Dr.Franz G*****, 4. Dr.Christian K*****, 5. Mag.Edith R*****, 6. Dr.Pierre H*****, 7. Dr.Wolfgang F*****, 8. Dipl.Ing.Gerhard H*****, 9. Dr.Adolf R*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 3 C 1821/94p des Bezirksgerichtes Josefstadt, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 19. November 1996, GZ 41 R 562/96t-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 6.August 1996, GZ 3 C 592/96f-2, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses und des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger strebt die Wiederaufnahme des Verfahrens 3 C 1821/94p des Bezirksgerichtes Josefstadt an. In diesem Verfahren hatten die Beklagten den Kläger auf Zahlung von Mietzins geklagt und ein Räumungsbegehren gestellt. Der Wiederaufnahmskläger hatte das am 2.2.1995 ergangene Versäumungsurteil unbekämpft gelassen, es ist in Rechtskraft erwachsen.

In seiner am 15.5.1996 bei Gericht eingelangten Wiederaufnahmsklage macht der Kläger geltend, Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe gegen das Versäumungsurteil seien ihm damals sinnlos erschienen, er habe über keine Information darüber verfügt, ob seine Mitmieterin den eingeklagten Mietzins bezahlt habe. Sie sei damals für ihn nicht erreichbar gewesen. Anläßlich eines gegen die Mitmieterin angestrengten Regreßverfahrens (4 C 708/95w des Bezirksgerichtes Josefstadt) habe diese mit Schriftsatz vom 16.4.1996 ausgeführt, die Mietzinse bezahlt zu haben. Sie habe die entsprechenden Zahlungsbestätigungen vorgelegt. Ein Vorbringen dieser Tatsachen und deren Beweis im davor anhängigen Räumungsprozeß hätte eine für den Wiederaufnahmskläger günstigere Entscheidung, die kostenpflichtige Klageabweisung, bewirkt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im Vorprüfungsverfahren zurück. Die Klage sei verfristet, der Wiederaufnahmskläger hätte bereits vor dem 16.4.1996 Informationen und Belege über die Zahlung der Mietzinse erhalten können. Er habe im Verfahren 3 Msch 4/95m des Bezirksgerichtes Josefstadt ausgesagt, nach Zustellung des Versäumungsurteiles keinen Kontakt mit der Mitmieterin aufgenommen zu haben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Wiederaufnahmsklägers nicht Folge.

Das Vorprüfungsverfahren habe ergeben, daß die Wiederaufnahmsklage nicht rechtzeitig eingebracht worden sei. Für den Beginn des Fristenlaufes nach § 534 Abs 1 und Abs 2 Z 4 ZPO komme es nicht darauf an, wann der Kläger tatsächlich in der Lage gewesen sei, die neuen Tatsachen und Beweismittel zu benützen, sondern auf den Zeitpunkt, in dem er bei zumutbarer Sorgfalt imstande gewesen sei, sich die neuen Tatsachen und Beweismittel zugänglich zu machen.

Der Kläger habe vorgebracht, erst durch den im Verfahren 4 C 708/95w des Bezirksgerichtes Josefstadt eingebrachten Schriftsaz seiner Mitmieterin vom 16.4.1996 erfahren zu haben, daß ein Mietzinsrückstand zum Zeitpunkt der Klageeinbringung im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht bestanden habe. Er habe sich zur Bescheinigung auf den Akt 4 C 708/95w des Bezirksgerichtes Josefstadt berufen. Aus den diesem Schriftsatz angeschlossenen Urkunden ergebe sich jedoch, daß der Rechtsvertreter der Mitmieterin bereits im Juli 1995 den Rechtsvertreter des Wiederaufnahmsklägers davon in Kenntnis gesetzt habe, daß per Ende Juni 1995 kein Mietzinsrückstand bestanden habe. Der Kläger hätte daher schon im Sommer 1995 klären können, ob im Zeitpunkt der Klageeinbringung des wiederaufzunehmenden Verfahrens tatsächlich ein Mietzinsrückstand bestanden habe. Er hätte auch schon damals die entsprechenden Belege erhalten können.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob die Frist des § 534 Abs 1 und Abs 2 Z 4 ZPO bereits ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem der Wiederaufnahmskläger bei zumutbarer Sorgfalt die Tatsachen und/oder Beweismittel hätte benützen können, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Wiederaufnahmskläger, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Zu beurteilen ist eine a limine-Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage, das Verfahren ist somit einseitig.

Das Vorprüfungsverfahren dient unter anderem der Prüfung der Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsklage (Fasching, Lehrbuch2 Rz 2084). Die Frist des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO beginnt, sobald der Wiederaufnahmskläger die neuen Tatsachen und Beweismittel soweit kennt, daß er ihre Eignung für ein allfälliges Verfahren prüfen kann (RIS-Justiz RS0044635). Die bloße Kenntnis vom Vorhandensein einer Urkunde, die allenfalls zugunsten des eigenen Standpunktes sprechen könnte, verpflichtet noch nicht zur Erhebung der Wiederaufnahmsklage bei sonstiger Verfristung (SZ 51/165; RIS-Justiz RS0044646). Eine Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren kommt daher nur dann in Betracht, wenn sich (die Verspätung) schon aus den Tatsachenbehauptungen und Bescheinigungsmitteln ergibt (Fasching, ZPO IV 541). Im Zweifelsfall darf das angerufene Gericht eine urteilsmäßige Sachentscheidung jedoch nicht ablehnen (SZ 51/165).

Die Entscheidung der Vorinstanzen steht mit dieser in Lehre und Rechtsprechung vertretenen Auffassung in Widerspruch. Aus den vom Wiederaufnahmskläger bezeichneten Bescheinigungsmitteln (dem im Verfahren 4 C 708/95w vorgelegten Schriftsatz vom 16.4.1996 und den diesem angeschlossenen Urkunden, insbesondere dem Schreiben vom 28.7.1995) ergibt sich, daß seine Mitmieterin mit Schreiben vom 28.7.1995, gerichtet an den Rechtsvertreter des Klägers, mitgeteilt hatte, sie habe seit 1992 Mietzins direkt an die Hausverwaltung bezahlt, per Ende Juni 1995 hätten keinerlei Mietzinsrückstände bestanden. Hingegen ist dem Schreiben nicht zu entnehmen, daß auch im Dezember 1994 kein Rückstand bestanden habe. Dieser an seinen Rechtsanwalt gerichteten Mitteilung (deren Kenntnis dem Wiederaufnahmskläger zuzurechnen ist s. EvBl 1992/95) hätte der Kläger wohl entnehmen können, daß seine Mitmieterin über Zahlungsbelege verfügen könnte, die konkret geeignet wären, im wiederaufzunehmenden Räumungsverfahren eine andere Entscheidung herbeizuführen. Mangels hinreichender Kenntnis des Inhaltes dieser Urkunden war der Kläger jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht imstande zu beurteilen, ob tatsächlich Zahlungsbelege vorhanden sind und ob diese für eine Wiederaufnahme des Räumungsverfahrens auch relevant sein könnten (Fasching, Lehrbuch2 Rz 2069; RIS-Justiz RS0044635). Das Schreiben vom 28.7.1995 war daher nicht geeignet, den Fristbeginn für die Wiederaufnahmsklage auszulösen (SZ 51/165).

Ob der Wiederaufnahmskläger bei zumutbarer Sorgfalt in der Lage gewesen wäre, sich die neuen Tatsachen und Beweismittel früher zugänglich zu machen, betrifft Fragen des Verschuldens an der nicht rechtzeitigen Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes. Diese können im Vorprüfungsverfahren nicht beurteilt werden (SZ 51/165; EvBl 1992/77).

Die Zurückweisung der Klage im Vorprüfungsverfahren ist daher nicht berechtigt.

Dem Revisionsrekurs ist stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekurses und des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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