OGH 1Ob14/97h

OGH1Ob14/97h18.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria U*****, vertreten durch Dr.Josef Raffl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagten Parteien 1. Margot T*****, und 2. Christian T*****, beide vertreten durch Dr.Karl Kuprian, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen Räumung (Streitwert 12.000,- - S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgerichts vom 23.September 1996, GZ 21 R 393/96k-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 28.Mai 1996, GZ 3 C 1596/95d-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 3.573,50 S (darin 595,58 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde aufgrund eines mit ihrer Großmutter geschlossenen Übergabsvertrags vom 26.April 1995 Eigentümerin einer Liegenschaft mit Haus in Bad Goisern. Die Beklagten - die Erstbeklagte ist eine Tochter der Übergeberin - wohnen als Ehegatten im ersten Stock dieses Hauses. Sie benutzten Bankkredit zur Finanzierung von Aus- und Umbauarbeiten in ihrer Wohnung. Zu dessen Besicherung wurde die Liegenschaft mit einer Hypothek bis zum Höchstbetrag von 520.000 S belastet. Die Erstbeklagte hat noch zwei Brüder. Einer dieser Brüder ist der Vater der Klägerin. Diese und die Erstbeklagte wohnen seit ihrer Geburt ohne nennenswerte Unterbrechungen im bezeichneten Haus. Anläßlich des Todes des Ehemanns der Übergeberin kam es in der Familie zu einem Gespräch über das weitere Schicksal des Hauses. Die Familienmitglieder einigten sich darauf, daß die Kinder vorerst zugunsten ihrer Mutter „auf die Liegenschaft verzichten und später Gespräche über eine einvernehmliche Lösung geführt werden sollten“. Die Erstbeklagte, die zunächst nur ein Jungmädchenzimmer im Haus bewohnte, fragte ihre Mutter noch vor der späteren Liegenschaftsübergabe an die Klägerin, ob sie die Wohnung im ersten Stock „haben und ausbauen dürfe“. Dem stimmte die Mutter zu „und war froh, daß die Wohnung in diesem alten Haus hergerichtet wurde“. Sie erklärte, „sie schenke der Erstbeklagten diese Wohnung“. Etwa um diese Zeit heirateten die beiden Beklagten und nahmen daher 1990 den bereits erwähnten Kredit „für die Sanierung des Wohnhauses bzw. die Errichtung der Wohnung“ auf. Die Mutter unterfertigte eine Pfandbestellungsurkunde, die bei der Kreditgeberin hinterlegt wurde. Der Zweitbeklagte äußerte gegenüber einem Angestellten der Kreditgeberin, eine Einverleibung des Pfandrechts werde nach Übergabe des „Objektes“ möglich sein. In diesem Zeitpunkt gingen die Beklagten noch davon aus, einmal die Gesamtliegenschaft zu erhalten. Der den Beklagten gewährte Kredit wurde 1991 aufgestockt. Dessen Besicherung erfolgte nunmehr mit der bereits erwähnten Höchstbetragshypothek. Die Beklagten vertrauten darauf, daß ihnen die Wohnung im ersten Stock geschenkt worden sei. Sie machten sich aber „über eine nähere rechtliche Ausgestaltung des Liegenschaftseigentums ... keine Gedanken, weil für die Errichtung entsprechender Verträge und die damit verbundenen Gebühren kein Geld vorhanden gewesen wäre“. Sie konnten sich allerdings die Einräumung schlichten Miteigentums an der Liegenschaft, die Übernahme der gesamten Liegenschaft gegen Erfüllung von Ausgleichsansprüchen der beiden Brüder der Erstbeklagten und die Begründung von Wohnungseigentum „vorstellen“. Den Aus- bzw. Umbau ihrer Wohnung konnten die Beklagten nach eigenem Gutdünken gestalten. Die Mutter der Erstbeklagten erklärte bei verschiedenen Gelegenheiten auch gegenüber fremden Personen, sie habe der Erstbeklagten die Wohnung im ersten Stock geschenkt. Sie ging dabei „stets davon aus, daß die Beklagten jedenfalls stets in dieser Wohnung sollten wohnen können“. Die Klägerin hatte zunächst vor, aus dem Haus auszuziehen. Sie verwirklichte diese Absicht jedoch nicht und bewohnt derzeit die Räume im Erdgeschoß. Zwischen den Streitteilen bestand „nie ein gutes Gesprächsklima“. Keiner der Streitteile zahlte je Miete oder ein Benützungsentgelt. Die anfallenden Betriebskosten wurden geteilt. Die Klägerin wußte von den Investitionen der Beklagten in deren Wohnung. Die genaue Höhe der aufgewendeten Mittel kannte sie jedoch nicht. Von der hypothekarischen Belastung der Liegenschaft erfuhren die Klägerin und die Brüder der Erstbeklagten etwa ein halbes Jahr vor dem Übergabsvertrag. Nach Besprechungen der Familienmitglieder, an denen die Beklagten nicht beteiligt waren, wurde der Erstbeklagten anläßlich eines Familientreffens schließlich eröffnet, daß „die Klägerin das Haus nehmen wolle“. Als die Erstbeklagte aufgrund detaillierter Umbaupläne und anderer Unterlagen erkannt hatte, daß ein derartiger Schritt „bereits länger geplant und vorbereitet“ war, erklärte sie, daß sie „dies so nicht interessiere, und ihr die Wohnung geschenkt worden sei“. Bereits am nächsten Tag fuhren die Klägerin und die Mutter der Erstbeklagten zwecks Errichtung des Übergabsvertrags vom 26.April 1995 zum Klagevertreter. Obgleich „man das anstehende Problem mit den Beklagten erkannt hatte, wurde diesbezüglich keinerlei ausdrückliche Regelung in den Übergabsvertrag aufgenommen“. Die Übergeberin ging jedoch auch noch in diesem Zeitpunkt davon aus, daß die Beklagten „in ihrer Wohnung würden weiter wohnen können“. Der Übergabsvertrag lautet auszugsweise:

„II.

Frau ................. übergibt ................ an ihre Enkelin .................... die Liegenschaft EZ .............. wie diese liegt und steht, samt allen Rechten und Besitzvorteilen, mit denen die Übergeberin diese bisher besessen und benützt hat bzw. zu besitzen und zu benützen berechtigt war ..............

IV.

Die faktische Übergabe und Übernahme der vertragsgegenständlichen Liegenschaft erfolgt mit dem Tage der Vertragsunterfertigung. Mit diesem Tage gehen sämtliche Rechte und Besitzvorteile, aber auch Lasten sowie Gefahr und Zufall auf die Übernehmerin über.

V.

.................

Die Übernehmerin hat die Übergabsliegenschaft eingehend besichtigt und ist ihr deren Zustand bekannt. Festgehalten wird, daß das ob der vertragsgegenständlichen Liegenschaft grundbücherlich sichergestellte Pfandrecht im Höchstbetrag von 520.000 S zu Gunsten der ................ nicht die Übergeberin betrifft, sondern hier lediglich eine Sachhaftung auf die Übergabsliegenschaft für eine fremde Schuld bestellt wurde.

VI.

Beide Vertragsteile verzichten auf Anfechtung dieses Vertrages wegen Zwanges oder Irrtums. ............“

Nach Abschluß dieser Vereinbarung forderte die Klägerin die Beklagten auf, ihre Wohnung zu räumen. Nachfolgende Versuche, eine einvernehmliche Lösung zu finden, scheiterten.

Die Klägerin begehrte, die Beklagten schuldig zu erkennen, die Wohnung im ersten Stock des Hauses zu räumen. Sie brachte vor, nicht mehr bereit zu sein, den Beklagten weiterhin die titellose Wohnungsbenützung zu gestatten. Die Beklagten hätten auf die Aufforderung zur Wohnungsräumung nicht reagiert.

Die Beklagten wendeten ein, die Mutter der Erstbeklagten habe bei Abschluß des Übergabsvertrags keinesfalls gewollt, daß die Erstbeklagte ihre Wohnung verliere. Diese Wohnung sei der Erstbeklagten vielmehr bereits vor Jahren geschenkt und übergeben worden. Das sei der Klägerin und deren Vater bekannt gewesen. Die Wohnung sei von den Beklagten mit erheblichem Kostenaufwand um- und ausgebaut worden. Die Begründung von Wohnungseigentum sei nur deshalb unterblieben, weil sich die Beklagten vorerst die damit verbundenen Kosten und Gebühren hätten ersparen wollen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dessen Rechtsansicht sei der Klägerin das Rechtsverhältnis zwischen der Übergeberin und den Beklagten bei Abschluß des Übergabsvertrags bekannt gewesen. Sie habe daher das „Wohnungsrecht“ der Beklagten, das „auf einer (gemischten) Schenkung samt tatsächlicher Übergabe“ beruhe, weiterhin zu akzeptieren.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige, und ließ die ordentliche Revision zu. In rechtlicher Hinsicht erwog es, daß eine Schenkung der streitverfangenen Wohnung an die Erstbeklagte durch Übergabe eines „physischen Hausanteils“ rechtlich unmöglich gewesen sei. Die nichtige Wohnungsschenkung sei jedoch in die „Einräumung eines dinglichen Wohnungsrechtes“ umzudeuten, sei doch die Mutter der Erstbeklagten davon ausgegangen, daß die Beklagten „stets in der streitgegenständlichen Wohnung sollten wohnen können“. Auch die Beklagten hätten darauf vertraut, daß „ihnen die Wohnung geschenkt worden sei“. Wäre der Übergeberin und der Erstbeklagten die Unmöglichkeit der Schenkung eines physischen Hausanteils bekannt gewesen, hätten sie - nach ihrem hypothetischen Parteiwillen - die Begründung der Dienstbarkeit der Wohnung gewollt. Auch eine solche könne Gegenstand einer Schenkung sein. Diese Wohnungsdienstbarkeit sei für die Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrags jedenfalls offenkundig gewesen. Die Klägerin könne sich daher - unter Zugrundelegung der Gründe der Entscheidung 1 Ob 587/95 - nicht auf einen gutgläubigen lastenfreien Eigentumserwerb im Vertrauen auf den Grundbuchsstand gemäß § 1500 ABGB berufen. Für die Offenkundigkeit der nicht verbücherten Wohnungsdienstbarkeit spreche, daß die Klägerin über die Aus- bzw. Umbauarbeiten in der Wohnung der Beklagten Bescheid gewußt, von der Verpfändung der Liegenschaft für die Schuld der Beklagten vor Abschluß des Übergabsvertrags erfahren und noch bei der Besprechung am Vortag des Vertragsabschlusses die Erklärung der Erstbeklagten mitangehört habe, daß die Wohnung dieser geschenkt worden sei. Wenn sich die Klägerin bei dieser Sachlage mit allfälligen beruhigenden Erklärungen der sich im fortgeschrittenen Alter befindlichen Übergeberin begnügt haben sollte, ohne bei den Beklagten nähere Erkundigungen eingeholt zu haben, sei jener zumindest leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die Klägerin müsse daher das dingliche Wohnrecht gegen sich gelten lassen. Soweit die Dienstbarkeit der Wohnung nur der Erstbeklagten zustehen sollte, sei allerdings auch der Räumungsklage gegen den Zweitbeklagten ein Erfolg zu versagen gewesen, weil dieser das Recht auf Wohnungsbenützung von der Dienstbarkeitsberechtigten als seiner Ehegattin ableiten könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die Klägerin unterstellt, indem sie sich auf den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit beruft, eine Tatsachenfeststellung der Vorinstanzen, wonach die Mutter der Erstbeklagten davon ausgegangen sei, daß diese „stets in der gegenständlichen Wohnung wohnen können sollte“. Dabei wird zum einen übersehen, daß sich die in der Revision angesprochene Feststellung nicht allein auf die Erstbeklagte, sondern auf „die Beklagten“ bezieht, zum anderen läge eine Aktenwidrigkeit selbst dann nicht vor, wenn man die Rüge der Rechtsmittelwerberin auf die von den Vorinstanzen tatsächlich getroffene Feststellung bezöge. Weiters macht die Klägerin die „Feststellung“, ihr sei „das den Beklagten eingeräumte dingliche Wohnrecht bekannt gewesen“ unzutreffend als Aktenwidrigkeit im Sinne des § 503 Z 3 ZPO geltend (§ 510 Abs 3 ZPO). Darauf wird bei Behandlung der Rechtsrüge zurückzukommen sein.

Die Klägerin bestreitet nicht, daß auch das in § 521 ABGB geregelte Recht der Dienstbarkeit der Wohnung an sich Gegenstand einer Schenkung sein kann. Die „Schenkung eines Wohnungsrechts“ sei hier jedoch niemals erfolgt. Der Versuch des Berufungsgerichts, die von den Beklagten behauptete, aber ungültige „Schenkung der Wohnung“ in ein rechtswirksames dingliches Wohnungsrecht umzudeuten, müsse scheitern. Selbst bei Bejahung einer derartigen Schenkung sei allerdings das Eigentumsrecht der Klägerin unbelastet, weil diese von einem solchen Rechtsgeschäft weder Kenntnis gehabt habe noch hätte haben müssen. Allein aus dem Wohnungsgebrauch könne nämlich noch nicht auf eine Wohnungsdienstbarkeit geschlossen werden. Eine solche Dienstbarkeit hätten die Beklagten auch nie behauptet. Die Beklagten benützten die streitverfangene Wohnung daher jedenfalls titellos.

Dem ist nicht zu folgen.

Der erkennende Senat sprach in 1 Ob 587/95 (SZ 68/194 = JBl 1996,458 = ecolex 1996, 96 = JUS Z 2045 = ÖJZ-LSK 1996/72 und 73), wie das Berufungsgericht zutreffend darlegte, aus, daß sich die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, eine Wohnungsdienstbarkeit könne - unabhängig von den Umständen des Einzelfalls - niemals offenkundig sein, in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrechterhalten lasse. Die Offenkundigkeit einer Wohnungsdienstbarkeit sei daher - entsprechend den von der Rechtsprechung bei der Grunddienstbarkeit herausgebildeten Kriterien - ebenso nach den Umständen des Einzelfalls, somit danach zu beurteilen, ob bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmbar (gewesen) seien, die das Bestehen oder die Erweiterung einer Dienstbarkeit vermuten ließen.

Dagegen hielt der 7.Senat in der wenig später ergangenen Entscheidung 7 Ob 603/94 (WoBl 1996, 242) an der in 1 Ob 587/95 abgelehnten Ansicht fest, „persönliche Dienstbarkeiten“ könnten niemals offenkundig sein, weil „zB eine Wohnungsbenützung den Rechtstitel nicht erkennen“ lasse. Die zitierte Entscheidung des erkennenden Senats blieb unerörtert. Fraglich ist überdies, ob das Thema der Offenkundigkeit eines dinglichen Wohnrechts in 7 Ob 603/94 überhaupt entscheidungswesentlich war, stand doch dort fest, daß „eine grundbücherliche Sicherstellung“ des später streitverfangenen Rechts „ausdrücklich nicht vereinbart“ wurde.

Auch der 8.Senat stellte die bisherige Rechtsprechung zur Frage der Offenkundigkeit einer persönlichen Dienstbarkeit in 8 Ob 2024/96x (NZ 1996, 302) ohne Bezugnahme auf die Entscheidung 1 Ob 587/95 dar, mußte jedoch in diesem Punkt wegen der Besonderheiten des entschiedenen Einzelfalls, dessen Sachverhalt aufgrund der streitentscheidenden Vereinbarung jenem in 7 Ob 603/94 ähnlich war, nicht Stellung nehmen.

An der in 1 Ob 587/95 ausgesprochenen Rechtsansicht über die je nach den Umständen des Einzelfalls mögliche Offenkundigkeit der Dienstbarkeit der Wohnung ist festzuhalten. In derselben Entscheidung wurde jedoch unter Berufung auf zahlreiche Belegstellen auch dargestellt, daß ein Liegenschaftserwerber - nach herrschender Ansicht - nur dann des Schutzes des § 1500 ABGB teilhaftig wird, wenn diesem sowohl im Zeitpunkt des Erwerbs als auch in jenem der Antragstellung auf Einverleibung seines Eigentumsrechts eine allenfalls vom Grundbuchsstand abweichende Sachlage unbekannt war. Der Erwerber wird jedoch nicht geschützt, wenn seine irrige Vorstellung über den Umfang eines fremden Rechts auf Fahrlässigkeit beruht. Für einen Schuldvorwurf genügt bereits die Kenntnis einer nicht völlig geklärten Rechtslage; die Gutgläubigkeit wird schon durch leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen, wobei die Sorgfaltsanforderungen nur nicht überspannt werden dürfen.

Diese Grundsätze führen hier zu folgender Lösung:

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hatte die seinerzeitige Liegenschaftseigentümerin erklärt, der Erstbeklagten die bereits in deren Gebrauch stehende Wohnung im ersten Stock des Hauses zu schenken. Sie wollte damit erreichen, daß die „Beklagten jedenfalls stets in dieser Wohnung sollten wohnen können“. Letztere investierten im Vertrauen auf diese „Schenkung“ nicht unerhebliche Beträge in den Aus- und Umbau der Wohnung. Die Kreditfinanzierung dieser Arbeiten wurde durch eine Höchstbetragshypothek auf der Liegenschaft sichergestellt. Von den Investitionen und der Hypothek wußte die Klägerin jedenfalls bereits vor Abschluß des Übergabsvertrags. Einen Tag vor Vertragsschluß hatte die Erstbeklagte - auch in Gegenwart der Klägerin - aber auch noch ausdrücklich erklärt, sie habe ihre Wohnung „geschenkt“ erhalten. Obgleich demnach die Parteien des am 26.April 1995 geschlossenen Übergabsvertrags „das anstehende Problem mit den Beklagten erkannt“ hatten, wurde in dieser Hinsicht dennoch keine Regelung getroffen. Es unterblieb auch eine weitere Rücksprache mit den Beklagten.

Die Klägerin war danach bereits bei Abschluß des Übergabsvertrags jedenfalls in Kenntnis einer nicht völlig geklärten Rechtslage. Sie durfte daher - ohne daß dabei die an sie zustellenden Sorgfaltsanforderungen überspannt wurden - nicht annehmen, die Beklagten benützten die Wohnung im ersten Stock des Hauses titellos. Für sie mußte vielmehr - gerade aufgrund einer laienhaften Vorstellung von der bestehenden Rechtslage - ein nicht verbüchertes dingliches Recht der Erstbeklagten an deren Wohnung nahe liegen, hatte doch letztere ausdrücklich eine Wohnungsschenkung behauptet. Die Klägerin durfte überdies - im Widerspruch zur allgemeinen Lebenserfahrung - auch nicht vermuten, die Beklagten hätten als titellose Benützer ihrer Ehewohnung erhebliche Beträge in deren Sanierung investiert, um diese nach einem möglichen Wechsel des Liegenschaftseigentümers auf dessen Verlangen allenfalls jederzeit räumen zu müssen und sich dann Streitigkeiten über die Ablöse ihrer Investitionen auszusetzen.

Da die Erstbeklagte und deren Mutter anläßlich der über die Wohnungsschenkung getroffenen Vereinbarung offenbar nicht bedachten, daß die Neubegründung von Eigentum an bestimmten physischen Teilen eines Hauses (Stockwerkseigentum) rechtlich unmöglich ist (Koziol/Welser, Grundriß II10 51 mwN), die übereinstimmende Parteiabsicht jedoch auf die Begründung eines dinglichen Rechts an der streitverfangenen Wohnung abzielte, ist der Geschäftswille der Vertragspartner im Sinne des § 914 ABGB durch ergänzende Vertragsauslegung nach der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln. Dabei ist aufgrund des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (EvBl 1993/78 = RdW 1993, 210; RdW 1993, 303; JBl 1990, 105; SZ 57/71 ua; Koziol/Welser aaO I10 92; Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 11 f je mwN). Der von den Vertragspartnern in Abwägung aller wesentlichen Tatumstände angestrebte Zweck war aber, das Wohnrecht der Erstbeklagten und - von dieser abgeleitet - das ihres Ehemanns auch für den Fall eines Wechsels in der Person des Liegenschaftseigentümers nicht zuletzt auch deshalb dauernd zu sichern, um den Ehegatten dadurch Investitionen in die Wohnungssanierung ohne die Befürchtung einer allfälligen künftigen Vermögenseinbuße zu ermöglichen. Der Verwirklichung dieses Parteiwillens kommt aber, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausführte, die Einräumung der Dienstbarkeit der Wohnung an die Erstbeklagte gemäß § 521 ABGB am nächsten.

Solche Erwägungen wären auch für die Klägerin nahegelegen, wenn sie - abgesehen von den ihr bereits vor Abschluß des Übergabsvertrags bekannten Tatsachen - die Erstbeklagte und deren Mutter noch näher darüber befragt hätte, nachdem jene die Übertragung des Eigentums an der Wohnung im ersten Stock des Hauses ausdrücklich behauptet hatte. Nach den Umständen dieses Einzelfalls waren für die Klägerin noch vor Abschluß des Übergabsvertrags Einrichtungen und Vorgänge wahrnehmbar, die das Bestehen eines dinglichen Wohnrechts nahelegten. Die Klägerin genießt folglich nicht den Schutz des § 1500 ABGB und muß somit die - nach den oben erörterten rechtlichen Kriterien - offenkundige Dienstbarkeit gegen sich gelten lassen. Eine titellose Benützung der streitverfangenen Wohnung durch die Beklagten ist demnach zu verneinen. Dabei ist hervorzuheben, daß dem Zweitbeklagten jedenfalls ein von der Erstbeklagten als seiner Ehefrau abgeleitetes familienrechtliches Benützungsrecht zukommt. Das Räumungsbegehren konnte also schon mangels Beweises der Klagebehauptung (titellose Benützung durch die Beklagten) nicht erfolgreich sein.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf die Bestimmungen der §§ 41 und 50 ZPO. Als Kostenbemessungsgrundlage für die Revisionsbeantwortung war ein Betrag von 12.000 S heranzuziehen.

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