OGH 8ObA2359/96m

OGH8ObA2359/96m13.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter OSR Dr.Weinke (Arbeitgeber) und Mag.Retzer (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Annemarie W*****, Arbeiterin, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Pitschmann und Dr.Rainer Santner, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei F***** F***** Gesellschaft mbH in Liquidation, ***** vertreten durch Dr.Andreas Oberbichler und Dr.Michael Kramer, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen S 89.810,-- netto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.September 1996, GZ 15 Ra 101/96-25, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 19.Juni 1995, GZ 35 Cga 182/94z-16, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin war vom 1.9.1993 bis 28.4.1994 für die beklagte Partei als Verkaufsmitarbeiterin für den Vertrieb von Mitgliedschaften in Ferienclubs tätig. Als Entgelt sollte sie nach Maßgabe der Kundenzahlungen nur Provisionen erhalten. Die beklagte Partei hatte zur Ausübung dieser Tätigkeit in einem Haus in L***** Büroräume eingerichtet. Die beklagte Partei war bestrebt, kein arbeitsvertragliches Entgelt mit Lohnnebenkosten zu entrichten. Zur Abwicklung der Geschäftstätigkeit benötigte sie Vertriebsmitarbeiter, die die Interessenten mit den Clubmitgliedschaften vertraut machten und auf Abschlüsse hinwirkten. Die Beklagte schaltete im Jahr 1993 in den Vorarlberger Nachrichten Inserate ein, in denen sie die Tätigkeit eines Beraters/einer Beraterin im Innendienst mit Fixum zuzüglich Provision anbot. Neben anderen Bewerbern und Bewerberinnen stellte sich Ende August 1993 die Klägerin bei der Beklagten vor. Sie führte mit Manfred S*****, der bei der Umsetzung der konkreten Vertriebsstruktur die treibende Kraft gewesen ist, ein Vorstellungsgespräch im Büro der Beklagten in L*****. Nachdem sich die Klägerin an der Tätigkeit interessiert gezeigt hatte, nahm sie bei S***** und weiteren Konsulenten zunächst an mehrtägigen seminarartigen Informationsveranstaltungen teil. Dabei wurde mit der Klägerin und den anderen Vertriebsmitarbeitern die Verkaufsstrategie behandelt. Es lag damals ein von der Beklagten zur Verfügung gestellter Leitfaden zum Erfolg auf. Es wurden ferner Verhaltensabläufe trainiert und es wurde besprochen, welche Art von Kleidung die zukünftigen Mitarbeiter als verkaufshemmend nicht tragen mögen und welches Auftreten seitens der Beklagten gewünscht werde.

Nach der etwa eine Woche dauernden Einschulungsphase (die Veranstaltungen fanden zumeist von 10.00 Uhr vormittags bis zum späten Nachmittag statt) und nachdem die Klägerin ihre effektive Tätigkeit bei der Beklagten bereits einige Zeit ausgeübt hatte, unterfertigte sie einen Mustervertrag, der lautet wie folgt:

MA-Nr.:______

VERTRIEBSVEREINBARUNG

zwischen

F***** GmbH,

B*****,

im folgenden Gesellschaft genannt und

Vorname: Annemarie Name: W*****

Straße: H*****

Ort: *****

Tel.: ***** Geb.-Datum: *****

im folgenden VMA genannt.

1. Die Gesellschaft befaßt sich mit dem Vertrieb von Clubmitgliedschaften in Ferienclubs.

2. Diese Vereinbarung beginnt mit dem Datum der Unterzeichnung und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Sie ist jederzeit fristlos kündbar. Die Kündigung muß aber per eingeschriebenen Brief erfolgen.

3. Der VMA ist als selbständiger, freier Mitarbeiter tätig, wobei er sich nach dem Unternehmensziel zu richten hat.

4. Der VMA ist verpflichtet, seine Arbeit persönlich und gewissenhaft auszuführen.

5. Der VMA ist nicht zum Inkasso berechtigt und darf das Unternehmen nicht rechtsgeschäftlich vertreten.

6. Der VMA ist als Vermittler ausschließlich für das Unternehmen tätig. Er bedarf zu weiteren Tätigkeiten, insbesondere zum Vertrieb von gleichen oder gleichartigen Produkten sowie zu einer Tätigkeit gegen Entgelt für Dritte, der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Unternehmens.

Der VMA verpflichtet sich, während der Vertragszeit für kein Unternehmen irgendeine Tätigkeit zu übernehmen und Vermittlungen durchzuführen oder sich an einem Unternehmen irgendwie mittelbar oder unmittelbar zu beteiligen, selbst zu betreiben bzw entgeltlich oder unentgeltlich zu fördern, das als Konkurrenz zur Tätigkeit des Unternehmens angesprochen werden könnte. Dieses Wettbewerbsverbot gilt für die gesamte Republik Österreich bzw für das Land, wo der VMA seinen festen Wohnsitz hat.

7. Der VMA erhält Provisionen i.H. v. 6 Prozent vom bezahlten Kaufpreis des Kunden (inkl 20 % MWSt).

8. Die Provision ist zur Zahlung fällig, sobald das Unternehmen seine Gesamtprovision, aus der sich der Anteil des Vermittlers errechnet, in voller Höhe erhalten hat.

9. Vermittlungen, die das Unternehmen, egal aus welchem Grund ablehnt, sind nicht provisionspflichtig. Der Provisionsanspruch entfällt auch, wenn feststeht, daß der Kunde nur teilweise leistet.

10. Es ist dem VMA untersagt, Mitarbeiter der Gesellschaft für sich oder andere abzuwerben. Der VMA verpflichtet sich, jeden direkten oder indirekten Versuch einer solchen Abwerbung zu unterlassen.

11. Der VMA hat sämtliche internen Angelegenheiten des Unternehmens geheimzuhalten. Er ist zur Geheimhaltung sämtlicher geschäftlicher Vorkommnisse und Verhältnisse gegen jedermann verpflichtet. Dritten darf in interne Unterlagen des Unternehmens kein Einblick gewährt werden. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die dem VMA bekanntgeworden sind, müssen auch gegenüber Mitarbeitern des Unternehmens, soweit sie nicht zur Entgegennahme solcher Mitteilungen befugt sind, geheim gehalten werden. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung von internen Angelegenheiten gilt auch nach Beendigung der Vertriebsvereinbarung.

12. Es ist dem VMA ausdrücklich untersagt, ohne vorherige Zustimmung des Unternehmens gesellschafts- und branchenbezogene öffentliche Erklärungen, insbesondere Pressemeldungen, abzugeben.

Es ist dem VMA ausdrücklich untersagt, ohne Absprache mit dem Unternehmen Werbung zu machen. Schriftstücke jeder Art, insbesondere Berechnungen, Aufzeichnungen, Drucksachen, Schulungsunterlagen, Manuskripte, bleiben ohne Rücksicht auf die Urheberschaft oder Person des Verfassers Eigentum des Unternehmens. Gleiches gilt für das gesamte sonstige Material des Unternehmens.

Nach Beendigung der Vertriebsvereinbarung hat der VMA auch ohne gesonderte Aufforderung etwa vorhandenes Material sowie alle dem Vermittler anvertrauten Geschäftspapiere oder sonstige Gegenstände unverzüglich zurückzustellen.

13. Der VMA verpflichtet sich für den FAll der Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen der Vereinbarung, eine Verwaltungsstrafe iHv öS 35.000,-- an die Gesellschaft zu bezahlen. Die vereinbarte Vertragsstrafe kommt kumulativ zur Anwendung, wenn der VMA gegen mehrere Bestimmungen verstößt.

14. Abtretungen und Verpfändungen von Provisionen aus Ansprüchen des VMA bedürfen der Zustimmung des Unternehmens. Ein Zurückhaltungs- oder Aufrechnungsrecht steht dem Unternehmen zu.

15. Alle diesen Vertrag betreffenden Vereinbarungen müssen schriftlich erfolgen. Mündliche Nebenabreden sind nicht getroffen worden. Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung, aus welchem Rechtsgrund auch immer, rechtsunwirksam sein oder rechtsunwirksam werden, wird hiervon die Rechtsgültigkeit der übrigen vertraglichen Vereinbarungen nicht berührt und außer Streit gestellt. Die Vertragschließenden verpflichten sich, eine etwa unwirksame Regelung durch eine Vereinbarung zu ersetzen, die der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt.

Ansprüche aus dieser Vertriebsvereinbarung sind innerhalb von drei Monaten nach Auflösung, bei sonstigem Verfall, beim Unternehmen schriftlich geltend zu machen. Der VMA erklärt ausdrücklich, daß er in dieser Regelung keine unbillige Erschwerung der Anspruchstellung erblickt.

16. Als Gerichtsstand gilt für beide Teile (VMA und Unternehmen) der Ortssitz des Unternehmens als vereinbart.

B*****, den 10.Januar 1996

F***** GMBH

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(F***** GmbH) (Vertriebsmitarbeiter)"

Einige Zeit vor Unterfertigung dieser Vereinbarung hatte die Klägerin ein im wesentlichen inhaltsgleiches Schriftstück unterschrieben gehabt, das um die Jahreswende 1993/94 von der Beklagten ohne nähere Begründung eingezogen wurde. Über die Unterworfenheit hinsichtlich irgendeines Kollektivvertrages wurde zwischen den Parteien weder etwas besprochen noch etwas schriftlich festgehalten.

Jeder Mitarbeiter bekam von der Beklagten eine sogenannte "Pitchmappe", die als Verkaufsstrategie einzupauken war. Für die Einschulung waren neben dem Zuegen Manfred S***** noch weitere Personen seines Vertrauens tätig. Man legte Wert auf seriöse Kleidung und gute Umgangsformen bei den Gesprächen mit den Interessenten. Bei der Vertriebsschulung wurden die einzelnen Mitarbeiter nach den Anweisungen dieser Personen an den acht in den Büros aufgestellten Verkaufstischen gereiht. Entsprechend der Reihung hatten sich die Vertriebsmitarbeiter sodann bei der Schulung, insbesondere bei den Rollenspielen hinzusetzen. Die Vorgenannten und nicht die Vertriebsmitarbeiter bestimmten inhaltlich die Gestaltung der Schulung.

Die Beklagte ließ vor allem in Deutschland Interessenten der Clubmitgliedschaften durch sogenanntes Telemarketing anwerben. Die Vertriebsmitarbeiter hatten die Aufgabe, die Interessenten im Büro in L***** zu empfangen, ihnen einen Drink anzubieten und sie zunächst zu unterhalten. Manfred und Gerald S*****, teilweise auch der Geschäftsführer Roland M*****, wiesen die Interessenten (jeweils ein zusammengehörendes Paar) den einzelnen Vertriebsmitarbeitern zu. Die Vertriebsmitarbeiter mußten an jedes Interessentenpaar einen Gutschein über eine Woche Ferienaufenthalt ausfolgen. Grundsätzlich waren die Vertriebsmitarbeiter befugt, Bewerbungen bei Nicht-Telemarketing-Kunden vorzunehmen. Die finanziellen Konditionen bestimmten ausschließlich die Direktoren der Beklagten; als solche wurden Manfred und Gerald S***** und Wolfgang Ö***** und der Geschäftsführer Roland M***** bezeichnet.

Mit dem Zuhalten der Kaufverträge und der Überwachung der Zahlungseingänge hatten die einzelnen Vertriebsmitarbeiter nichts zu tun. Wenn überhaupt, erhielten sie die vereinbarten Provisionszahlungen bzw Anzahlungen direkt von der Beklagten bar ausbezahlt. Sie hätten bezüglich der Zahlungseingänge der Kunden beim Treuhänder, dem in Deutschland ansässigen Rechtsanwalt Reiner P***** Überprüfungen anstellen können (auch bezüglich allfälliger Stornierungen). Die Klägerin führte keine solchen Überprüfungen durch; sie waren ihr zu beschwerlich, weil es des öfteren hieß, P***** sei nicht erreichbar. Eine Provisionsverrechnung hat die Klägerin nie bekommen. Die Klägerin wie die anderen Vertriebsmitarbeiter auch mußten die Arbeiten für die Beklagte selbst verrichten und hätten von sich aus nicht irgendeine Ersatzperson hinschicken dürfen. Die Klägerin hatte wie auch die anderen Mitarbeiter Reinigungs- und Bewirtschaftungsdienste in den Büros vorzunehmen. Wenn sie dazu eingeteilt war, mußte sie zunächst ab 10.00 Uhr vormittags etwa 2 Stunden diese Arbeiten verrichten. Auch zu einer gründlichen Büroreinigung wurde die Klägerin eingeteilt und wirkte auch tatsächlich daran mit.

Von der Klägerin und den anderen Vertriebsmitarbeitern wurde nicht verlangt, daß sie an jedem Verkaufstag in den Büros anwesend sein müssen, wenn die Telemarketing-Interessenten kamen. Es gab keine Sanktionen, wenn der eine oder andere Vertriebsmitarbeiter zu den Verkaufsgesprächen nicht erschien. Seitens der Direktoren wurde aber erwartet, daß jeweils etwa 6 bis 8 Vertriebsmitarbeiter kommen, um die Verkaufsgespräche ordnungsgemäß abzuwickeln. Falls zu viele Interessenten erschienen und die tatsächlich anwesenden Vertriebsmitarbeiter überlastet waren, sprang gelegentlich auch einer der Direktoren ein. Die Vertriebsmitarbeiter arbeiteten ausschließlich mit den der Beklagten zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln. Tätigkeiten in derselben oder in einer gleichartigen Branche durften sie nicht verrichten.

Am 16.4.1994 löste Manfred S***** das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten mit sofortiger Wirkung auf. Dies begründete er damit, daß sich die Klägerin mit weiteren Mitarbeitern zusammengetan habe, um ein Konkurrenzunternehmen zu gründen.

Ein Fixum erhielt die Klägerin von der Beklagten nie. Die Tätigkeit bei der Beklagten verrichtete sie ausschließlich zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes. Sie war nicht bei der Sozialversicherung gemeldet. Lohnsteuer wurde von den Einkünften der Klägerin seitens der Beklagten nicht an das Finanzamt abgeführt, was auch nicht vereinbart war.

Die Beklagte hat stets versucht, bei den Käufern der Clubmitgliedschaften die vereinbarten Geldleistungen zu erlangen und vermeidbare Stornos nicht auf sich zu nehmen.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von S 89.810,-- netto samt 4 % Zinsen seit 27.4.1994 mit dem Vorbringen, sie habe mit Kunden der beklagten Partei Verträge über DM 360.500,-- abgeschlossen, wovon ihr 6 % Provision, also DM 21.630,-- gebühre. Das entspreche - umgerechnet im Verhältnis 1:7 - öS 151.410,--. Abzüglich der erhaltenen Zahlungen von S 61.600,-- stehe ihr der Klagsbetrag zu. Das Vertragsverhältnis der Klägerin sei als Arbeitsverhältnis eines Angestellten zu beurteilen. Je nach Anwendbarkeit des Kollektivvertrages für Handelsangestellte oder des Kollektivvertrages für Angestellte der Reisebüros Österreichs stehe ihr hilfsweise ein Anspruch für Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung von S 63.724,-- (im Vergleich zum Kollektivvertrag für Handelsangestellte) oder von S 46.920,-- (im Vergleich zum Kollektivvertrag für Angestellte der Reisebüros Österreichs) zu.

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, die Klägerin sei als selbständige freie Mitarbeiterin tätig gewesen, es habe unter anderem keine Pflicht zur Anwesenheit bzw zur Einhaltung einer Arbeitszeit bestanden. Die Klägerin sei auch nicht wirtschaftlich abhängig gewesen, denn sie habe gleichzeitig auch bei Mc Donald's gearbeitet. Aufrechnungsweise werde sogar eine Überzahlung von S 1.860,-- aus der Gegenüberstellung der Provisionsansprüche gegenüber Zahlungen (unter anderem von Spif-Zahlungen) und Vorschüssen eingewendet.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Nettobetrag von S 37.380,-- samt 4 % Zinsen seit 27.4.1994 statt und wies das Mehrbegehren von S 52.502,-- sA ab, wobei es von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen ausging. Die Klägerin habe von Montag bis Samstag von 14.00 bis 20.00 Uhr, öfters auch bis gegen 24.00 Uhr im Büro der beklagten Partei im Durchschnitt 174 Stunden monatlich gearbeitet (dies entspreche ungefähr einer 40 Stunden-Woche). In den Monaten September und Oktober 1993 arbeitete sie nur etwa die Hälfte dieser Zeit, weil sie 24 Stunden im Gastgewerbe arbeitete. Im November 1973 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Die Vertriebsmitarbeiter konnten nur selbst entscheiden, ob sie zu den Verkaufsgesprächen kommen, nicht aber zu welchen Zeiten; sie mußten sich an die von den Direktoren der beklagten Partei den Interessenten vorgegebenen Termine halten. Die Klägerin erhielt während der Zeit ihrer Tätigkeit für die beklagte Partei S 61.600,-- zusätzlich sogenannte Spif-Zahlungen von S 3.300,--.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis zustandegekommen sei, wofür sich der Entgeltanspruch der Klägerin nach dem Kollektivvertrag für Angestellte der Reisebüros bestimme, weshalb ihr ein restlicher Entgeltanspruch von S 37.308,-- zustehe (siehe Berechnung S 22 des Urteils = AS 245).

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Streitteile Folge; es hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzungen an das Erstgericht; weiters erklärte es den Rekurs für zulässig.

Es fehlten Feststellungen über den Umsatz der Klägerin und ihrer sich daraus ergebenden Provisionsansprüche, wobei die Gegenforderung der beklagten Partei bei den erforderlichen Ergänzungen zu berücksichtigen sein werden, ebenso die Frage der Anrechnung der sogenannten Spif-Zahlungen. Die in der Berufung der beklagten Partei gerügten Feststellungen könnten hinsichtlich ihrer Richtigkeit auf sich beruhen, aufgrund der Feststellungen sei nicht von einem Arbeitsverhältnis der Klägerin, sondern (bestenfalls) von einem freien Arbeitsverhältnis auszugehen. Das Vertragsverhältnis der Klägerin sei mangels einer Arbeitsverpflichtung und einer disziplinären Verantwortlichkeit hiefür lediglich als freier Arbeitsvertrag zu beurteilen, weshalb nicht das kollektivvertraglich Mindestentgelt für den Anspruch der Klägerin maßgeblich sei, sondern nur die zwischen den Parteien bestehende Vertriebsvereinbarung. Der Rekurs sei zur erheblichen Rechtsfrage zulässig, ob auch bei Fehlen der Arbeitspflicht bei sonst gegebener Arbeitnehmereigenschaft die Ansprüche nach den zwingenden Bestimmungen eines Kollektivvertrages zu beurteilen seien.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dem Berufungsgericht die Verfahrensergänzung über die Berufung der Klägerin im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung aufzutragen.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Unter dem Rekursgrund der Mangelhaftigkeit wendet sich die Klägerin dagegen, daß das Berufungsgericht die erforderlichen Verfahrensergänzungen nicht selbst vorgenommen habe. In der Rechtsrüge wendet sich die Klägerin vornehmlich dagegen, daß keine Arbeitspflicht bestanden habe, aufgrund welcher sie als Arbeitnehmerin zu beurteilen gewesen wäre.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, daß der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten. Das Berufungsgericht ist verpflichtet, Ergänzungen eines mangelhaften Verfahrens selbst vorzunehmen, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen des § 496 Abs 3 ZPO vorliegen (SZ 58/59; Kodek-Rechberger ZPO Rz 6 zu § 496). Diese liegen hinsichtlich des Umfanges der erforderlichen Verfahrensergänzung, insbesondere zum Umfang der von der Klägerin vermittelten Vertragsabschlüsse vor; ebenso werden Ergänzungen zur Frage der Anwendbarkeit eines Kollektivvertrages bzw zur Eigenschaft der Klägerin als Arbeitnehmerin oder freie Arbeitnehmerin erforderlich seien.

Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge der beklagten Partei zum Teil als unerheblich erachtet (S 22 = AS 314), weil schon aufgrund der erstgerichtlichen Feststellungen nicht von einem Arbeitsverhältnis, sondern (bestenfalls) von einem freien Arbeitsverhältnis auszugehen sei.

Der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes umfaßt nur den Arbeitnehmer im engeren Sinn (vgl Strasser in Floretta-Strasser, Komm z ArbVG, 218 unter besonderen Hinweis auf die Verpflichtung zur Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit;

ähnlich Fitting ua BetrVG18, 200; Däubler ua BetrVG4, 417), dh unter

Ausschluß von freien Arbeitnehmern. Auf das freie Arbeitsverhältnis

sind die Regelungen des Arbeitsrechtes nicht unmittelbar anwendbar,

sondern lediglich im Wege der Analogie, nach Maßgabe der mehr oder

weniger ausgeprägten persönlichen Abhängigkeit (8 ObA 2150/96a mwN;

Strasser, Abhängiger Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag, Eine

Analyse des Kriteriums der persönlichen Abhängigkeit, DRdA 1992, 93

f; Martinek ua AngG7, 45 ff). Bei der im Sinne der Typologie

vorzunehmenden Gesamtwürdigung der einzelnen Merkmale, die für eine

ausgeprägtere oder weniger ausgeprägte persönliche Abhängigkeit

sprechen (vgl den Überblick bei Strasser aaO, 95 f) darf nicht - wie

in der Berufungsentscheidung - ein Merkmal herausgegriffen werden,

das alle anderen Merkmale "beseitigt" (gemeint wohl im Vergleich zu

diesen überwiegt). Die Arbeitspflicht der Klägerin kann nämlich auch

im Sinne einer flexiblen Anwesenheitspflicht verstanden werden, insbesondere wenn die Erwartung der Direktoren der beklagten Partei, daß jeweils 6 bis 8 Verkaufsmitarbeiter zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Verkaufsgespräche anwesend sein sollten, berücksichtigt wird (S 13 des Urteils erster Instanz = AS 227).

Unvorgreiflich der ergänzenden Feststellungen über die Höhe des Provisionsentgeltes der Klägerin und der abschließenden, dh auch unter Berücksichtigung der Beweisrüge der beklagten Partei zu treffenden Feststellungen über die "persönliche Abhängigkeit", kommt es vornehmlich auf die praktische Handhabung des Vertragsverhältnisses an (vgl EvBl 1982/24, 72 = JBl 1982, 500 = SZ 54/75 = ZAS 1982/1, 10 [ablehnend Tomandl] = DRdA 1982/9, 191 [zust Strasser]; dazu Grillberger, Arbeitsrecht und Gerechtigkeit in FS Mayer-Maly, Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, 257 ff [259]). Sollte daher bei einer eher kleinen Gruppe von Verkaufsmitarbeitern, dh wenig mehr als 6 bis 8, deren Anwesenheit praktisch erwartet worden seien, so wird von einer gewichtigen persönlichen Abhängigkeit im Sinne einer Pflicht zur Anwesenheit auszugehen sein, eher als bei einer deutlich größeren Gruppe von Verkaufsmitarbeitern, bei denen möglicherweise nur mehr eine lockere Absprache unter den mehreren Verkaufsmitarbeitern ausgereicht haben könnte, um die Anwesenheit von 6 bis 8 Verkaufsmitarbeitern "erwartungsgemäß" zu gewährleisten.

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des zur ergänzenden Beweisverfahrens ist der Provisionsanspruch der Klägerin - unter Anrechnung der Vorschüsse und nach Klarstellung der gegebenen oder nicht gegebenen Anrechnungspflicht von "Spif-Zahlungen" - zu ermitteln; es wird sodann im Fall der gegebenen Angestellteneigenschaft der Klägerin allenfalls ein Günstigkeitsvergleich des Entgeltanspruches mit dem nach dem für die beklagte Partei anzuwendenden Kollektivvertrag - im Sinne des Eventualbegehrens der Klägerin - vorzunehmen sein. Sofern also nicht der Provisionsanspruch ohnedies die Ansprüche beider in Betracht kommender Kollektivverträge übersteigen sollte, wird der sich nach Maßgabe der organisatorischen Zuordnung der gewerblichen Tätigkeit

der beklagten Partei durch die Wirtschaftskammer (vgl JBl 1996, 672 =

DRdA 1996, 522 = infas 1996 A 118) "richtige", dh auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwendende Kollektivvertrag ergebende Entgeltanspruch zum Günstigkeitsvergleich heranzuziehen sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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