OGH 5Ob130/95

OGH5Ob130/9511.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Mag.Stefan E*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Markus Andreewitch und Dr.A.Nicholas Simon, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin Dr.Robert S***** Hoch- und Tiefbau GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 107.086,52 sA (§ 37 Abs 1 Z 5 MRG), infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25.Juli 1995, GZ 40 R 289/95-14, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 15. Februar 1995, GZ 7 Msch 66/94f-10, abgeändert wurde, folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß der Sachbeschluß erster Instanz wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Die Antragsgegnerin ist Mieterin des gesamten Dachbodens im Haus *****. Der Antragsteller ist Mieter eines Bestandobjektes in diesem Haus, das aus drei Zimmern, zwei Kabinetten, einem Vorraum, einem Bad, zwei WC, einem Verbindungsgang und einer Küche besteht. Zwischen August 1991 und Jänner 1993 wurde über Auftrag der Antragsgegnerin der Dachboden ausgebaut. Neue Wohneinheiten wurden geschaffen. Aufgrund dieser Ausbauarbeiten, in deren Verlauf auch der Dachstuhl geöffnet wurde, traten Schäden im Mietgegenstand des Antragstellers und im gesamten Haus auf. In den Räumen des Bestandobjektes des Antragstellers kam es an der Decke und an den Wänden zu Rißbildungen, die teilweise 3 bis 4 cm breit waren. Die Decke senkte sich. In der Folge kam es in drei Räumen des Bestandobjektes auch zu Wassereintritten. Böden und Wände waren durch eingetretenes Regenbzw Schmelzwasser durchfeuchtet, die Eingangstüre verzogen. Darüber hinaus zeigten sich Putzabhebungen, Verputzbrocken lösten sich. Bei Beginn der Ausbauarbeiten im Sommer 1991 war die Malerei in drei Räumen (dies entspricht etwa der Hälfte der ca 140 m2 großen Wohnung) etwa ein Jahr alt. Die Ausmalarbeiten in den restlichen Räumen waren etwa 2 bis 3 Jahre alt. Aufgrund der Ausbauarbeiten im Dachgeschoß kam es darüber hinaus noch zu weiteren Beeinträchtigungen, so stand etwa der Aufzug von August 1991 bis Abschluß der Ausbauarbeiten still. Die Wohnung des Antragstellers im vierten Stock war während dieser Zeit nur über die Stiege erreichbar. Es gab darüber hinaus eine große Lärm- und Staubbelästigung. Teile der Wohnung waren infolge mehrerer Wassereintritte, insbesondere auch im Kinderzimmer, nicht benützbar. Der entstandene Schaden ist - unter Berücksichtigung eines Abzuges "neu für alt" mit S 57.686,52 zu bewerten.

Das Erstgericht gab dem Antrag, den Antragsgegner zum Ersatz einer Entschädigung gemäß § 8 Abs 3 MRG von S 107.086,52 sA zu verpflichten, hinsichtlich dieses Teilbetrages von S 57.686,52 samt 4 % Zinsen seit 19.10.1993 statt und wies das Mehrbegehren - insoweit teilrechtskräftig - von S 49.400,-- sA ab.

Dabei ging es vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus; in rechtlicher Hinsicht führte es aus, der vorgenommene Dachbodenausbau sei als eine Maßnahme im Sinne des § 8 Abs 2 Z 2 MRG anzusehen (EvBl 1981/1, 18), wofür dem in seinen Rechten wesentlich beeinträchtigten Mieter eine angemessene Entschädigung gebühre. Nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG gebühre jedoch kein Ersatz für immateriellen Schaden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und änderte den Sachbeschluß dahin ab, daß es den Antrag zur Gänze abwies. Der Entschädigungsanspruch nach § 8 Abs 3 MRG beziehe sich auf Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten, die ein Mieter aufgrund der Bestimmung des § 8 Abs 2 MRG zu dulden habe. Danach habe er die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstandes unter anderem zuzulassen, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung von Veränderungen in einem anderen Mietgegenstand notwendig, zweckmäßig und bei billiger Abwägung aller Interessen auch zumutbar sei. Der Antragsteller habe nicht einmal behauptet, daß der von der Antragsgegnerin vorgenommene Dachbodenausbau eine vorübergehende Benützung und die Veränderung der von ihm gemieteten Wohnung erfordert hätte und die Schäden im Zusammenhang mit einer solchen Benützung und Veränderung entstanden wären. Er fühle sich nicht durch eine (vorübergehende) Benützung oder Veränderung seines Mietgegenstandes anläßlich der Durchführung der Arbeiten und eine hiedurch entstandene wesentliche Beeinträchtigung beschwert; es gehe nicht darum, daß er Eingriffe in seine Mietrechte wegen solcher Arbeiten nicht zulassen, sie nicht dulden wollte oder daß er einen Anspruch auf Entschädigung wegen wesentlich hiedurch entstandener Beeinträchtigungen behaupte. Schadenersatzansprüche als Folge mangelhafter Durchführung der Arbeiten seien nach den Regeln des allgemeinen Schadenersatzrechtes zu beurteilen und im (streitigen) Rechtsweg geltend zu machen (WoBl 1992/44). Der Antragsteller behaupte kein Verschulden der Antragsgegnerin und berufe sich ausdrücklich auf § 8 Abs 3 MRG, ohne daß aber die Voraussetzungen des § 8 Abs 2 MRG (Benützung oder Veränderung seiner Wohnung) vorlägen. Es gebe keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Gesetzgeber hätte über den Anwendungsbereich des § 8 Abs 2 MRG mit dieser Bestimmung generell einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch schaffen wollen, dessen alleinige Voraussetzung die Verursachung im Zusammenhang mit Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten wäre. Daß der Entschädigungsanspruch gemäß § 8 Abs 3 MRG auch den Ersatz von Schäden erfaßte, die im Zusammenhang mit Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten entstanden sind, bei denen ein Eingriff in das Mietrecht weder geplant noch erfolgt war, könne letztlich auch der Entscheidung MietSlg 39.253/20 nicht entnommen werden; andernfalls wäre die dortige Klage nicht absondern als ins außerstreitige Verfahren gehörig zurückzuweisen oder zu überweisen gewesen. Nicht die Frage des allenfalls auch vorhandenen Verschuldens bilde die Grenze zwischen Schadenersatzanspruch und Entschädigungsanspruch gemäß § 8 Abs 3 MRG, sondern vielmehr, ob die durchzuführenden Erhaltungs- und/oder Verbesserungsarbeiten planmäßig einen Eingriff in das Mietrecht (Benützung und Veränderung des Mietgegenstandes im weitesten Sinn) notwendig gemacht hätten. Besteht der "Eingriff in das Mietrecht" aus dem (von vornherein wohl nicht vorgesehenen) Schaden an sich, sei der Mieter weiterhin auf die Geltendmachung des verschuldensabhängigen Ersatzanspruches im streitigen Verfahren angewiesen. Mangels eines "Eingriffes in das Mietrecht" sei ein Ersatzanspruch nach § 8 Abs 3 MRG nicht gegeben. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Standpunkt des Obersten Gerichtshofes in der Frage der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gemäß § 8 Abs 3 MRG, soweit er in den beiden Entscheidungen zum Ausdruck komme, uneinheitlich erscheine.

Gegen diesen Sachbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluß dahin abzuändern, daß dem Rekurs nicht Folge gegeben (und daher der Sachbeschluß erster Instanz wiederhergestellt) werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist wegen der teilweise uneinheitlichen Entscheidungen (WoBl 1992/44, 57 mit zust Anm von Würth; JBl 1987, 726 = SZ60/51 = MietSlg 39.253/20 = WoBl 1988/69, 118) zulässig; er ist auch berechtigt.

Die Decke zwischen dem Bestandgegenstand des Antragstellers und dem für den Dachbodenausbau in Anspruch genommenen Bestandgegenstand des Antragsgegners hat eine Doppelfunktion; sie grenzt das Bestandobjekt des Antragstellers gegen den allgemeinen Teil des Hauses und den Boden (Estrich) des darüberliegenden Bestandgegenstandes ab. Der Eingriff des Antragsgegners auf diese Decke im Zuge der Ausbauarbeiten, den der Antragsteller grundsätzlich gemäß § 8 Abs 2 MRG zu dulden hat, hat sich nachteilig und schädigend auf den zum Bestandgegenstand des Antragstellers gehörenden Teil ausgewirkt, indem zahlreiche Schäden an den Innenflächen des Bestandgegenstandes aufgetreten sind. Durch diese nachteiligen Auswirkungen ist ein Eingriff, den der Antragsteller durch eine Unterlassungsklage nicht hätte abwehren können, und eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Rechtsposition erfolgt, wofür ihm eine angemessene Entschädigung im Sinne des § 8 Abs 3 MRG gebührt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits entschieden, daß auch Erhaltungs-, Verbesserungs- und Änderungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses zu einer Eingriffshaftung nach § 8 Abs 3 MRG führen können, wenn es dabei zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Bestandrechts eines Mieters kommt (WoBl 1993/169/112; 5 Ob 58/94). Im vorliegenden Fall wurde jedoch unmittelbar in den Bestandgegenstand des Antragstellers durch nachteilige Veränderungen eingegriffen. Würth stimmt in seiner Anmerkung WoBl 1992/44, 57 ausdrücklich der Ansicht zu, daß Beeinträchtigungen, die durch vom Mieter zu duldende Eingriffe in sein Mietrecht verursacht wurden, nach § 8 Abs 3 MRG zu entschädigen sind. Bei dem in § 8 Abs 3 MRG normierten Ersatzanspruch handelt es sich um einen dem § 364 a ABGB vergleichbaren Fall der Eingriffshaftung, für den Rechtswidrigkeit ebensowenig Haftungsvoraussetzung ist wie Verschulden des Schädigers (5 Ob 58/94 mwN; Krejci in Korinek/Krejci HB z MRG, 243 f). Einer Auseinandersetzung mit der Entscheidung SZ 60/51 zum Bestehen eines allfälligen Schadenersatzanspruches gegenüber dem Baumeister bedarf es hier nicht. Aus diesen Erwägungen ist daher eine wesentliche Beeinträchtigung des Antragstellers als Voraussetzung für eine Eingriffshaftung zu bejahen und spruchgemäß der einen solchen Ersatzanspruch bejahende Sachbeschluß der ersten Instanz wiederherzustellen.

Stichworte