OGH 15Os14/97

OGH15Os14/975.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.März 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Ebner, Dr.Rouschal und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Markus Eduard D***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 erster Fall SGG sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 22. März 1996, GZ 28 Vr 2622/95-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt I und II b des Urteilssatzes und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Beschlusses gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO; jedoch unter Aufrechterhaltung der Abweisung des Antrages auf Verhängung einer Wertersatzstrafe nach § 13 Abs 2 SGG) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die auf den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus Eduard D***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 erster Fall SGG (I), des Vergehens nach § 16 Abs 1 vierter und fünfter Fall SGG (II) sowie des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er

(zu I) im März und April 1995 in Linz, Salzburg und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge, und zwar mindestens 180 Stück Ecstasy-Tabletten "Stierkopf", durch Verkauf an zahlreiche, bisher unbekannte Personen in Verkehr gesetzt;

(zu II) außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen, und zwar

(a) von 1993 bis April 1995 regelmäßig ein bis zwei Gramm Haschisch wöchentlich;

(b) von 1994 bis April 1995 durchschnittlich wöchentlich vier Stück Ecstasy-Tabletten;

(zu III) am 1.Dezember 1995 in Linz fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei Flaschen Coca-Cola und zwei Packungen Tabak in unbekanntem Wert, mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz dem Karl S***** durch Aufbrechen eines Spindes weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte, der undifferenziert Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet hat, stellt in seiner Rechtsmittelschrift den - gleichfalls uneingeschränkten - Antrag, "das angefochtene Urteil aufzuheben"; sachbezogene Ausführungen finden sich jedoch nur zum Faktum I und II

b. Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde daher formell auch auf die übrigen Teile des Schuldspruchs erstreckt, war sie schon mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Hingegen erweist sich die vom Angeklagten in Ansehung des Schuldspruches zu Punkt I und II b aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde als berechtigt.

Die Mängelrüge vermißt mit Recht zu diesen Schuldspruchfakten eine tragfähige Begründung für die Feststellung, daß es sich bei den - von Roland B***** in Holland erworbenen, über weitere (abgesondert verfolgte) Mittelsmänner an den Angeklagten weitergegebenen und letztlich von ihm verkauften - 180 Stück Ecstasy-Tabletten "Stierkopf" "um stark wirkende Tabletten (125 mg) handelte, wobei 600 Stück dieser Tabletten eine Reinsubstanz von 75 Gramm Amphetamin haben, wobei für die 'große Menge' 10 Gramm Reinsubstanz Amphetamin gefordert werden" (US 5).

Wie der Beschwerdeführer zutreffend aufdeckt, findet sich im Akt, und zwar in der Zusammenfassung der Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz an die Staatsanwaltschaft Linz (9) als einziger Hinweis auf die Art und Qualität des verhandelten Suchtgiftes nachfolgende Mitteilung: "Angeführt wird, daß es sich laut B***** um 125 mg Tabletten handelte, weshalb bei 600 Stück eine Reinsubstanz von 75 Gramm erreicht wird. Für die große Menge werden 10 Gramm Reinsubstanz gefordert. Die große Menge dürfte somit weit überschritten worden sein. Eine Kopie eines KTZ-Gutachtens betreffend Ecstasy, wie es B***** zurückliegend von Holland nach Österreich schmuggelte bzw schmuggeln ließ, ist dem Akt beigeschlossen. Daraus geht eindeutig hervor, daß seine Angaben bezüglich des Höchstgehaltes stimmen dürften, zumal die von ihm geschmuggelten Ecstasy-Tabletten einen 35 %igen MDMA-Gehalt aufwiesen." Diese Anzeige wurde zwar in der Hauptverhandlung verlesen (181), jedoch liegt weder das genannte KTZ-Gutachten im Akt, noch wurde der - die Qualität der Tabletten beschreibende - Roland B***** im Verfahren als Zeuge vernommen, noch seine in einem anderen Verfahren abgelegte Aussage verlesen. Damit fehlt aber jegliche Beweisgrundlage, aus der sich die Urteilsannahmen über die Suchtgiftinhaltsstoffe der Ecstasy-Tabletten objektivieren lassen.

Bereits der aufgezeigte formale Begründungsmangel macht eine Verfahrenserneuerung (im bezeichneten Umfang) in erster Instanz unumgänglich, weshalb schon bei einer nichtöffentlichen Beratung das Urteil spruchgemäß zu beheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen war (§ 285 e StPO).

Angemerkt sei, daß im Verfahren gegen den gesondert verfolgten Jürgen A*****, der gleichfalls Tabletten von B***** erhalten hatte (15 Os 1/97 = 28 Vr 2623/95 des Landesgerichtes Linz), der dort gleichermaßen gegebene Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) nicht geltend gemacht worden war; ein amtswegiges Aufgreifen ist einem Rechtsmittelgericht gemäß § 290 Abs 1 StPO jedoch nur bei Vorliegen materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe (§ 281 Abs 1 Z 9 bis 11 StPO) möglich.

Im Hinblick auf das Verschlimmerungsverbot verbietet sich die Aufhebung des Beschlusses auf Abweisung des Antrages der Staatsanwaltschaft auf Verhängung einer Wertersatzstrafe nach § 13 Abs 2 SGG.

Im Falle eines neuerlichen Schuldspruches oder einer bloßen Straffestsetzung im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht zu berücksichtigen haben, daß zufolge des Verschlimmerungsverbotes erneut nur ein Absehen vom Widerruf der bedingten Nachsicht (ohne Verlängerung der Probezeit) gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO in Frage kommen kann. Der gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO gefaßte Beschluß mußte indes wegen seines untrennbaren Zusammenhanges mit dem Strafausspruch formell dennoch aufgehoben werden.

Durch die Teilaufhebung des Urteils (auch im Strafausspruch) ist der Berufung des Angeklagten der Boden entzogen.

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