OGH 3Ob48/97y

OGH3Ob48/97y26.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Matthäus B*****, vertreten durch Dr.Franz Gerald Hitzenbichler und Mag.Ludwig Vogl, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Veronika B*****, vertreten durch Dr.Heinz Paradeiser und Dr.Raimund Danner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 11.Dezember 1996, GZ 21 R 481/96y-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Abtenau vom 27.August 1996, GZ C 53/96 h-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Urteile werden im angefochtenen Umfang (Punkte 1 ba) und bb) des Ersturteils und Kostenentscheidungen) aufgehoben; die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Streitteilen haben am 18.10.1975 die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen zwei Kinder, und zwar der bereits selbsterhaltungsfähige Alexander, geboren am 22.9.1974, und die mj.Eva, geboren am 18.1.1982, für die der Kläger unterhaltspflichtig ist.

Der (nunmehrige) Kläger brachte am 22.11.1993 zu C 292/93 a des Erstgerichtes die Klage auf Scheidung dieser Ehe aus dem Verschulden der Beklagten ein; nach dem Klagsvorbringen ist die Ehe wegen des Verhaltens der Beklagten so tief zerrüttet, daß mit der Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr zu rechnen ist. Für den Fall des tatsächlichen Vorliegens einer geistigen Störung der Beklagten - wie sie von ihr im Scheidungsverfahren behauptet wurde - stützte der Kläger das Scheidungsbegehren in eventu auf § 50 EheG, weil dadurch die Ehe so tief zerrüttet sei, daß eine Wiederherstellung nicht mehr erwartet werden könne.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sollte die Scheidung gemäß § 50 EheG ausgesprochen werden, werde gemäß § 61 Abs 2 EheG der Antrag gestellt auszusprechen, daß den Kläger ein Verschulden trifft. Sollte die Scheidung nach § 49 EheG oder aufgrund sonstiger Verschuldenstatbestände ausgesprochen werden, werde die Feststellung des überwiegenden Verschuldens des Klägers beantragt. Das Verschulden des Klägers bestehe in ständigen Beschimpfungen, Demütigungen, Vernachlässigungen, Beziehungen zu anderen Frauen, Verschaffung von Vermögensvorteilen zum Nachteil der Beklagten (Verfälschung eines Anmeldeformulars betreffend Veranlassung der Änderung des Zulassungsbesitzers) und Lieblosigkeit.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 14.9.1994 stellten die Parteien außer Streit, daß sie seit Weihnachten im selben Haus getrennt wohnen, und zwar die Beklagte im ersten Stock, der Kläger in der Ferienwohnung im Erdgeschoß.

Die Parteien schlossen in dieser Tagsatzung einen Vergleich, wonach sich der Kläger zur Zahlung einstweiligen Unterhalts an die Beklagte in Höhe von monatlich S 6.500 verpflichtete, und zwar beginnend mit dem 1.8.1994, jeweils im vorhinein, spätestens zum 6.des jeweiligen Monats.

Aufgrund dieses Vergleichs bewilligte das Erstgericht mit Beschluß vom 7.2.1996, E 584/95a, der (nunmehrigen) Beklagten gegen den (nunmehrigen) Kläger zur Hereinbringung der Unterhaltsrückstände für die Zeit Jänner bis Oktober 1995 von insgesmt S 35.600 und zur Sicherung des künftig ab 6.11.1995 in Höhe von S 6.500 monatlich fällig werdenden Unterhalts die Forderungsexekution gemäß § 294 a EO.

Der Kläger begehrt das Urteil, der Anspruch der Beklagten aus diesem Vergleich sei erloschen. Seine Einwendungen für den Zeitraum ab August 1995 begründete der Kläger damit, die Beklagte unterhalte ein ehebrecherisches Verhältnis zu Anton L*****. So habe sie seit Sommer 1995 wöchentlich zwei- bis dreimal von etwa 21.00 Uhr bis 2.00 Uhr Anton L***** in seinen Wohnräumlichkeiten in A*****, K***** 54 aufgesucht und die Zeit dort mit ihm verbracht. Die Beklagte sei mit Anton L***** von Silvia Z***** "in flagranti ertappt" worden. Durch diese schwere Eheverfehlung, die der Beklagten auch vorwerfbar sei, sei der Unterhaltsanspruch verwirkt. Die Pflicht zur ehelichen Treue bestehe nämlich während der gesamten Dauer der Ehe und müsse daher von den Ehegatten auch noch während des anhängigen Scheidungsverfahrens beachtet werden. Auch wenn die Ehe schon einen gewissen Zerrüttungsgrad erreicht habe, sei die eheliche Treue noch einzuhalten. Der Kläger habe daher ab August 1995 seine Unterhaltszahlungen eingestellt.

Die Beklagte bestritt dieses eheberecherisches Verhältnis. Nach den Behauptungen des Klägers im Scheidungsverfahren sei die Ehe völlig zerrüttet; deswegen strebe er schließlich auch die Scheidung an. Wenn die Beklagte mit Anton L***** persönlich verkehre, stelle dies keine Eheverfehlung dar. Wenn der Kläger von der Beklagten verlange, diesen persönlichen Kontakt einzustellen, bedeute dies eine schwere Eheverfehlung seitens des Klägers; er versuche damit, die persönliche Bewegungsfreiheit seiner zwar noch nicht geschiedenen, aber immerhin von ihm getrennt lebenden Gattin derart einzuschränken, daß dies verfassungsgemäß gewährleisteten Rechten widersprechen würde.

Das Erstgericht erklärte in den nicht in Rechtskraft erwachsenen Punken 1 ba) und bb) den Anspruch, soweit zu dessen teilweiser Hereinbringung hinsichtlich des rückständigen Unterhalts für die Zeit vom August bis Oktober 1995 in Höhe von monatlich S 6.500 (zusammen S 19.500) und gänzlicher Hereinbringung hinsichtlich des laufenden Unterhalts ab November 1995 in Höhe von monatlich S 6.500 mit Beschluß des Bezirksgerichtes Abtenau vom 7.2.1996 zu E 584/95 die Forderungsexekution nach § 294 a EO bewilligt wurde, zur Gänze erloschen. Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Seit August 1995 unterhält die Beklagte eine ehewidrige Beziehung zu Anton L*****. So hat sie ihn in seiner Wohnung in A*****, K*****54, in der Zeit von August bis Ende November 1995 zwei- bis dreimal pro Woche aufgesucht, wobei sie sich dabei in einer Art und Weise unterhielten, wie dies bei Personen, die miteinander ein Verhältnis haben, üblich ist. Die Beklagte erhielt dabei auch einmal Blumen geschenkt.

Etwa im August 1995 kam es im Schlafzimmer dieser Wohnung zum Austausch von Intimitäten zwischen Anton L***** und der Beklagten, nachdem die Beklagte zuvor ihren Pullover, ihre schwarze Lack- bzw Lederhose sowie ihre Schuhe im unmittelbar daneben liegenden Wohnzimmer abgelegt hatte. Der Austausch von Zärtlichkeiten erreichte dabei eine Intensität, daß vom Wohnzimmer aus bei geschlossener Schlafzimmertüre gegen 23.00 Uhr Stöhnen zu vernehmen war. Ob es dabei zur Vollziehung des Beischlafes gekommen ist, konnte das Erstgericht nicht feststellen. In dieser Nacht verließ die Beklagte dann gegen 02.00 Uhr gemeinsam mit Anton L***** die Wohnung.

Die Beklagte war jedenfalls einmal im Herbst 1995 auch im Besitz eines Schlüssels zu dieser Wohnung, wo auch über den November 1995 hinaus weitere Zusammenkünfte der Beklagten und Anton L***** beobachtet wurden, und zwar am 30.12.1995 und am 3.1.1996.

Die beiden sind jedoch nicht nur in dieser Wohnung, sondern auch an anderen Orten zusammengetroffen:

Im Herbst 1995 besuchten sie gemeinsam mit Anton L***** jun. und dessen Verlobter Silvia Z***** die K*****bar in S*****.

Am 7.12.1995 kam es zu einem Zusammentreffen im Haus der mit ihnen befreundeten Gerlinde L***** in A*****, S***** 63.

Am 15.12.1995 suchten die beiden mit vier weiteren Personen das C*****-Restaurant in A***** auf.

Am 9.2.1996 kam es neuerlich zu einem Treffen bei Gerlinde L*****.

Am 7.3.1996 lenkte die Beklagten den PKW Honda, der auf ihre Mutter zugelassen ist, auf der L*****-Bundesstraße aus Richtung G***** kommend in Richtung A*****, wobei am Beifahrersitz Anton L***** mitfuhr. Die Beklagte ließ L***** dann in A***** auf Höhe des Gasthofes V***** aussteigen. Letzterer ist anschließend zu dem von der Bundesstraße aus nicht einsichtigen Parkplatz des C***** gegangen, um von dort sein Auto zu holen.

Am 13.4.1996 haben die beiden Genannten wiederum die K*****bar in S***** aufgesucht.

Am 5.5.1996 wurden sie gemeinsam in A*****, A*****, gesehen.

Am 8.6.1996 wartete Anton L***** mit seinem PKW Alfa Romeo im Bereich der L*****-Bundesstraße am V*****berg. Als er dort den auf einer Bank sitzenden Ehemann der Schwester des Klägers sowie dessen Sohn wahrnahm, fuhr er in Richtung V***** weg. Etwa 5-6 Minuten danach kam die Beklagte mit dem Fahrrad gefahren; sie ist dann ebenfalls in Richtung V***** weitergefahren.

Am 29.6.1996 kam es erneut zu einem Zusammentreffen im Haus der Gerlinde L*****.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, nach § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB habe der haushaltsführende Ehegatte auch nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Dabei habe ein allfälliger Rechtsmißbrauch den gänzlichen Verlust und nicht nur die Schmälerung des Unterhaltsanspruchs zur Folge. Bei der Beurteilung, ob ein Rechtsmißbrauch vorliege, sei immer auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen. Rechtsmißbrauch liege vor, wenn es aufgrund schwerwiegender, gegen die wichtigsten Grundsätze der Ehe verstoßender Eheverfehlungen, wie fortgesetzte empfindliche Verletzung der ehelichen Treue oder dergleichen, sittenwidrig wäre, einen Unterhaltsanspruch zu gewähren. In diesem Fall komme es ungeachtet eines bereits anhängigen Scheidungsverfahrens zur Unterhaltsverwirkung. Nach den getroffenen Feststellungen unterhalte die Beklagte fortgesetzt ehewidrige Beziehungen zu Anton L*****, wobei es im Zuge derselben auch zu sexuellen Handlungen gekommen sei. Ob die Beklagte dabei allerdings auch den ihr vom Kläger vorgeworfenen Ehebruch begangen habe, habe nicht geklärt werden können. Die Geltendmachung des Unterhalts durch die Beklagte erscheine jedoch im Hinblick auf die genannte ehewidrige Beziehung grob unbillig. Daß ihr diese wegen einer allfälligen psychischen Störung nicht als Verschulden vorzuwerfen wäre, sei nicht behauptet worden. Es sei daher davon auszugehen, daß die Beklagte durch die Aufnahme der außerehelichen Beziehung ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten sei somit ab August 1995 erloschen. Der Kläger habe zu Recht mit diesem Zeitpunkt die Unterhaltszahlungen eingestellt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine das vorliegende Verfahren an Bedeutung übersteigenden Rechtsfragen zu lösen gewesen seien. Das Berufungsgericht teilte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Zur Rechtsansicht der Beklagten, die Ehe der Streitteile sei bereits so tief zerrüttet, daß eine Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten sei und damit auch weitere Eheverfehlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten, führte das Berufungsgericht aus, es sei nicht zu erkennen, weshalb derartige Überlegungen auch auf § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB anzuwenden sein sollten. Hier gehe es nämlich nicht um eine Verschuldensaufteilung im Sinn der §§ 47 bis 49 EheG, sondern um die Frage, ob die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten grob unbillig erscheinen würde. Kriterium für die Wertung der groben Unbilligkeit sei der völlige Verlust oder eine dem nahekommende Verflüchtigung des Ehewillens. Dabei stellten Ehebruch und ein fortgesetztes sexuelles Liebesverhältnis ungeachtet eines bereits anhängigen Scheidungsverfahrens grundsätzlich eine so schwerwiegende Verletzung der ehelichen Verhaltenspflichten dar, daß der Unterhaltsanspruch des ehebrecherischen Ehegatten als verwirkt angesehen werden müsse (8 Ob 563/90). Auch das Landesgericht für ZRS Wien vertrete die Auffassung, daß fortgesetzte empfindliche Verletzung ehelicher Treue als Rechtsmißbrauch angesehen werden könne. Soweit in der Rechtsprechung ausgeführt worden sei, ein einmalig gebliebener Ehebruch im Zuge eines feucht-fröhlichen Abends stelle keinen Rechtsmißbrauch dar, sei dies hier nicht von Relevanz, gehe es doch nicht um eine einmalige Untreuehandlung, sondern um ein sich auch nach außen hin dokumentierendes Verhalten der Frau, aus dem die Aufgabe ihres Ehewillens sichtbar werde. Es dürfe dabei auch nicht völlig unberücksichtigt gelassen werden, daß es sich bei A***** um einen kleineren Ort handle, in dem jeder jeden kenne und dadurch Anonymität nicht gewahrt sei. Damit müsse das auch in der Öffentlichkeit gezeigte Verhalten der Frau aber als eine besonders empfindliche Verletzung der ehelichen Treue gewertet werden. Sie lasse damit nämlich erkennen, daß sie nicht bloß einzelne aus dem ehelichen Verhältnis entspringende Verpflichtungen hintansetzen wolle, sondern sich schlechtweg über alle Bindungen aus der ehelichen Partnerschaft zu ihrem persönlichen Eigennutzen hinwegzusetzen bereit sei, sodaß es als rechtsmißbräuchlich erscheine, wenn sie vom Mann weiterhin die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Eheverhältnis begehre. Bei der Beurteilung des Gewichtes von Eheverfehlungen auf ihre Eignung, ein Erlöschen des Unterhaltsanspruchs herbeizuführen, dürfe zwar auch das Verhalten des anderen Teiles nicht vernachlässigt werden; dazu habe die Beklagte jedoch keinerlei Vorbringen in diesem Verfahren erstattet. Die im Scheidungsverfahren von der Frau behaupteten Eheverfehlungen des Klägers könnten daher hier nicht berücksichtigt werden. Soweit in der Berufung noch darauf hingewiesen werde, die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs setze voraus, daß ein Verschulden an der Eheverfehlungen vorliege, sodaß keine Unterhaltsverwirkung vorliege, wenn eine geistig Erkrankte, deren intellektuelle Fähigkeiten herabgesetzt seien, ein ehewidriges Verhältnis unterhalte, so sei dem entgegenzuhalten, daß die Beklagte ein Vorbringen in dieser Richtung nicht erstattete.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB bleibt der Unterhaltsanspruch des den gemeinsamen Haushalt führenden Ehegatten auch nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft bestehen, sofern nicht seine Geltendmachung, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Dieser Mißbrauchsvorbehalt gilt im Ergebnis auch für alle anderen auf § 94 ABGB gestützten Unterhaltsansprüche (Schwimann in Schwimann, ABGB, Rz 30 zu § 94; Schwimann, Unterhaltsrecht 108, jeweils mwN der Lehre und Rechtsprechung). Auch bei der Beurteilung, ob der Unterhalt, der hier als einstweiliger Unterhalt mit Vergleich festgelegt wurde, wegen Rechtsmißbrauchs während aufrechter Ehe verwirkt wurde, sind die zu § 94 Abs 2 ABGB hiezu entwickelten Grundsätze anzuwenden. Ein Umstandsklauselverzicht wurde von den Parteien nicht behauptet.

Nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundgedanken des Rechtsmißbrauchstatbestandes erlöschen die gesetzlichen Unterhaltsansprüche des § 94 ABGB dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalles aus schuldhaften, krassen Eheverfehlungen eine derart deutliche Eheablehnung durch den Unterhaltsberechtigten spricht, daß die Aufrechterhaltung des Unterhaltsanspruches für den Verpflichteten grob unbillig wäre. Für die Abwägung ist auf die besonderen Umstände des Einzelfalles Bedacht zu nehmen, und zwar nicht nur auf das objektive Gewicht der Verhaltensweise, sondern auch auf das Maß der subjektiven Verantwortlichkeit (Schwimann, Unterhaltsrecht 108 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Nur besonders krasse Fälle erlauben jedoch die Bejahung einer Unterhaltsverwirkung wegen Rechtsmißbrauchs, nämlich wenn die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten - nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt - grob unbillig erschiene (EFSlg 76.685 f, 55.913, 55.911, SZ 52/6 uva).

Ehebruch und ein fortgesetztes sexuelles Liebesverhältnis stellen ungeachtet des bereits anhängigen Scheidungsverfahrens grundsätzlich eine so schwerwiegende Verletzung der ehelichen Verhaltenspflichten dar, daß der Unterhaltsanspruch des ehebrecherischen Ehegatten als verwirkt angesehen werden muß; von dieser Regel kann dann eine Ausnahme gerechtfertigt sein, wenn der andere Ehegatte ausdrücklich oder unzweifelhaft schlüssig die Aufgabe seines ernstlichen Willens, die Ehe ihrem Wesen gemäß fortzusetzen, zu erkennen gegeben und dadurch die andernfalls zur Verwirkung des Unterhaltsanspruches führende schwere Pflichtverletzung seines Ehepartners gebilligt, veranlaßt oder gefördert hat (8 Ob 563/90, veröffentlicht in Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 110, teilweise veröffentlich in EFSlg 64.905; vgl Schwimann, Unterhaltsrecht 109, 111 mit Hinweisen auf LGZ Wien EFSlg 70.586, 70.594, wonach ehebrecherische Beziehungen nach Aufhebung der Ehegemeinschaft keinen Mißbrauchsfall bilden).

Im hier zu beurteilenden Fall haben die Vorinstanzen Intimitäten (nicht jedoch einen Ehebruch) der unterhaltsberechtigten Beklagten festgestellt, die rund 1 1/2 Jahre nach der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft liegen. Bei der Beurteilung, ob es sich hiebei um eine derart grobe Verfehlung handelt, welche die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs als Rechtsmißbrauch erscheinen lassen würden, kann entgegen der Ansicht der Vorinstanzen das Verhalten des Klägers nicht unberücksichtigt bleiben. Falls den Kläger das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe träfe, würde sich aus den von den Vorinstanzen festgestellten Intimitäten der Beklagten noch kein Rechtsmißbrauch bei der Geltendmachung ihres Unterhaltsanspruchs ableiten lassen. Es entspricht nämlich ständiger, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß, wurde die Ehe von einem Teil schuldhaft zerrüttet, selbst ein nach der Zerrüttung begangener Ehebruch des anderen Teiles den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens dessen, der die Ehe zerrüttete, nicht hindert (EF 63.447, 60.259, 43.688; 8 Ob 635/87 ua; Gruber in Schwimann Rz 10 zu § 60 EheG). In diesem Fall blieben unter den weiteren Voraussetzungen des § 66 EheG dem Ehebrecher nacheheliche Unterhaltsansprüche gewahrt. Dann kann aber, liegen diese Voraussetzungen vor, das Verlangen auf ehelichen Unterhalt nicht rechtsmißbräuchlich sein, läge doch keine besonders krasse Eheverfehlung vor (EF 76.685, 70.594 [LGZ Wien], 42.555 ua; Schwimann in Schwimann Rz 31 zu § 94 ABGB). Den Verwirkungstatbestand hat aber der Kläger zu beweisen.

Eine abschließende Beurteilung ist dem Obersten Gerichtshof jedoch nicht möglich, weil hiezu keine Tatsachenfeststellungen getroffen wurden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kann hiebei nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte kein Vorbringen erstattet hätte. Zumal die Beklagte ausdrücklich vorgebracht hat, die Ehe sei schon nach Ansicht des Klägers völlig zerrüttet, obliegt es dem Gericht, konkrete Feststellungen zu den Ursachen und Umständen der Zerrüttung zu treffen. Erst dann kann beurteilt werden, ob der unterhaltspflichtige Kläger den ihm obliegenden Beweis für die den Rechtsmißbrauch begründenden Ehewidrigkeiten (Schwimann, Unterhaltsrecht 111 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung) erbracht hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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