Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Der Beklagte bestellte im Jahr 1993 unter dem Pseudonym "C*****" bei der Firma W.P***** Material für die Planeneindeckung einer Tennishalle in *****. Die Vertragsgespräche führte er mit Wolfgang P*****. Dieser nahm die Bestellung an und räumte dem Beklagten auf die Entgeltforderung (laut Faktura vom 12.11.1993 S 429.120) ein Zahlungsziel von 60 Tagen ein. Ein Eigentumsvorbehalt wurde dabei nicht vereinbart.
Die Auslieferung und Montage des bestellten Eindeckungsmaterials erfolgte im Oktober und November 1993. Die diesbezüglichen Lieferscheine (insgesamt 5 Stück) enthalten am unteren Rand den leicht lesbaren Vordruck "Eigentumsvorbehalt bis zum Eingang des vollen Rechnungsbetrages". Einen dieser Lieferscheine mit dem Datum 11.11.1993 unterschrieb der Beklagte selbst oberhalb dieses Vermerks; ein anderer Lieferschein mit dem Datum 5.11.1993 trägt die Unterschrift einer Person, die vom Beklagten (zur Empfangnahme der Ware) geschickt worden war. Einen Lieferschein, der durchgeführte Montagearbeiten betrifft, hat der Beklagte nicht unterschrieben, weil er die (ihm in der Folge auch gar nicht vorgeschriebenen) Montagekosten nicht tragen wollte. Protestiert hat der Beklagte gegen den Eigentumsvorbehalt nicht.
Die Rechnung über das dem Beklagten gelieferte Eindeckungsmaterial ist offen. Die Firma W.P***** hat mittlerweile die Fakturenforderung mit allen Sicherungsrechten im Rahmen eines Factoring-Geschäfts an die klagende Partei abgetreten. Diese begehrt nunmehr vom Beklagten die Herausgabe des (im Urteilsbegehren näher bezeichneten) Eindeckungsmaterials. Es kann, soweit nocht vorhanden, mit einem Kostenaufwand von ca S 20.000 bis S 30.000 abgebaut werden.
Als Rechtsgrund ihres Herausgabebegehrens hat die klagende Partei den vereinbarten und jetzt geltend gemachten Eigentumsvorbehalt angegeben. Darüber hinaus brachte sie vor, daß sie den Rücktritt vom Vertrag erkläre, weil der Beklagte die Rechnung trotz Fälligkeit und Mahnung nicht beglichen habe. Das Begehren werde "auf auf den Grund des § 1435 ABGB und auf Schadenersatz abgestellt".
Der Beklagte bestritt, daß ein Eigentumsvorbehalt am streitgegenständlichen Eindeckungsmaterial vereinbart worden sei. Außerdem sei die Fakturenforderung wegen bestehender und auch gerügter Mängel des Eindeckungsmaterials bzw der Montage noch gar nicht fällig. Die weiteren Einwendungen des Beklagten sind nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat - soweit dies hier von Interesse ist - den Standpunkt, daß es durch die Unterfertigung der im Lieferschein enthaltenen Eigentumsvorbehaltsklausel seitens des Beklagten zu einer nachträglichen Änderung des ursprünglichen Werklieferungsvertrages gekommen und damit der Eigentumsvorbehalt wirksam sei.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil (unter gleichzeitiger Verwerfung einer auf § 477 Abs 1 Z 9 ZPO gestützten Nichtigkeitsberufung) auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte aus:
Die vom Erstgericht vertretene Rechtsauffassung, durch die Unterfertigung des Lieferscheins seitens des Beklagten sei zwischen den Vertragspartnern ein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden, werde vom Berufungsgericht nicht geteilt. Das Erstgericht habe übersehen, daß in Lehre und Rechtsprechung (Spielbüchler in Rummel2 § 425 Rz 2; Aicher in Rummel2 § 1063 Rz 30; Bydlinski in Klang IV/2, 371 ff; RdW 1987, 157) die Auffassung vertreten werde, daß ein einseitig erklärter Eigentumsvorbehalt sachenrechtlich wirkungslos sei. Dem liege die Auffassung zugrunde, daß das Verfügungsgeschäft zeitlich mit dem Verpflichtungsgeschäft zusammenfalle. So habe der Oberste Gerichtshof in RdW 1987, 157 ausgeführt: "Wurde im ursprünglichen oder später einvernehmlich geänderten Kaufvertrag ein Eigentumsvorbehalt nicht vereinbart, dann ist der vom Verkäufer bei Übergabe der Sache einseitig erklärte Eigentumsvorbehalt nicht nur obligationswidrig, sondern auch sachenrechtlich wirkungslos. Die Vereinbarung wird auch nicht dadurch nachgeholt, daß der Käufer Lieferscheine unterschreibt, die einen vorgedruckten Eigentumsvorbehalt enthalten." Gleiches vertrete Aicher in Rummel2 Rz 30 zu § 1063 ABGB.
Dem gegenüber hätten Iro RdW 1987, 157 und Koziol/Welser II10 Seite 75 auf die in einem Teil des Schrifttums vertretene Auffassung verwiesen, die das Verfügungsgeschäft bei Übergabe der Sache annimmt. Folge man dieser Auffassung, sei die deutlich erklärte Weigerung, Eigentum zu übertragen, berücksichtigungswürdig und daher ein Eigentumsübergang zu verneinen. Zuletzt habe Hoyer in WBl 1995, 181 ff zum einseitig erklärten Eigentumsvorbehalt Stellung genommen und die Auffassung abgelehnt, in Lieferscheinen oder Fakturen abgegebene rechtsgeschäftliche Erklärungen wären wirkungslos.
Nach Auffassung des Berufungsgerichtes sei der Auffassung Aichers, Bydlinskis und Spielbüchlers der Vorzug zu geben und im Sinne der Entscheidung RdW 1987/5 = 5 Ob 324/86 von keinem vereinbarten Eigentumsvorbehalt auszugehen, weil ein solcher nicht Gegenstand der ursprünglichen Vereinbarung gewesen sei und die Unterfertigung des Lieferscheines durch den Beklagten die getroffene Vereinbarung nicht habe ändern können. Der Oberste Gerichtshof habe etwa in SZ 55/134 ausgesprochen, daß Rechnungen schon ihrer kaufmännischen Funktion nach nicht dazu bestimmt seien, Anbote eines Vertragspartners auf Änderung eines bereits abgeschlossenen Vertrages aufzuheben, gleiches gelte für Lieferscheine.
Eine abschließende Entscheidung erscheine dem Berufungsgericht aber derzeit noch nicht möglich, weil die klagende Partei ihr Begehren in der Tagsatzung am 21.6.1996 "auch auf den Grund des § 1435 ABGB bzw. auf Schadenersatz" abgestellt habe. Das werde mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren noch zu erörtern sein.
Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß im Hinblick auf die zum behandelten Problemkreis ergangenen divergierenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofess (RdW 1987, 157; JBl 1984, 671; EvBl 1975/200; ZVR 1977/104; HS 10.764) eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege, zumal auch in der Lehre keine einheitliche Auffassung vertreten werde (Koziol/Welser II10 Seite 75; Hoyer WBl 1995, 181 ff).
Im jetzt vorliegenden Rekurs macht die klagende Partei geltend, daß jener Judikatur- und Lehrmeinung zu folgen sei, die in der Übergabe ein eigenes dingliches Rechtsgeschäft sehe und daraus die Wirksamkeit eines vor oder bei der Übergabe erklärten einseitigen Eigentumsvorbehalts, zumindest im Zusammenhang mit einer Unsicherheitseinrede, ableite (HS 7345; JBl 1984, 671 ua; Koziol/Welser II10, 75 f und 151 f; Klang in Klang II2, 307; Hoyer, Einseitig erklärter Eigentumsvorbehalt?, WBL 1995, 184). Unabhängig davon sei durch die Unterfertigung der Eigentumsvorbehaltsklausel auf dem Lieferschein seitens des Beklagten bzw seines Stellvertreters ohnehin eine rechtswirksame Vereinbarung über den Eigentumsvorbehalt zustandegekommen. Schutzwürdige Interessen des Beklagten seien dadurch nicht verletzt worden, weil es sich beim Eigentumsvorbehalt um ein durchaus übliches Rechtsinstitut handle. Schließlich wäre die Rechtssache auch ohne wirksamen Eigentumsvorbehalt im Sinne einer Stattgebung des Herausgabebegehrens entscheidungsreif gewesen, weil der in der Klage erklärte Rücktritt vom Vertrag zur Rückabwicklung führen müsse. Der Rekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und entweder in der Sache selbst im Sinn einer Bestätigung des erstgerichtlichen Urteils zu erkennen oder dem Berufungsgericht (und nicht dem Erstgericht) die Ergänzung des Verfahrens sowie eine neue Sachentscheidung aufzutragen.
Der Beklagte hat dazu fristgerecht eine Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rekurs der klagenden Partei keine Folge zu geben. Er hält die Rekursausführungen ua schon deshalb für nicht stichhältig, weil ihm die Eigentumsvorbehaltsklausel auf den Lieferscheinen erst nach Übergabe des bestellten Eindeckungsmaterials bekannt geworden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Dem Rekursgericht ist beizupflichten, daß der festgestellte Sachverhalt keinen Schluß auf einen nachträglich vereinbarten Eigentumsvorbehalt zuläßt. Da der Beklagte nur einen der fünf Lieferscheine unterschrieb (beim Unterfertiger eines weiteren Lieferscheins deutet nichts auf eine Vollmacht zur Abänderung des Werklieferungsvertrages hin), und zwar vor der Eigentumsvorbehaltsklausel, sodaß ihm bei der verkehrsüblichen Funktion eines Lieferscheins, die Ablieferung der darin aufgelisteten Waren zu belegen, auch nicht nach Treu und Glauben (vgl Rummel in Rummel2, Rz 1 zu § 886 ABGB mit dem Hinweis auf JBl 1975, 548) unterstellt werden kann, den vorgedruckten Eigentumsvorbehalt durch seine Unterschrift gedeckt zu haben, käme für einen die gesamte Lieferung erfassenden vereinbarten Eigentumsvorbehalt nur ein konkludentes Einverständnis des Beklagten mit dem diesbezüglichen Abänderungsvorschlag der klagenden Partei in Frage. Auch hier greift jedoch das Argument, daß die widerspruchslose Entgegennahme eines Lieferscheins, in dem der Lieferant erstmals - als Vorschlag zur Abänderung der bisherigen Vereinbarung - einen Eigentumsvorbehalt erklärt, für sich allein nicht als Einverständnis des Übernehmers gedeutet werden kann (vgl Bydlinski in Klang IV/22, 474; Aicher in Rummel2, Rz 29 zu § 1063 ABGB mwN; Binder in Schwimann, Rz 23 zu § 1063 ABGB mwN). Dazu bedürfte es iSd § 863 ABGB besonderer Umstände, die jeden vernünftigen Grund, an diesem Einverständnis zu zweifeln, beseitigen, etwa besonderer Gepflogenheit im Geschäftsverkehr der Vertragspartner untereinander oder mit den konkret betroffenen Waren, die hier nicht vorliegen.
Zu prüfen bleibt also nur die Rechtswirksamkeit eines einseitig - wie unterstellt werden soll, zugleich mit der Ablieferung, also noch rechtzeitig - erklärten Eigentumsvorbehalts. Sie hängt davon ab, ob man die "rechtliche Übergabe und Übernahme" iSd § 425 ABGB als eigenständigen dinglichen Vertrag oder als bloßen "Realakt", allenfalls Erfüllungsakt zu der bereits im Grundgeschäft enthaltenen dinglichen Einigung begreift.
Richtig ist, daß insoweit immer noch Meinungsdifferenzen in Judikatur und Lehre bestehen (siehe dazu Iro in ÖBA 1987, 52 f; derselbe in RdW 1987, 157; Koziol/Welser II10, 75 f; Hoyer, Einseitig erklärter Eigentumsvorbehalt?, WBl 1995, 181 f), wenngleich sich die neuere Judikatur bereits mehrfach zur dinglichen Einigung im Grundgeschäft und damit zur Unwirksamkeit des später einseitig erklärten Eigentumsvorbehalts bekannt hat (Koziol/Welser aaO, 151 f mit dem Hinweis auf ÖBA 1987, 51 und RdW 1987, 157; vgl auch SZ 67/213). Zumindest für den hier vorliegenden Fall ist, ohne daß es einer abschließenden Stellungnahme zu den unterschiedlichen Lehrmeinungen bedürfte, an der Unwirksamkeit des einseitigen Eigentumsvorbehalts festzuhalten.
Wie erwähnt, wurde dem Beklagten von seinem Auftragnehmer ein Zahlungsziel von 60 Tagen eingeräumt. Der Werklieferungsvertrag war also nicht Zug-um-Zug zu erfüllen; die Firma W.P***** hat vielmehr eine Vorleistungspflicht übernommen. Bei einem solchen Kreditkauf (vgl Aicher aaO, Rz 1 zu § 1063 ABGB) geht das Eigentum am Kaufobjekt mit dessen Übergabe "gleich", also vor Bezahlung des Kaufpreises, auf den Käufer über (§ 1063 ABGB), weil die Kaufvereinbarung selbst bereits die dingliche Einigung enthält, durch die Übergabe die Übereignung zu bewirken. Die Einschränkung dieses Effekts der Übergabe durch eine nachträgliche einseitige Erklärung wäre obligationswidrig und könnte den Eigentumsverschaffungsanspruch des Käufers letztlich auch gar nicht vereiteln, weil die eigentumsverschaffende Übergabe im Prozeß direkt (ohne den Umweg der Erzwingung einer Zustimmungserklärung gemäß § 367 EO) durchsetzbar ist (vgl Bydlinski aaO, 372 und 476; Hoyer aaO, 182). Warum der Kreditkäufer auf eine höchst unökonomische Prozeßführung verwiesen werden sollte, um das ihm zugesagte Eigentum gegen seinen vereinbarungswidrig handelnden Vertragspartner zu behaupten, ist nicht einzusehen. Zumindest im Fall des Kreditkaufs ist daher der einseitig erklärte Eigentumsvorbehalt nicht nur obligationswidrig, sondern prinzipiell auch sachenrechtlich wirkungslos (vgl Aicher aaO, Rz 30 zu § 1063 ABGB mwN).
Auch Hoyer (aaO, 181 ff) bekennt sich offenbar zu diesem Prinzip, plädiert jedoch mit beachtlichen Argumenten für die Rechtswirksamkeit eines mit der Unsicherheitseinrede nach § 1052 ABGB gekoppelten einseitigen Eigentumsvorbehalts des Vorausleistungspflichtigen. Beim Kreditkauf bedeute eine solche Einrede, daß mit deren Zugang an den Käufer die Übergabepflicht durch Sicherstellung oder Bewirken der Gegeneleistung bedingt wird. Dem Verkäufer stehe es zwar immer noch frei, die geschuldete Sache dem Kreditkäufer auch ohne Sicherstellung zu übergeben; die spätestens bei Übergabe der Sache abgegebene Erklärung, sich mit Rücksicht auf die schon erfolgte oder gleichzeitig geschehene Unsicherheitseinrede das Eigentum an der Sache vorzubehalten, schalte jeedoch die Rechtsfolge des § 1063 zweiter Halbsatz ABGB, den Eigentumsübergang, aus, weil die Unsicherheitseinrede die unbedingte Vorleistungspflicht beseitigt habe (aaO, 184).
Den rechtlichen Konsequenzen dieses Fallbeispiels ist hier nicht nachzugehen, weil die klagende Partei bzw deren Zedentin keine Unsicherheitseinrede erhoben hat. Dazu wäre eine Erklärung notwendig gewesen, aus der dem Beklagten hätte klar werden können, aus welchen Gefährdungsgründen sein vorleistungspflichtiger Lieferant die Gegenleistung für unsicher hält (Hoyer aaO, 185). Es bleibt daher dabei, daß der nachträglich erklärte einseitige Eigentumsvorbehalt der Fa. W.P***** ihrem vereinbarungsgemäßen Traditionsakt die Übereignungswirkung nicht mehr nehmen konnte.
Die letztlich wegen angeblicher Spruchreife des hilfsweise geltend gemachten Rückabwicklungsanspruches in Frage gestellte Aufhebung des Ersturteils ist schon deshalb unangreifbar, weil der Oberste Gerichtshof die Überzeugung einer Tatsacheninstanz, zu einem richtig erkannten Rechtsgrund fehlten noch Tatsachenfeststellungen, gar nicht korrigieren kann. Auch die Ermessensentscheidung, die notwendige Verfahrensergänzung vom Erstgericht durchführen zu lassen, ist im Hinblick darauf, daß der von der klagenden Partei geltend gemachte Vertragsrücktritt noch gar nicht erörtert wurde, nicht zu beanstanden.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.
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