OGH 8ObA2053/96m

OGH8ObA2053/96m30.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowiedie Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr.Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Walter Zeiler und Mag.Karl Dirschmied in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Franz Müller-Strobl und Dr.Robert Kugler, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Edwin R*****, vertreten durch Dr.Gerhard Kucher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Zustimmung zur Kündigung bzw Versetzung (Revisionsgegenstand Zustimmung zur Versetzung), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.Jänner 1996, GZ 8 Ra 112/95-9, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. August 1995, GZ 14 Cga 114/95f-5, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Zustimmung zur Kündigung mangels Anfechtung unberührt bleiben, werden dahin abgeändert, daß auch das Eventualbegehren, der beabsichtigten Versetzung des Beklagten Edwin R***** von der Abteilung Qualitätssicherung in die Abteilung zerspanende Fertigung (Spitzendreherei) die gerichtliche Zustimmung zu erteilen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,80 (einschließlich S 676,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist seit 1968 bei der beklagten Partei beschäftigt. Bis Ende Jänner 1992 war er als sogenannter Spitzendreher, ab Februar 1992 in der Abteilung Qualitätssicherung tätig. Im Juni 1995 wurde er von der Arbeitgeberin angewiesen, ab sofort wieder an der Spitzendrehbank zu arbeiten. Der Betriebsrat, dessen Vorsitzender der Beklagte ist, hat dieser Versetzung nicht zugestimmt. Auch der Beklagte selbst widersprach der Versetzung und nahm trotz Verwarnung die Arbeit an der Spitzendrehbank nicht auf. Es liegt eine verschlechternde Versetzung vor, die rationalisierungsbedingt ist. Der Beklagte ist weniger qualifiziert als die übrigen Mitarbeiter der Abteilung Qualitätssicherung.

Die klagende Partei stellte das bereits rechtskräftig abgewiesene Hauptbegehren auf gerichtliche Zustimmung zur Kündigung des Beklagten gemäß § 120 ff ArbVG und in der Folge (ON 4 S 12) - offenbar für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens - das Eventualbegehren, gemäß § 101 ArbVG die gerichtliche Zustimmung zur Versetzung des Beklagten an die Spitzendrehbank zu erteilen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung beider Begehren. Zum Eventualbegehren brachte er vor, daß die Versetzung die Arbeitsbedingungen für ihn verschlechtere und der Betriebsrat weder um Zustimmung zur Versetzung gefragt worden sei, noch ihr zugestimmt habe. Überdies liege eine vertragsändernde Versetzung vor, zu der der Beklagte seine Zustimmung nicht erteilt habe.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren unbekämpft ab, gab aber dem Eventualbegehren auf Zustimmung zur Versetzung statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen die Zustimmung zur Versetzung (in der dieser nur vorgebracht hatte, es liege eine vertragsändernde Versetzung vor, zu der er nicht seine Zustimmung erteilt habe) nicht Folge.

Gegen diese bestätigende Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, auch die Entscheidung über das Eventualbegehren im Sinn der Klagsabweisung abzuändern.

Die klagende Partei beantragt der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Beklagte wendet sich in seiner Revision einerseits gegen die sachliche Rechtfertigung seiner Versetzung und bekämpft sie andererseits wie im Berufungsverfahren mit dem Argument, es liege eine vertragsändernde Versetzung vor, zu der er nicht seine Zustimmung erteilt habe.

Eine vertragsändernde Versetzung bedarf zwar der Zustimmung des zu versetzenden Arbeitnehmers und ist mangels einer solchen rechtswidrig und unzulässig; jedoch ist diese Frage im Rahmen einer Klage des Betriebsinhabers nach § 101 ArbVG nicht zu prüfen (W.Schwarz, DRdA 1975, 65 ff [73]; Schrammel, ZAS 1975, 203 ff [205]; Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht II3 331 ff; B.Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/B.Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht III 159; vgl Arb 6.318, 8.307, 9.034, 10.472 ua). Dem Arbeitnehmer stünde lediglich frei, vorsichtshalber die Unzulässigkeit der Versetzung wegen Vertragswidrigkeit in einem gesonderten Verfahren feststellen zu lassen.

Im übrigen liegen detaillierte Feststellungen des Erstgerichts vor, die das Berufungsgericht übernommen hat, welche die rechtliche Beurteilung erlauben, daß die Versetzung des Klägers zwar verschlechternd ist - ein Umstand, den die klagende Partei nicht bestreitet - aber aus betriebswirtschaftlichen Gründen - Personaleinsparung - notwendig ist, und gerade die des Beklagten sachlich gerechtfertigt ist, weil die beiden in der Abteilung verbleibenden Mitarbeiter eine bessere sachliche Qualifikation als der Beklagte haben; dieser war nämlich nur für einen Teil der Tätigkeit dieser Abteilung angelernt und verwendet worden.

Der Revision kann daher aus den vom Beklagten ausgeführten Gründen kein Erfolg beschieden sein.

Da der Beklagte die Rechtsrüge aber ordnungsgemäß ausgeführt hat, ist das Revisionsgericht verpflichtet, die Rechtssache nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Diese Überprüfung führt zum Ergebnis, daß das Eventualbegehren mangels passiver Klagslegitimation des Beklagten abzuweisen ist.

§ 101 ArbVG sieht in der nunmehr geltenden Fassung (BGBl 1986/394) vor, daß verschlechternde Versetzungen unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen stets der Zustimmung des Betriebsrates bedürfen sowie daß dessen fehlende Zustimmung bei sachlicher Rechtfertigung der Versetzung durch ein Urteil des Gerichtes zu ersetzen ist. In diesem Verfahren wird ausschließlich das Verhalten des Belegschaftsorgans (Unterlassung der Zustimmung zur Versetzung) überprüft und im Falle der Stattgebung der Versetzung mit Rechtsgestaltungsurteil hierüber entschieden. Klagslegitimiert ist nur der Betriebsinhaber; weder das Belegschaftsorgan noch der betroffene Arbeitnehmer haben im Falle der Unterlassung der Zustimmung des Belegschaftsorgans ein Rechtsschutzinteresse, da dessen fehlende Zustimmung allein schon eine wirksame Versetzung verhindert (Floretta/Strasser ArbVG2 244; in diesem Sinne aaO B.Schwarz aaO 168 f iVm 159).

Im Gegensatz zum Kündigungs- und Entlassungsschutz der §§ 120 ff ArbVG (§ 120 Abs 2 ArbVG bezeichnet nunmehr ausdrücklich das Betriebsratsmitglied als beklagte Partei) wurde anläßlich der Aufhebung des § 157 ArbVG und der Überführung der Zuständigkeit solcher Verfahren vom Einigungsamt zum Arbeitsgericht durch das ASG-AnpG, BGBl 1986/563, nicht geregelt, wer in solchen Verfahren beklagte Partei ist. Oberstgerichtliche Rechtsprechung gibt es zu dieser Frage noch nicht; auch die Lehre schweigt sich hiezu aus. Lediglich Dusak, ZAS 1986, 198 ff (199) verweist in ihrem Aufsatz zu den Änderungen im Bereich der personellen Mitbestimmung durch die ArbVG-Nov 1986, allerdings ohne nähere Begründung, darauf, daß dies eine Streitigkeit zwischen dem Betriebsinhaber und den Betriebsrat begründet, die nunmehr anstelle des Einigungsamt durch das Gericht zu erledigen sei.

Daß diese Ansicht zutreffend ist, und nicht ein Versehen des Gesetzgebers anläßlich der Überführung der Zuständigkeit zur Entscheidung solcher Fälle vom Einigungsamt in die Arbeitsgerichtsbarkeit vorliegt, ergibt sich aus dem genannten Zweck der Regelung; diese Verfahren dienen ausschließlich dazu, das Verhalten des Belegschaftsorgans (Berechtigung der Unterlassung der Zustimmung zur Versetzung) zu überprüfen und im Falle der Berechtigung der Versetzung über diese in Form eines Rechtsgestaltungsurteils zu entscheiden. Ohne diese Zustimmung des Betriebsrates, die durch die gerichtliche Entscheidung ersetzt werden kann, ist die Versetzung jedenfalls rechtsunwirksam, gleichgültig, ob nur eine direktorale oder vertragsändernde Versetzung vorliegt, und gleichgültig, ob der betroffene Arbeitnehmer hiezu seine Zustimmung erteilt hat oder nicht. Der Gesetzgeber wollte durch diese Konstruktion den einzelnen Arbeitnehmer wegen seiner Abhängigkeit vom Betriebsinhaber unter den Schutz der Betriebsvertretung stellen, die allerdings bei der Ausübung ihres Zustimmungsrechts das Interesse der Belegschaft und nicht das des betroffenen Arbeitnehmers zu wahren hat (Arb 10.472; 8 ObA 208/94). Unabhängig von einer allfälligen Einwilligung des Arbeitnehmers soll daher durch den Betriebsrat und im Falle, daß dieser die Zustimmung zur Versetzung verweigert, durch das Gericht die sachliche Rechtfertigung einer solchen Maßnahme überprüft werden. Diese Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung kann daher nur durch eine Klage gegen den Betriebsrat und nicht gegen den betroffenen Arbeitnehmer erreicht werden, sodaß eine gegen den Arbeitnehmer gerichtete Klage verfehlt ist. Diese Konstruktion rechtfertigt auch die unterschiedliche Regelung des § 120 Abs 2 ArbVG: Im Falle einer beabsichtigten Kündigung oder Entlassung eines Betriebsratsmitglieds ist keine Zustimmung des Belegschaftsorgans einzuholen; vielmehr hat der Dienstgeber sofortig die Zustimmung des Gerichtes zu der geplanten Maßnahme einzuholen.

Die Klage gegen den zu versetzenden Arbeitnehmer, in der dieser zwar als Vorsitzender des Betriebsrates bezeichnet ist, aus der aber in keiner Weise hervorgeht, daß die Klage gegen das Belegschaftsorgan gerichtet sein soll, ist daher mangels Passivlegitimation abzuweisen, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Sinn abzuändern sind.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 58 Abs 1 ASGG.

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