OGH 3Ob2417/96d

OGH3Ob2417/96d29.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josiane D*****, vertreten durch Dr.Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Helene K*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,635.432,80 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. Mai 1995, GZ 12 R 68/95-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 22.Jänner 1995, GZ 12 Cg 7/93z-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es als Endurteil zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 1,635.432,80 samt 4 % Zinsen seit Klagstag binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 254.059,44 (darin enthalten S 26.849,91 USt und S 92.960,-- Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Rechtsanwältin vertrat die nunmehrige klagende Partei rechtsfreundlich im Verfahren 6 C 608/90 des Bezirksgerichtes Floridsdorf. In diesem Verfahren kündigte Sylvia C***** der nunmehr klagenden Partei die von ihr gemieteten Geschäftsräumlichkeiten in Wien 21, F*****straße 1/1 top 1-3, auf. Als Kündigungsgrund wurde geltend gemacht, daß der Bestandgegenstand nur zum Betrieb eines Gasthausunternehmens vermietet worden sei, die gekündigte Partei die Bestandräumlichkeiten aber ausschließlich zu einem bordellähnlichen Betrieb in Form eines Stundenhotels verwende. Dies stelle keine gleichwertige Verwendung im Sinn des § 30 Abs 2 Z 7 MRG dar und bewirke einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandobjektes und eine Rufschädigung der kündigenden Partei.

In ihren Einwendungen gegen die gerichtliche Aufkündigung vom 14.3.1990 brachte die gekündigte Partei im wesentlichen vor, der Bestandgegenstand sei nicht nur zum Betrieb eines Gasthausunternehmens vermietet worden. Die gekündigte Partei sei zum Betrieb des Gastgewerbes in allen nach der Gewerbeordnung zulässigen Formen berechtigt; darunter falle auch der Betrieb einer Bar. In den Bestandräumlichkeiten werde nicht ein bordellähnlicher Betrieb in Form eines Stundenhotels unterhalten, sondern nur ein Barbetrieb mit Gesellschaftsdamen geführt. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandobjektes liege ebenfalls nicht vor. Ein möglicher schlechter Ruf der Lokalität sei nicht auf den von der gekündigten Partei geführten Barbetrieb zurückzuführen, sondern auf übel beleumdete gastgewerbliche Unternehmen, die früher ihren Sitz in diesem Lokal gehabt hätten.

Die damals klagende Partei brachte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21.5.1990, bei der der Geschäftsführer Eduard S***** anwesend war, weiters vor, die Beklagte führe nicht einen bordellähnlichen, sondern einen tatsächlichen Bordellbetrieb. Männliche Gäste würden nach Ankauf teurer Alkoholika zum Geschlechtsverkehr animiert, der auch, nachdem die Kunden geduscht hätten, vollzogen werde. Für einen Geschlechtsverkehr würde ein Betrag von S 1.600,-- in Rechnung gestellt.

Der Geschäftsführer der gekündigten Partei, Eduard S*****, stellte in

seiner unbeeideten Parteienvernehmung vom 21.5.1990 in Abrede, daß in

diesem Lokal ein Bordell oder ein bordellähnlicher Betrieb

eingerichtet sei. Es handle sich um einen Barbetrieb, bei dem auch

Animiermädchen tätig seien, die sich jedoch nicht als Prostituierte

betätigten. "Wenn ich gefragt werde, ob eine der Damen, die bei mir

tätig seien, auch als Prostituierte gemeldet sei, so nehme ich solche

Leute nicht und verneine daher die Frage ..... Ich würde mein Lokal

als Kontaktschuppen bezeichnen oder vielleicht wie ein

Singleclub..... Wenn ich nach neuerlicher Wahrheitserinnerung vom KV

abermals gefragt werde, ob es richtig sei, daß der Geschäftsbetrieb darin bestehe, daß in den Separees der Geschlechtsverkehr ausgeübt würde, so ist mir dies weder bekannt noch ist es so. Das kann ich auch beeiden." In dieser Tagsatzung wurden von der gekündigten Partei auch drei von den später vernommenen Zeuginnen Angela W*****, Martina B***** und Liane S***** unterfertigte Urkunden vorgelegt, die ua folgenden Wortlaut haben: "Erkläre hiemit, von meinen Arbeitgebern darüber belehrt worden zu sein, daß ich (erg.: in) den Räumlichkeiten der "La P*****" (so die Etablissementbezeichnung) keinerlei sexuelle oder unzüchtige Handlungen mit den Gästen vornehmen darf."

Im Rahmen der Verhandlung vom 21.5.1990 nahm das Gericht auch einen Augenschein in den aufgekündigten Räumlichkeiten vor. Ungeachtet des Eindruckes, den dieser Augenschein objektiv machen mußte, erklärte der Geschäftsführer der gekündigten Partei in der Verhandlung vom 10.7.1990 ergänzend als Partei vernommen: "Mir ist nicht bekannt, daß in diesen Separees Geschlechtsverkehr ausgeübt wird."

Die Aufkündigung wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 3.3.1991 als rechtsunwirksam aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen. Dieses Urteil wurde infolge Berufung der klagenden Partei mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 11.9.1991, 41 R 409/91-17, dahin abgeändert, daß die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt und die beklagte Partei zur Räumung der Geschäftsräumlichkeiten verpflichtet wurde. Dieses Urteil wurde mit Urteil des Obersten Gerichtshofes als Revisionsgerichtes vom 18.2.1992, 5 Ob 501/92-21a, infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei bestätigt.

Nach den Tatsachenfeststellungen hatte der Vater Sylvia C*****, Emmerich G*****, die Liegenschaft seiner Tochter im Jahr 1987 geschenkt; er verwaltete das Haus bis zu seinem Tod im Sommer 1988; seither wurde es von Rechtsanwalt Dr.Romeo N***** verwaltet. Bereits seit 1984 wurde in dem gekündigten Bestandobjekt vertragswidrig ein vornehmlich der Ausübung der Prostitution dienendes Etablissement betrieben; dies trat auch nach außen hin in Erscheinung.

Daß Sylvia C***** diesen Kündigungsgrund nicht ehestens geltend gemacht habe, wurde in erster Instanz nicht eingewendet.

Die klagende Partei begehrt nun die Zahlung von S 1,635.432,80 sA und macht geltend, durch die Unterlassung der Einwendung in erster Instanz, der Kündigungsgrund sei nicht ohne unnötigen Aufschub geltend gemacht worden und daher nicht mehr als wichtig anzusehen bzw könne infolge stillschweigenden Verzichtes nicht mehr geltend gemacht werden, sei der Beklagten ein schuldhaftes Versehen unterlaufen; der klagenden Partei sei dadurch das Bestandobjekt und das darin betriebene Unternehmen mit allen Investitionen und dem Kundenstock verlorengegangen. Der Wert des Unternehmens betrage zumindest S 1,600.000; durch den von der Beklagten verschuldeten Prozeßverlust seien der Klägerin von ihr bezahlte Verfahrenskosten der Gegenseite in Höhe von S 32.932,80 und Kosten der Beklagten von S 2.500,-- erwachsen. Auch diese Beträge würden aus dem Titel des Schadenersatzes von der Beklagten zurückverlangt. Die Umstellung des Kaffeehauses in einen Bordellbetrieb sei bereits im Jahre 1984 vorgenommen worden.

Die Beklagte wendete ein, sie habe entsprechend der ihr vom Geschäftsführer der klagenden Partei, Eduard S*****, erteilten Information in den Einwendungen das Klagsvorbringen bestritten und unter anderem vorgebracht, es sei nicht richtig, daß in den Bestandräumlichkeiten ein bordellähnlicher Betrieb in Form eines Stundenhotels unterhalten werde; es werde vielmehr ein Barbetrieb mit Gesellschaftsdamen geführt. Der Betrieb einer Bar falle aber unter die gemäß Gewerbeordnung zulässigen Betriebsarten eines Gastgewerbes. Das Bezirksgericht Floridsdorf habe die Aufkündigung als rechtsunwirksam aufgehoben, obwohl es festgestellt habe, daß der Betrieb sehr wohl der Ermöglichung der Prostitution gedient habe. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien habe der Berufung der damals klagenden Partei Folge gegeben, die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt und die ordentliche Revision für zulässig erklärt, weil zu den Fragen der Relevanz der ungleichwertigen geschäftlichen Betätigung im Fall des nicht ausdrücklich bedungenen Vertragszweckes oder der etwa noch gegebenen Gleichwertigkeit eines Hostessenbetriebes gegenüber einer Verwendung als Kaffeehaus noch keine gefestigte höchstgerichtliche Judikatur vorgelegen sei. Die beklagte Partei habe sodann die Revision allein aufgrund der Aktenlage verfaßt und dabei vorsichtsweise unter anderem darauf hingewiesen, daß die Klägerin den Kündigungsgrund nicht ehestens geltend gemacht und sich daher ihres Kündigungsrechtes verschwiegen habe. Dies sollte zur Illustration der Rechtsansicht der Beklagten dienen, daß die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht nicht zutreffe. Ein haftungsbegründender Fehler der Beklagten liege nicht vor, weil ihr der Geschäftsführer der klagenden Partei niemals während des Verfahrens erster Instanz Informationen darüber erteilt habe, aus denen sie hätte entnehmen können, daß der Einwand des stillschweigenden Verzichtes auf den Kündigungsgrund sinnvoll wäre; er habe vielmehr der Beklagten gegenüber immer darauf bestanden, daß im Lokal der klagenden Partei von einem Ermöglichen der Prostitution bzw einem bordellähnlichen Betrieb keine Rede sein könne. Im Hinblick auf die vom Geschäftsführer der klagenden Partei vorgegebene Verteidigungslinie im Aufkündigungsverfahren wäre es somit keineswegs sinnvoll gewesen, diesen Einwand zu erheben. Diesbezügliches Vorbringen in der Revision habe aber nicht mehr schaden können, weil ja bereits zwei Instanzen festgestellt hätten, daß das Lokal sehr wohl einem bordellähnlichen Betrieb diene. Im übrigen hätte auch ein rechtzeitiges Vorbringen in der nun gewünschten Art einen Prozeßverlust nicht verhindern können.

Darauf replizierte die klagende Partei, die Beklagte habe sich mit der Auskunft des Geschäftsführers der klagenden Partei, der bei der Informationsaufnahme wie auch im weiteren Verfahren vor Gericht bestritten habe, daß ein Bordell geführt werde, zufrieden gegeben. Sie hätte jedoch den Geschäftsführer der klagenden Partei aufklären müssen, daß bei Unbeweisbarkeit der Tatsache, daß kein Bordellbetrieb geführt werde, der Kündigung wahrscheinlich stattgegeben werde. Die Beklagte hätte sicherheitshalber und aus anwaltlicher Vorsicht dem Geschäftsführer der klagenden Partei das Rechtsinstrument der Verjährung bzw Verschweigung erklären müssen und diese Einwendung im Verfahren erster Instanz erheben müssen. Laut ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes genüge aber die einfache Einwendung der Verschweigung nicht, es bedürfe vielmehr eines Vorbringens aller nötigen Tatsachen, aus denen sich die Verschweigung ergebe. Um ein derartiges Vorbringen im Verfahren erster Instanz zu erstatten, hätte die Beklagte den Geschäftsführer der klagenden Partei genau befragen müssen und sich nicht mit der Informationsaufnahme, daß eben kein Bordell geführt werde, zufriedengeben dürfen. Bei Erhebung dieses Einwandes im Verfahren erster Instanz, wenn auch nur sicherheitshalber und aus anwaltlicher Vorsicht, wäre die Kündigung aufgehoben worden und hätte die klagende Partei den Prozeß gewonnen. Die Umstellung des Kaffeehauses in einen Bordellbetrieb sei bereits im Jahr 1984 durchgeführt worden; dies sei auch der Klägerin im Kündigungsverfahren spätestens seit 1987 bekannt gewesen. Die Kündigung sei jedoch erst am 14.3.1990 eingebracht worden. Als die Umstellung in einen Bordellbetrieb im Jahr 1984 durchgeführt worden sei, sei es auch zu gewissen Umgestaltungen gekommen, so sei die Etablissementbezeichnung "La P*****" groß auf dem Geschäftslokal angebracht worden; auch durch andere Umgestaltungen, wie zB ständiges Rotlicht, sei ersichtlich gewesen, daß in diesen Geschäftsräumlichkeiten ein Bordellbetrieb geführt werde.

Nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruchs erkannte das Erstgericht mit Zwischenurteil den Anspruch der klagenden Partei als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest: Dr.Ingrid S***** bearbeitete als Rechtsanwaltsanwärterin den Mietakt unter Führung und Leitung der Beklagten; sie vertrat die klagende Partei bei allen Verhandlungen. Dr.Ingrid S***** stellte während des Aufkündigungsverfahrens zwar Überlegungen über die Verschweigung an, veranlaßte aber diesbezüglich nichts weiter. Bereits im Jahr 1983 wurde im aufgekündigten Objekt ein Bordell errichtet. Es gab eigene Laternen in den Fenstern und eine neue Lichtreklame "La P*****"; die Fenster waren knallrot mit schwarzer Umrahmung installiert. "Aus der Erstinformation Beilage ./1 ergibt sich, daß im Objekt kein Stundenhotel geführt wurde; laut der Definition Seite 43 unten. ist dies richtig; der Betrieb war auf das Betreiben einer Bar mit Separees ausgerichtet. Der frühere Geschäftsführer der klagenden Partei, Eduard S*****, erteilte Dr.Ingrid S***** ausreichend Information und nannte ihr zB auch den Preis für die Benützung eines Separees." Seit 1983 war es jedermann, insbesondere auch dem Voreigentümer, dem Vater Sylvia C***** klar, daß im Lokal ein "Bordell/Puff, genauer gesagt eine Bar mit Separees" geführt wird. "Die Beklagte hat den Geschäftsführer der klagenden Partei in keiner Weise umfassend, vollständig aufgeklärt bzw ihn über Vor- und Nachteile des jeweiligen Vorbringens beraten." In seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, insofern die Aussage der Konzipientin der Beklagten von der des Eduard S***** abweiche, folge das Gericht letzterer. Als einzige Begründung dafür wurde angegeben, Eduard S***** sei tatsächlich in rechtlichen Belangen sehr unerfahren. Bemerkenswert erscheint, daß Eduard S***** vom Erstgericht als Geschäftsführer der klagenden Partei behandelt und auch als Partei einvernommen wurde, obwohl seit 15.7.1991 Anna K***** alleinige Geschäftsführerin der klagenden Partei ist. Eduard S***** hatte dabei in seiner "Parteienvernehmung" ua ausgeführt: "Ich erzählte Frau Dr.S***** (der Konzipientin der Beklagten), was dort ein Separee kostet und daß eben dort ein Bordell geführt wird.... Formell ist dann im Kündigungsverfahren bestritten worden, daß dort ein Bordell geführt wurde. Wenn mir aber die Konzipientin gesagt hätte, ich solle das nicht bestreiten, hätte ich es nicht bestritten und wäre eben dann allenfalls die Verschweigung zum Zug gekommen."

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, für einen versierten Mietrechtsanwalt hätte es hier zwei Einwendungen gegeben, nämlich die Existenz eines Bordells zu bestreiten und die Verschweigung vorzubringen bzw einzuwenden. Die Beklagte wäre unter allen Umständen verpflichtet gewesen, eventualiter jedenfalls vorzubringen, daß sich der Vermieter des Kündigungsgrundes des nachteiligen Gebrauches verschwiegen habe. Es sei nicht zu rechtfertigen, daß die Beklagte nicht spätestens am 5.9.1990 nach der Aussage Sylvia C***** die Verschweigung eingewendet habe. Die Beklagte habe ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten als Anwältin schwerstens mißachtet und verletzt. Nach der Aktenlage sei jedenfalls davon auszugehen, daß die Einrede der Verschweigung zielführend gewesen und die klagende Partei im Aufkündigungsverfahren nicht unterlegen wäre.

Am 12.1.1995 wurde im Firmenbuch die amtswegige Löschung der klagenden Partei gemäß § 2 AmtsLG eingetragen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Zwischenurteil infolge Berufung der Beklagten und ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil es keine dem § 502 Abs 1 ZPO zu unterstellende Rechtsfrage von besonderer Bedeutung zu lösen gehabt hätte. Das Berufungsgericht führte zwar aus, es sei richtig, daß die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht durchgehend nachvollziehbar erscheine. Zum Inhalt der vom Erstgericht im Rahmen der Feststellungen nur zitierten Beilage ./1 führte es aus, daß danach der Geschäftsführer der Klägerin die Konzipientin der Beklagten darüber informierte, daß das früher unter der Bezeichnung Kaffeehaus D***** geführte Lokal schon immer in Verruf und immer auch bis 2.00 Uhr geöffnet gewesen sei, daß es seit 40 Jahren als Cafe "Arschloch" bezeichnet werde, daß sich im Haus, in dem das Bestandobjekt liegt, keine weiteren Mieter befänden, daß kein Amt, keine Schule, keine Kirche und kein Kindergarten in der Nähe seien, daß die Auslagen nicht mit obszönen Bildern dekoriert würden und daß es nie zu Ausschreitungen oder Raufereien komme. Diese Information bestätige nachgerade die Darstellung des Geschäftsführers, daß er der Konzipientin der Beklagten die Existenz von Separees im Bestandobjekt offengelegt habe. Der Zweck der Einrichtung von Separees könne aber als allgemein bekannt gelten. Einer Fehlinformation durch den Geschäftsführer käme aber ohnedies keine entscheidende Bedeutung zu. Das Berufungsgericht übernahm letztlich "die Urteilsfeststellungen". Ob die nunmehrige Klägerin im Aufkündigungsverfahren vor dem Bezirksgericht Floridsdorf den wahren Sachverhalt zu verschleiern versuchte, bleibe ohne rechtliche Beachtlichkeit, weshalb es der von der Beklagten zu diesem Thema begehrten Feststellungen nicht bedurft habe. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, der Rechtsanwalt habe nicht nur die ihm von seinem Mandanten erteilte Information entgegenzunehmen, sondern aktiv auf eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts durch den Klienten hinzuwirken. Er könne sich nicht darauf verlassen, daß der Mandant von sich aus alle wesentlichen Fakten offenlege, wisse doch der juristische Laie oftmals nicht, welche Umstände wesentlich sind. Es bestehe daher stets die Gefahr, daß Informationen unterlassen werden, die bei der rechtlichen Beurteilung des Falles eine wichtige Rolle spielen können. Bei widersprechenden Informationen obliege es dem Rechtsanwalt zudem, durch gezieltes Nachfragen zur Klarstellung des Sachverhalts beizutragen. Aufgrund einer eingehenden und umfassenden Informationsaufnahme habe der Rechtsanwalt sodann so vorzugehen, daß das von seinem Mandanten angestrebte Ziel am sichersten und ungefährdesten erreicht werde. Er sei gehalten, jedes unnötige, da vermeidbare Risiko auszuschließen. Stünden einem Rechtsanwalt mehrere Möglichkeiten offen, um das im Interesse des Mandanten vorgegebene Ziel zu erreichen, so müsse er von allen Gebrauch machen, es sei denn, schon die eine führe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Erfolg und die weiteren wären mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden. Im vorliegenden Fall habe zunächst die Informationsaufnahme durch die Konzipientin der Beklagten mit dem Geschäftsführer der Klägerin den Erfordernissen anwaltlicher Sorgfalt nicht genügt. Die zugestandene Existenz von Separees im Bestandobjekt habe die Richtigkeit der Behauptung der kündigenden Partei, das Bestandobjekt werde bordellähnlich benutzt, geradezu indiziert. Selbst wenn der Geschäftsführer der Klägerin bestritten haben sollte, daß es im Lokal zu Geschlechtsverkehr komme, habe die augenscheinliche Gefahr einer dem Prozeßstandpunkt der Klägerin nachteiligen richterlichen Beweiswürdigung bestanden. Die bloße Bestreitung des geltend gemachten Kündigungsgrundes sei folglich keineswegs derart erfolgversprechend gewesen, daß sich die Rechtsverteidigung hierauf hätte beschränken dürfen. Bei pflichtgemäßem Verhalten hätte die Konzipientin der Beklagten vielmehr prüfen müssen, ob nicht auch andere Einwendungen zum Prozeßerfolg führen könnten. Alle in Bestandstreitigkeiten üblicherweise vorkommenden Einwendungen wären in Betracht zu ziehen, so neben der Frage der Aktiv- und Passivlegitimation auch die nach einem allfälligen Kündigungsverzicht. Die Konzipientin der Beklagten hätte sich demnach durch gezieltes Befragen des Geschäftsführers der Klägerin Klarheit über den für die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer solchen Einwendung maßgeblichen Sachverhalt zu verschaffen gehabt. Ein derartiges Bemühen sei umso naheliegender gewesen, als der Geschäftsführer der Klägerin bereits auf die jahrelange üble Beleumundung dessen Lokales hingewiesen gehabt habe. Die Konzipientin der Beklagten habe der Verpflichtung zur umfassenden Informationsaufnahme nicht entsprochen. Das habe dazu geführt, daß sie in weiterer Folge den leicht möglichen, erfolgversprechenden Einwand eines schlüssigen Verzichtes auf den geltend gemachten Kündigungsgrund unterlassen habe, und zwar selbst dann noch, als im Zuge des Beweisverfahrens Umstände hervorgekommen seien, die geradezu für die Annahme gesprochen hätten, daß im Bestandobjekt bereits seit vielen Jahren mit Wissen des früheren Vermieters ein zumindest bordellähnlicher Betrieb geführt wurde. Daß die Konzipientin der Beklagten hierauf nicht mit einem entsprechenden Prozeßvorbringen reagiert habe, stelle fraglos eine Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten dar. Ihr passives Verhalten im Prozeß lasse sich auch unter Berufung auf eine angeblich unrichtige Information seitens des Geschäftsführers der Klägerin in Sachen Geschlechtsverkehr in den Bestandräumlichkeiten nicht rechtfertigen. Von einem berufsmäßigen Parteienvertreter sei eine realitätsbezogene Einschätzung der Beweisergebnisse zu verlangen. Daß das Gericht unter dem Eindruck des Lokalaugenscheines Geschlechtsverkehr im Bestandobjekt und damit dessen bordellähnliche Benützung als erwiesen annehmen würde, sei zumindest wahrscheinlich gewesen. Damit hätte unabhängig von Beteuerungen des Geschäftsführers der Klägerin klar sein müssen, daß die bloße Bestreitung des Kündigungsgrundes nicht sicher zum Ziel führen würde. Auf - allenfalls wahrheitswidrige - Beteuerungen des Geschäftsführers der Klägerin habe sich die Verteidigungsstrategie nicht mehr aufbauen lassen. Die rechtliche Kausalität wahrheitswidriger Darstellungen des Geschäftsführers der Klägerin im Zug der Informationsaufnahme für das Unterbleiben des Einwandes eines schlüssigen Verzichtes auf den Kündigungsgrund sei demnach zu verneinen.

§ 9 Abs 1 RAO lasse sich für den Standpunkt der der Beklagten gleichfalls nicht ins Treffen führen. Diese Bestimmung stehe alternativem Prozeßvorbringen keineswegs schlechthin entgegen. Die gutgläubige Geltendmachung von Tatsachen, aus denen rechtlich ein Kündigungsverzicht abgeleitet werden könnte, könne weder gegen ein Gesetz noch gegen das anwaltliche Gewissen verstoßen und habe mit bedenklicher anwaltlicher "Kreativität" nichts zu tun. Das unterlassene Vorbringen sei keineswegs als von vornherein völlig unsinnig zu werten. Den versuchten Verschleierungshandlungen der Klägerin im Aufkündigungsverfahren komme keine Bedeutung zu, weil sie nicht geeignet gewesen seien, einem Kündigungsverzicht des früheren Vermieters die Rechtswirksamkeit zu nehmen. Für Verschleierungshandlungen der klagenden Partei gegenüber dem früheren Vermieter hätten sich nicht die geringsten Anhaltspunkte gefunden. Vielmehr rechtfertigten die Beweisergebnisse die Annahme, daß der frühere Vermieter von der Art des im Objekt betriebenen Unternehmens Jahre hindurch Kenntnis gehabt habe und keinen Einwand erhoben habe. Die Rechtserheblichkeit dieses Umstandes müsse einem Juristen klar sein. Die Klägerin habe nach Treu und Glauben davon ausgehen dürfen, daß der frühere Vermieter die konkrete Nutzung des Bestandgegenstandes nicht als nachteiligen Gebrauch gewertet habe und nicht zum Anlaß einer Kündigung nehmen werde. Ein Kündigungsgrund, der nicht ehemöglichst geltend gemacht werde, sei auch nicht wichtig im Sinn des MRG. Hätte jedoch die Klägerin dem früheren Vermieter mit Erfolg entgegenhalten können, daß er sich des Kündigungsgrundes verschwiegen habe, sei der Einwand schlüssigen Kündigungsverzichtes auch geeignet gewesen, zur Aufhebung der von dessen Rechtsnachfolgerin ausgesprochenen Aufkündigung zu führen. Es binde zwar ein genereller Kündigungsverzicht oder der Verzicht auf die Geltendmachung bestimmter noch nicht eingetretener Tatsachen als Kündigungsgrund den Einzelrechtsnachfolger des Vermieters nicht, weil darin eine die Dauer des Vertrages betreffende Vereinbarung erblickt werden könne; sei aber ein bestimmter Kündigungsgrund bereits verwirklicht worden und werde auf dessen Geltendmachung ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet und das den Kündigungsgrund bildende Verhalten des Mieters geduldet, stelle dies keine Vereinbarung über die Dauer des Vertrages, sondern eine Änderung des Vertragsinhalts dar, die den Erwerber ohne Rücksicht auf dessen Wissen um die Abrede binde. Ein derartiger Kündigungsgrund könne daher auch durch die Veräußerung der Liegenschaft nicht wieder aufleben. Diese Rechtslage hätte die Beklagte berücksichtigen müssen; vom rechtsunkundigen Geschäftsführer der Klägerin könne dagegen die Einsicht in die Bedeutung des Verhaltens des Rechtsvorgängers der Vermieterin nicht erwartet werden. Der Einwand des schlüssigen Kündigungsverzichtes des Rechtsvorgängers der kündigenden Partei hätte somit zur Aufhebung der Kündigung geführt. Das Unterlassen des Einwandes stelle einen vermeidbaren und daher schuldhaften Kunstfehler dar, der für das Unterliegen der klagenden Partei im Aufkündigungsverfahren ursächlich gewesen sei. Die Beklagte habe der klagenden Partei daher gemäß den §§ 1295 ff ABGB für die mit dem Verlust des Bestandrechtes verbundenen nachteiligen Folgen einzustehen. Sie hafte des weiteren für die Prozeßkosten, die der klagenden Partei ohne die Sorgfaltswidrigkeit der Konzipientin der Beklagten nicht entstanden wären.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Die amtswegige Löschung der klagenden Partei nach dem Amtslöschungsgesetz wirkte, da sie behauptete, Forderungen gegen die Beklagte zu haben, nur deklarativ (SZ 64/134; GesRZ 1990, 95 je mwN). Die klagende Partei ist daher weiter parteifähig.

Daß Dr.Ingrid S***** nach dem Lokalaugenschein mit dem damaligen Geschäftsführer der klagenden Partei, Eduard S*****, gesprochen und ihn gefragt habe, ob nicht denn doch dort ein Bordellbetrieb geführt werde, hat die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht, sondern erstmals in der Berufung. Schon deshalb, weil auf dieses verspätete Vorbringen nicht eingegangen werden konnte, liegt der in der Revision geltend gemachte Feststellungsmangel nicht vor.

Bereits auf Grundlage der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen und des Vorbringens der klagenden Partei ergibt sich jedoch, daß die Vorinstanzen rechtsirrig die Haftung der beklagten Rechtsanwältin dem Grunde nach bejaht haben.

Unzutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß einer Fehlinformation durch den damaligen Geschäftsführer der klagenden Partei keine entscheidende Bedeutung zukommt. Ein Rechtsanwalt kann seinen ihm nach § 9 RAO obliegenden Aufgaben und Pflichten nur nachkommen, wenn die am Beginn des Auftrages erteilte Information durch den Mandanten im Tatsachenbereich wahrheitsgemäß erfolgt. Es besteht daher vorweg eine Pflicht des Mandanten, wahrheitsgemäß alle Umstände tatsächlicher Art, die nach seiner Kenntnis und nach seinem Verständnis für den Rechtsanwalt zur Durchführung des Mandates von Bedeutung sein könnten, mitzuteilen (Haug in Bergmann/Haug, Anwaltshaftung3 § 17 Rz 10; Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht Rz 99). Richtig ist zwar, daß der Anwalt aktiv darauf zu dringen hat, daß die Aufklärung des Sachverhaltes durch den Klienten umfassend erfolgt (Ferdinand Graf, Anwaltshaftung 43), die Konzipientin der Beklagten erhielt aber in tatsächlicher Hinsicht eine solche umfassende Information, hat doch der damalige Geschäftsführer der klagenden Partei ungeachtet der Tatsache, daß Separees vorhanden waren und gegen Entgelt zur Verfügung gestellt würden, immer betont und damit klargestellt, in den Separees werde Geschlechtsverkehr nicht vollzogen. Diese Information tatsächlicher Art konnte rechtlich nur dahin verstanden werden, daß entgegen den geltend gemachten Kündigungsgründen weder ein Stundenhotel noch ein Bordell oder bordellähnlicher Betrieb in den aufgekündigten Räumen betrieben werden.

Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes kann aber ein

Rechtsanwalt vorerst grundsätzlich darauf vertrauen, daß die

Information seines Mandanten in tatsächlicher Hinsicht pflichtgemäß wie es dem Auftragsverhältnis entspricht, richtig ist. Den Anwalt trifft daher keineswegs eine Verpflichtung, eigene Ermittlungen und Prüfungen darüber anzustellen, ob die Information des Mandanten der Wahrheit entspricht (2 Ob 589, 590/88; Fenzl/ W.Völkl/E.Völkl in ÖJZ 1985, 515; Ferdinand Graf aaO; vgl NJW 1985, 1154; VersR 1966, 774;

NJW 1961, 601; Seiler in Münchener Komm2 Rz 12 zu § 675 BGB;

Soergel/Manfred Wolf12 Rz 179 zu § 276 BGB; Haug aaO Rz 11;

Vollkommer aaO; Rinsche, Haftung des Rechtsanwaltes und des Notar5 I Rz 94).

Da dem Geschäftsführer der klagenden Partei bekannt sein mußte, was unter einem Bordell oder bordellähnlichen Betrieb zu verstehen sei, konnte die Konzipientin der Beklagten ohne weitere Prüfungen und Nachforschungen jedenfalls vorerst von der Richtigkeit der Information ausgehen. Wohl hat der Rechtsanwalt aufgrund von Informationen tatsächlicher Art, bestehen mehrere rechtliche Möglichkeiten zum Prozeßerfolg, nach den Grundsätzen des sichersten Weges vorzugehen (vgl Vollkommer aaO Rz 180 mwN in FN 281). Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor: Informierte der Geschäftsführer der klagenden Partei, in den Separees werde kein Geschlechtsverkehr ausgeübt, so konnte und durfte die Beklagte wie weiter unten noch dargelegt werden wird, entgegen der erteilten Information behaupten, es werde seit Jahren in den aufgekündigten Räumen ein Bordell betrieben, der Vermieter habe dies gewußt und gebilligt.

Richtig ist nur so viel, daß das Vertrauen auf den Wahrheitsgehalt der Information des Mandanten dann zu schwinden hat, wenn sich im Verfahren erhebliche Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit ergeben (2 Ob 589, 590/88; VersR 1960, 911; VersR 1966, 774; Vollkommer aaO Rz 110). Eine solche Situation war gewiß bei und nach dem vom Erstgericht im Kündigungsverfahren schlagartig durchgeführten Lokalaugenschein gegeben, war doch die Aufmachung und Ausstattung des Lokales derart, daß objektiv der Schluß auf ein Bordell zu ziehen war. Allein der Geschäftsführer blieb unter Wahrheitspflicht - die kündigende Partei beantragte sogar seine Beeidigung - dabei, daß kein Bordell betrieben werde; mehrere von der klagenden Parteien als Zeugen beantragte Frauen sagten dann aus, weder Prostituierte noch Geheimprostitutierte zu sein, sie hätten keine Wahrnehmungen in der Richtung gemacht, in den Separees werde (gegen Entgelt) Geschlechtsverkehr ausgeübt. Bei diesem konkreten Verfahrensablauf bestand dann aber für die Beklagte keine weitere Aufklärungspflicht. Sie mußte nicht annehmen, es würden vor Gericht bewußt falsche Aussagen abgelegt. Die klagende Partei hat sich dann aber selbst zuzuschreiben, daß das von ihr im Kündigungsprozeß geflochtene Lügengespinst durchschaut wurde. Ein der Information entgegengesetztes tatsächliches Vorbringen durfte die Konzipientin der Beklagten schon aufgrund der Bestimmung des § 178 ZPO (Vorbringen sozusagen "ins Blaue", vgl Fucik in Rechberger, Rz 1 zu § 178 ZPO) und wegen der sonst bestehenden disziplinären Verantwortlichkeit nicht erstatten: Disziplinär handelt ein Rechtsanwalt, der wissentlich unrichtige Behauptungen aufstellt, um sich oder seinem Klienten Vorteile zu verschaffen (AnwBl 1995, 734; AnwBl 1994, 200 jeweils mit Anm von Strigl).

Aus diesen Gründen ist das Klagebegehren in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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