Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.077 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 679,50 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der am 14. März 1990 beim Erstgericht eingebrachten Aufkündigung kündigte die Klägerin der Beklagten die in ihrem Haus gelegenen Geschäftsräumlichkeiten top.Nr. 1 bis 3 zum 30. Juni 1990 gerichtlich auf. Als Kündigungsgründe machte sie geltend, daß der Bestandgegenstand nur zum Betrieb eines Gasthausunternehmens vermietet worden sei, die Gekündigte die Bestandräumlichkeiten aber ausschließlich zu einem bordellähnlichen Betrieb in Form eines Stundenhotels verwende. Dies stelle keine gleichwertige Verwendung im Sinne des § 30 Abs 2 Z 7 MRG dar und bewirke einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandobjektes und eine Rufschädigung der kündigenden Partei. Im übrigen vernachlässige die Beklagte auch sonst den Mietgegenstand in arger Weise, weil sie in ihre Ingerenz fallende Wasserrohrgebrechen nicht behebe und damit sowie durch sonstige Verwahrlosung des Bestandgegenstandes den Bauzustand ernstlich gefährde. Die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses sei der kündigenden Partei damit nicht mehr zumutbar, was einer Existenzgefährdung gleichzuhalten sei.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es legte diesem Urteil im wesentlichen folgenden, für die Revisionsentscheidung noch bedeutsamen Sachverhalt zugrunde:
Im Mai 1982 gründete der Geschäftsführer der Beklagten, Eduard S*****, als Minderheitsgesellschafter mit seiner Mutter die beklagte Gesellschaft in der Absicht, "am gegenständlichen Standort ein Lokal zu eröffnen". Bis zu diesem Zeitpunkt wurde in den nunmehr aufgekündigten Geschäftsräumlichkeiten ein Cafehaus betrieben. Zwischen Emmerich G*****, dem Vater der Klägerin, der bis 1987 - zu welchem Zeitpunkt er die Liegenschaft der Klägerin schenkte - Alleineigentümer der Liegenschaft war, und der Beklagten wurde kein schriftlicher Mietvertrag errichtet. Ein bestimmter Verwendungszweck wurde nicht (ausdrücklich) vereinbart. In den beiden ersten Jahren nach "Übernahme des Lokals" durch die Beklagte betrieb auch diese dort ein Cafehaus; im Jahr 1984 stellte sie auf einen Barbetrieb um. Bereits damals wurden zwei Separees errichtet und die Geschäftseinrichtung sowie die Öffnungszeiten geändert. Das Lokal ist seither von 18 Uhr bis mindestens 2 Uhr früh geöffnet. Die Beklagte beschäftigt drei Frauen als Animierdamen, die gegen Bezahlung eines Betrages von S 1.600,-- mit den männlichen Gästen in den Separees den Geschlechtsverkehr ausüben. Dabei ist eine Flasche Sekt inkludiert. Eine weitere Frau ist bei der Beklagten als Kellnerin beschäftigt. Der Geschäftsführer der Beklagten übersendet monatlich eine Personalliste an das Sicherheitsbüro, Abteilung Geheimprostitution und Mädchenhandel. Ein Showprogramm findet bei der Beklagten nicht statt. Die Animierdamen haben keine Anwesenheitspflicht; wenn sich keine von ihnen im Lokal aufhält, schließt der Geschäftsführer der Beklagten das Lokal.
Emmerich G***** verwaltete das Haus bis zu seinem Tod im Sommer 1988; seither wird es vom Klagevertreter verwaltet. Seit dem Frühjahr 1988 befindet sich die Beklagte als einzige Mieterin im gegenständlichen Haus. Emmerich G***** kassierte bis zu seinem Tod den Mietzins und nächtigte auch noch knapp vor seinem Tod fallweise im gegenständlichen Haus.
Das Erstgericht traf dann noch eingehende Feststellungen über die Größe und Lage der zum Lokal gehörigen Räume sowie deren Einrichtung, insbesondere über jene der beiden Separees und Sanitärräume (Toilette und Badezimmer) sowie über das anläßlich der Durchführung des Lokalaugenscheines vorgefundene Getränkesortiment.
Die Klägerin ist Chefsekretärin im Museum für angewandte Kunst. An ihrem Arbeitsplatz erhielt sie im Mai 1990 drei anonyme Anrufe, bei denen sie als "Puffmutter" bezeichnet wurde.
Feststellungen darüber, daß die wirtschaftliche Existenz der Klägerin durch die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses gefährdet wäre oder die Beklagte durch ihr Verhalten die Bausubstanz des Hauses beeinträchtigt hätte, konnten vom Erstgericht nicht getroffen werden.
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß der gemäß § 30 Abs 1 MRG geltend gemachte Kündigungsgrund der Gefährdung der wirtschaftlichen und materiellen Existenz der Klägerin nicht gesetzmäßig ausgeführt worden sei und der Kündigungsgrund des nachteiligen Gebrauchs nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG nicht gegeben sei, weil eine Gefährdung der Substanz des Gebäudes nicht habe festgestellt werden können. Durch die Ausübung der Prostitution im gegenständlichen Bestandobjekt sei weder der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG noch jener der Z 7 leg.cit. verwirklicht worden, weil bei der Vermietung eines zu nicht näher bestimmten Zwecken dienenden Gassenlokals durch die Einrichtung eines "Hostessenbetriebes" mangels Einschränkung des Verwendungszweckes eine vertragswidrige Tätigkeit nicht entfaltet werde. Auch von einer Gefährdung oder Belästigung anderer Hausbewohner könne nicht gesprochen werden, weil das Haus im übrigen leer stehe.
Das Gericht zweiter Instanz gab der von der Klägerin erhobenen Berufung Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Aufkündigung als rechtswirksam erklärte und dem Räumungsbegehren stattgab, wobei es die ordentliche Revision für zulässig erklärte. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien, "nicht wirksam gerügten" Verfahrens. Rechtlich billigte es die Ansicht des Erstgerichtes, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 1 MRG in der Kündigung nicht gesetzmäßig ausgeführt worden sei und die Verwirklichung des Kündigungsgrundes des erheblich nachteiligen Gebrauches aus den nicht tauglich bekämpften Feststellungen sich nicht ableiten ließe. Das Berufungsgericht erkannte jedoch der in der Berufung erhobenen Rechtsrüge insoweit Berechtigung zu, als sie sich gegen die Ablehnung der Erfüllung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 7 MRG wendet. Es könne nämlich nicht zweifelhaft sein, daß die Benützung des Bestandobjektes als "Hostessenbetrieb" und Bordell gegenüber seiner früheren Verwendung als Kaffeehaus nicht gleichwertig sei (MietSlg. 39.460). Die Auffassung des Erstgerichtes, der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG sei unbeschadet der Ungleichwertigkeit deshalb nicht verwirklicht, weil der Verwendungszweck vertraglich nicht eingeschränkt worden sei, könne nicht geteilt werden, weil nicht nur ein ausdrücklich, sondern auch ein stillschweigend bedungener Verwendungszweck, wie er in der jahrelangen Führung eines Kaffeehauses in dem Bestandobjekt erblickt werden müsse, zu beachten sei (MietSlg. 40.465; 40.467; SZ 61/42). Die beklagte Partei habe nämlich durch die zunächst unveränderte Fortführung des Unternehmens als Kaffeehaus zu erkennen gegeben, sich an den - wenn auch nicht ausdrücklich bedungenen - Vertragszweck gebunden zu fühlen, von welchem sie in weiterer Folge durch die ungleichwertige Verwendung einseitig abgewichen sei. Das Erstgericht habe somit unzutreffenderweise die Aufhebung seiner Aufkündigung auf die offenbar von anderen Voraussetzungen ausgehende Entscheidung MietSlg. 39.423 (zu § 30 Abs 2 Z 3 MRG) gestützt, weshalb der im Ergebnis berechtigten Berufung Folge zu geben gewesen sei.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision erblickte das Berufungsgericht darin, daß zu den Fragen der Relevanz der ungleichwertigen geschäftlichen Betätigung im Falle des nicht ausdrücklich bedungenen Vertragszweckes und der etwa noch gegebenen Gleichwertigkeit eines "Hostessenbetriebes" gegenüber einer Verwendung als Kaffeehaus noch keine gefestigte höchstgerichtliche Judikatur vorliege.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Im Rahmen der den Obersten Gerichtshof bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage treffenden Pflicht zur allseitigen rechtlichen Beurteilung der Rechtssache ist davon auszugehen, daß die Klägerin ihre Kündigung u.a. auf die Behauptung gestützt hat, daß der Bestandgegenstand nur zum Betrieb eines Gasthausunternehmens vermietet worden sei, die gekündigten Bestandräumlichkeiten aber ausschließlich zu einem bordellähnlichen Betrieb in Form eines Stundenhotels verwendet wurden und dies einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandobjektes und eine Rufschädigung der kündigenden Partei bewirke. Sie hat damit den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG geltend gemacht. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen erfüllt der von ihnen festgestellte Sachverhalt diesen Kündigungsgrund.
Der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches ist nämlich nach der auch im Geltungsbereich des MRG heranzuziehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 19 Abs 2 Z 3 bzw früher Z 4 MG (6 Ob 509/83; 4 Ob 1502/85; 8 Ob 661/88 ua) nicht nur dann gegeben, wenn das gesetz- oder vertragswidrige Verhalten des Mieters die Substanz des Mietgegenstandes verletzt oder zumindest gefährdet, er liegt vielmehr auch dann schon vor, wenn der bestimmungswidrige Gebrauch - objektiv betrachtet (3 Ob 628/76; 1 Ob 608/78; 7 Ob 613/80; 7 Ob 652/82) - geeignet ist, wichtige Interessen des Vermieters, insbesondere dessen Ruf zu schädigen oder zu gefährden (vgl. MietSlg. 19.151, 23.-185, 33.197; 8 Ob 580/87; WoBl. 1989, 123; 8 Ob 567/90; WoBl. 1991, 136 ua). Daß das vertragswidrige Verhalten der Beklagten im vorliegenden Fall zu keiner Substanzschädigung oder -gefährdung geführt hat, ist daher rechtlich unerheblich. Nach Lehre und Rechtsprechung rechtfertigt nicht jede gesetz- oder vertragswidrige Verwendung des Bestandgegenstandes durch den Mieter die Aufkündigung des Bestandgegenstandes, sie gibt dem Vermieter vielmehr in erster Linie bloß das Recht, die Unterlassung der unzulässigen Benützung zu begehren. Damit eine derartige Vertragswidrigkeit den Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches darstellt, ist daher erforderlich, daß wichtige Interessen des Vermieters verletzt werden. Ob ein solcher erheblich nachteiliger, wichtige Interessen des Vermieters verletzender Gebrauch gegeben ist, muß nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden (MietSlg. 23.184, 29.309, 30.366, 31.352 ua).
Im vorliegenden Fall sollte nach der für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage das Bestandobjekt dem stillschweigend bedungenen Vertragszweck zufolge als Kaffeehaus verwendet werden. Da das Bestandobjekt nunmehr im wesentlichen der Ermöglichung der Prostitution dient, was sich ja schon darin zeigt, daß der Betrieb von der Beklagten überhaupt nur dann offen gehalten wird, wenn zumindest eine der dort verkehrenden Prostituierten zum Zwecke der Animation potentieller Kunden anwesend ist, besteht kein Zweifel, daß es sich hier um eine vertragswidrige Verwendung des Bestandgegenstandes handelt. Berücksichtigt man bei der Beurteilung des Gewichtes dieser Vertragswidrigkeit die mit der Ausübung der (Geheim-)Prostitution verbundenen vielfachen Gefahren und die deswegen in weitesten Kreisen der Bevölkerung bestehende Ablehnung solcher Lokale, so muß gesagt werden, daß dadurch wichtige Interessen der Klägerin verletzt werden. Der Umstand, daß im Haus der Klägerin von der Beklagten (vertragswidrig) ein vornehmlich der Ausübung der Prostitution dienendes Etablissement betrieben wird und dies nach außen hin in Erscheinung tritt - was dazu geführt hat, daß die Klägerin sogar als Betreiberin dieses Unternehmens angesehen wurde, wurde sie doch mehrmals in telefonischen Anrufen als "Puffmutter" bezeichnet -, schädigt den Ruf der Klägerin (vgl. SZ 5/289; RZ 1982/19). Die Duldung eines derartigen Vertragsbruches ist der Klägerin nicht weiter zumutbar.
Daß die Klägerin den gegenständlichen Kündigungsgrund nicht ehestens geltend gemacht habe, wurde von der Beklagten in erster Instanz nicht eingewendet. Eine Nachholung dieser Einwendung im Rechtsmittelverfahren ist unzulässig.
Der von der Klägerin geltend gemachte Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches ist daher erfüllt, weshalb die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Ergebnis der Sach- und Rechtslage entspricht. Der Revision konnte somit kein Erfolg beschieden sein.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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