OGH 8Ob567/90

OGH8Ob567/9029.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fritz T***, Pensionist, Falkendorf 43, 8862 Stadl an der Mur, vertreten durch Dr. Gerhard Roth, Rechtsanwalt in Murau, wider die beklagte Partei Josef P***, Schweinezüchter, Falkendorf 43, 8862 Stadl an der Mur, vertreten durch Dr. Peter Krassnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 29. Dezember 1989, GZ. R 895/89-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Murau vom 31. August 1989, GZ. 2 C 398/88t-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.966,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 494,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In seiner am 31. Mai 1988 beim Erstgericht eingelangten Räumungsklage brachte der Kläger vor, das mit dem Beklagten hinsichtlich eines Teiles des Hauses, Falkendorf Nr. 43 samt Grundstück abgeschlossene Bestandverhältnis sei zufolge der im Mietvertrag enthaltenen Befristung ab 31. Jänner 1988 beendet. Der Beklagte sei den mehrfach vor und nach diesem Zeitpunkt erfolgten Aufforderungen, das Bestandobjekt zu räumen, nicht nachgekommen. Es liege auch der Auflösungsgrund des nachteiligen Gebrauches im Sinne des § 1118 ABGB vor, weil der Beklagte auf der Liegenschaft eine Schweinezucht betreibe und die Bestandräume und die gesamte Anlage völlig verkommen seien. In der Folge brachte der Kläger noch vor, daß der Beklagte verwaltungsbehördlichen Aufträgen nicht nachgekommen sei (ON 5, AS 12), Bauwerke ohne Baubewilligung errichtet und in diesen ohne Zustimmung des Klägers Schweine halte; dadurch und auch zufolge unsachgemäßer Düngerlagerung sei eine erhebliche Geruchsbelästigung und eine Gefährdung des Grundwassers eingetreten, so daß die Verwaltungsbehörde entsprechende Verfahren eingeleitet habe (ON 16, AS 58 f.). Die Bauführungen im Freiland und Landschaftsschutzgebiet seien rechtswidrig, entsprächen nicht der Bauordnung und es bestehe akute Brandgefahr (ON 21, AS 66 f.). Demgemäß habe die Verwaltungsbehörde in der Zwischenzeit einen Abbruchbescheid erlassen, gegen den Kläger als Liegenschaftseigentümer sei nun zwingend ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten. Auch wegen der von der Wasserrechtsbehörde festgestellten wasserrechtlichen Verstöße sei der Kläger der Gefahr eines Verwaltungsstrafverfahrens ausgesetzt. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er bestritt den Abschluß eines auf fünf Jahre befristeten Mietvertrages und einen nachteiligen Gebrauch des Bestandgegenstandes.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte fest:

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 80 KG Falkendorf, Gerichtsbezirk Murau, mit dem Wohnhaus Falkendorf Nr. 43. Die Streitteile einigten sich Anfang des Jahres 1983 mündlich über den Inhalt des zwischen ihnen abzuschließenden Bestandvertrages. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung errichtete Rechtsanwalt Dr. S*** die Urkunde Beilage ./I, in deren Punkt 4 eine Befristung des Mietverhältnisses zum 31. Jänner 1988 vorgesehen ist. Auch über diese Befristung war es zu einer Einigung der Streitteile gekommen. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, ob ein schriftlicher Mietvertrag dieses Inhaltes von den Parteien auch unterschrieben wurde. In der Folge errichtete der Beklagte auf der im Freiland und in einem Landschaftsschutzgebiet befindlichen Liegenschaft vier Nebengebäude als Schweineställe. Von der Errichtung eines dieser Gebäude erlangte der Kläger Kenntnis. Alle diese Gebäude wurden ohne bau- und wasserrechtliche Bewilligung errichtet und befinden sich in einem mangelhaften Zustand; wegen unsachgemäßer Elektroinstallation besteht Brandgefahr. Die Abstände der Gebäude, die verwendeten Materialien und die Abwässerbeseitigung entsprechen nicht den baurechtlichen Vorschriften; deshalb hat die Baubehörde erster Instanz einen Abbruchbescheid erlassen. Eine Sanierung der Mängel ist wirtschaftlich nicht vertretbar. Mit Schreiben vom 8. Oktober 1987 forderte der Kläger den Beklagten zur Räumung der Liegenschaft bis zum 31. Jänner 1988 auf. Einem Ansuchen um Verlängerung des Mietverhältnisses stimmte er nicht zu. Auch während des Verfahrens hat der Beklagte die Liegenschaft weiterhin benutzt und zumindest bis einschließlich April 1989 den vereinbarten Mietzinsbetrag an den Kläger bezahlt.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Beklagte benütze zufolge Ablaufes des befristeten Mietverhältnisses das Bestandobjekt ohne Rechtstitel. Darüber hinaus mache er zufolge der Verletzung verwaltungsbehördlicher Vorschriften von der Bestandsache im Sinne des § 1118 erster Fall ABGB einen erheblich nachteiligen Gebrauch.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und hielt die Rechtsrüge nicht für gerechtfertigt. Mangels Vorliegens der im § 29 Abs. 1 Z 3 a MRG geforderten schriftlichen Vereinbarung über die Befristung des Bestandverhältnisses sei dieses zwar nicht erloschen, doch habe das Erstgericht zu Recht den Auflösungsgrund des nachteiligen Gebrauches des Beklagten vom Bestandobjekt angenommen. Dieser liege nach der Rechtsprechung unter anderem auch in der widmungswidrigen Verwendung des Bestandobjektes, insbesondere, wenn dem Bestandgeber deswegen ein Verwaltungsstrafverfahren drohe. Die vom Erstgericht festgestellten Verletzungen wasser- und baurechtlicher Vorschriften bei der Errichtung der Nebengebäude seien für den Kläger mit erheblichen Nachteilen (Brandgefahr für das Wohnhaus, Aufwand für die Entfernung, Gefahr eines Verwaltungsstrafverfahrens usw.) verbunden.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Beklagte eine auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 aF ZPO gestützte Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klageabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionswerber bringt vor, durch die Errichtung von Schweineställen werde die Substanz des Hauses nicht bedroht und die Übertretung baupolizeilicher Vorschriften bilde einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandobjektes nur dann, wenn dieses selbst gefährdet sei und diese Gefährdung und der nachteilige Gebrauch dem Mieter zumindest hätte erkennbar sein müssen. Da der Kläger vier Jahre mit der "Aufkündigung" zugewartet habe, liege auch ein stillschweigender Kündigungsverzicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Den Revisionsausführungen kann nicht gefolgt werden. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung ist ein nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstandes nicht nur bei Beschädigung seiner körperlichen Substanz, sondern ua. auch dann gegeben, wenn der Bestandnehmer einen widmungswidrigen Zustand schafft, durch den wichtige Interessen des Bestandgebers beeinträchtigt werden. Da der Bestandgeber gegenüber der Bau- und Feuerpolizei für die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften und Auflagen verantwortlich ist, kann auch durch bauordnungswidrige oder feuerpolizeiwidrige Einrichtungen oder Unterlassungen eine erhebliche Verletzung der Interessen des Bestandgebers eintreten (1 Ob 550/88). Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch vorliegt, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (MietSlg. 15.287, 24.167; SZ 48/132; RZ 1982/19; 5 Ob 599/88 ua.). Der Bestandnehmer hat für die Nachteiligkeit des Gebrauches einzustehen, wenn sie ihm bei gewöhnlichen Fähigkeiten erkennbar sein mußte (MietSlg. 15.111, 23.183, 23.348 uva.). Vorliegendenfalls hat der Beklagte entgegen dem vereinbarten Vertrags- und Geschäftszweck (Punkt 6 der im Sinne der mündlichen Mietvertragsvereinbarung errichteten Urkunde Beilage ./1) auf der Bestandliegenschaft ohne bau- und wasserrechtliche Bewilligung mehrere Schweineställe errichtet, die sich in einem mangelhaften, den bau- und wasserrechtlichen Vorschriften widersprechenden Zustand befinden, und es besteht auch Brandgefahr. Die Sanierung aller dieser Mängel ist nach dem Sachverständigengutachten wirtschaftlich nicht vertretbar. Von der Baubehörde wurde bereits der Abbruchbescheid Beilage ./C erlassen. Nach dessen Spruch wurde dem Kläger als Grundeigentümer mangels Beseitigung der Bauwerke bis zum 30. Juni 1989 die Ersatzvornahme auf seine Kosten und die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens angedroht und es wurde weiters ausgesprochen, daß er die gesamten Verfahrenskosten zu tragen hat. Unter diesen Umständen ist es nicht zweifelhaft, daß durch das gesetzwidrige Verhalten des Beklagten wichtige Interessen des Klägers verletzt wurden. Der Kläger hat nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen (erstgerichtliches Urteil Seite 11, berufungsgerichtliches Urteil Seite 5, siehe ON 16) anläßlich eines Besuches auf der Liegenschaft die Errichtung des Fundamentes für den ersten der vier Zubauten bemerkt. Daß er nicht sogleich deshalb vorgegangen ist, kann keinesfalls als eine Zustimmung zur außerhalb des vereinbarten Vertragszweckes gelegenen Errichtung von bau- und wasserrechtswidrigen sowie feuerpolizeiwidrigen Bauten, von welchen eine Brandgefahr für das gesamte Bestandobjekt ausgeht, angesehen werden. Der Beklagte mußte bei anzunehmenden durchschnittlichen Fähigkeiten ohne weiteres erkennen, daß durch diesen widmungs- und gesetzwidrigen Gebrauch der Bestandsache und die dadurch geschaffene Brandgefahr wichtige Interessen des Bestandgebers verletzt werden. Dem Räumungsbegehren wurde daher zu Recht stattgegeben, sodaß die Revision erfolglos bleiben mußte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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