OGH 7Ob2224/96a

OGH7Ob2224/96a29.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt P*****, vertreten durch Dr.Gerald Kleinschuster ua Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei D***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 140.227,20 sA, infolge Revision der klagenden Partei und Rekurses der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 18.April 1996, GZ 8 R 6/95-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24.Juli 1995, GZ 18 Cg 11/93-27, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei und dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, ein Drogist, der nur einen Detailhandel mit von diversen Produzenten in größeren Mengen angekauften und so oder in kleineren Mengen unverändert weitergegebenen Chemikalien, nicht aber deren Erzeugung betreibt, lieferte am 24.6.1992 an die Firma C***** in L***** nicht, wie bestellt, ein Kilogramm Aktivkohle, sondern Graphitstaub. Unter anderem durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung desselben mit anderen Produkten bei Herstellung eines Heilmittels trat bei der letztgenannten Firma ein der Höhe nach außer Streit gestellter Schaden von S 140.217,20 auf; einen darüber hinausgehenden Schadenersatz wegen weiterer S 240.000,-- behielt sich die Firma C***** vor. An der Verursachung dieses Schadens trifft die Firma C***** laut Außerstreitstellung kein Mitverschulden. Der Kläger wurde von der Firma C***** aus diesem Schadensfall mit einem Betrag von S 116.856,-- sA klageweise in Anspruch genommen, er hat die Hälfte dieses Betrages im Feber 1993 bezahlt.

Der Kläger hat mit der beklagten Versicherung eine Betriebshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von 10 Mill.S auf Basis der AHVB und der EHVB 1986 per 1.1.1990 abgeschlossen. Diesem Versicherungsvertrag lag ein "Betriebsfragebogen" zugrunde, den Herbert P*****, ein Schadensleiter der beklagten Partei, nach den Angaben des Klägers ausgefüllt hat und den letzterer unterfertigt hat. Danach präsentierte sich der Text dieses "Betriebsfragebogens" auszugsweise wie folgt:

3. Erweiterte Produktehaftpflicht

Werden Ihre Produkte von Dritten zur Herstellung einer neuen Sache mit anderen Produkten verbunden, vermischt oder verarbeitet (zB das Farbgranulat für Farbe, Leder für Schuhproduktion?)

nein nein ja

...............

Wenn eine der vorstehenden Fragen bejaht wurde:

Versicherungsschutz für die erweiterte

Produktehaftpflichtversicherung (gem Abschn A, Z.2 Pkt 4 EHVB)

Versicherungssumme: S .............. Selbstbehalt:

10 % des Schadens, mindestens S 5.000,--

Die Worte "nein nein ja" stammen von der Hand des Herbert P*****. Der übrige Text ist vorgedruckt.

Zu dieser Art der Ausfüllung kam es wie folgt: Der Kläger äußerte gegenüber P***** vor Antragstellung, er wolle seinen gesamten Handel mit Drogeriewaren haftpflichtmäßig absichern. Danach kam es zu einer ausführlichen Erörterung möglicher Schadensfälle, die im Betrieb des Klägers eintreten können. Dabei wurde auch im Hinblick auf Punkt 3 des Betriebsfragebogens eine eventuell erforderliche "erweiterte Produkthaftpflicht" des Klägers ausführlich besprochen. Ausgehend von den Überlegungen, daß der Kläger seine Produkte nicht selbst herstellt, sondern diese nur einkauft und so, wie er sie bekommt, fallweise in kleinere Mengen umverpackt und daher substanzmäßig unverändert wieder verkauft, erklärte P***** dem Kläger, daß dabei etwaig entstehende Verwechslungen von Produkten keine Mängel an der Sache selbst und daher von der "normalen Haftpflichtversicherung" mitumfaßt sind, sodaß eine "erweiterte Produkthaftung" letztendlich nicht notwendig sei. Da der Kläger aufgrund der Zusicherungen P***** davon überzeugt war, daß eine Verwechslung von Produkten durch die "normale Haftpflichtversicherung", bei welcher er die Versicherungssumme von S 5 Mill auf S 10 Mill erhöht hatte, versicherungsmäßig abgedeckt ist, stellte er keinen Antrag auf die erörterte "erweiterte Produkthaftpflichtversicherung".

Die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB)

erklären als Gegenstand der Leistungspflicht des Versicherers dessen

Übernahme der Erfüllung von "Schadenersatzverpflichtungen, die dem

Versicherungsnehmer ... aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen

privatrechtlichen Inhalts erwachsen", und zwar von

Schadenersatzverpflichtungen im Rahmen des im Versicherungsvertrag

bezeichneten Risikos. Die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die

Haftpflichtversicherung (EHVB) erklären unter dem Titel "Allgemeine

Regelung für alle Betriebsrisken", daß im Rahmen einer derartigen

Versicherung "Schadenersatzverpflichtungen ... aus der Innehabung

oder Verwendung der gesamten betrieblichen Einrichtung" versichert

sind. Das Produkthaftpflichtrisiko, definiert als "die Gesamtheit der

gesetzlichen Haftungstatbestände für Schäden, die durch Mängel eines

Produktes nach Lieferung oder durch Mängel einer geleisteten Arbeit

nach Übergabe verursacht werden", gilt jedoch in verschiedenen

Risikobereichen nur aufgrund einer besonderen Vereinbarung als

versichert. Zu diesen nur durch Sondervereinbarung zu schützenden

Risikobereichen zählt nach Abschnitt A Zahl 2 Punkt 4. EHVB die

Übernahme von "Schäden Dritter infolge Mangelhaftigkeit von Sachen,

die erst durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von durch

den Versicherungsnehmer gelieferten Produkten mit anderen Produkten

entstehen". Ein Mangel, der eine solche Mangelhaftigkeit begründen

kann, kann nach den Versicherungsbedingungen "auf ... Lieferung (auch

Fehllieferung) ... zurückzuführen sein".

Der Kläger fordert mit seinem Hauptbegehren von der beklagten

Versicherung, daß diese ihm "gemäß § 149 VersVG ... auf Grund des

bestehenden Versicherungsverhältnisses" jene Leistungen zu ersetzen

habe, die er aufgrund seiner Verantwortlichkeit für den

Versicherungsfall vom 24.6.1992 an die Firma C***** zu bewirken habe,

also insbesondere die von ihr begehrten S 140.227,20; in eventu

Zahlung derjenigen S 58.428,-- sA, die er in Erfüllung der genannten

Leistungspflicht an die Firma C***** bereits bezahlt habe. Der

Versicherungsvertreter der beklagten Partei P***** habe dem Kläger

bei Vorbereitung des Haftpflichtversicherungsvertrages ausdrücklich

zugesichert, daß das Produkthaftpflichtrisiko ausreichend

mitversichert sei. Der Kläger habe damals die Versicherungssumme von

S 5 Millionen auf S 10 Millionen erhöht. Aufgrund der Erklärungen des

Versicherungsvertreters habe sich der Kläger darauf verlassen, daß

Fehler bei der versicherten Tätigkeit nach jeder Richtung

versicherungsmäßig gedeckt seien. Gerade dazu sei die Versicherung

mit erhöhter Versicherungssumme angeboten worden. Im zweiten

Rechtsgang stützte der Kläger seinen Anspruch ausdrücklich auch auf

Schadenersatz. Er begehrt eventualiter die Feststellung, die beklagte

Partei habe - über die im Eventualbegehren genannten S 58.428,--

hinaus - alle diejenigen Leistungen dem Kläger zu ersetzen, die

dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für die unrichtige

Lieferung vom 24.6.1992 an den Empfänger der Lieferung zu bewirken

habe. Die beklagte Partei hafte für die unrichtigen Erklärungen ihres

Agenten. Der Kläger habe gegenüber diesem Agenten beantragt, auch

nach dem Produkthaftpflichtgesetz versichert zu sein; dessen Antwort

habe zur Folge gehabt, daß auch die in Punkt 4.1. der EHVB genannte

Risikoerweiterung versicherungsmäßig gedeckt sei. Ein davon

abweichender Inhalt des Versicherungsscheines sei dem Kläger nicht

erkennbar gewesen; dieser sei - auch unter Bedachtnahme auf § 864a

ABGB - außer acht zu lassen, zumal der Kläger auf die Abweichungen

nicht hingewiesen worden sei. Die beklagte Partei habe für das

Erklärungsverhalten ihres Agenten einzustehen, auch wenn ihr der

(wahre) Inhalt des Versicherungsvertrages nicht bekannt gewesen sei.

Der Kläger habe nicht erkennen können, daß das erweiterte Risiko nur bei Stellung eines besonderen Antrages als versichert gelte. Der Kläger habe auf die Richtigkeit der Erklärungen des Versicherungsagenten vertrauen dürfen.

Die beklagte Partei beantragte die Klageabweisung. Da der Kläger die Frage, die zur Versicherung des schadenverursachenden Risikos hätte führen sollen, nämlich "Werden Ihre Produkte von Dritten zur Herstellung einer neuen Sache mit anderen Produkten verbunden, vermischt oder verarbeitet?", verneint und den diese Frage und Antwort enthaltenden Betriebsfragebogen nach ausführlicher Erörterung unterschrieben habe, sei eine besondere Vereinbarung im Sinne der genannten AHVB unterblieben. Der Kläger genieße daher keinen Versicherungsschutz.

Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem Hauptbegehren statt. Für den Kläger habe der Zweck des vorliegenden Versicherungsvertrages und insbesondere die Inkaufnahme der erhöhten Haftpflichtversicherungssumme darin bestanden, auch (die Folgen von) Verwechslungen versicherungsmäßig abzudecken. Da der Kläger aufgrund der Zusicherungen P***** auch im Hinblick auf die vorgenommene Versicherungssummenerhöhung davon überzeugt gewesen sei, daß eine Verwechslung von Produkten schon durch die normale Haftpflicht versicherungsmäßig abgedeckt sei, habe er keinen Antrag auf eine Erweiterte Produkthaftpflichtversicherung gestellt.

Das Berufungsgericht änderte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil teilweise dahingehend ab, daß es das Hauptbegehren mit Teilurteil abwies und hinsichtlich des Eventualbegehrens die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwies. Es erklärte die ordentliche Revision (allerdings ohne eine Bewertung vorzunehmen) und den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es erachtete die erstgerichtlichen Feststellungen mit Ausnahme jener, daß die Erklärung P***** die Ursache für den Entschluß des Klägers war, keine erweiterte Produkthaftpflichtversicherung zu beantragen, für unbedenklich. Es folgerte rechtlich, daß der Kläger durch die Erklärung P***** zu Punkt 3 des "Betriebsfragebogens" erkannt habe, daß ein Restrisiko bestehe, das er aber in Übereinstimmung mit der Beurteilung des letzteren zu versichern nicht für notwendig erachtete. Dabei müsse der Kläger aber dennoch erkannt haben, daß es Ziel der zu beantwortenden Fragen gewesen sei, diejenigen Umstände näher abzuklären, von denen eine solche Versicherung abhing. Sowohl er wie auch P***** seien offenbar davon ausgegangen, daß der Punkt 3 des "Betriebsfragebogens" nur solche Verbindungen, Vermischungen und Verarbeitungen behandle, die ausschließlich im Betrieb des Klägers vorgenommen werden. Darüber hinaus fasse der etwas später im Text vorkommende Hinweis des Inhalts "Wenn eine der vorstehenden Fragen bejaht wurde: Versicherungsschutz für die Erweiterte Produkthaftpflichtversicherung" für einen Unkundigen noch nicht genügend deutlich werden, daß im Falle einer Bejahung dieser Frage für Schadensfolgen aus einer beim Lieferungsempfänger durchgeführten Verbindung, Vermischung und Verarbeitung überhaupt keine Haftpflichtversicherung bestehe. Letztlich müsse der Kläger erkannt haben, daß die erste der unter Punkt 3. gestellten Fragen des Betriebsfragebogens wahrheitswidrig beantwortet worden sei. Dem Kläger müsse bewußt gewesen sein, daß es darauf ankomme, ob sein Kunde das von ihm gelieferte Produkt mit anderen Produkten verbinde, vermische oder verarbeite. Der Kläger sei aber in diesem Punkt von P***** unrichtig beraten worden. Es wäre dessen Aufgabe gewesen, den Kläger auf die Risikoausschlüsse aufmerksam zu machen, die darin bestanden, daß verschiedene Risken nur im Falle des Abschlusses einer Erweiterten Produktehaftpflichtversicherung gedeckt wären. Seine Erklärung, etwaig entstehende Verwechslungen (bzw deren Folgen) seien (unterschiedslos) durch die "normale Haftpflicht" gedeckt, sei unrichtig gewesen. Es bestünden keine Grundlagen für die Annahme, der Kläger habe gegenüber irgend jemandem, etwa P***** den Anschein erweckt, er wolle eine Erweiterte Produkthaftpflichtversicherung abschließen, d.h. er wolle jenes Risiko, das nur gegen eine erhöhte Prämie zu versichern war, versichert wissen. Obwohl Versicherungsanträge auch mündlich gestellt werden könnten und die beklagte Partei dafür das Risiko zu tragen habe, daß ihr Versicherungsagent die Erklärungen des Versicherungsnehmers an sie übermittle, sei der Kläger aber auch nicht im Sinne des § 864a ABGB schutzwürdig, weil schon beim vorbereitenden Gespräch mit P***** all die Umstände erörtert worden seien, die jenen Risikoausschluß, den die beklagte Partei nun geltend mache, dem Kläger wenigstens als möglich erscheinen lassen hätte müssen. Es bestehe daher keine Vertragshaftung der beklagten Partei.

Die Frage, ob die beklagte Versicherung dem Kläger wegen ihr gemäß § 1313a ABGB zuzurechnender unrichtiger Beratung durch P***** schadenersatzrechtlich zu haften habe, sei vom Erstgericht noch nicht ausreichend abgeklärt worden. Ein Verstoß gegen vorvertragliche Aufklärungspflichten sei rechtswidrig und gelte nach § 1298 ABGB als schuldhaft, solange nichts anderes behauptet und bewiesen werde. Aufklärungsbedürftig sei aber die Kausalität des Verhaltens des P***** in bezug auf den Entschluß des Klägers, keine Produkthaftpflichtversicherung abzuschließen, und, "wenn die beklagte Partei ein entsprechendes Vorbringen erstattet haben sollte" ein allfälliges Mitverschulden des Klägers. Der Schluß des Erstgerichtes, daß der Kläger nur zufolge der Fehlberatung P***** keine Produkthaftpflichtversicherung gewünscht habe, sei aufgrund der vorliegenden Feststellungen noch nicht zulässig. Hätte der Kläger trotz der unrichtigen Beratung durch P***** erkannt, um welches Risiko es sich dabei handelte, und wäre die Verneinung der ersten Frage dieses Punktes 3. auf einen Willensentschluß des Klägers zur Nichtversicherung dieses Risikos zurückzuführen, dann müßte die Kausalität einer Fehlberatung verneint werden. Eine schlüssige Beantwortung der Kausalitätsfrage müsse sich mit der Aussage etwa des Klägers auseinandersetzen, es sei bei dem Gespräch mit P***** "auch besprochen worden, daß der Käufer meiner Ware diese Ware vermengt und vermischt mit anderen Produkten, weil ja mein Kunde dieses Produkt auch braucht; es war also klar, daß meine Ware von Dritten weiterverarbeitet wird" (AS 51). Das Erstgericht werde festzustellen und zu beurteilen haben, ob daraus der (allenfalls nicht zwingende) Schluß gezogen werden müsse, der Kläger habe dieses Besprechungsergebnis sehr wohl mit einem Risikoausschluß in Verbindung gebracht und insbesondere die Art des im Betriebsfragebogen behandelten Risikoausschlusses erkannt. Beachtet werden müsse allerdings auch die anderslautende Aussage des Klägers AS 53. Die Art, wie die diesbezügliche Fragebeantwortung in ihrem Schriftbild aussehe, zeige jedenfalls, daß hier Überlegungen angestellt worden seien. Sollte der Kläger aus der Überschrift und aus der Fragestellung in Beilage ./N = Beilage ./1 sowie aus dem Gespräch mit P***** den genannten Risikoausschluß nicht erkannt haben, stelle sich die Frage, ob er einen solchen Risikoausschluß erkennen hätte müssen, ob ihn also ein Mitverschulden an der unterbliebenen Versicherung des hier umstrittenen Risikos treffe. Die beklagte Partei habe ein Mitverschulden des Klägers nicht ausdrücklich eingewendet und sich auf den unrichtigen Standpunkt gestellt, der Kläger könne sich nicht mehr auf schadenersatzrechtliche Bestimmungen stützen. Sie habe aber doch, um eine Vertragshaftung abzuwehren, teilweise auch für die Beurteilung eines Mitverschuldens wesentliche Tatsachen vorgebracht und diese auch in der Berufungsschrift releviert. Diese Tatsachen seien daher auch bei Abwägung des Mitverschuldens zu berücksichtigen. Es seien alle Möglichkeiten des Klägers, bei entsprechender Sorgfalt die Unrichtigkeit der Belehrung P***** zu erkennen, festzustellen. Insbesondere sei festzustellen, ob die Aussage des Klägers richtig sei, daß er durch dessen Hinweis auf eine Rücksprache "mit seinen Herren da oben" beruhigt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung vom Kläger erhobene Revision und der von der beklagten Partei dagegen erhobene Rekurs sind im Ergebnis nicht berechtigt.

Nach den in diesem Punkt vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes ist die im klägerischen Betrieb unterlaufene Verwechslung von Aktivkohle mit Graphitstaub als Falschlieferung (Lieferung eines aliud) zu qualifizieren, die nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre in Konkurrenz mit den Rechtsfolgen nach den §§ 918 ff ABGB als Gewährleistungsmangel zu beurteilen ist (vgl. Reischauer in Rummel ABGB2 vor § 918 Rz 11 mwN sowie Kramer in Straube HGB2 §§ 377 f Rz 58 ff). Dementsprechend parallel dazu ergeben sich Schadenersatzansprüche des durch die Falschlieferung Geschädigten, die allein Gegenstand der Haftpflichtversicherung, auch der Erweiterten Produkthaftpflichtversicherung, sind, weil Ansprüche aus der Gewährleistung gänzlich vom Risiko ausgeschlossen sind (vgl. Achatz ua Erläuterungen zu den AHVB 1993, 142). In Übereinstimmung mit der Lehre (vgl. Bydlinski in Klang IV/2, 322 ff) hat die Judikatur ausgesprochen, daß der Verkäufer eines an sich fehlerfreien Produktes, dessen Verwendung in spezifischen Teilbereichen zu Schädigungen führen könnte, die Nebenverpflichtung zur Anleitung und Aufklärung hat (vgl. RZ 1982/49 sowie SZ 43/220). Die Haftung für "generell-abstrakt" fehlerfreie Produkte, die in "individuell-konkreten" Teilbereichen der Verwendung zu Schädigungen führen können und somit gefahrenträchtig sind, ist zu bejahen, wenn der Veräußerer mit einer derartigen Verwendung rechnen mußte (vgl.

Welser PHG Rz 28 zu § 5). Dementsprechend ist der Veräußerer zu einer

richtigen Bezeichnung der von ihm verkauften Ware verpflichtet. Der

Auffassung der klagenden Partei, sie habe C***** gar keine

mangelhafte Sache geliefert, kann daher nicht zugestimmt werden,

jedoch kommt dieser Beurteilung keine streitentscheidende Bedeutung

zu, weil die beklagte Partei nach den in diesem Punkt eindeutigen

Versicherungsbedingungen eben ein derartiges wie hier unstrittig

vorliegendes Risiko nur im Rahmen einer gesondert zu vereinbarenden

Produkthaftpflichtversicherung nach Abschnitt A Zahl 2 Punkt 4 der

EHVB und nicht im Rahmen der Allgemeinen

Betriebshaftpflichtversicherung versichern wollte. Das

Produkthaftpflichtgesetz ersetzt auch nicht das sonstige

Schadenersatzrecht, sondern bietet als Spezialnorm zusätzliche

Durchsetzungsmöglichkeiten von Schadenersatzansprüchen ohne

Verschuldensnachweis. Wiewohl Schäden durch fehlerhafte Produkte

weiterhin auf Grundlage des allgemeinen Schadenersatzrechtes

(allerdings unter Nachweis eines Verschuldens des Schädigers) geltend gemacht werden können, brachte der Versicherer mit der hier vorliegenden eindeutigen Bedingungslage zum Ausdruck, das hier gegebene Risiko zur Gänze nur im Rahmen der Erweiterten Produkthaftpflichtversicherung decken zu wollen.

Versicherungsbedingungen sind vom Beurteilungsstandpunkt eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen (vgl. Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 132 f mwN insbesondere FN5). Danach beurteilt ist zweifelsfrei klar, daß mit der Bestimmung des Punktes 4.1.1 des Abschnittes A Zahl 2 der EHVB nicht nur selbsterzeugte Produkte, sondern auch solche, die von einem Händler gekauft und in anderer Verpackung mit anderer Bezeichnung weiterverkauft werden, sehr wohl Gegenstand der Produkthaftung im Sinne der zitierten Versicherungsbedingung sind und daher nur aufgrund einer zusätzlich zu treffenden Vereinbarung versicherbar sind. Dies entspricht auch der zufolge der fast gleichlautenden Bedingungslage durchaus für die Beurteilung heranzuziehenden deutschen Rechtsprechung und Lehre, nach der Schadenersatzansprüche durch Falschlieferungen ausdrücklich in die Produkthaftpflichtversicherung eingeschlossen sind (vgl BGH, VersR 68, 1137 sowie Prölss-Martin VVG25, 1236).

Es ist nun zweifellos denkbar, daß ein Versicherer zusagt, ein

derartiges Risiko abweichend von dem sonst dem Versicherungsvertrag

zugrundegelegten Bedingungswerk im Rahmen der Allgemeinen

Haftpflichtversicherung abzudecken. Maßgebend dabei ist die

Vertretungsbefugnis des dies Zusagenden, im vorliegenden Fall daher

die P*****. Ein "bloßer Vermittlungsvertreter" ist kein Vertreter des

Versicherers im technischen Sinn, sondern hat nur die Aufgabe, den

Vertragsabschluß vorzubereiten. In der Regel holt er am Ende der

Vertragsverhandlungen die Anträge des Versicherungsnehmers ein, um

sie dem Versicherer vorzulegen, der über Annahme oder Ablehnung

entscheidet. Nur der Abschlußvertreter hat eine Vertretungsmacht. Nur

dieser kann Verträge nicht nur vorbereiten, sondern im Namen des

Versicherers selbst abschließen (vgl Schauer aaO, 97 mwN). Der Kläger

hat kein Vorbringen darüber erstattet, daß P***** bevollmächtigt

gewesen wäre bzw diesen Anschein erweckt hat, selbständig für die

beklagte Versicherung Versicherungsverträge abzuschließen und daher

bindende Zusagen zu machen; vielmehr mußte er nach den

Verfahrensergebnissen erkennen, daß P***** vom Versicherer

Erkundigungen einholen mußte und danach ihm entsprechende Belehrungen

erteilte (wobei nach Auffassung des Berufungsgerichtes ungeklärt

blieb, ob der Kläger die Unrichtigkeit der ihm erteilten Belehrungen

aus dem vorliegenden Sachverhalt erkannt hat oder nicht). Für eine

von den Bedingungen abweichende, für die beklagte Versicherung

rechtsverbindliche Zusage P***** im aufgezeigten Sinn fehlt es daher

an einem entsprechenden Feststellungssubstrat. Da der Kläger den

Abschluß einer Erweiterten Produkthaftpflichtversicherung abgelehnt

hat, nach der zuvor stehenden Beurteilung ihm aber keine verbindliche

vom Bedingungswerk abweichende Zusage gemacht worden ist, hat das

Berufungsgericht zutreffend das auf Deckung ausgerichtete

Hauptbegehren abgewiesen.

Aber auch der von der beklagten Partei erhobene Rekurs gegen den

Aufhebungsbeschluß erweist sich als nicht berechtigt.

Wenn der Versicherer sich zur Verhandlungsführung einer Hilfsperson bedient, wird deren Verhalten ihm zugerechnet (§ 1313a ABGB), er hat dafür schadenersatzrechtlich so einzustehen, als hätte er selbst gehandelt. Hilfsperson im Sinne des § 1313a ABGB ist dabei jeder, der mit der Anbahnung oder dem Abschluß von Verträgen betraut ist. Auch im Versicherungsvertragsrecht spielen ungeschriebene Schutz- und Sorgfaltspflichten des Versicherers, die Aufklärung und Information des Versicherungsnehmers zum Gegenstand haben, eine Rolle. Die Rechtsprechung hat bei der Reichweite solcher Pflichten bislang keine allzu strengen Maßstäbe angelegt. Danach ist der Versicherer nicht zur Überprüfung verpflichtet, ob das angebotene Versicherungsprodukt das Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers vollständig abdeckt. Doch muß der Versicherer Fehlvorstellungen, die der Versicherungsnehmer über den Deckungsumfang äußert, richtigstellen. Es besteht daher eine Aufklärungspflicht des Versicherers über einen Risikoausschluß, wenn erkennbar ist, daß der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt. Umso eher liegt ein pflichtwidriges Verhalten vor, wenn der Versicherungsnehmer in seinen irrigen Vorstellungen über den Inhalt des Versicherungsproduktes noch bestärkt wird (vgl. Schauer aaO, 124 f, insbesondere das von ihm verwendete Beispiel, 125). Wird eine vorvertragliche Aufklärungs- und Informationspflicht schuldhaft verletzt, so muß der Versicherer dem Versicherungsnehmer alle Schäden ersetzen, die durch die Pflichtverletzung entstanden sind. Vielfach wird der Schaden des Versicherungsnehmers darin liegen, daß er sich - entgegen seinen Vorstellungen über den Umfang der Versicherung - nun plötzlich mit einer unerwarteten Deckungslücke konfrontiert sieht; der Schaden liegt also im Entgang des Versicherungsschutzes. Hat der Versicherer diesen Schaden auszugleichen, so heißt dies, daß der Versicherungsnehmer im Ergebnis so gestellt wird, als wäre er von Anfang an entsprechend seinen Deckungserwartungen "richtig" versichert (vgl. Schauer aaO, 126 f mwN). Soweit das Berufungsgericht als letzte Tatsacheninstanz aber Bedenken gegen eine trotz offensichtlich eindeutiger Falschbelehrung durch P***** beim Kläger möglicherweise gar nicht erweckte Fehl-Vorstellung über das vorliegende Risiko hegt, sofern dieser erkannt haben sollte, daß dieses Risiko gar nicht in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung versicherbar ist, ist dem Obersten Gerichtshof ein Eingehen auf diese der Tatfrage zuzuordnende Beurteilung verwehrt. Der Aufhebungsbeschluß war daher zu bestätigen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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