OGH 8ObA2342/96m

OGH8ObA2342/96m16.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Gründler und ADir.Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der Firma D***** GmbH, Betrieb R*****, vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Firma D***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck a.d. Mur, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12.September 1996, GZ 7 Ra 156/96g-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 16.Februar 1996, GZ 22 Cga 93/95a-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.655,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (S 609,-- USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit den Arbeitern der beklagten Partei, deren Arbeitsverhältnisse zum früheren insolventen Arbeitgeber durch Austritt gemäß § 25 KO mit Wirkung vom 30.4.1993 endeten, wurden mit Kaufvertrag vom 8.6.1993, abgeschlossen zwischen dem Masseverwalter des früheren Arbeitgebers und der beklagten Partei (als deren neue Arbeitgeberin), mit Wirkung vom 1.5.1993 neue Arbeitsverhältnisse begründet. Der maßgebliche Punkt XII des Kaufvertrages lautet (auszugsweise):

Die Vertragsteile halten fest, daß sämtliche Dienstnehmer der s***** M*****industriegesellschaft mbH und der A*****industriegesellschaft mbH (auch jene die besonderen Kündigungsschutz genossen haben) zwischenzeitig gemäß § 25 KO ihren vorzeitigen Austritt aus dem Unternehmen zum Stichtag 30.4.1993 erklärt haben.

Festgehalten wird weiters, daß die Käuferin (die beklagte Partei) sämtliche Dienstnehmer der beiden genannten Konkursmassen zu den bestehenden Lohn- und Gehaltsvereinbarungen wieder eingestellt hat.

Die Betriebsratskörperschaften wurden überbunden.

Die Vertragsteile halten weiters fest, daß sich die Käuferin im Sinne der Erklärung einer fünfjährigen Standortgarantie gegenüber den übernommenen Mitarbeitern der Konkursmasse verpflichtet hat, im Falle der Auflösung des Dienstverhältnisses eines übernommenen Mitarbeiters durch Dienstgeberkündigung vor Ablauf von fünf Jahren nach Übernahme für die Berechnung des Abfertigungsanspruches eine Vordienstzeit von fünf Jahren anzurechnen".

Zwischen dem früheren Betriebsinhaber und dem Betriebsrat kam es zwar nicht zum Abschluß einer Betriebsvereinbarung, jedoch hat jener Ende 1984 die Gewährung einer monatlich zahlbaren Treueprämie an Arbeitnehmer mit einer fünfjährigen Betriebszugehörigkeit, die sich nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit verdoppelte, zugesagt; diese Prämien wurden im gleichen Ausmaß wie die Ist-Löhne nach dem Kollektivvertrag (für die eisen- und metallverarbeitende Industrie) erhöht. Ab 1.5.1993 bezahlte die beklagte Partei die Treueprämie nicht mehr.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend begründet, daß zufolge der Vereinbarung, "sämtliche Dienstnehmer ....... zu den bestehenden Lohn- und Gehaltsvereinbarungen" wieder einzustellen, den betroffenen Arbeitnehmern (mit mehr als fünf- bzw zehnjähriger Betriebszugehörigkeit) ab 1.5.1993 eine monatliche Treueprämie zu bezahlen sei (§ 48 ASGG).

Den Revisionsausführungen ist zu entgegnen:

Nach dem weiten arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff (Arb 9430 = ZAS 1977/19, 140; Arb 9573; SZ 50/46) erfaßt dieser sämtliche Vergütungen für die Überlassung der Arbeitskraft. "Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung, sondern nur auf die tatsächliche Funktion der Leistung an", wobei in diesen Entscheidungen auch ausdrücklich Prämien erwähnt werden.

Das Motiv der beklagten Partei, die Arbeitnehmer "frei von Altlasten" - als solche wurden in den Verhandlungen mit einem anderen Kaufinteressenten für den Betrieb Abfertigungen, Urlaubsabfindungen usw genannt (AS 149 = S 7 des Urteils erster Instanz) - zu übernehmen, ist in der genannten Vereinbarung nicht zum Ausdruck gekommen. Die redliche Verkehrssitte (§ 914 ABGB) wurde noch dadurch verdeutlicht, daß in Betriebsversammlungen der Belegschaft erklärt wurde, es werde keine finanzielle Einbuße beim neuen Arbeitgeber (= die beklagte Partei) geben. Überdies hat das Erstgericht schon zutreffend auf das zur Auslegung heranzuziehende Sprachverständis des anzuwendenden Kollektivvertrags verwiesen, wonach gemäß Punkt IX. 3 regelmäßige Überzahlungen des Kollektivvertragslohnes, die weder unter die Akkord- bzw Prämienbestimmungen fallen, noch zweckbestimmte Zahlungen sind, als Bestandteil des Stundenlohnes zu gelten haben.

Die Entlohnung der Arbeiter unterscheidet sich von der der Angestellten typischerweise durch das Fehlen des Senioritätsprinzipes (Vorrückung in Zwei- bzw Dreijahresstufen), wie dies für Angestelltenkollektivverträge regelmäßig vorgesehen ist. Zur Annäherung an die Angestelltenentlohnung finden sich vielfach - wie im vorliegenden Fall - monatlich auszuzahlende Treueprämien, wodurch der strukturelle Unterschied der Entlohnung von Arbeitern und Angestellten vermindert wird. Solche monatlich zu zahlenden Treueprämien stellen - anders etwa als die Zuwendungen aus besonderen betrieblichen Anlässen (Betriebszugehörigkeitsjubiläen vgl § 97 Abs 1 Z 15 ArbVG und Anm 71 hiezu in Floretta-Strasser ArbVG2) - eine Form der Ist-Lohnerhöhung dar, die wegen ihrer monatlichen Auszahlung nicht unter den Begriff der "Altlasten", wie sie die beklagte Partei bei dem Unternehmenserwerb aus den Konkursmassen zu vermeiden bemüht war, fallen (wie etwa Abfertigungen, Urlaubsabfindungen usw). Wegen der Beendigung der Arbeitsverhältnisse der Arbeiter durch Austritt gemäß § 25 KO und der Neubegründung der Arbeitsverhältnisse zur beklagten Partei stellt sich die Frage der Vordienstzeitenanrechnung für Urlaub nur eingeschränkt im Sinne des § 3 Abs 2 Z 1 UrlG bis zum Höchstausmaß von fünf Jahren, im Gegensatz zu uneingeschränkten Anrechnung von Dienstzeiten bei demselben Arbeitgeber (gemäß § 3 Abs 1 UrlG). Noch enger ist die Regelung gemäß § 2 Abs 1 und 3 EFZG, wonach eine ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses vorausgesetzt wird. Die Zusammenrechnung gemäß § 2 Abs 3 EFZG - bei Unterbrechungen von längstens 60 Tagen - kommt wegen des verschiedenen Arbeitgebers gleichfalls nicht in Betracht.

Hätte die beklagte Partei die Entlohnung der Arbeiter des gekauften Unternehmens nur nach dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt oder unter Ausschluß der monatlichen Treueprämien gewollt, hätte sie in dem Kaufvertrag auf eine diesbezügliche Klarstellung dringen müssen. Von der verwendeten "Besitzstandsklausel" (Verweisung auf die bestehenden Lohn- und Gehaltsvereinbarungen) sind jedoch die monatlich auszuzahlenden Treueprämien umfaßt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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