Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er insgesamt zu lauten hat:
"Einstweilige Verfügung:
Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei auf Unterlassung der Verbreitung unwahrer ehrenrühriger und/oder kreditschädigender Behauptungen, wird der beklagten Partei bis zur rechtskräftigen Erledigung der anhängigen Unterlassungsklage verboten, die nachstehenden Äußerungen oder gleichartige unwahre ehrenbeleidigende und/oder rufschädigende Äußerungen zu verbreiten:
1.) Es sei bei "*****" notwendig, daß Jörg H***** dafür sorge, daß in der Redaktionsstube weniger gelogen werde;
2.) "*****" habe einen gefälschten Brief über Jörg H***** veröffentlicht.
Das Mehrbegehren, der beklagten Partei möge die Verbreitung der Behauptungen, "*****" verbreite Unwahrheiten über Dr.H*****, wie etwa seine Kokainabhängigkeit, und "*****" sei ein Kampfblatt, das von der ***** gegen die ***** in Stellung gebracht worden sei, verboten werden, wird abgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten der klagenden Partei im Provisorialverfahren wird der Endentscheidung vorbehalten.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.809,70 S (darin 634,95 S USt) bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei hat ihre darüber hinausgehenden Verfahrenskosten endgültig selbst zu tragen".
Die Entscheidung über die Kosten der klagenden Partei im Rekursverfahren wird der Endentscheidung vorbehalten.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.596,28 S (darin 1.099,38 S USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei hat die darüber hinausgehenden Kosten des Rekursverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Die Entscheidung über die Kosten der klagenden Partei im Revisionsrekursverfahren wird der Endentscheidung vorbehalten.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.715,-- S (darin 952,50 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei hat die darüber hinausgehenden Kosten des Revisionsrekursverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Medieninhaberin des periodischen Druckswerks "*****". Hans-Henning S***** war im November 1995 Leiter der außenpolitischen Redaktion. Der Beklagte war (und ist) ein Funktionär der ***** Partei Österreichs und deren stellvertretender Klubobmann im Parlament.
Am 10.12.1995 fand im Fernsehprogramm eines deutschen Privatsenders eine Diskussion statt, an der u.a. der genannte Redakteur der Klägerin, ein Künstler, die Obfrau einer anderen österreichischen politischen Partei sowie der Beklagte teilnahmen.
In einer Ausgabe von "*****" im Jahr 1993 war unter dem Titel "Der Schnee von gestern" ein Artikel erschienen, in dem behauptet wurde, "ein Dossier" rücke Jörg H***** ins "Umfeld einer Kokainaffäre". Im Artikel war ferner von einer "angeblichen Kokainverstrickung" des Obmanns der ***** die Rede. In der Diskussion vom 10.12.1995 wurde von den Teilnehmern Hans-Henning S***** und dem Beklagten das Verhältnis von "*****" zu der ***** und deren Obmann Jörg H***** zum Thema gemacht.
Mit der am 29.12.1995 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Unterlassung folgender Behauptungen:
"Es sei bei "*****" notwendig, daß Jörg H***** dafür sorge, daß in der Redaktionsstube weniger gelogen werde;
- "*****" habe einen gefälschten Brief über Jörg H***** veröffentlicht;
- "*****" verbreite Unwahrheiten über Dr.H*****, wie etwa seine Kokainabhängigkeit;
- "*****" sei ein Kampfblatt, das von der ***** gegen die ***** in Stellung gebracht wurde.
Sie begehrte ferner den Widerruf der Behauptungen gegenüber den Zusehern der Fernsehsendung und die Veröffentlichung des Widerrufs. Die Klägerin verband mit der Klage einen auf die Unterlassung der angeführten Behauptungen gerichteten Sicherungsantrag. Der Redaktion von "*****" werde unterstellt, daß sie bewußt Unwahrheiten verbreite. Dies sei nicht der Fall. Die Redaktion der Klägerin sei angehalten, Veröffentlichungen stets genau zu recherchieren. "*****" habe keinen gefälschten Brief über Jörg H***** veröffentlicht. Ein Neonazi habe mit Jörg H***** eine Korrespondenz geführt. "*****" habe den Brief in der von dem Neonazi übermittelten Fassung veröffentlicht. Dieser Brief habe Stempel mit nationalsozialistischen Symbolen aufgewiesen. Der tatsächlich an Jörg H***** abgegangene Brief habe diese Stempel nicht enthalten. Dies habe die Klägerin aber erst nach der Veröffentlichung feststellen können. Der veröffentlichte Brief sei nicht gefälscht, sondern in dieser Form vom Absender angefertigt worden. Letztlich handle es sich beim Brief nicht um einen solchen über Jörg H*****. Der Vorwurf des Beklagten ziele dahin, daß die Klägerin in ihrer Berichterstattung auf gefälschte Dokumente zurückgreife. Die Behauptung beinhalte auch den Vorwurf, die Klägerin habe den Brief selbst gefälscht oder fälschen lassen. Die Äußerung des Beklagten sei kreditschädigend. "*****" habe nie verbreitet, daß Dr.Jörg H***** kokainabhängig sei. Die Behauptung, "*****" sei ein Kampfblatt, das von der ***** gegen die ***** in Stellung gebracht worden sei, sei der massivste Vorwurf gegenüber der Klägerin mit dem Inhalt, "*****" tarne sich als unabhängig, sei aber in Wahrheit ein der ***** nahestehendes Blatt. Der Vorwurf. parteilich zu sein, sei geeignet, daß das Publikum von einem künftigen Erwerb des Magazins Abstand nehmen werde.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages. Bei der Fernsehdiskussion habe es sich um eine politische Kontroverse gehandelt. Der politische "Schlagabtausch" zwischen dem Chefredakteur der Klägerin und dem Beklagten sei unter dem Gesichtspunkt des Rechtes auf freie Meinungsäußerung zu beurteilen. Die politische Kritik des Beklagten sei zulässig und lediglich eine "satirisch überspitzte" Reaktion auf Äußerungen des Chefredakteurs der Klägerin. Eine Interessenabwägung führe zur Beurteilung, daß die Äußerung des Beklagten nicht rechtswidrig sei. "*****" habe wiederholt mit Falschbehauptungen und ehrenrührigen Behauptungen gegen Jörg H***** Stellung genommen. Dies habe mit kritischen Journalismus nichts zu tun und sei als Stimmungsmache gegen den guten Ruf der ***** zu verstehen. Wer so "austeile" wie die Klägerin, müsse sich auch provokante Reaktionen gefallen lassen. "*****" habe in der kurzen Zeit des Bestehens bereits 100 gerichtlich abgehandelte Entgegnungen, Gegendarstellungen und Mitteilungen veröffentlichen müssen. Der Klägerin sei ein gravierender Mangel an Recherchen vorzuwerfen. Ohne Recherchen veröffentlichte unrichtige Behauptungen seien als besonders krasse Unwahrheiten im Sinne der Rechtsprechung zu werten. Wegen der Behauptung, Dr.Jörg H***** sei in eine Kokainaffäre verstrikt und befinde sich im Umfeld einer Kokainaffäre, sei "*****" rechtskräftig zweimal verurteilt worden. Vor Veröffentlichtung dieser falschen Vorwürfe sei der Betroffene (Dr.Jörg H*****) nie befragt worden. "*****" habe zahlreiche Behauptungen über Dr.Jörg H***** im Rahmen von Entgegnungen zurücknehmen müssen.
Die Vorwürfe des Beklagten seien richtig. Der von "*****" veröffentlichte Brief des von "*****" als "Terror-Nazi" bezeichneten Thomas B***** habe weder den Aufdruck "Freiheit für Gottfried K*****" noch einen Rundstempel mit eingraviertem Reichsadler aufgewiesen. Das an Dr.H***** tatsächlich übermittelte Schreiben habe einen völlig unverfänglichen Inhalt gehabt. Die Person des Thomas B***** sei Dr.H***** völlig unbekannt gewesen. Aus dem Schreiben habe er nicht erschließen können, daß es sich um einen deutschen Neonazi handle. Durch die Veröffentlichung des Briefs mit dem Aufdruck "Freiheit für Gottfried K*****" und einem dem deutschen Reichskriegsadler nachempfundenen Rundstempel sei bei den Lesern von "*****" der falsche Eindruck erweckt worden, Dr.H***** korrespondiere mit einem deutschen Nazi-Führer. "*****" habe eine gefälschte Korrespondenz mit dem offenkundigen Zweck, Dr.H***** anzuschwärzen, veröffentlicht.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag mit Ausnahme des Unterlassungsanspruchs hinsichtlich der Behauptung, "*****" sei ein Kampfblatt, das von der ***** gegen die ***** in Stellung gebracht worden sei, statt. Es stellte folgende Passagen aus der Fernsehdiskussion wörtlich fest:
"S*****: H***** hat gesagt: Wenn ich in diesem Land etwas zu reden habe, so hat er gesagt, dann werde ich dafür sorgen, daß in den Redaktionsstuben weniger gelogen wird.
St*****: Das ist bei "*****" aus (auch) notwendig. Das ist bei Ihrer Zeitschrift auch notwendig, ich sage, mittlerweile müsse Sie die Gerichte bemühen .....
St*****: Schauen Sie, lassen Sie mich einmal ausreden, jetzt kommen wir nämlich zu Ihren Ungeheuerlichkeiten, Herr S*****. Die Zeitschrift, die der Herr S***** vertritt, das "*****", ist permanent im Prozeß mit uns, weil dort laufend die ungeheuerlichsten Unwahrheiten über Jörg H***** verbreitet werden. Jetzt hat man einen gefälschten Brief über ihn veröffentlicht, wo er angeblich mit einem Nazi oder Neonazi korrespondiert hat, mit, wo ein Reichsadler oder weiß ich was draufgewesen sein soll.....
St*****: Herr B*****, zunächst hätte ich gerne auf diese Beschimpfungen reagiert, denn wenn ich nicht darauf reagieren kann...... Herr S*****, ich laß' Sie ausreden, haben Sie soviel demokratische Kultur und lassen Sie andere auch reden. Wenn Sie auch in Ihrer Zeitung ständig sich vor Haßtirarden ergehen, Unwahrheiten über den Dr.H***** verbreiten, wie etwa seine Kokainabhängigkeit.....
St*****: Herr S*****, Sie haben sich in den Zahlen vergriffen, lassen Sie mich ausreden. Ich bin dafür auch dem Sender dankbar, daß er Sie eingeladen hat, damit jetzt einmal jeder Österreicher, der uns zuschaut, jeder Österreicher, der uns zuschaut, einmal sieht, wie ein Mann, der der ***** nahesteht, bei einem Kampfblatt arbeitet, das von der ***** gegen uns in Stellung gebracht wurde".
Das Erstgericht stellte weiters noch folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Bei "*****" werde jede Veröffentlichung in der Redaktion sorgfältig recherchiert und überprüft. Vor Weiterleitung fertiggestellter Artikel an die Druckerei überprüfe der jeweilige Chefredakteur gemeinsam mit dem Verfasser des Artikels, wie die "Story" recherchiert worden sei. Dem Faktum "gefälschter Brief" liege zugrunde, daß ein deutscher Neonazi ein Schreiben an Dr.Jörg H***** versandt habe, welches der Klägerin in der an den Neonazi Gottfried K***** übermittelten Fassung vorgelegen sei. Diese Kopie des Schreibens an Dr.H***** habe Stempel mit nationalsozialistischen Symbolen aufgewiesen, während der tatsächlich an Dr.H***** übermittelte und von ihm beantwortete Brief diese Stempel nicht aufgewiesen habe. Der "*****" vorgelegene, an Dr.H***** gerichtete Brief sei aber nicht gefälscht, sondern in dieser Form vom deutschen Absender selbst verfaßt worden. Es sei nicht bescheinigt, daß die Klägerin einen gefälschten Brief über Jörg H***** veröffentlicht habe. Es sei auch nicht bescheinigt, daß die Klägerin jemals die Behauptung erhoben habe, Dr.H***** sei kokainabhängig.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die Äußerungen des Beklagten Tatsachenbehauptungen darstellten, deren Richtigkeit überprüfbar sei. Der Vorwurf der Lüge sei sowohl ehrenrührig als auch kreditschädigend. Daß die Klägerin krasse Fehlinformationen verbreitet habe, sei vom Beklagten nicht bescheinigt worden. Die Klägerin sei zwar in einer Reihe von prozessalen Auseinandersetzungen mit den "*****" unterlegen, die "Gegenangriffe" des Beklagten gegen Attacken des Redakteurs der Klägerin gegen Dr.H***** sprengten den Rahmen zulässiger Äußerungen nach Art 10 MRK. Der Redakteur sei bei der Fernsehdiskussion nicht als Vertreter der Klägerin aufgetreten. Mit dem Vorwurf des Beklagten, "*****" habe eine gefälschte Korrespondenz über Jörg H***** veröffentlicht, werde der Eindruck erweckt, daß Dr.H***** mit dem Brief überhaupt nichts zu tun habe. Dies sei aber nicht der Fall. Ein Briefwechsel zwischen Dr.H***** und Thomas B***** habe stattgefunden. Dem Beklagten sei zwar eine Bescheinigung dahin gelungen, daß Dr.H***** von "*****" zu Unrecht der Verstrickung in eine Kokainaffäre verdächtigt worden sei, die Klägerin habe aber nie behauptet, Dr.H***** sei "kokainabhängig".
Der Vorwurf, "*****" sei ein Kampfblatt, das von der ***** gegen die ***** in Stellung gebracht worden sei, sei zwar ehrverletzend, der Angriff richte sich jedoch gegen die geistige Gestaltung des Mediums und die Blattlinie. Vom Vorwurf sei nicht der Medieninhaber, sondern in erster Linie der die ideelle Richtung bestimmende Herausgeber betroffen. Zur Klage sei daher die Medieninhaberin nicht legitimiert.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge, dem Rekurs der Klägerin aber Folge und erließ die einstweilige Verfügung im Sinne einer gänzlichen Stattgebung des Sicherungsantrages. Es beurteilte den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt rechtlich dahin, daß es beim Vorwurf der Lüge nicht darauf ankomme, ob objektiv eine unrichtige Berichterstattung erfolgt sei. Von einer Lüge könne nur dann gesprochen werden, wenn bewußt wahrheitswidrige Behauptungen aufgestellt wurden. Diesbezüglich fehle es sogar an einem ausreichenden Vorbringen des Beklagten. Die Äußerung sei auch nicht aufgrund der Meinungsfreiheit gerechtfertigt. Ein Politiker müsse auch in einer hitzigen Diskussion die Grundsätze des Anstands wahren und dürfe sich nicht zu "Retorsionsbeleidigungen" hinreißen lassen.
Daß die Klägerin einen gefälschten Brief über Jörg H***** veröffentlicht habe, sei nicht bescheinigt worden. Der Beklagte habe ebenfalls nicht bescheinigt, daß die Klägerin die falsche Behauptung verbreitet habe, Dr.H***** sei kokainabhängig.
Auch die Klägerin als Medieninhaberin sei vom Vorwurf, daß "*****" von der ***** gegen die ***** in Stellung gebracht worden sei, betroffen. Der Vorwurf habe auch den Inhalt, die ***** ermögliche durch ideelle und ökonomische Unterstützung die Produktion und Verbreitung des Mediums, allenfalls durch Finanzierung von Anlaufkosten. Der Vorwurf richte sich nicht gegen die Blattlinie allein. Der Medieninhaber habe neben dem Herausgeber die "Grundkompentenz", über die inhaltliche Richtung des Mediums zu entscheiden. Zutreffend habe das Erstgericht den Vorwurf als ehrenrührig und kreditschädigend qualifiziert. Die einstweilige Verfügung sei daher zur Gänze zu erlassen gewesen.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, daß der Sicherungsantrag abgwiesen werde.
Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Klägerin, den Rekurs zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise auch berechtigt.
Nicht strittig ist der Umstand, daß die klagende Kommanditgesellschaft als juristische Person auch den Schutz des § 1330 ABGB genießt (MR 1993, 57 u.a.). Die Klagelegitimation ist zu bejahen.
Entgegen der Auffassung des Rekurswerbers sind hier nicht im Rahmen der politischen Auseinandersetzung geäußerte Werturteile, sondern Tatsachenbehauptungen zu prüfen. Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB sind Umstände, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar sind. Die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muß grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein, sodaß das Verbreiten nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann. Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen. Tatsachen können auch "konkludent" behauptet werden. Dies ist dann der Fall, wenn dem Urteil, das eine rein subjektive Auffassung wiedergibt, entnommen werden kann, daß es von bestimmten Tatsachen ausgeht. Daß das Verhalten des Dritten aufgrund eigener gedanklicher Tätigkeit interpretiert und einer wertenden Stellungnahme unterzogen wird, schließt das Vorliegen einer Tatsachenmitteilung noch nicht aus. Werturteile sind hingegen rein subjektive Aussagen, die objektiv nicht überprüfbar sind. Sie werden vom § 1330 Abs 2 ABGB nicht erfaßt, können aber als Ehrenbeleidigungen gegen Abs 1 dieser Gesetzesstelle verstoßen (MR 1994, 111 mwN). Sämtliche Äußerungen des Beklagten haben zumindest einen überprüfbaren Tatsachenkern, sind also Tatsachenbehauptungen. Aber selbst bei der vom Beklagten vertretenen Auffassung, es lägen Werturteile vor, wäre für ihn nichts gewonnen, weil die ins Treffen geführte Meinungsfreiheit (Art 10 MRK) voraussetzt, daß das Werturteil nicht auf unwahren Tatsachenbehauptungen beruht. Es entspricht der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung, daß eine im Zuge eines politischen Meinungsstreits erfolgte Herabsetzung des Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen das Maß einer zulässigen politischen Kritik überschreitet und auch im Wege einer umfassenden Interessenabwägung oder mit dem Recht auf freie Meingungsäußerung nicht gerechtfertigt werden kann (MR 1993, 14 uva; zuletzt 6 Ob 2350/96y).
Bei kreditschädigenden Tatsachenbehauptungen, die gleichzeitig auch ehrenbeleidigend sind (§ 1330 Abs 1 ABGB) hat der Verletzte nur die Tatsachenverbreitung, der Beklagte als Täter aber die Wahrheit der Tatsachenbehauptung sowie die fehlende Vorwerfbarkeit, also den Mangel der Rechtswidrigkeit zu beweisen (MR 1995, 16 mwN; 6 Ob 22/95).
Die Richtigkeit der Vorwürfe, in der "Redaktionsstube" der Klägerin werde gelogen (im Sinne einer bewußten Verbreitung falscher Tatsachen im Medium) und die Klägerin habe einen gefälschten Brief über Jörg H***** veröffentlicht, hat der bescheinigungspflichtige Beklagte nicht nachgewiesen. Die Beurteilung der Vorinstanzen über den Bedeutungsinhalt der beiden Äußerungen, die nach dem Zusammenhang, in dem sie fielen, zu beurteilen sind, ist frei von Rechtsirrtum. Dazu kann auf die Begründung des Rekursgerichtes verwiesen werden (§ 528a ZPO).
Hinsichtlich der Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe die unwahre Behauptung einer Kokainabhängigkeit des Dr.H***** verbreitet, hat der Beklagte die Richtigkeit des Tatsachenkerns bescheinigt. Auf diesen kommt es zumindest im vorliegenden Provisorialverfahren an. Die festgestellten falschen Behauptungen im Artikel der Klägerin (H***** sei ins "Umfeld einer Kokainaffäre" geraten und es liege eine "angebliche Kokain-Verstrickung" vor) waren nach dem Rechtssatz, daß der Verbreiter undeutliche Äußerungen in der ungünstigsten Auslegung gegen sich gelten lassen muß, (auch) dahin zu verstehen, daß Dr.H***** selbst in irgendeiner Weise des Suchtgiftmißbrauchs verdächtigt werde (aus diesem Grund erfolgte schließlich auch eine Verurteilung der Klägerin nach § 6 Abs 2 MedienG: Beil 4). Auch der Beklagte durfte bei seiner nun von der Klägerin bekämpften Äußerung von der angeführten Auslegung des Artikels der Klägerin ausgehen. Ihm ist die Bescheinigung der Wahrheit des Tatsachenkerns seiner Äußerung gelungen. Der Sicherungsantrag ist daher in diesem Punkt nicht berechtigt.
Die weitere Behauptung, "*****" sei ein Kampfblatt, das von der ***** gegen die ***** in Stellung gebracht werde, enthält als Tatsachenkern den Vorwurf, die ***** unterstütze die Klägerin ideell oder materiell. Ein solcher Vorwurf könnte zwar als rufschädigend angesehen werden, wenn die Klägerin - worauf schon in der Klage hingewiesen wurde - darauf Wert legt, als unabhängiges Magazin am Markt aufzutreten, ehrenbeleidigend im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB ist der Vorwurf jedoch nicht. Es ist für ein Medienunternehmen nicht ehrenbeleidigend, von einer im Parlament vertretenen politischen Partei (die die mandatstärkste Partei in Österreich ist und den Bundeskanzler stellt) in irgendeiner Form unterstützt zu werden. Bei bloß rufschädigenden Äußerungen ist es jedoch Sache der Klägerin, die Unrichtigkeit des Vorwurfs zu bescheinigen. Diese Bescheinigung wurde aber nicht erbracht. Der Revisionsrekurs ist daher auch in diesem Punkt berechtigt.
Der Sicherungsantrag ist aus den dargelegten Gründen nur teilweise berechtigt. Entscheidungswesentlich ist die Rechtsfrage der Beweislastverteilung zur Richtigkeit der bekämpften Tatsachenbehauptungen. Auf die zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses angeschnittenen Rechtsfragen der Anwendbarkeit des § 114 Abs 2 StGB im Bereich des Zivilrechtes kommt es nicht an. Diese Bestimmung über die Straflosigkeit wegen Ausübung eines Rechtes oder Nötigung durch besondere Umstände sieht für das Delikt der üblen Nachrede nach § 111 StGB die Straflosigkeit des Täters vor, wenn er durch besondere Umstände genötigt war, seine Behauptung in der Form und auf die Weise vorzubringen, wie es geschah, es sei denn, daß die Behauptung unrichtig war und der Täter sich dessen bei Aufwendung der notwendigen Sorgfalt hätte bewußt sein können. Unabhängig davon, ob diese Gesetzesstelle des Strafgesetzbuches einen Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund normiert, könnte sich der Beklagte darauf nur berufen, wenn er von der Klägerin selbst genötigt worden wäre, die bekämpfte Behauptung aufzustellen. Die Vorinstanzen gingen jedoch davon aus, daß die Äußerungen des Beklagten zwar eine Reaktion auf Äußerungen eines Redakteurs der Klägerin waren, der an der Diskussion nach den Feststellungen aber nicht als deren Vertreter (im rechtlichen Sinn) teilgenommen hatte. Davon abgesehen könnte der Beklagte die von ihm als "Rechtfertigungsgrund eigener Art" qualifizierte Bestimmung des StGB nur dann für seinen Standpunkt ins Treffen führen, wenn seine Behauptungen wahr wären. Unrichtige Behauptungen sind auch bei Fehlen eines Verschuldens (also auch bei Aufwendung der nötigen Sorgfalt bei der Prüfung der Wahrheit vor Abgabe der Äußerung) zu verbieten, weil der Unterlassungsanspruch nach § 1330 ABGB nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung verschuldensunabhängig ist. Von diesem Grundsatz abzugehen, besteht kein Anlaß. An dieser Beurteilung vermag der Hinweis auf die zitierte Norm des Strafgesetzbuches nichts zu ändern, weil diese nur dem im Strafrecht allgemein verankerten Grundsatz Rechnung trägt, daß die Strafbarkeit Verschulden voraussetzt (§ 4 StGB). Dieser Grundsatz ist auf das Zivilrecht, das mehrfach Haftungen ohne jedes Verschulden normiert (Erfolgshaftungen), nicht übertragbar.
Dem Revisionsrekurs ist teilweise stattzugeben.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, hinsichtlich des teilweise obsiegenden Beklagten auf den §§ 41 und 50 ZPO, sowie den §§ 78, 402 EO. Mangels gesonderter Bewertung der zu verbietenden vier Äußerungen ist für die Kostenentscheidung von einer Gleichwertigkeit der Äußerungen auszugehen. Dies bedeutet, daß der Beklagte im Verfahren erster Instanz und im Revisionsrekursverfahren zur Hälfte obsiegt hat. Im Rekursverfahren ist er mit seinem Rekurs zu einem Drittel durchgedrungen, mit seiner Rekursbeantwortung zum Rekurs der Klägerin jedoch zur Gänze.
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