OGH 7Ob2390/96p

OGH7Ob2390/96p15.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. I.Huber als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 8.8.1994 verstorbenen Helmut G*****, Pensionist, zuletzt wohnhaft gewesen in F***** infolge Revisionsrekurses der Witwe Margarethe G*****, ***** vertreten durch Dr. Manfred Ammann, Rechtsanwalt in Rankweil, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 3.Oktober 1996, GZ 1 R 415/96d-56, womit aus Anlaß des Rekurses der Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 22. August 1996, GZ 12 A 419/94i-52, ersatzlos aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger. Unbedingte Erbserklärungen auf Grund des Gesetzes haben abgegeben die erblasserische Witwe Margarethe G***** zur Hälfte und die erblasserische Tochter (aus zweiter Ehe) Barbara L***** zu einem Viertel, bedingte Erbserklärungen auf Grund des Gesetzes die volljährigen Nachkommen der vorverstorbenen Tochter (aus erster Ehe) Mario S***** und Carmen S***** zu je drei Sechszehntel des Nachlasses. Alle Beteiligten sind auf Grund des Erbstatuts des Erblassers von der Anwendung deutschen Erbrechts ausgegangen.

Das Erstgericht hat - im zweiten Rechtsgang - den Nachlaß der erbl.Witwe zur Hälfte, der erbl.Tochter Barbara L***** zu einem Viertel und den erbl.Enkeln Mario und Carmen S***** zu je einem Achtel eingeantwortet und gleichzeitig ausgesprochen, daß die Erben entsprechend diesen Anteilen für die bereits rechtskräftig bestimmte Gebühr des Gerichtskommissärs aufzukommen haben. Gemäß § 1931 BGB sei der überlebende Ehegatte neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel als Erbe berufen. Falls der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelte, werde nach deutschem Erbrecht die Erbquote des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht. Der gesetzliche Güterstand nach österreichischem Recht sei vergleichbar mit jenem nach deutschem Recht, wo die Zugewinngemeinschaft gelte. Deshalb habe die erbl.Witwe ein Erbrecht auf die Hälfte des Nachlasses. Der Rest der Erbschaft sei auf die erbl.Tochter Barbara L***** zu einem Viertel und die erbl.Enkel zu je einem Achtel des Nachlasses aufzuteilen.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes aus Anlaß des Rekurses der erbl.Enkel ersatzlos auf und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Hier lägen widersprechende Erbserklärungen vor, die auch schon angenommen worden seien. Stünden mehrere Erbserklärungen zueinander im Widerspruch, so habe das Gericht gemäß § 125 AußStrG zu entscheiden, welcher Teil gegen den anderen als Kläger aufzutreten habe. Eine solche Entscheidung habe auch dann stattzufinden, wenn die Erbserklärungen nur teilweise kollidierten. Stünden Erbserklärungen testamentarischer oder gesetzlicher Erben zueinander im Widerspruch, so habe das Gericht gemäß § 126 Abs 2 AußStrG denjenigen der streitenden Erben zur Überreichung der Klage anzuweisen, welcher, um sein Erbrecht geltend machen zu können, den stärkeren Erbrechtstitel seines Gegners vorerst entkräften müsse. Werde die Erbrechtsklage fristgerecht erhoben, sei die Abhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu unterbrechen und mit dem Sieger fortzusetzen. Werde die Klage nicht eingebracht, scheide der schwächer Titulierte (im Umfang der unterlegenen Erbquoten) aus dem Verfahren aus. Über die einander widersprechenden Erbserklärungen könne, auch wenn sich beide auf das Gesetz stützten, jedenfalls nicht im Beschluß über die Einantwortung entschieden werden. Voraussetzung für die Einantwortung sei, daß das Erbrecht gehörig, notfalls im Erbrechtsstreit nachgewiesen werde.

Bevor der Einantwortungsbeschluß gefaßt werden könne, habe das Erstgericht gemäß §§ 125 ff AußStrG vorzugehen. Dies auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Erblasser deutscher Staatsangehöriger gewesen und gemäß § 28 Abs 1 IPRG deutsches Erbrecht anzuwenden sei. Gemäß § 28 Abs 2 IPRG sei nämlich der Erbschaftserwerb, wenn eine Verlassenschaftsabhandlung in Österreich durchgeführt werde, nach österreichischem Recht zu beurteilen. Im übrigen sei im Verlassenschaftsverfahren vor einem inländischen Gericht österreichisches Verfahrensrecht anzuwenden.

Der Einantwortungsbeschluß und die damit zusammenhängende Entscheidung über die Tragung der Gebühr des Gerichtskommissärs seien aus Anlaß des Rekurses ersatzlos aufzuheben gewesen. Das Erstgericht werde - nach Vernehmung der Parteien - zu entscheiden haben, wem die ungünstigere Klägerrolle zuzufallen habe. Die Beklagtenrolle sei jenem Erbanwärter zuzuweisen, für den die größere Wahrscheinlichkeit des Erbrechts spreche. Nach dem Personalstatut des Erblassers sei deutsches Erbrecht anzuwenden. Der überlebende Ehegatte sei neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel berufen. Der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten erhöhe sich - als Ausgleich des Zugewinns während der Ehe - um ein Viertel, wenn der (nach deutschem Recht) gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet worden sei. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei der gesetzliche Güterstand nach österreichischem Recht die Gütertrennung und damit nicht mit der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht vergleichbar. Ein Zugewinnsausgleich im Todesfall komme hiemit nur dann zum Tragen, wenn die Ehegatten vor dem Ableben des Erblassers im Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht gelebt hätten. Das Ehegüterrecht sei gemäß § 19 IPRG nach dem Recht zu beurteilen, das die Parteien ausdrücklich bestimmt hätten, mangels einer Rechtswahl nach dem zur Zeit der Eheschließung für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht. Daß eine solche Vereinbarung getroffen worden sei, stehe nicht fest. Falls keine Rechtswahl getroffen worden sei, gelte für Ehen, die vor dem Inkrafttreten des IPRG geschlossen worden seien, das Güterrechtsstatut des alten IPR. Danach sei jene Rechtsordnung maßgebend, zu der die engste Beziehung und die meisten Anknüpfungspunkte bestanden hätten.

Auch die erbrechtliche Position der (nicht am Rekursverfahren beteiligten) Tochter Barbara L***** hänge vom Ausgang des einzuleitenden Erbrechtsstreits ab. Sollte die erbl.Witwe im Erbrechtsstreit obsiegen, betrage deren Erbquote ein Viertel, andernfalls drei Achtel; für die Klärung der Erbquoten im Erbrechtsstreit genüge es, wenn von mehreren gesetzlichen Erben nur einer die Klage erhebe. Obwohl Barbara L***** eine unbedingte Erbserklärung auf Grund des Gesetzes zu einem Viertel abgegeben habe, ließe sich ihr Anteil entsprechend dem Ausgang des Erbrechtsstreits noch zu ihren Gunsten verändern, weil die Anführung der in Anspruch genommenen Erbqote nicht zum notwendigen Inhalt einer Erbserklärung gehöre.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der erbl.Witwe erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß § 125 AußStrG hat das Verlassenschaftsgericht nach Vernehmung der Parteien zu entscheiden, welcher Teil gegen den anderen als Kläger aufzutreten habe, wenn zu dem nämlichen Nachlasse mehrere Erbserklärungen angebracht werden, welche miteinander in Widerspruch stehen. Nach dieser Gesetzesstelle ist auch zu verfahren, wenn Erbserklärungen nur zum Teil kollidieren (WBl 1988, 712; 4 Ob 556/89). Wie der Oberste Gerichtshof bereits - unter Ablehnung gegenteiliger Entscheidungen (SZ 32/23 ua) - ausgesprochen hat (SZ 58/52 = JBl 1986, 120), ist eine Entscheidung des Abhandlungsgerichts über den Erbrechtsstreit nichtig; bei Vorliegen einander widersprechender Erbserklärungen ist jedenfalls - unabhängig von § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG - auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Die zutreffende Ansicht, daß das Vorgehen gemäß § 125 AußStrG kein Anwendungsfall des § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG ist, wird mit den unterschiedlichen Entscheidungswirkungen eines im Abhandlungsverfahren gefaßten Beschlusses und eines Urteiles im Erbrechtsstreit begründet. Auch wurde darauf verwiesen, daß die Einantwortung gemäß § 823 ABGB die klageweise Geltendmachung des Erbrechts nicht ausschließt. Eine im Verlassenschaftsverfahren ergangene Entscheidung über den Erbrechtsstreit hätte daher keine streitbereinigende Wirkung. Die Verweisung der Erbansprecher auf den Zivilrechtsweg mit Zuteilung der Parteienrollen hat daher sowohl beim Streit um die Höhe der Erbquote als auch beim Streit um die Wirksamkeit eines vom Erblasser getroffenen Anordnung zu erfolgen (5 Ob 127/94).

Im vorliegenden Fall haben die Witwe, die Tochter aus zweiter Ehe und die Nachkommen der vorverstorbenen Tochter aus erster Ehe - wegen des unstrittigen Erbstatuts nach deutschem Recht - auf Grund des Gesetzes Erbserklärungen abgegeben, die miteinander kollidieren. Mit Recht hat daher das Rekursgericht den Einantwortungsbeschluß des Erstgerichts, mit dem dieser Erbrechtsstreit entschieden wurde, aus Anlaß des Rekurses als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht das Vorgehen nach den §§ 125 ff AußStrG aufgetragen. Entgegen der Auffassung im Revisionsrekurs, daß eine gänzliche Aufhebung des Einantwortungsbeschlusses mangels Anfechtung durch die Witwe wegen Teilrechtskraft unzulässig sei, kommt im Außerstreitverfahren der Grundsatz der Wahrung der Teilrechtskraft dann nicht zum Tragen, wenn der unangefochten gebliebene Teil inhaltlich gar nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen konnte, weil er mit der noch überprüfbaren Entscheidung in einem untrennbaren Sachzusammenhang steht (6 Ob 632/69; RZ 1988/54; SZ 66/150; SZ 68/8). Das ist aber beim Streit um die Erbquoten der Fall.

Für die Zuteilung der Parteienrollen im Erbrechtsstreit ist hier ausschlaggebend, ob die bessere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß die erbl.Witwe die durch § 1371 BGB erhöhte Erbquote für sich beanspruchen kann. Gemäß § 1371 BGB wird der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht, wenn der Güterstand der sogenannten Zugewinngemeinschaft gemäß § 1363 BGB durch den Tod eines Ehegatten beendet wird; dabei ist unerheblich, ob die Ehegatten im einzelnen Fall einen Zugewinn erzielt haben. Gemäß § 1363 Abs 1 BGB leben die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren; das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten; das gilt auch für Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt; der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, wird jedoch ausgeglichen, wenn die Zugewinngemeinschaft endet (§ 1363 Abs 2 BGB).

Die Bezeichnung "Zugewinngemeinschaft" ist insofern irreführend, als tatsächlich keine Gemeinschaft am Zugewinn besteht; es bleibt vielmehr beim Prinzip der Gütertrennung. Jeder Ehegatte hat lediglich eine für den Fall der Eheauflösung unter Lebenden beschränkte Anwartschaft auf eine schuldrechtliche Ausgleichsforderung (Lange in Soergel, BGB12 VII Rz 1 bis 6 zu § 1363; Gernhuber im Münchner Kommentar zum BGB3 VII Rz 6 f zu § 1363), der beim Tod eines Ehegatten durch die höhere Erbquote gemäß § 1371 BGB ausgeglichen wird.

Der gesetzliche eheliche Güterstand in Österreich ist gemäß § 1237 ABGB die Gütertrennung. Anders als in der Bundesrepublik Deutschland bestehen hier aber für den Todesfall keine besonderen erbrechtlichen Bestimmungen zugunsten des überlebenden Ehegatten, die dem Ausgleich des ehelichen Zugewinns dienten. Das österreichische Ehegattenerbrecht nimmt auf den Güterstand der Ehegatten keinerlei Bezug. Die Erbquote des überlebenden Ehegatten hängt gemäß § 757 ABGB vielmehr davon ab, mit welchen Verwandten er konkurriert. Da somit der österreichische gesetzliche eheliche Güterstand im entscheidenden Punkt nicht dem deutschen gesetzlichen ehelichen Güterstand entspricht, ist zu prüfen, in welchem Güterstand die Revisionsrekurswerberin mit dem Erblasser zum Zeitpunkt des Todes gelebt hat.

Wegen der unbestrittenen deutschen Staatsbürgerschaft des Erblassers ist gemäß § 28 IPRG deutsches Erbrecht anzuwenden. Der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf den erhöhten Erbteil gemäß § 1371 BGB hängt davon ab, ob die Ehegatten im (deutschen) gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Anders als bei einer Gütergemeinschaft auf den Todesfall, bei der das Erbstatut entscheidet (Zemen, ZfRV 1990, 311), ist dieseFrage des Ehegüterrechts gemäß § 19 IPRG nach dem Recht zu beurteilen, das die Parteien ausdrücklich bestimmt haben, mangels einer solchen Rechtswahl nach dem zur Zeit der Eheschließung für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht. Sollten der Erblasser und die Witwe keine Rechtswahl getroffen haben, hängt diese Anknüpfung für die vor dem Inkrafttreten des IPRG (1.1.1979) geschlossene Ehe der Revisionswerberin mit dem Erblasser mangels einer davor bestehenden ausdrücklichen Regelung über das Ehewirkungsstatut davon ab, zu welcher Rechtsordnung die engste Beziehung und die meisten Anknüpfungspunkte bestanden haben. Mangels einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehepartner kommen als Anknüpfungspunkte deren gewöhnlicher Aufenthalt und die Lage ihres Vermögens in Frage (SZ 49/160; Schwimann in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 19 IPRG). Sollte sich im weiteren Verfahren herausstellen, daß der Güterstand nach deutschem Recht zu beurteilen ist, und gilt mangels einer anderen Vereinbarung der gesetzliche Güterstand des BGB, dann spräche die größere Wahrscheinlichkeit für das bessere Erbrecht für die Witwe. Anders verhielte es sich, sollte der Güterstand nach österreichischem Recht zu beurteilen sein.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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