OGH 1Ob2373/96v

OGH1Ob2373/96v16.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr.Nikolaus Kodolitsch und Dr.Wolfgang Nopp, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Johann S*****, vertreten durch Dr.Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in Köflach, wegen S 92.297,-- sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichts vom 27.August 1996, GZ 5 R 252/96-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 23.April 1996, GZ 3 C 1151/95-24, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 92.297,-- samt 16 % Zinsen seit 24.5.1995 zu bezahlen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 37.985,28 (darin enthalten S 6.330,88 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei gewährte dem Beklagten mit Kreditvertrag vom 7.6.1988 einen Privatsofortkredit im Betrag von S 100.000,- -. Der Beklagte verpflichtete sich, diesen Kredit samt Zinsen in 120 aufeinanderfolgenden monatlichen Raten zurückzuzahlen. Bis einschließlich April 1993 kam er seinen Rückzahlungsverpflichtungen im wesentlichen fristgerecht nach. Danach erfolgten keine Rückzahlungen mehr. Deshalb richtete die klagende Partei am 1.12.1993 ein Schreiben an den Beklagten, in welchem sie ihn unter Androhung des Terminsverlusts und unter Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen letztmalig mahnte, gleichzeitig für den Fall der nicht termingerechten Bezahlung den Kreditvertrag entsprechend den Kreditbedingungen kündigte und damit die gesamte noch offene Schuld fälligstellte. Das Schreiben wurde an eine Anschrift in H***** abgesandt, welche der klagenden Partei vom Kreditschutzverband von 1870 als zustellfähige Adresse des Beklagten mitgeteilt worden war. An die vom Beklagten (im Kreditvertrag) bekanntgegebene Adresse in St.K***** war die Zustellung von Schriftstücken nicht mehr möglich gewesen. Der Beklagte war allerdings seit 24.8.1992 in einer Strafvollzugsanstalt inhaftiert, was der klagenden Partei nicht bekannt war. Vom Wechsel seines Aufenthaltsorts, also von seiner Inhaftierung, hatte er die klagende Partei nicht in Kenntnis gesetzt, obwohl er gemäß Punkt 6 der Kreditbedingungen hiezu verpflichtet gewesen wäre. Das Schreiben vom 1.12.1993 langte nicht an die klagende Partei (als unzustellbar) zurück. Gemäß Punkt 6 der Kreditbedingungen gelten für den Fall, daß ein Kreditnehmer der Bank eine Änderung seiner Anschrift nicht mitgeteilt hat, schriftliche Mitteilungen der Bank nach dem gewöhnlichen Postlauf als zugegangen, wenn sie an die letzte, der Bank bekannt gewordene Anschrift abgesandt worden sind. Das Nichtmelden einer Adressenänderung stellt gemäß Punkt 7 lit c der Kreditbedingungen einen Kündigungsgrund dar. Aus dem Kreditverhältnis haftete zum 23.5.1995 ein Betrag von S 92.297,-- aus.

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten die Zahlung des aushaftenden Kreditbetrags samt 16 % Zinsen seit 24.5.1995. Die gesamte noch offene Schuld aus dem Kreditverhältnis sei fällig geworden, nachdem der Beklagte infolge nicht fristgerechter Rückzahlung unter Androhung von Terminsverlust und Setzung der gesetzlich vorgegebenen Nachfrist letztmalig gemahnt worden sei und darauf nicht reagiert habe.

Der Beklagte wendete ein, er sei nicht den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) entsprechend gemahnt worden, sodaß die Klagsforderung nicht fällig sei. Die Mahnung sei an eine falsche Anschrift zugestellt worden, sie sei dem Beklagten in der Folge auch nicht zugekommen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die klagende Partei habe sämtliche gesetzliche Voraussetzungen zur Ausübung ihres Rechtes auf sofortige Fälligstellung der noch ausständigen Teilleistungen des Beklagten erfüllt. Daß die Mahnung vom 1.12.1993 dem Beklagten nicht an dessen aktuelle Adresse zugestellt worden sei, sei der klagenden Partei nicht anzulasten, weil es der Beklagte trotz der in den Kreditbedingungen enthaltenen Verpflichtung zur Meldung des Wechsels seines Aufenthaltsortes unterlassen habe, die klagende Partei unverzüglich von seiner Inhaftierung zu verständigen. Die Mahnung gelte als zugegangen, weil sie an die letzte, der klagenden Partei bekanntgewordene Anschrift abgeschickt worden sei. Eine Zustellung an die vom Beklagten im Kreditvertrag angegebene Anschrift sei nicht mehr möglich gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Zustellung der qualifizierten Mahnung an die der klagenden Partei bekanntgewordene Anschrift in H***** vermöge zwar die Zugangsfiktion gemäß § 6 Abs 1 Z 3 KSchG bzw gemäß Punkt 6 der Kreditbedingungen nicht zu begründen, und die Klage, mit der Terminsverlust geltend gemacht werde, könne auch die Mahnung gemäß § 13 KSchG nicht ersetzen. Da der Beklagte vor Klagsführung mehr als zwei Jahre hindurch keine Zahlungen geleistet habe, obwohl ein „Umschuldungsersuchen“ von der klagenden Partei abschlägig beschieden worden sei, habe es jedoch keiner Mahnung und Nachfristsetzung bedurft, um den aushaftenden Kreditbetrag fälligzustellen, weil die Annahme, der Beklagte würde durch die Fälligstellung der aushaftenden Kreditsumme überrascht werden und er hätte im Falle der Androhung Zahlung geleistet, lebensfremd sei.

Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes auf den vorliegenden Fall ist nicht strittig. Gemäß § 13 KSchG darf der Unternehmer das ihm vertraglich vorbehaltene Recht des Terminsverlustes nur ausüben, wenn er selbst seine Leistungen bereits erbracht hat, zumindest eine rückständige Leistung des Verbrauchers seit mindestens sechs Wochen fällig ist sowie der Unternehmer den Verbraucher unter Androhung des Terminsverlustes und unter Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen erfolglos gemahnt hat. Der bloße Verzug des Verbrauchers reicht zur Geltendmachung des vereinbarten Terminsverlustes nicht aus. Das Gesetz läßt vielmehr die Ausübung dieses Rechtes nur unter weiteren Voraussetzungen, darunter insbesondere einer qualifizierten Mahnung des Verbrauchers, zu (2 Ob 524/95; JBl 1992, 395; 2 Ob 609/88; SZ 57/69; Krejci, Handbuch zum KSchG, 458 f). Von diesen Voraussetzungen kann gemäß § 2 Abs 2 KSchG zu Lasten des Verbrauchers nicht abgewichen werden (Krejci aaO 459). Die klagende Partei hat zwar behauptet, die erforderliche qualifizierte Mahnung an den Beklagten abgesandt zu haben, der Zugang dieser Mahnung war allerdings nicht erweislich (vgl JBl 1992, 395; SZ 54/173). Die Mahnung wurde nämlich an eine von der klagenden Partei ausgeforschte Anschrift des Beklagten adressiert, an der er weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; die der klagenden Partei bekanntgewordene Adresse war unrichtig, der Beklagte war seit 24.8.1992 in einer Strafvollzugsanstalt inhaftiert. Daß ihm die Mahnung sonstwie zugekommen wäre, wurde nicht nachgewiesen.

Die Zugangsfiktion des § 6 Abs 1 Z 3 KSchG ist nicht eingetreten: Danach gilt eine für den Verbraucher rechtlich bedeutsame Erklärung des Unternehmers, die jenem nicht zugegangen ist, als ihm zugegangen, sofern es sich um die Wirksamkeit einer an die zuletzt bekanntgegebene Anschrift des Verbrauchers gesendeten Erklärung für den Fall handelt, daß der Verbraucher dem Unternehmer eine Änderung seiner Anschrift nicht bekanntgegeben hat. Feststeht, daß der Beklagte der klagenden Partei die Änderung seines Aufenthaltsorts nicht bekanntgab. Festgestellt ist aber auch, daß er der klagenden Partei nie die Anschrift bekanntgab, unter welcher die Zustellung der qualifizierten Mahnung versucht wurde. Diese Anschrift war der klagenden Partei vielmehr durch Nachforschungen des Kreditschutzverbands bekannt geworden. Der klagenden Partei wäre für den Fall der Zusendung der Mahnung an die ursprüngliche, vom Beklagten bekanntgegebene Anschrift kein Vorwurf zu machen und käme die Zugangsfiktion zum Tragen, weil die Bank die richtige Anschrift des Beklagten - wie sich herausgestellt hat - tatsächlich nicht kannte (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 61 zu § 6 KSchG). Punkt 14 zweiter Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) - dieser findet gemäß Punkt 65 AGB jedoch nur dann Anwendung, wenn der Kunde (= der Beklagte) der Kreditunternehmung eine Änderung seiner Anschrift nicht bekanntgegeben hat - wonach schriftliche Mitteilungen der Kreditunternehmung nach dem gewöhnlichen Postlauf als zugegangen gelten, wenn sie an die letzte der Kreditunternehmung bekanntgegebene oder sonst bekanntgewordene Anschrift abgesandt worden sind, kann nicht zur Anwendung kommen, weil § 6 Abs 1 Z 3 KSchG nur von der zuletzt bekanntgegebenen Anschrift des Verbrauchers spricht und - wie schon zuvor ausgeführt - gemäß § 2 Abs 2 KSchG zum Nachteil des Verbrauchers nicht von zwingenden Bestimmungen des KSchG abgewichen werden darf. Die Anzeige des Wohnsitz- bzw Aufenthaltswechsels könnte auch nur dann Wirkungen gegenüber dem Verbraucher (hier: Beklagten) entfalten, wenn sie ihm nach den allgemeinen Rechtsgeschäftsregeln zurechenbar wäre. Legt eine Bank die ihr nicht vom Kunden selbst bekanntgegebene neue Anschrift dem weiteren Geschäftsverkehr zugrunde, dann geschieht dies auf ihr Risiko (Avancini-Iro-Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 1/34). Die Bank muß immer den Zugang an die letzte bekanntgegebene Adresse beweisen; nur dann gilt eine von ihr abgesandte (rechtlich bedeutsame) Erklärung (zB qualifizierte Mahnung) auch dann als zugegangen, wenn der Empfänger verzogen ist (Avancini aaO Rz 1/37).

Wie das Gericht zweiter Instanz gleichfalls zutreffend erkannt hat, kann eine Klage, mit der Terminsverlust geltend gemacht wird, die Mahnung gemäß § 13 KSchG nicht ersetzen. Dies scheitert schon daran, daß mit der Klage die noch aushaftende Kreditforderung sofort fälliggestellt und nicht nur der Terminsverlust angedroht wird sowie daß die erforderliche Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen bei Einbringung einer Klage unterbleibt. Wenngleich grundsätzlich eine Mahnung auch gerichtlich im Wege einer Leistungsklage erfolgen kann (Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 904), so bestimmt doch § 13 KSchG, daß die gesamte noch offene Schuld erst gefordert (eingeklagt) werden darf, wenn eine dort beschriebene qualifizierte Mahnung stattgefunden hat. Entgegen der in RdW 1986, 268 vertretenen Ansicht kann die Zustellung einer Klage den Zugang einer qualifizierten Mahnung im Sinne des § 13 KSchG also nicht ersetzen (vgl JBl 1992, 395).

Die Ansicht des Berufungsgerichts, es hätte im vorliegenden Fall nicht der Erfüllung der Formerfordernisse der Mahnung und Nachfristsetzung bedurft, um den aushaftenden Kreditbetrag fälligzustellen, kann hingegen nicht geteilt werden. Wohl soll die Bestimmung des § 13 KSchG verhindern, daß ein Verbraucher durch den Terminsverlust überrascht wird und daß es eines solchen Schutzes dann nicht bedarf, wenn der Verbraucher die Vertragserfüllung von sich aus verweigert, sodaß in solchen Fällen die Mahnung und Nachfristsetzung zu einer nutzlosen Formalität herabsinken würden, wenn der säumige Vertragspartner die Erfüllung in einer Weise verweigert, daß es ausgeschlossen erscheint, er werde die gesetzte Nachfrist zur Nachholung der Erfüllung benützen (ÖBA 1995, 473; ÖBA 1994, 558; ÖBA 1991, 136; HS 24746; 3 Ob 544/84; SZ 54/173; SZ 40/53; Krejci aaO Rz 5 und 18 zu § 13 KSchG), doch ist ein solcher Sachverhalt, der die Annahme lebensfremd erscheinen ließe, der Beklagte hätte im Falle der Androhung des Terminsverlusts unter Nachfristsetzung Zahlung geleistet, nicht festgestellt. Der Beklagte hat niemals erklärt, seine Ratenverpflichtungen nicht erfüllen zu wollen, er hat lediglich lange Zeit hindurch keine Zahlungen geleistet. Dies und der Umstand, daß er in Haft genommen wurde und damit aller Wahrscheinlichkeit nach keine laufenden Einkünfte mehr hatte (vgl HS 24746), reicht aber ebensowenig für die Annahme aus, er sei nicht gewillt, den Vertrag zu erfüllen, wie der Umstand, daß ein Ansuchen an die klagende Partei, den aus dem Kreditvertrag aushaftenden Betrag umzuschulden, abschlägig beschieden wurde. Aus dieser Sachlage allein kann nicht geschlossen werden, der Beklagte wäre, falls ihm die sofortige Fälligkeit des gesamten aushaftenden Betrags vor Augen geführt worden wäre, nicht gewillt und in der Lage gewesen, den aushaftenden Rückstand innerhalb der zu setzenden Frist aufzubringen und damit die Erfüllung nachzuholen, insbesondere wenn man bedenkt, daß er nach den Feststellungen der Vorinstanzen immerhin Alleineigentümer einer - wenngleich belasteten - Liegenschaft ist und die Abdeckung der Schuld auch durch Zuwendungen aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis keineswegs ausgeschlossen ist. Die Mahnung des Beklagten hätte somit keine zwecklose Formalität dargestellt. Ihr Unterbleiben steht der Annahme des Eintritts des durch diese Säumigkeit ausgelösten Terminsverlusts entgegen (ÖBA 1991, 136).

Mangels qualifizierter Mahnung - auf den dadurch angeblich ausgelösten Terminsverlust allein ist das Klagebegehren gestützt - des Beklagten im Sinne des § 13 KSchG ist die klagende Partei daher nicht berechtigt, den vertraglich vereinbarten Terminsverlust geltend zu machen. Das Klagebegehren ist in Stattgebung der Revision abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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