OGH 2Ob609/88

OGH2Ob609/886.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*** UND K***, 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 13, vertreten durch Dr. Rudolf Fuchs und Dr. Christoph Raabe, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Emil S***, Arbeiter, 1030 Wien, Barthgasse 3/3/24, vertreten durch Dr. Hanno Preissecker, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 91.636,26 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5.September 1986, GZ 15 R 56/86-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Versäumungsurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11.November 1985, GZ 30 Cg 163/85-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 8.487,60 (darin keine Barauslagen und S 771,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 4.6.1985 gerichtsanhängig gemachten Klage begehrte die Klägerin die Zahlung von S 91.636,26 samt 16 % Verzugszinsen seit 1.10.1984 und brachte vor:

"Die (erst-)beklagte Partei hat bei der klagenden Partei Kredit in Anspruch genommen (für dessen Rückzahlung die zweitbeklagte Partei die Haftung als Mitschuldner zur ungeteilten Hand übernommen hat).

Da die (erst-)beklagte Partei mit der Bezahlung der zur Rückzahlung des gewährten Kredites vereinbarten Raten in Verzug geraten ist, hat die klagende Partei gemäß der getroffenen Vereinbarung den Kredit in der aus dem Urteilsbegehren ersichtlichen Höhe fälliggestellt.

Der begehrte Verzugszinsensatz entspricht der getroffenen Vereinbarung."

Das Erstgericht wies mit Versäumungsurteil vom 11.11.1985, ON 8, das Klagebegehren ab und führte aus, das Vorbringen in der Klage entspreche keinesfalls den Erfordernissen des § 226 Abs.1 ZPO und sei weder schlüssig noch überprüfbar. Zum einen sei nicht ersichtlich, wann dem Beklagten welches Darlehen in welcher Höhe gewährt wurde und zu welchen Bedingungen. Insbesondere sei nicht behauptet worden, wann der Beklagte entgegen der getroffenen Vereinbarung in Verzug geraten sei und zu welchem Zeitpunkt. Ebenso sei nicht ersichtlich, ob die allenfalls fällige Forderung der Klägerin unter Beobachtung der vereinbarten Formalitäten fällig gestellt worden sei; insbesondere auch nicht, ob die Bestimmungen des § 13 KSchG eingehalten worden seien. Weiters sei aus der Klage nicht ersichtlich, welcher Kapitalsbetrag zu welchem Zeitpunkt allenfalls fällig wurde und der Beginn des Zinsenlaufes sowie die Höhe der Zinsen bzw Verzugszinsen und der darüber getroffenen Vereinbarungen. Im Ergebnis sei daher das Gericht nicht in der Lage, die Berechtigung der Klägerin, einen bestimmten Kapitalsbetrag zu fordern, die Frage der Fälligkeit sowie die Höhe und des Beginnes des Zinsenlaufes zu beurteilen. Das Klagebegehren sei daher wegen Unschlüssigkeit abzuweisen gewesen.

Infolge Berufung der Klägerin änderte das Gericht zweiter Instanz das Versäumungsurteil des Erstgerichtes im Sinne der Klagsstattgebung ab. Das Berufungsgericht erachtete, der Klagsschrift sei das gesamte Tatsachenvorbringen zu entnehmen, das zur Schlüssigkeit einer Darlehensklage hinreiche: die Klägerin behaupte die Zuzählung eines Darlehens an den Beklagten, den Verzug des Beklagten, die Fälligstellung des noch aushaftenden Darlehensrestes (in Höhe des eingeklagten Betrages) mit 1.10.1984 sowie die aus dem Urteilsbegehren zu entnehmende Verzugszinsenvereinbarung. Damit sowie durch die unbestritten gebliebene Zuständigkeit des Erstgerichtes sei die Schlüssigkeit der Klage gegeben. Die Überprüfung der Richtigkeit stehe dem Erstgericht aber nicht zu, weil es sich nicht um ein amtswegiges Verfahren handle. Da der Beklagte keine Klagebeantwortung eingebracht, demnach die Säumnisfolgen zu tragen habe, sei das Versäumungsurteil spruchgemäß abzuändern gewesen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhob der Beklagte am 3.3.1987 Revision aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung. Er vertrat die Auffassung, daß die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision gemäß § 502 Abs.4 Z 1 ZPO gegeben seien.

Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zurückzuweisen, allenfalls dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben. Mit Beschluß vom 28.4.1987 stellte der Oberste Gerichtshof dem Berufungsgericht die Akten mit dem Auftrag zurück, in sein Urteil einen Ausspruch dahin aufzunehmen, ob die Revision gemäß § 502 Abs.4 Z 1 ZPO für zulässig erklärt werde.

Hierauf ergänzte das Berufungsgericht mit Beschluß vom 3.10.1988 den Spruch seines Versäumungsurteils vom 5.September 1986 durch den Ausspruch, daß die Revision nicht zugelassen werde. Zur Begründung führte das Berufungsgericht aus, der Streitwert, über den es entschieden habe, übersteige den Betrag von S 15.000, nicht aber jenen von S 300.000. Da die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit der ständigen Rechtsprechung auch nach Einführung des KSchG (RdW 1984, 308) gesichert sei, sei die Revision nach § 502 Abs.4 ZPO nicht zuzulassen und der Spruch nach § 500 Abs.3 ZPO zu ergänzen gewesen.

Aufgrund des Beschlusses des Berufungsgerichtes erhob der Kläger nunmehr eine "außerordentliche Revision", in der er ausführte, er sei zwar der Auffassung, daß die von ihm am 3.3.1987 eingebrachte Revision dem Revisionsgericht vorzulegen und von diesem zu behandeln sei, doch könnte immerhin die Rechtsansicht vertreten werden, daß das seinerzeitige Rechtsmittel der durch den nunmehr vorliegenden Berichtigungsbeschluß des Oberlandesgerichtes Wien geänderten Aktenlage nicht ausreichend Rechnung trage und daher nicht in zulässiger Weise ausgeführt sei. Aus Gründen der prozessualen Vorsicht erhebe er daher eine außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeitsfrage meinte der Beklagte, das Berufungsgericht vertrete die Ansicht, seine Entscheidung sei durch die ständige Rechtsprechung gesichert, wobei auf die in RdW 1984, 308 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 3.4.1984 4 Ob 503/83 hingewiesen werde, in welcher jedoch gerade die gegenteilige Meinung vertreten werde, als sie in der Berufungsentscheidung zum Ausdruck komme. Der Oberste Gerichtshof spreche in der zitierten Entscheidung aus, daß die in § 13 KSchG als Voraussetzung des Terminsverlustes angeführten rechtserzeugenden Tatsachen gemäß § 226 Abs.1 ZPO schon in der Klage anzuführen seien. An derartigen rechtserzeugenden Tatsachen fordere die zitierte Gesetzesstelle über die Zuzählung eines Darlehens an den Beklagten, den Verzug des Beklagten und die Fälligstellung des noch aushaftenden Darlehensrestes hinaus, daß zumindest eine rückständige Leistung des Verbrauchers seit mindestens sechs Wochen fällig sei sowie der Unternehmer den Verbraucher unter Androhung des Terminsverlustes und unter Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen erfolglos gemahnt habe. Das Berufungsgericht gehe in seiner Entscheidung hingegen davon aus, es reiche die Behauptung der Zuzählung eines Darlehens an den Beklagten, des Verzuges des Beklagten, der Fälligstellung des noch aushaftenden Darlehensrestes (in Höhe des eingeklagten Betrages) mit 1.10.1984 sowie der aus dem Urteilsbegehren zu entnehmenden Verzugszinsenvereinbarung aus. Diese Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes sei mit der zitierten Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofes nicht in Einklang zu bringen. Da das Berufungsgericht sohin in der bekämpften Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweiche, sei die Revision nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig, zumal der hier entscheidenden Frage auch erhebliche Bedeutung zukomme. Der Beklagte beantragte die Abänderung des Urteils des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils.

Rechtliche Beurteilung

Seinen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

Mit Rücksicht auf den nachträglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes im Sinne des § 500 Abs.3 ZPO ist die "außerordentliche Revision" des Beklagten als zulässige Ergänzung seiner Revision vom 3.3.1987 gegen das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne des § 506 Abs.1 Z 5 ZPO zu beurteilen. Entgegen der im Ausspruch nach § 500 Abs.3 ZPO vertretenen, für das Revisionsgericht nicht bindenden (§ 508 Abs.1 ZPO) Auffassung des Berufungsgerichtes, ist die Revision nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes zulässig; da die Klägerin bereits in ihrer Revisionsbeantwortung zur Revision des Beklagten vom 3.3.1987 zu den im Zusammenhang mit der Zulässigkeit und der Berechtigung der Revision maßgebenden Fragen ausführlich Stellung genommen hat, war die Mitteilung an den Revisionsgegner im Sinne des § 508 a Abs 2 ZPO, daß ihm eine neuerliche Revisionsbeantwortung zu dem als "außerordentliche Revision" bezeichneten ergänzenden Schriftsatz des Beklagten freistehe, entbehrlich.

Das Berufungsgericht hat den Ausspruch, daß die Revision nicht zulässig sei, damit begründet, daß seine Entscheidung durch die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch nach Einführung des Konsumentenschutzgesetzes gesichert sei, und sich hiefür auf die in RdW 1984, 308 veröffentlichte Entscheidung gestützt.

In der E. 4 Ob 503/84, veröffentlicht in SZ 57/69 und RdW 1984, 308, hat der Oberste Gerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall ausgeführt, entscheidend sei die Rechtsfrage, ob bei einem Verbrauchergeschäft im Sinne des § 1 KSchG - wie es auch im vorliegenden Fall von den Vorinstanzen nach der Aktenlage zutreffend (der Beklagte ist von Beruf Arbeiter) und im übrigen unbekämpft angenommen wurde - die vom Unternehmer zur Geltendmachung des Terminsverlustes eingebrachte Klage nur dann schlüssig ist (§ 396 ZPO), wenn sie auch entsprechende Behauptungen über den Eintritt jener tatsächlichen Voraussetzungen enthält, von denen § 13 KSchG die Ausübung dieses Rechtes abhängig macht (Erbringung der eigenen Leistungen des Unternehmers, mindestens sechswöchiger Leistungsverzug des Verbrauchers, qualifizierte Mahnung). Diese Frage könne über den konkreten Fall hinaus auch für andere gleichartige Rechtsstreitigkeiten bedeutsam werden; ihr müsse daher entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes sehr wohl erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung (§ 502 Abs.4 Z 1 ZPO) zugebilligt werden.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsmeinung an und erachtet auch im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO als gegeben. Wie der Oberste Gerichtshof in der genannten Entscheidung weiter darlegte, müsse das Gericht bei der ihm gemäß § 396 ZPO obliegenden Schlüssigkeitsprüfung selbständig beurteilen, ob die nach der angeführten Gesetzesstelle für wahr zu haltenden Tatsachenbehauptungen des Klägers ausreichten, um das Klagebegehren als berechtigt zu erkennen. Solle das auf Antrag des erschienenen Klägers zu fällende Versäumungsurteil dem Klagebegehren stattgeben, dann müsse schon die Klage alle für das Begehren notwendigen rechtserzeugenden Tatsachen enthalten; sei das Vorbringen und damit in der Folge auch die Sachgrundlage gemäß § 396 ZPO unvollständig, dann sei das Klagebegehren mangels Schlüssigkeit abzuweisen (Fasching III 621 f, § 396 ZPO Anm.7). Nach § 226 Abs.1 ZPO seien die rechtserzeugenden Tatsachen in der Klage kurz und vollständig anzugeben; daraus folge, daß das Fehlen einer ausdrücklichen Behauptung (nur) dann nicht schade, wenn sich die betreffende Tatsache schlüssig aus dem übrigen Tatsachenvorbringen des Klägers ergibt (Fasching aaO 36 f; § 226 ZPO Anm.7). Gemäß § 13 KSchG dürfe der Unternehmer das ihm vertraglich vorbehaltene Recht des Terminsverlustes nur ausüben, wenn er selbst seine Leistungen bereits erbracht habe, zumindest eine rückständige Leistung des Verbrauchers seit mindestens sechs Wochen fällig sei sowie der Unternehmer den Verbraucher unter Androhung des Terminsverlustes und unter Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen erfolglos gemahnt habe. Der bloße Verzug des Verbrauchers reiche also hier zur Geltendmachung des vereinbarten Terminsverlustes nicht aus; das Gesetz ließe vielmehr die Ausübung dieses Rechtes nur unter weiteren Voraussetzungen, darunter insbesondere einer qualifizierten Mahnung des Verbrauchers, zu. Diese rechtserzeugenden Tatsachen habe der Unternehmer gemäß § 226 Abs.1 ZPO schon in der Klage auszuführen. Fehle es an entsprechenden Behauptungen, dann könne der Klageanspruch aus den vorgebrachten Tatsachen nicht abgeleitet werden; das Klagebegehren sei in diesem Fall gemäß § 396 ZPO mangels Schlüssigkeit mit (negativem) Versäumungsurteil abzuweisen. Ausgehend von diesen vom erkennenden Senat gebilligten Grundsätzen kann die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, im vorliegenden Fall enthalte die Klageschrift das gesamte zur Schlüssigkeit einer Darlehensklage hinreichende Tatsachenvorbringen, nicht gebilligt werden, weil sich aus der vom Berufungsgericht zur Begründung seines Ausspruches nach § 500 Abs.3 ZPO zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gerade das Gegenteil ergibt. Somit war der Revision Folge zu geben und in Abänderung der Entscheidung der zweiten Instanz das Versäumungsurteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO; für das Verfahren erster und zweiter Instanz hat der Beklagte keine Kosten verzeichnet.

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