OGH 8Ob2328/96b

OGH8Ob2328/96b12.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** AG, *****, vertreten durch Dipl.Vw.DDr.Armin Santner und Dr.Peter Lechner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Albert K*****, 2.) Verlassenschaft nach Emma K*****, beide vertreten durch Dr.Adolf Ortner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 997.257,18 sA, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 21.Oktober 1996, GZ 1 R 239/96y-71, womit die Berufungen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27.Juni 1996, GZ 7 Cg 6/95s-66, als verspätet zurückgewiesen wurden, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Gericht zweiter Instanz die Berufungen der beklagten Parteien deswegen als verspätet zurück, weil alle Wechselstreitigkeiten auch wenn sie im Wege einer gewöhnlichen Klage und nicht im Wechselmandatsverfahren geltend gemacht werden, Ferialsachen iSd § 224 Abs 2 Z 1 ZPO seien.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien, der nicht berechtigt ist.

Die Rekurswerber meinen, § 224 Abs 1 Z 1 ZPO, der von "Wechselstreitigkeiten" spricht, beziehe sich nur auf Fälle, in denen der Anspruch aus Wechseln in einer besonderen Verfahrensart geltend gemacht würde. Durch die ZPO-Novelle 1979 seien die letzten geringfügigen Besonderheiten des Wechselverfahrens "ohne Wechselzahlungsauftrag" beseitigt worden; eine besondere Verfahrensart gebe es nur mehr, wenn ein Wechselzahlungsauftrag beantragt werde; daher dürften die in § 224 Abs 1 Z 1 ZPO genannten "Wechselstreitigkeiten" nur auf die in der besonderen Verfahrensart des Wechselzahlungsauftrages geltend gemachten Ansprüche aus Wechseln bezogen werden; sie bezögen sich nicht auf normale Gerichtsverfahren, in denen lediglich materielles Wechselrecht anzuwenden sei; die Ausführungen Faschings in Komm IV/4593 seien daher überholt. Für diese Auslegung spräche auch, daß die übrigen im § 224 Abs 1 ZPO genannten Ferialsachen sich auf "privilegierte Verfahrenstypen" und nicht auf ordentliche Verfahren bezögen. Jede andere Auslegung liefe den Absichten des Gesetzgebers zuwider, die eindeutig auf Fristvereinheitlichtung, Beseitigung benachteiligender formaler Fallstricke und damit auf Erhöhung der Rechtssicherheit und Sachgerechtigkeit gerichtet wären.

Diese Rechtsausführungen überzeugen nicht.

Der Wechselprozeß ist durch die inhaltlich beschränkte Kognition des Gerichtes gekennzeichnet; dem Gericht, welches zur Entscheidung über einen auf einen Wechsel gestützten Anspruch angerufen wird, ist es verwehrt, zu prüfen, ob der Klagsanspruch zwar nicht aus dem Wechsel selbst, aber dafür aus einem anderen Rechtsgrund, insbesondere dem Grundgeschäft, berechtigt ist.

Auch durch die ZPO-Novelle 1979 BGBl 140, sind nicht alle Besonderheiten des Wechsel- und Scheck(rückgriffs)prozesses (§§ 550 - 559 ZPO) beseitigt worden.

Aus Gründen der Wechselstrenge ist zur leichteren und rascheren Durchsetzung bei wechselmäßigen Ansprüchen das Mandatsverfahren vorgesehen. Darüberhinaus bestehen aber für alle wechselmäßigen Ansprüche (das sind alle auf Zahlung oder Erlag von Geld gerichteten, aus einem Wechsel abgeleiteten und auf das Wechselgesetz gestützten Ansprüche mit Ausnahme der wechselmäßigen Bereicherungsansprüche), gleichgültig ob sie in diesem Spezialverfahren oder im Wege einer gewöhnlichen Klage durchgesetzt werden, Sondervorschriften, die der sachgerechten und raschen Erledigung dienen.

Von den schon vor der Novelle 1979 an sich nur geringfügigen Abweichungen vom normalen Gerichtshofsverfahren entfielen durch diese Novelle die kürzere Leistungs- und Rechtsmittelfrist und die Eventualmaxime für Einwendungen im Wechselmandatsverfahren. Erhalten blieben aber folgende Sondervorschriften: Die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichtes bzw des Gerichtshofes 1. Instanz in Handelssachen bei einem (nunmehr) S 100.000,-- übersteigenden Streitwert; unter dieser Grenze Zuständigkeit des Bezirksgerichtes, in Wien des Bezirksgerichtes für Handelssachen (die Wertzuständigkeit wurde durch die ZPO-Novelle 1983 eingeführt); bei der örtlichen Zuständigkeit gibt es zusätzlich den Wahlgerichtsstand des Zahlungsortes (§ 89 JN) und den erweiterten Wahlgerichtsstand der Streitgenossenschaft (§ 93 Abs 2 JN); die Befreiung ausländischer Kläger von der Prozeßkostensicherheitsleistung (§ 57 Abs 1 Z 4 ZPO); die nur eingeschränkte Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Wiederaufnahmsklage (§ 556 ZPO); unverändert erhalten blieb aber auch die Vorschrift des § 224 Abs 1 Z 1 ZPO, wonach "Wechselstreitigkeiten" stets Ferialsachen sind.

Entgegen der Meinung der Rekurswerber kann also nicht davon ausgegangen werden, daß sämtliche Sondervorschriften für wechselmäßige Ansprüche, die nicht im Wechselmandatsverfahren mittels Wechselzahlungsauftrag geltend gemacht werden, durch die Novelle 1979 beseitigt wurden (Fasching, Lehrbuch**2 Rz 2125 ff), vielmehr muß diese Vorschrift unverändert ausgelegt werden. Sie ist eine der im Interesse der sachgerechten und raschen Erledigung aufrechterhaltenen verfahrensrechtlichen Sondervorschriften, die für alle Wechselstreitigkeiten, gleichgültig, ob sie im Spezialverfahren des Wechselmandatsverfahrens oder im Wege einer gewöhnlichen Klage durchgesetzt werden, gilt (in diesem Sinn bereits 2 Ob 641/85; 8 Ob 562/87 und 7 Ob 670/87).

Von "formalen Fallstricken" kann hinsichtlich des unverändert beibehaltenen klaren Wortlautes des § 224 Abs 1 Z 1 ZPO keine Rede sein; hatte der Beklagtenvertreter dennoch Zweifel, ob auch in ordentlichen Verfahren geltend gemachte Wechselstreitigkeiten wirklich Ferialsachen wären, hätte es anwaltlicher Vorsicht entsprochen, die Berufungen jedenfalls zu einem Zeitpunkt einzubringen, in dem sie auch als Ferialsache noch rechtzeitig gewesen wären.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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