OGH 15Os175/96

OGH15Os175/965.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Huber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann G***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 StGB sowie weiterer Straftaten über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 12. Juli 1996, GZ 11 Vr 641/95-159, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Johann G***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch andere Entscheidungen enthält, wurde Johann G***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und Z 2 StGB (A) sowie der Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und Abs 2 StGB (B), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (D) sowie des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (E) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Nur die Schuldsprüche in den Fakten A und E des Urteilssatzes bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Als Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und Z 2 StGB liegt ihm zur Last, am 26.Juni 1995 in Judenburg gemeinsam mit Gerhard W***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als umittelbare Täter Berechtigte des Gasthauses "V*****" und des Sparvereins "Sparrunde V*****" einen Bargeldbetrag in nicht näher bekannter Höhe, indem sie das WC-Fenster aushebelten sowie in der Folge im Lokal befindliche Spielautomaten und Sparvereinskästen aufbrachen, durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch diese Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern; inhaltlich der Verurteilung wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB hat er am 3.Juli 1995 in J***** die Gendarmeriebeamten Bezirksinspektor Manfred B*****, Inspektor Günther K***** und Inspektor Harald D*****, die im Begriffe standen, ihn festzunehmen, durch die ihnen gegenüber, unter gleichzeitigem Vorhalt zweier Küchenmesser getätigten Äußerungen, sie würden ihn nicht bekommen, er habe noch ein zweites Messer mit, sowie er sei zu allem bereit, mithin durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung, nämlich (wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt) seiner Festnahme, zu hindern versucht.

Den Schuldspruch wegen Einbruchsdiebstahls ficht der Beschwerdeführer aus der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO an. In Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes zeigt der Angeklagte kein Vorliegen einer Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder Aktenwidrigkeit in bezug auf entscheidende Tatsachenfeststellungen auf. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich in der Behauptung, die zum Schuldspruch führenden Urteilsfeststellungen bewegten sich auf dem Niveau einer unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten, weil das abgeführte Beweisverfahren keine für eine Verurteilung wesentlichen Ergebnisse in bezug auf eine Mittäterschaft des Angeklagten G***** erbracht habe. Auch die Urteilsfeststellung, es sei fast auszuschließen, daß auf Grund der Höhe des Fensters eine Aushebelung durch eine einzige Person möglich sei, besage, daß diese Möglichkeit nicht mit 100 %-iger Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Wenn das Schöffengericht damit aber die Feststellung begründe, daß beide Angeklagten gemeinsam den gegenständlichen Einbruchsdiebstahl verübt haben, überspanne es das Recht der freien Beweiswürdigung; es habe ungeklärt gebliebene Umstände, nämlich inwieweit und in welcher Form der Angeklagte G***** tatsächlich beim Einbruchsdiebstahl in das Gasthaus "V*****" mitbeteiligt war, zum Nachteil dieses Angeklagten ergänzt. Die angebliche Hilfeleistung, das Herausreißen von zwei im Lokal befindlichen Sparvereinskästen aus der Mauerverankerung, das Verbringen in ein unmittelbar vor dem Lokal befindliches Feld, wo die Täter die Kästen aufgebrochen und sich das darin befindliche Bargeld in unbekannter Höhe zugeeignet hätten, seien Feststellungen, die dem Grundsatz des "in dubio pro reo" widersprächen; die Vermutung, daß W***** Hilfe gebraucht hätte oder hat, sei an sich kein Beweis für die Mittäterschaft des Beschwerdeführers, zumal keinerlei konkrete Beweise oder verwertbare Zeugenaussagen vorlägen, die ihn mit der Tat in Verbindung bringen.

Soweit der Beschwerdeführer auf den Grundsatz "in dubio pro reo" abstellt, bringt er keinen formalen Begründungsmangel zur Darstellung, sondern verfällt in eine im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässige Schuldberufung (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 258 E 42 uam). Im weiteren Vorbringen kann - im Zweifel für den Rechtsmittelwerber - die Behauptung einer unzureichenden Begründung in bezug auf seine Tatbeteiligung erblickt werden; tatsächlich aber liegen hinsichtlich des bekämpften Urteilsfaktums die behaupteten Begründungsmängel nicht vor.

Dem Beschwerdevorbringen ist zunächst generell zu erwidern, daß nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO in den Entscheidungsgründen in gedränger Darstellung, aber mit voller Bestimmtheit anzugeben ist, welche Tatsachen und aus welchen Gründen der Gerichtshof sie als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat, sowie von welchen Erwägungen er bei der Entscheidung der Rechtsfrage oder bei Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen geleitet wurde. Diese Gründe müssen den Denkgesetzen entsprechen. Auf Grund denkrichtiger Schlußfolgerungen aus erwiesen angenommenen Tatsachen kann das Gericht auch zur Überzeugung von der Richtigkeit weiterer Tatsachen kommen und diese somit gleichfalls als erwiesen annehmen.

Ein Urteil ist unvollständig begründet, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche zwischen den Aussagen der vernommenen Personen nicht würdigt oder dies seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise nicht für stichhältig erachtet. Keine Unvollständigkeit im Sinne der Z 5 liegt dann vor, wenn das Gericht nicht alle Verfahrensergebnisse in extenso erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im voraus auseinandersetzt. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Darstellung die entscheidenden Tatsachen bezeichnet sowie schlüssig und denkmöglich begründet, warum er von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen.

Nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 285 Abs 2 StPO) berechtigen das Gericht nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu Tatsachenfeststellungen. Wenn daher aus den formal einwandfrei ermittelten Prämissen für den Angeklagten auch günstigere Schlußfolgerungen möglich waren, sich das Gericht aber dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren entscheidet, die diesem bloß nicht genug überzeugend erscheinen, ist das Urteil nicht unzureichend begründet, vielmehr hat das Gericht solcherart einen mit Nichtigkeitsbeschwerde unanfechtbaren Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung gesetzt (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 258 E 21 f, 26, 42 f, 49 a; § 281 Z 5 E 147, 148).

Fallbezogen hat das Schöffengericht auf Grund der erwiesenen Identität der am oberen Rahmen des Fensters zum Damen-WC des Gasthauses "V*****" aufgefundenen Fingerabdruckspuren mit den Fingerabdrücken des Gerhard W***** und der Fensterhöhe von 1,80 m "fast" ausgeschlossen, daß W***** das Fenster allein ausgehebelt hat; das Gericht kam daher zum Schluß, daß der Angeklagte G***** dem Angeklagten W***** beim Aushebeln des Fensters Hilfe geleistet hat, zumal die Verantwortung des Beschwerdeführers über sein Alibi in der Tatnacht von den Tatrichtern in ausführlicher, auf Beweisergebnisse gestützten Begründung als widerlegt angesehen wurde. Daß G***** am Aufbrechen der Spielautomaten und Sparvereinskästen mitgewirkt hat, ist angesichts des vorhin Gesagten gleichfalls eine denkmögliche Schlußfolgerung.

Nicht aktengetreu ist das weitere Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde, daß das Beweisverfahren in der Hauptverhandlung am 12.Juli 1996 ergeben habe, daß der Taxilenker K***** den Mitangeklagten W***** nicht erkannt habe und die Urteilsfeststellung, daß sich die beiden Angeklagten nach der Tat gemeinsam gegen 4,45 Uhr in die Mozartgasse in Judenburg bringen ließen, nicht begründet und durch das Ergebnis des Beweisverfahrens widerlegt sei. Der Zeuge K***** hat nämlich nach Gegenüberstellung mit beiden Angeklagten angegeben, er sei schon der Meinung, daß es die beiden gewesen seien, die er damals mit dem Taxi in die Mozartgasse gebracht habe; sie hätten sich mittlerweile aber verändert, er sei der Meinung, daß sie heute längeres Haar hätten als damals (S 517/II).

Den Schuldspruch wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt bekämpft der Angeklagte aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider haften dem Ersturteil Begründungsmängel hinsichtlich der subjektiven Tatseite nicht an. Aus der Tatsache der zweimaligen Flucht des Beschwerdeführers und dem Umstand, daß er sich unter Vorhalt zweier Messer gegen die Aufforderung, sich zu ergeben, zur Wehr setzte, durfte das Erstgericht mängelfrei die Feststellung treffen, daß der Angeklagte durch gefährliche Drohung die Gendarmeriebeamten an seiner Festnahme hindern wollte. Daß G***** sich nur von dem ihm bekannten Revierinspektor Z***** festnehmen lassen wollte - worauf er keinerlei Anspruch hatte - und daß er sich nach dessen Eintreffen auch widerstandslos festnehmen ließ, betrifft keine entscheidende Tatsache in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) läßt eine gesetzmäßige Ausführung vermissen, weil sie nicht, was hiefür Voraussetzung wäre, den Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.

Indem der Beschwerdeführer vorbringt, er habe nicht die Vereitelung seiner Verhaftung durch die zunächst einschreitenden Gendarmeriebeamten erreichen wollen, sondern lediglich die Möglichkeit eines Gespräches mit dem Gendarmeriebeamten Z*****, negiert er die Konstatierung, daß er durch die im Spruch genannten Äußerungen die dort angeführten Gendarmeriebeamten an seiner Festnahme hindern wollte (US 13).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Der in der gemäß § 35 Abs 2 StPO eingebrachten Äußerung des Angeklagten hervorgehobene Umstand, daß die Nichtigkeitsbeschwerde unter der Annahme des Zutreffens der Stellungnahme der Generalprokuratur (teilweise) bereits vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes hätte zurückgewiesen werden können, tangiert nicht die beim Unterbleiben eines solchen Ausspruches eintretende Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofes (s § 285 d Abs 1 Z 1 StPO).

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten G***** fällt demnach in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).

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